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VOM STÄDTISCHEN RAUM *

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 127-135)

Einleitung

Das große Interesse der archäologischen Forschung an der städtischen Lebenswelt hält seit mehreren Jahrzehnten ungebrochen an. Vor diesem Hintergrund kommt den Fragen, wie die Mitglieder einer Gesellschaft ihre eigene Umwelt repräsentieren und welche Vorstellungen diesen Repräsentationen zugrunde liegen, besondere Bedeutung zu. Zahlreiche römische Stadtdarstellungen in Relief, Mosaik und Wandmalerei können zur Beantwortung dieser Fragen beitragen. Es fällt auf, dass sie alle nur wenige ausgesuchte, offenbar als besonders signifikant erachtete Elemente der Stadt wiedergeben.

Auftraggeber und Produzenten gingen also bei der Konzeption der Stadtikonografien selektiv vor.

Was als darstellenswert erachtet wurde, unterscheidet sich von Fall zu Fall: Die Ikonografie der Stadt ist weder in diachroner Hinsicht über die gesamte Antike hinweg konstant noch vor einem synchronen kulturellen Horizont kohärent, wie schon Johannes Deckers und Annette Haug mit ihren Arbeiten zu den spätantiken Stadtdarstellungen zeigen konnten.1 So tauchen beispielsweise — wenig überraschend

— christliche Motive erst in Bildern des 4. Jh. n. Chr. auf. Man wird also davon ausgehen dürfen, dass aus den Kriterien, die der Auswahl der Bildelemente zugrunde lagen, auf bestimmte, den jeweiligen Auftraggebern oder Künstlern eigene Ideale von Urbanität geschlossen werden kann.

Während die archäologische Forschung dies für bestimmte Epochen und Denkmälergattungen be-reits versucht hat,2 wurde das Potential der früh- und hochkaiserzeitlichen Staatsreliefs unter dem ge-nannten Gesichtspunkt noch kaum ausgeschöpft. Bisherige Arbeiten zum Thema konzentrierten sich auf die Frage nach der Benennung der dargestellten Architekturen und den Vergleich mit dem tatsäch-lichen Baubefund.3 Tiefergehende Deutungsversuche wurden hingegen nicht in systematischer Weise unternommen. Dies ist umso erstaunlicher, da wir gerade für jene Gattung und für diesen Zeitraum über zahlreiche Befunde verfügen, die eine vergleichende Analyse gestatten, und zudem über die Dar-stellungsabsichten der Auftraggeber vergleichsweise gut unterrichtet sind. Als ein besonders vielver-sprechendes Monument erweist sich in dieser Hinsicht die Trajanssäule. Es ist das Ziel dieses Bei-trags, eine Reihe von Stadtdarstellungen auf den Säulenreliefs und ausgesuchten weiteren Staatsreliefs für den geschilderten Diskurs zu erschließen und Möglichkeiten der Interpretation aufzuzeigen. Indem die Stadtdarstellungen auf der Trajanssäule in ihren kunst- und kulturhistorischen Kontext eingeordnet werden, soll im Folgenden aber auch der Deutung dieses herausragenden Monuments eine neue Facet-te abgewonnen werden.

* Die im Folgenden vorgestellten Überlegungen sind in jeder Hinsicht noch vorläufig. Sie bedürfen zweifellos weiterer Nachforschungen und stellen daher nur den Ausgangspunkt für eine breiter angelegte Untersuchung zum Thema dieses Bei-trags dar. Umso dankbarer bin ich daher den Veranstaltern der Tagung — Prof. Dr. Fritz Mitthof und Prof. Dr. Günther Schörner —, dass sie mir die Möglichkeit eröffnet haben, meine vorläufigen Überlegungen im Mai 2013 in Wien zur Dis-kussion zu stellen und im vorliegenden Band zu publizieren. Für die hervorragende Organisation der Tagung möchte ich den Veranstaltern und Mag. Theresia Pantzer danken. Mein Dank für Korrekturen, Kommentare und Anregungen zum Inhalt meines Beitrags gilt ferner Prof. Dr. Werner Eck, Johannes Friedl M.A., Prof. Dr. Tonio Hölscher, Anna Marx M. A., Dr.

