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Forschungsmethodik

In dieser Arbeit wird zunächst untersucht, wie sich das Verständnis von Achtsamkeit un-ter Berücksichtigung gesellschaftlicher Prozesse in seiner historischen Entwicklung ver-ändert hat und in welcher Form es von einzelnen BildungswissenschaftlerInnen rezi-piert wurde. Dieses Forschungsvorhaben bedarf eines hermeneutischen Vorgehens.

1.2.1 Hermeneutik als methodische Basis

Die Hermeneutik als regelgeleitete Methode der Interpretation folgt einer Theorie der Interpretation. Diese fußt auf der Reflexion der Bedingungen der Möglichkeit des Ver-stehens (Haan & Rückler, 2002, S. 16–21). Gegenstand der Erkenntnis ist stets etwas Menschliches, dessen Bedeutung erfasst werden soll. Vom Äußeren, dem Ausdruck oder sinnlich Gegebenem, kann durch Verstehen auf das Innere, die Bedeutung oder den Sinn des hermeneutischen Gegenstands, geschlossen werden. Es werden weder Motive einzelner Handelnder noch flüchtige Zufälligkeiten untersucht, die unmittelbar erfass-bar sind. Stattdessen wird versucht dauernd fixierte Lebensäußerungen in einem allge-meinmenschlichen (Lebens-)Zusammenhang zu verstehen (Danner, 1998, S. 34–47).

Es gibt keine allgemein anerkannte Theorie der Hermeneutik. Das Verständnis dessen, was Verstehen bedingt, ermöglicht, benötigt und begrenzt, unterscheidet sich je nach AutorIn und somit auch die spezifische Vorgehensweise (ebd., S. 33 f.). Hermeneuti-sche Regeln, sofern sie formuliert werden, hängen von diesen Überlegungen ab. Erstere können letztere nicht ersetzen, sie sind nur Ausdruck dieser. Anders gesagt: Regeln be-schreiben, was bei einem Verstehensprozess passiert (ebd., S. 61 f.).

Zum Beispiel lautet eine Standardregel, dass man immer den geschichtlichen Kontext mit bedenken muss, wenn man ein Dokument interpretiert. […] Zu den Regeln gehört auch, dass man sich seiner Vormeinungen über den Text, das Bild oder die Handlungen anderer Menschen bewusst sein sollte, wenn man eine In-terpretation vollzieht. Denn wenn man die eigenen Vormeinungen nicht kontrol-liert, kann eine Interpretation leicht bloß subjektiv bleiben. (Haan & Rückler, 2002, S. 18)

Es muss zwischen vermeidbarer und wesensmäßiger Subjektivität unterschieden werden (Danner, 1998, S. 63). Letztere ist kein Manko der hermeneutischen Methode. Sie

be-einträchtigt die Objektivität der Interpretation nicht. Im Gegenteil, sie ist eine Vorbedin-gung des Verstehens. Sie ermöglicht den Zugriff auf den objektiven Geist, d.h. der Summe von Gemeinsamkeiten von Sinngebungen. Dieser ist jedoch historisch und so-ziokulturell bedingt, weshalb kein Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhoben werden kann, sofern darunter ein von jeder/jedem jederzeit Überprüfbares verstanden wird.

Doch ist hermeneutisches Verstehen auch nicht nur Ergebnis willkürlicher Subjektivität.

Ziel ist die Angemessenheit einer Erkenntnis an ihren Gegenstand, welche als herme-neutische Objektivität bezeichnet wird (ebd., S. 47–55).

Indem Teil und Ganzes, Vorverständnis und zu Verstehendes, sowie Theorie und Praxis in Verbindung gesetzt werden, erhellen sie sich gegenseitig. Man spricht vom herme-neutischen Zirkel. Dieser ist weder ein circulus vitiosus noch eine Addition verschiede-ner Elemente. Durch die Bewegung des hermeneutischen Zirkels, soll es zu einem Ver-stehen kommen. Die hermeneutische Differenz zwischen dem Verstandenen und dem zu Verstehenden kann dadurch zwar nicht vollständig aber zumindest annäherungsweise überwunden werden (ebd., S. 55–61).

Nachdem die Hermeneutik in ihren Grundzügen erläutert wurde, sei noch auf eine von Danner zusammengestellte Liste an Fragen verwiesen, welche beim Interpretationspro-zess beachtet wurde. Es handelt sich dabei nicht um einen Regelkatalog, sondern viel-mehr um Hilfestellungen (ebd., S. 62 f.).

In dieser Arbeit wird außerdem ein konkretes Kursangebot untersucht, ein Vorhaben, das zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit eine systematischere Form der Untersuchung verlangt.

