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ORBIS IN URBE: DIE ORDNUNG DES REICHES AUF DEN RELIEFS DER TRAJANSSÄULE *

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 143-149)

Zum Zeitpunkt der Einweihung der Trajanssäule befand sich Rom auf dem Höhepunkt seiner Blüte.

Kaiser Trajan hatte sowohl innen- als auch außenpolitisch das Reich in einen Zustand gebracht, der von großen Teilen der Bevölkerung der Hauptstadt und des Kernlandes als Ideal der bestehenden Ord-nung angesehen werden musste. In diesem Riesenreich lebte eine große Vielfalt von Menschen, deren Unterschiedlichkeit in politischer, ethnischer, sprachlicher und kultureller Hinsicht eine sehr große Bandbreite aufwies.

Mit ihrem narrativen Reliefband, positioniert im Herzen der Stadt und Teil einer großartigen Platzanlage, verbildlicht die Säule in erster Linie den Sieg über die äußeren Feinde in Form der Daker, in zweiter die ideologischen Koordinaten kaiserlicher Politik, aber bringt in dritter Linie dem Betrach-ter auch die Ordnung des Reiches und seiner Bewohner nahe. Darauf deutet die Darstellung von vielen unterschiedlichen Personengruppen in ihrer Funktion für das römische Reich hin. Als Katalysator für deren Rollendarstellung dient im kriegerischen Kontext der Reliefdarstellungen das römische Heer, in dessen Truppengattungen sich auch die unterschiedlichen Statusgruppen der Bewohner des römischen imperium spiegeln.

Es ist bereits seit den Untersuchungen von Conrad Cichorius allgemein anerkannt, dass die in ver-schiedenen Rüstungstrachten und Waffenklassen geschilderten Figuren bestimmten Einheiten des römischen Heeres entsprechen. Zum einen wird die am häufigsten erscheinende und durch Porträtzüge und Darstellungszusammenhang am leichtesten identifizierbare Figur des Kaisers, der je nach Anlass in militärischer oder ziviler Tracht auftritt, in allen Darstellungen von Begleitern umringt. Diese je-doch sind auf unterschiedliche Weise charakterisiert: In den Szenen zu Beginn des ersten Feldzuges, noch vor den ersten kriegerischen Handlungen wie dem „Kriegsrat“ (Szene VI) und der Betrachtung des günstigen Omens des vom Maultier fallenden Nichtrömers (Szene IX), umgeben den Kaiser Figu-ren in einer der seinen gleichenden Tracht im Muskelpanzer mit Pteryges und Paludamentum. Sie müssen sicherlich als Angehörige der senatorischen Elite, wahrscheinlich von legatischem Rang, ge-deutet werden, da sie v.a. in Szenen von staatspolitischer Bedeutung im direkten Umfeld des Kaisers auftauchen.1 So sind diese Personen auch bei dem Empfang von Gesandtschaften und der Annahme von Unterwerfungen neben dem Kaiser zu sehen (z.B. Szenen XVIII, XXVIII, CXVIII). Sie bezeugen die Wichtigkeit dieser Personengruppe bei der Beratung und Entscheidungsfindung des princeps in wichtigen, das Reich betreffenden Fragen. Insofern ist also die staatliche Ordnung mit dem Kaiser als primus inter pares und senatsfreundlicher Herrscher, dessen Entscheidungen in Abstimmung mit der Staatselite gefällt werden, auf den Reliefs dokumentiert und wird dadurch dem Betrachter suggeriert.

In seinen zahlreichen adlocutiones wendet sich der Kaiser an die einfachen Soldaten, die aller-dings intern noch einige Unterscheidungen aufweisen, wie in Szene X erkennbar ist. In der Forschung werden die den Schienenpanzer (lorica segmentata) tragenden Soldaten schon lange und zu Recht als Legionäre angesehen. Sie machen den Großteil der dargestellten Armee aus. Um in die Legion einzu-treten, musste sich ein Rekrut in der Regel schon im Besitz des vollen römischen Bürgerrechtes befin-den, also freigeborener Bürger des Imperiums sein. Da dieses in der Republik und über weite Strecken des 1. Jh. n. Chr. noch weitgehend auf das Kernland des Reiches beschränkt war, bezogen die

* Dieser Text ist eine modifizierte Version des auf der Tagung gehaltenen Vortrags. Ich danke den Diskussionsteilneh-mern, insbesondere W. Eck, T. Hölscher, F. Mitthof und G. Schörner, für kritische und hilfreiche Anmerkungen.

1 Ob sich diese Figuren namentlich identifizieren lassen — wie es für einen dieser Begleiter als Trajans engen Vertrauten und Legaten im Dakerkrieg, L. Licinius Sura, verschiedentlich vorgeschlagen wurde (von Groag [1927] 477 bis Settis [1988] 267) —, ist allerdings fraglich.