Elizabeth Wolfram Thill und meiner Frau, Dott.ssa Elisa Bazzechi.

1 Dazu und zum Folgenden: Deckers (1988); Haug (2007).

2 Vergleichsweise gut aufgearbeitet sind etwa die bereits erwähnten spätantiken Stadtdarstellungen, siehe z.B. Deckers (1988); Haug (2007).

3 Siehe Maier (1985); Quante-Schöttler (2002). Das Reliefband der Trajanssäule fand in beiden Arbeiten übrigens keine Beachtung.

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Elizabeth Wolfram Thill zählte in einem jüngst erschienen Aufsatz auf dem Reliefband der Säule insgesamt 326 Architekturdarstellungen, die sich aufgrund des Handlungszusammenhangs und der verwendeten Architekturformen in den meisten Fällen entweder als ‚römische‘, oder als ‚dakische‘

Bauten deuten lassen.4 Mit Verweis auf die Ergebnisse von Wolfram Thill kann an dieser Stelle bereits festgehalten werden, dass für die dakischen Siedlungen, die von den Darstellungen römischer Städte vor allem durch die umfangreiche Verwendung von Holz- und Pfahlbauten oder anderen exotischen Konstruktionen abgesetzt sind, keinesfalls von einer dezidiert ‚urbanen‘ Architektur die Rede sein kann. Andere Darstellungen sind hingegen durch die dort stattfindenden Handlungen, nicht zuletzt aber auch durch die Verwendung bestimmter Architektur-Signets wie Stadtmauern, Tempel, Portiken und Theater offensichtlich als römische Städte gekennzeichnet. Diese sollen im Folgenden mit Blick auf die eingangs formulierte Fragestellung untersucht werden.

Die Verteilung der Stadtdarstellungen und ihre Position innerhalb der Narration

Insgesamt zehn Darstellungen römischer Städte können als solche mit einiger Zuversicht identifiziert werden. Sie verteilen sich zu etwa gleichen Teilen auf die Schilderungen des ersten und des zweiten dakischen Krieges (Taf. 43, Abb. 1). Eine erste Stadtdarstellung findet sich bereits auf der untersten Windung in den Szenen III und IV: Aus einer Stadt, die im Hintergrund des Bildes auf einem Berg-rücken liegt, ziehen römische Truppen zu einem ersten Feldzug aus. Die nächste Stadtdarstellung in Szene XXXIII thematisiert die Vorbereitung zu einem weiteren Aufbruch. In Anwesenheit des Kaisers verladen Auxiliare vor einer Stadt ihre Ausrüstung in Schiffe. Nur zwei Szenen weiter landet Trajan mit seinen Truppen nach der Überfahrt vor einer anderen Stadt, deren Einwohner ihn begrüßen, bevor er mit seinem Heer zur Schlacht auszieht. Die vierte Darstellung einer römischen Stadt findet sich in Szene XLVI: Schon im Aufbruch begriffen, nimmt Trajan vor den Toren einer befestigten Stadt die Unterwerfung zweier Daker entgegen. Unmittelbar darauf, in Szene XLVII, findet sich die letzte Stadtdarstellung der unteren Säulenhälfte: Ähnlich wie zu Beginn des Reliefbandes verlassen römi-sche Truppen das Tor einer Stadt, die im Hintergrund auf einem Felsrücken liegt, um zu einem weite-ren Feldzug auszuziehen.