1.2.2 Textinterpretation

Die Textinterpretation kann als Spezialfall der Hermeneutik betrachtet werden, da sie denselben methodologischen Prinzipien folgt. Eine Konkretisierung erhalten diese nun durch die Beschreibung der Methode der Textinterpretation. Die Handlungsanweisun-gen untergliedert Danner in drei aufeinanderfolHandlungsanweisun-gende Verfahrensschritte (ebd., S. 93–

96). Er merkt an: „Diese Regeln geben keinen strengen Plan mit einer festen

Reihenfol-ge an; sie Reihenfol-gehen ineinander über. Ihr Tenor ist nicht streng technologisch; es Reihenfol-geht auch um das Gewinnen einer bestimmten wissenschaftlichen Haltung.“ (ebd., S. 96)

Vorbereitende Interpretation

Im ersten Schritt erfolgt eine Text- und Quellenkritik. Das heißt: Der Text wird auf sei-ne Authentizität geprüft. Da in dieser Arbeit lediglich zeitgenössische Texte eisei-ner struk-turierten Textinterpretation unterzogen werden, ist lediglich darauf zu achten, die aktu-ellste Ausgabe zur Analyse heranzuziehen. Die eigene Vormeinung wird reflektiert, ins-besondere vergegenwärtigt man sich das persönliche Vorverständnis, das Vorwissen und die leitende Fragestellung. Durch eine erste Beschäftigung mit dem Text wird der allge-meine Sinn des Textes bzw. die Kernaussage des Textes erschlossen, so dann wird zum nächsten Schritt übergegangen (ebd., S. 94).

Textimmanente Interpretation

Der Text wird hinsichtlich seiner Semantik und Syntax untersucht. Die Regeln der Lo-gik ergänzen die grammatischen Untersuchungen. Indem das Ganze mit dem Teil und das Vorverständnis mit den neuen Informationen in Beziehung gesetzt werden, wird der hermeneutische Zirkel bewegt. Der Scopus des Textes bewährt oder verändert sich. Wi-dersprüche werden als Nicht-Verstehen des Interpretierenden gewertet. Der Wider-spruch wird nicht als Fakt dargestellt, sondern als Ergebnis des eigenen Interpretations-prozesses (ebd., S. 94 f.).

Koordinierende Interpretation

Ein tieferes Verständnis des Textes kann durch die Einholung und Berücksichtigung weiterer Informationen gewonnen werden. Beispielsweise kann es nützlich sein, den Text im Kontext des Gesamtwerkes der/des AutorIn zu beleuchten bzw. vor dem Hinter-grund seiner Biographie (ebd., S. 95 f.).

Generell empfiehlt Danner bei der Interpretation den Text zu gliedern (ebd., S. 95). Zu diesem Zwecke werden Teile der inhaltsanalytischen Strukturierungstechnik nach May-ring angewandt.

1.2.3 Inhaltsanalytische Strukturierungstechnik

Es handelt sich dabei um eine qualitative Forschungsmethode, weil nicht oder nur in Teilbereichen quantifiziert wird. Da a priori theoretische Analysekriterien definiert wer-den, bezeichnet man sie nicht als interpretative Sozialforschung im strengeren Sinn (Lamnek, 2005, S. 506).

Am Anfang jeder Analyse steht die Bestimmung des Ausgangsmaterials. Die Inhaltsana-lyse stellt kein Standardinstrument dar, sondern muss dem Forschungsvorhaben entspre-chend angepasst werden (Mayring, 2010, S. 49 f.). Mayring beschreibt drei grundlegen-de Analysetechniken, wobei für die Zwecke dieser Arbeit auf die inhaltliche Strukturie-rung zurückgegriffen wird. Sie ermöglicht „[…] bestimmte Aspekte aus dem Material herauszufiltern, unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einen Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgrund bestimmter Kriterien einzuschätzen.“

(ebd., S. 65) Da die Analyse darauf abzielt, das Kursangebot auf Basis des Bildungsver-ständnisses von Ö-Cert auf seine Tauglichkeit als erwachsenbildnerische Maßnahme zu untersuchen, bietet sich dieser Zugang an. Im Fokus steht nicht der kognitive, emotio-nale und Handlungshintergrund des Produzenten oder die Rezeption durch die Teilneh-merInnen. Vielmehr ist die Analyse auf die konkrete Darstellung der im Kurs vermittel-ten Achtsamkeitsübungen ausgerichtet (ebd., S. 56 f.).

Von zentraler Bedeutung ist das Kategoriensystem anhand dessen das Material unter-sucht wird (ebd., S. 49). Die Haupt- und Unterkategorien werden theoriegeleitet gebil-det, d.h. sie werden auf Basis des bisherigen Forschungsstandes zum Gegenstand de-duktiv abgeleitet (ebd., S. 66). Ein Probedurchlauf zeigt, ob die Kategorien dem Mate-rial und Forschungsvorhaben entsprechen und können bei Bedarf angepasst werden. In weiterer Folge wird das extrahierte Material pro Kategorie zusammengefasst. In einem letzten Schritt wird das Material hinsichtlich der Fragestellung(en) unter Einbezug wei-terer Quellen interpretiert (ebd., S. 98 f.).