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nen in dieser Zeit ihren Zuwachs aus italischem Gebiet. Diese geographische Beschränkung des Bür-gerrechtes wurde aber ab dem späteren 1. Jh. n. Chr. immer mehr aufgehoben, so dass wohl bereits zur Zeit Trajans die Legionäre ihrer Herkunft nach aus ganz unterschiedlichen Reichsteilen stammen konnten.2 Das kann man allerdings ihren Tätigkeiten nicht ansehen: Es sind ausschließlich Träger der lorica segmentata, die logistische Arbeiten wie den Bau von Festungen (z.B. Szene CXXIX), Brücken oder Booten (z.B. Szene CXXXIII) sowie Rodung (z.B. Szene XCII) und Ernte (Szene CX) ausführen.

Durch solche Tätigkeiten, die römische Kulturtechniken und zivilisatorische Errungenschaften reprä-sentieren, werden die Legionäre als das Rückgrat des Heeres bildlich hervorgehoben und beschrieben.

In Kampfszenen sind sie es, die sehr spezialisierte Waffen wie die Ballista (Szenen XL, LXVI) bedie-nen, Belagerungsmaschinen bauen (Szene CXVII) oder die Formation der testudo zur Erstürmung einer Festung bilden (Szene LXXI) und durch diese militärischen Techniken oft die Grundlage römi-schen Erfolgs zu legen scheinen. Dabei müssen sie manchmal nach Aussage der Reliefs nicht mehr selbst aktiv in das blutige Mann-gegen-Mann-Kampfgeschehen des Schlachtfeldes eingreifen: Nicht nur bei der sehr breit geschilderten Schlacht von Tapae (Szene XXIV) machen sie die Reserve aus und greifen nicht in die Kampfhandlungen ein — dies übernehmen die Hilfstruppen, die zahlenmäßig ebenso prominent sind wie die Legionäre.3

Die Angehörigen der Auxiliareinheiten sind auf den Reliefs der Säule erkennbar an einem aus Leder oder Kettengeflecht (lorica hamata) gefertigten Panzer, der an Hüfte und Ärmeln in Zacken ausläuft. Dazu tragen sie wadenlange enge Hosen. Ihre Prominenz in der Darstellung spiegelt reale Verhältnisse wider: Die Zahlenstärke der Auxilia im römischen Heer war schon in dieser Zeit wohl mindestens ebenso hoch (um 200.000 Mann) wie die der Legionen.4 Tatsächlich sind sie die ersten Soldaten, die auf der Säule auftauchen: Bei den an der Grenze Wache haltenden Leichtbewaffneten (Szenen I–II) handelt es sich sicher um einfache Auxiliare. Im weiteren Verlauf der Darstellungen greifen sie in das Kampfgeschehen ein (Szenen XXIV, XXXVIII, XL–XLI, LXVI, LXXII, CXII, CXV–CXVI, CXLII–CXLVI), helfen beim Stauen und Löschen von Schiffsladungen (Szenen XXXIII–XXXV), schieben Wachdienst (Szenen XI–XIII, LVI–LVII, LXII, LXV, CXXVIII) oder verteidigen von Dakern angegriffene Stellungen (Szenen XXXII, XCIV–XCVII, CXXXIII–

CXXXIV). Auch ihre Leistung als Kundschafter (Szene CXI) und Kämpfer im Heer wird hoch ge-schätzt, sind sie es doch, die dem Kaiser Gefangene oder Gesandte (z.B. Szene XVIII, LXIX) vorfüh-ren. Allerdings werden sie explizit nicht für logistische Tätigkeiten eingesetzt.

Bei den Angehörigen dieser regulären Hilfstruppen handelt es sich um frei geborene Bewohner des Reiches, die in der überwiegenden Zahl der Fälle bei Eintritt in die Armee nur peregrinen Status besaßen.5 Sicherlich einer der bedeutenderen Anreize der Rekrutierung für solche Reichsbewohner war, dass sie in der Regel nach 25 Dienstjahren das volle römische Bürgerrecht erlangten. Entlassene, nun mit der civitas Romana ausgestattete Auxiliare werden wohl nur selten in ihre Heimatgemeinden zurückgekehrt sein. Vielmehr lassen sie sich eher in der Nähe des Dienstortes nieder — und kehren damit eben nicht in alte Sozialgefüge zurück, sondern werden Teil von neuen, aufgrund der langen Militärzeit der Bewohner stark römisch geprägten civitates.6