Die zweite Hälfte des Frieses beginnt mit einer dichten Folge von Stadtdarstellungen. In Szene LXXIX, der ersten Szene des zweiten Krieges, wird das Auslaufen dreier Kriegsschiffe — an Bord Trajan und seine Truppen — aus einer römischen Hafenstadt gezeigt. In Szene LXXX landet der Kai-ser mit seinem Heer in einer weiteren Hafenstadt. Es ist möglicherweise dieselbe Stadt, in der Trajan in Szene LXXXI von den Bewohnern begrüßt wird, bevor er in den beiden darauffolgenden Szenen von ihnen durch das Stadttor hinausgeleitet wird. Eine halbe Windung weiter erreichen Kaiser und Heer in Szene LXXXVI wieder eine Hafenstadt. In Anwesenheit der Stadtbevölkerung und seiner Soldaten vollzieht der Kaiser hier ein Opfer. Zwei Szenen weiter nochmals eine Stadt, die diesmal nur im Hintergrund erscheint und vor deren Mauern römische Truppen vorüberziehen. Erst im Anschluss an diese ausführliche Schilderung der Reise erfolgen — anscheinend noch in römischem Gebiet — erste Kampfhandlungen. Die letzte Darstellung einer römischen Stadt findet sich schließlich in Szene C, unmittelbar am Ende einer langen Brücke, und damit wohl schon jenseits der Donau. Vor den Mau-ern dieser Stadt empfängt Trajan, bevor er in dakisches Gebiet ausrückt, verschiedene barbarische Gesandte. Im verbliebenen oberen Drittel der Säule findet sich keine einzige, klar zu identifizierende Darstellung einer Stadt.

Die Ikonografie der Stadtdarstellungen auf der Trajanssäule

Wenden wir uns nun der Ikonografie der Stadtdarstellungen zu. Wie bereits aus den bisherigen Aus-führungen hervorgeht, bedienten sich die Skulpteure zweier unterschiedlicher Darstellungsmodi, die von Clemens Weißgerber in „raumoffene Vorder- bis Mittelgrundarchitekturen zur Aufnahme einer Figurenhandlung“ einerseits und in „Kulissen und Prospekte für die figurale Komposition“ anderer-seits geschieden wurden.5 Der ersten Gruppe gehören die Darstellungen der Szenen LXXIX–LXXXII

4 Wolfram Thill (2010), bes. 27–29.

5 Weißgerber (1951) 121.

Die Stadtdarstellungen auf der Trajanssäule im Kontext der kaiserzeitlichen Bilder vom städtischen Raum 115!

und der Szene LXXXVI an. Die mehrteiligen Architekturen konstituieren jeweils den Mittelgrund der genannten Szenen, rahmen oder umfassen die Akteure und bilden somit eine Bühne für die hier statt-findenden Handlungen Trajans und seiner Getreuen. Damit wird zunächst suggeriert, dass diese Städte von Trajan selbst vor Beginn der kriegerischen Handlungen auf dem Weg in das Kampfgebiet besucht wurden. Die meisten anderen Stadtdarstellungen können hingegen klar der zweiten Gruppe zugewie-sen werden. Im Gegensatz zu den Bildern der zuerst genannten Gruppe bilden sie geschloszugewie-sene En-sembles im Mittel- oder Hintergrund, vor denen die jeweiligen Handlungen wie vor einer Kulisse stattfinden, und sind meist weniger differenziert geschildert.

Unabhängig von den Darstellungsmodalitäten ist jedes Stadtbild individuell gestaltet. Dies könnte daran liegen, dass einzelne Architekturen konkrete und in ihren Detailformen einmalige Bauten wie-dergeben, wie Conrad Cichorius für mehrere Fälle angenommen hat:6 So sollen etwa der Hafen, die Tempel und der Ehrenbogen in Szene LXXIX, um nur ein Beispiel zu nennen, die urbanistische Situa-tion von Ancona vergegenwärtigen. Da keine einzige Stadt inschriftlich bezeichnet ist, wird sich eine derartige Darstellungsabsicht jedoch nicht beweisen lassen. Eine möglichst individuelle Schilderung der einzelnen Stadtdarstellungen könnte ebenso gut vorgenommen worden sein, um darauf hinzuwei-sen, dass es sich um unterschiedliche Städte handelt — also auch um unterschiedliche Stationen auf den Zügen Trajans und seines Heeres; eine stets identische Ikonografie hätte dem antiken Betrachter hingegen am ehesten suggeriert, dass es sich in allen Fällen um denselben Ort handeln muss. Der von Salvatore Settis, Tonio Hölscher und Lorenz Winkler herausgearbeiteten Intention, gerade in den Sze-nen zu Beginn des zweiten Krieges die Reise und die Omnipräsenz des Kaisers zu thematisieren, hätte eine solche Ikonografie jedoch grundlegend widersprochen.7 Es wäre vor diesem Hintergrund zu über-legen, ob die Ikonografie der einzelnen Darstellungen darüber hinaus die verschiedenen Etappen der Reise weiter charakterisieren soll. Die dezidiert urbane, an Monumentalarchitekturen reiche Schilde-rung der Stadt zu Beginn des zweiten Krieges in Szene LXXIX könnte in diesem Sinne auf eine be-sondere Nähe zu Rom hinweisen, während die Holzbauten der Stadt in Szene C auf deren periphere Lage innerhalb des Reiches anspielen könnten.

Es ist im Rahmen meines Beitrags nicht möglich, alle oben aufgeführten Stadtdarstellungen im Detail zu besprechen. Zwei ausgewählte Beispiele mögen daher genügen, um die wichtigsten Elemen-te der Stadtikonografie zu veranschaulichen.

Eine erste Stadt wurde dem antiken Betrachter bereits in der untersten Windung der Trajanssäule, in Szene III und IV, präsentiert: Auf einer felsigen Anhöhe liegen mehrere, offenbar aus großen Stein-quadern errichtete Bauten. Auf der rechten Seite der Felskuppe befinden sich vier Giebelhäuser, um-friedet von einer zinnenbewehrten Mauer. In diese sind ein Turm und drei Tore integriert. Das Stadttor am rechten Rand der Befestigung ist deutlich überproportioniert, obwohl es scheinbar unmittelbar an die links daneben gezeigten Architekturen anschließt. Der Grund für die unterschiedlichen Größenver-hältnisse dürfte in der Absicht gelegen haben, den Aufbruch des Heeres aus der Stadt zu zeigen: Das rechte Stadttor wurde offenbar so groß dargestellt, um die in einer langen Reihe ausziehenden Solda-ten in der üblichen Detailliertheit zeigen zu können. Außerhalb der Mauer, auf der linken Seite der Felskuppe, liegen zwischen mehreren Bäumen zwei zweigeschossige Giebelhäuser mit kleineren An-nexbauten. Hingewiesen werden soll in diesem Bild offenbar auf eine Stadt mit ihrer Binnenbebauung und der benachbarten ländlichen Bebauung. Das getreue Abbild einer echten Stadt wird man darin jedoch kaum sehen wollen. Die unterschiedlichen Größenverhältnisse belegen, dass zugunsten narrati-ver Aspekte auf die Wiedergabe eines kohärenten Bildraumes narrati-verzichtet wurde. Die Reduktion der Stadtansicht auf die wenigen gezeigten Architekturen weist darüber hinaus auf ein hohes Maß an Se-lektion hin. Einige Häuser und die Stadtbefestigung scheint man im vorliegenden Fall als ausreichend empfunden zu haben, um die intendierte Botschaft zu vermitteln: Nämlich, dass das Heer aus einer römischen Stadt auszieht.

Als sehr viel differenzierter erweist sich die Ikonografie der raumoffenen Stadtansichten in der Mitte des Säulenreliefs. Die Stadtdarstellung der Szene LXXXVI zeigt dies besonders schön: Über einer sich am unteren Bildrand erstreckenden Hafenmole, die nur links von einem Kriegsschiff

6 Dazu und zum Folgenden: Cichorius (1900) 11–26. Vgl. Cichorius (1900) 26–47. 59–76.

7 Baumer et al. (1991) 271–277; Hölscher (2002) 136–137; Settis (1988) 149–150.

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deckt wird, ist Trajan als Opfernder vor einem Altar zu sehen. Ihn rahmen die gerade erst im Reise-mantel heraneilenden Soldaten zur Linken sowie ein Stier mit Opferdiener und die Stadtbevölkerung zur Rechten. Hinter den Akteuren erstreckt sich ein breit angelegter Stadtprospekt: Am linken Rand der Szene ist die von einem Tor unterbrochene Stadtmauer zu erkennen. Außerhalb der Stadt liegen drei Schiffe vor Anker. Rechts von diesen verschwindet die Mauer hinter zwei Säulenhallen, die nach Auskunft der über die Dächer aufragenden Bäume einen Garten oder Hain zu begrenzen scheinen. An diese Hallen schließt eine in den Hintergrund gerückte Arkade an. Das Zentrum des Stadtprospekts bildet ein großes Theater, das sich unmittelbar über dem Altar erhebt. In nahezu kubistischer Manier werden zugleich drei Ansichten des Baus gezeigt, als klappte man die verschiedenen Seiten des Ge-bäudes auf: Die sorgfältig ausgearbeitete Außenfassade der scenae frons mit ihrer reichen Gliederung aus Säulen und Gebälken, die aus drei übereinander angeordneten Portiken errichtete Außenfassade der cavea sowie deren Sitzreihen. Diese Darstellungsweise ist weder im Sinne einer perspektivischen Wiedergabe, noch sonst einer kohärenten Raumauffassung zu erklären. Der Wunsch, durch drei An-sichten die charakteristischen Elemente eines Theaters zu zeigen, besaß gegenüber dem Bestreben nach einem kohärenten Bildraum offenbar den Vorrang. Zwei typologisch nicht genau zu identifizie-rende Bauten mit Säulenstellungen im Unter- und von Fenstern unterbrochenen Mauern im Oberge-schoss, sowie ein in isometrischer Ansicht gezeigter, tetrastyler Tempel vervollständigen das Stadt-bild. Rechterhand wird die Stadt, wie auf der gegenüberliegenden Seite, durch eine Quadermauer klar abgeschlossen.

Einzelne Architektur-Signets scheinen auch hier wieder durch die dargestellte Handlung motiviert zu sein. So verweisen die Schiffe und das Stadttor am linken Szenenrand auf die soeben erst erfolgte Ankunft und stützen dabei weitere ikonografische Details wie die rasche Vorwärtsbewegung oder die Reisemäntel der Soldaten. Der Altar ist gar unverzichtbares Element der Opferhandlung, die im Zen-trum des Bildes steht. Doch wie verhält es sich mit der städtischen Binnenbebauung? Ein Vergleich mit zahlreichen anderen Stadtdarstellungen des Säulenreliefs erweist, dass nicht nur im vorliegenden Fall, sondern auch darüber hinaus gerade Säulenhallen, Tempel und Vergnügungsarchitekturen zu den bevorzugten Signets zählen: Portiken tauchen in mindestens fünf, Tempel in wenigstens drei und Spielstätten in immerhin zwei weiteren Szenen auf.8 Freilich: Dem antiken Betrachter mancher Städte konnten sich tatsächlich imposante Prospekte wie jener der Szene LXXXVI auf der Trajanssäule er-öffnen, die sich aus monumentalen Architekturen zusammensetzten. Als nahezu beliebiges Beispiel könnte hier an die Rheinfront des römischen Köln erinnert werden.9 Die Konzentration auf die ge-nannten Architektur-Signets — seien sie nun ohne Vorbild zusammengestellt oder das Abbild eines realen Prospekts — stellt dennoch in jedem Fall eine Form der Selektion dar und spricht somit gegen eine zufällige Auswahl der Bildelemente. Doch weshalb werden die Stadtdarstellungen gerade auf diese Architekturen verkürzt? Liegen der Selektion ikonografische Konventionen zugrunde? Ein Blick auf die Reliefs älterer Staatsdenkmäler müsste dies zeigen können.

Ikonografische Parallelen und Semantik der Stadtdarstellungen

Die besprochenen Bilder auf der Trajanssäule geben sowohl Binnenbebauung als auch Tore und Um-fassungsmauern wieder. Trotz der Reduktion auf einzelne Signets lässt sich hierin die Bemühung um eine Darstellung der Stadt als Ganzes erkennen. Für diesen Anspruch findet sich in den älteren und in den gleichzeitigen Staatsreliefs meines Wissens keine Parallele.10 Abbildungen einzelner Architektur-Signets, die auch auf dem Reliefband bevorzugt verwendet werden, tauchen hingegen bereits auf den Reliefs augusteischer Denkmäler auf.11 Als Beispiel kann das berühmte Aeneas-Relief der Ara Pacis herangezogen werden (Taf. 44, Abb. 2):12 Auf diesem opfert der trojanische Held den Penaten vor

8 Portiken finden sich in den Szenen III, LXXIX, LXXXI, LXXXVIII und C, Tempel in den Szenen XXXV, LXXIX und LXXXI, Spielstätten schließlich in den Szenen XXXIII und C.

9 Zur Rheinfront des römischen Köln: Eck (2004) 367–371.

10 Anders hingegen in weniger monumentalen Gattungen, z.B. der Malerei und der Keramik, siehe dazu Wataghin Cantino (1969), bes. 43–45. 49–51 Abb. 22. 23. 25.

11 Vgl. Quante-Schöttler (2002) 24–26.

12 Dazu und zum Folgenden: La Rocca (1983) 40–43; Sieveking (1907) 186–188 Abb. 58; Zanker (1987) 206–208 Abb. 157.

Die Stadtdarstellungen auf der Trajanssäule im Kontext der kaiserzeitlichen Bilder vom städtischen Raum 117!

einem im Hintergrund auf einer Anhöhe gelegenen Tempelchen. In diesem erkennt die Forschung mit guten Gründen den nach Dionysios von Halikarnassos vom Heros selbst geweihten Tempel der Pena-ten auf der Akropolis von Lavinium.13 Gemeinsam mit anderen Bildelementen wie der Toga capite velato, dem Opfergerät, dem Opfertier und dem Altar weist der Kultbau zunächst auf die pietas des Aeneas, laut Paul Zanker aber auch „auf die aurea templa Roms und auf Augustus hin, der ja an dem-selben Monument ebenfalls als Opferer dargestellt war“.14

Einem verwandten Monument julisch-claudischer Zeit dürften die sogenannten Valle-Medici-Reliefs angehört haben (Taf. 44, Abb. 3).15 Zwei der erhaltenen Fragmente zeigen Ausschnitte einer Prozession und Opferszenen vor zwei detailliert ausgearbeiteten Tempelfassaden. Johannes Sieveking und Lanfranco Cordischi hatten sich aufgrund eines dargestellten camillus mit dem Laren dafür ausge-sprochen, darin eine Zeremonie zu Ehren des vergöttlichten Augustus zu erkennen.16 Einer seiner Nachfolger dürfte an dieser Zeremonie aktiv beteiligt gewesen sein. Die Giebelfiguren der Sakralbau-ten gestatSakralbau-ten eine genaue Lokalisierung der Handlung vor den Tempeln der Magna Mater und des Mars Ultor in Rom. Als Sakralbauten konstituieren beide das für die Handlung angemessene Umfeld und unterstreichen deren religiösen Gehalt. Dass genau diese beiden Tempel dargestellt wurden, be-sitzt darüber hinaus aber eine äußerst spezifische Verweiskraft — schließlich dürfen sie als zentrale Projekte im Rahmen der programmatischen Baupolitik des Augustus gelten: Der altehrwürdige Tem-pel der Magna Mater auf dem Palatin wurde von dem im Relief geehrten princeps restauriert,17 der Tempel des Mars Ultor stellte hingegen eines seiner bedeutendsten Neubauprojekte dar.18 Beide Bilder verweisen damit exemplarisch auf die zahlreichen, von Augustus erneuerten oder neu errichteten Tempel in Rom, auf seine pietas und auf die von ihm geförderte publica magnificentia.19

Tempelfassaden bilden auch auf den Reliefs zahlreicher Monumente der mittleren Kaiserzeit den bevorzugten Rahmen für sakrale Handlungen und andere offizielle Akte des Herrschers. Als weitere Beispiele können einige Reliefplatten vom Trajansbogen in Benevent, vor allem aber eine Reihe stadt-römischer Denkmäler wie die Anaglypha Traiani, der Arco di Portogallo und ein Ehrenmonument für Mark Aurel (Taf. 45, Abb. 4) herangezogen werden.20 Konkrete Hinweise auf die Errichtung oder Renovierung bestimmter Sakralbauten durch den geehrten Herrscher scheinen auf diesen Reliefs zwar in den Hintergrund zu treten;21 die Darstellungen von Opferhandlungen und anderen Staatsakten des Kaisers vor betont urbanen Architekturen dürften jedoch gerade einem stadtrömischen Publikum die tatsächlich praktizierten, rituellen Aktionen des Herrschers in der Hauptstadt evoziert haben. Im Bild und in der Realität wurde die visuelle Wirkung monumentaler Tempelbauten zur Inszenierung von Staatsopfern und anderen sakralen Handlungen des princeps genutzt, die Zeugnis von seiner pietas und anderen Herrschertugenden ablegten.22 Die formelhafte Darstellung von Tempeln als Bühnen herrscherlichen Handelns konnte damit im Fall der hochkaiserzeitlichen Monumente zwar nach wie vor als allgemeiner Verweis auf eine generöse Bautätigkeit des Herrschers gedeutet werden, dürfte aber in besonderem Maße seine pietas und seine Nähe zu den Göttern unterstrichen haben. Auch aus

Tempelfassaden bilden auch auf den Reliefs zahlreicher Monumente der mittleren Kaiserzeit den bevorzugten Rahmen für sakrale Handlungen und andere offizielle Akte des Herrschers. Als weitere Beispiele können einige Reliefplatten vom Trajansbogen in Benevent, vor allem aber eine Reihe stadt-römischer Denkmäler wie die Anaglypha Traiani, der Arco di Portogallo und ein Ehrenmonument für Mark Aurel (Taf. 45, Abb. 4) herangezogen werden.20 Konkrete Hinweise auf die Errichtung oder Renovierung bestimmter Sakralbauten durch den geehrten Herrscher scheinen auf diesen Reliefs zwar in den Hintergrund zu treten;21 die Darstellungen von Opferhandlungen und anderen Staatsakten des Kaisers vor betont urbanen Architekturen dürften jedoch gerade einem stadtrömischen Publikum die tatsächlich praktizierten, rituellen Aktionen des Herrschers in der Hauptstadt evoziert haben. Im Bild und in der Realität wurde die visuelle Wirkung monumentaler Tempelbauten zur Inszenierung von Staatsopfern und anderen sakralen Handlungen des princeps genutzt, die Zeugnis von seiner pietas und anderen Herrschertugenden ablegten.22 Die formelhafte Darstellung von Tempeln als Bühnen herrscherlichen Handelns konnte damit im Fall der hochkaiserzeitlichen Monumente zwar nach wie vor als allgemeiner Verweis auf eine generöse Bautätigkeit des Herrschers gedeutet werden, dürfte aber in besonderem Maße seine pietas und seine Nähe zu den Göttern unterstrichen haben. Auch aus

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 127-135)