Eine ganze Anzahl von Figuren in Auxiliarrüstung treten jedoch in so unmittelbarer Nähe des Kaisers auf, dass kaum davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei ihnen um einfache Hilfs-truppenangehörige handelt. Sie werden in der Forschung überzeugend als Leibwache des Kaisers ge-deutet, die equites singulares Augusti.7 Die Angehörigen dieser Spezialeinheit kamen in der Regel aus auxiliaren Alen (also Kavallerieeinheiten) und wurden durch persönliche Berufung in die Truppe re-krutiert, nachdem sie sich im Dienst besonders ausgezeichnet hatten. Ihnen wurde bereits bei der ad-lectio in die Truppe römisches Bürgerrecht verliehen, so dass sie meist deutlich weniger als 25

2 Eck (1999) 20–22.

3 Ein Schlachtverlauf, wie er literarisch von Tacitus für die Schlacht am Mons Graupius in Britannien überliefert ist: Tac.

Agr. 35,1–2.

4 Eck (1999) 19f. (insbesondere für das Gebiet Dakiens nach den Kriegen Trajans).

5 Speidel (1999) 75.

6 Vittinghoff (1994) 291–220.

7 Siehe kürzlich ausführlich Richter (2004) 339–350.

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jahre brauchten, um diesen begehrten Status zu erlangen.8 Sie können in vielen Szenen der Säulenre-liefs identifiziert werden, bspw. in Szene XCVII, wo sie dem Kaiser auf dem Weg zu einem Gefecht nicht von der Seite weichen. Als persönliche Schutztruppe des Kaisers leisten sie als Ex-Peregrine einen wichtigen Beitrag zum Wohl des Reiches, das (so zumindest schildert es kaiserliche Propagan-da) auf das Engste mit dem des Kaisers verknüpft ist.9

Wie auch die anderen Auxiliareinheiten unterstanden die equites singulares dem Kommando von Tribunen.10 Da ihre Aufgaben sich mit denen der Prätorianer überschnitten, waren sie teilweise auch dem Prätorianerpräfekten unterstellt. Dieser war, wie die überwiegende Mehrzahl des Offiziersstabes, ritterlichen Ranges.11 Die Angehörigen dieser „Militäraristokratie“ entstammten oft dem munizipalen Adel. Sie kamen also nicht aus der stadtrömischen Oberschicht, sondern waren vielmehr in den Pro-vinzstädten Träger des öffentlichen Lebens. Hier bildeten sie die geistige und kulturelle Führungs-schicht, die durch Stiftungen etc. auch die Architektur in diesen Städten bestimmte.12

Auf den Reliefs der Säule scheinen diese Ritter, deren militärische Rolle in dieser Funktion neben der Senatorenschicht immer wichtiger wurde,13 in solchen Figuren abgebildet zu sein, die im direkten Umfeld des Kaisers auftauchen. Ihre Tracht ist dabei nicht ganz eindeutig und möglicherweise auch uneinheitlich. So könnten möglicherweise in Tunika, Panzer und Mantel gekleidete Personen (Szenen XXIV, LXXII) als solche ritterlichen Offiziere, am ehesten vielleicht Militärtribunen, gedeutet wer-den.14 In den genannten Szenen werden dem Kaiser von Auxiliaren die abgeschlagenen Köpfe von dakischen Gegnern präsentiert. In Szene LXXII scheint der Offizier den Kaiser explizit auf die abge-schlagenen Köpfe hinzuweisen, und beide scheinen dieses Verhalten, das nicht ganz der römischen Lebensart zu entsprechen scheint, durchaus zu billigen, ja gutzuheißen. Der in diesen Szenen gegebene direkte Handlungszusammenhang zwischen den Auxiliaren und der Person in kaiserlichem Umfeld könnte nahelegen, dass sie auch in der militärischen Ordnung in Verbindung standen, was auf ihren ritterlichen Status schließen lassen würde.

Schließlich werden auf den Säulenreliefs erstmals in der römischen Staatskunst auf breitem Raum auch Einheiten der römischen Armee dargestellt, die ethnisch, rechtlich und ikonographisch noch wei-ter vom römischen Bürgersoldaten bzw. Legionär entfernt waren als die Auxiliaren. Es handelt sich um die im römischen Heer kämpfenden foederati, also von Verbündeten gestellte, in traditioneller Bewaffnung kämpfende Truppen und damit Nichtrömer.15 Relativ häufig finden sich halbnackte Keu-lenkrieger, aber auch Reiter und Bogenschützen wohl orientalischer oder nordafrikanischer Herkunft im Schuppenpanzer und leichtbewaffnete Schleuderer möglicherweise balearischer Herkunft.16 Deut-lich als aus verschiedenen Völkerschaften rekrutiert gekennzeichnet, haben sie sich gut ins römische Heer eingepasst. In der Disziplin der römischen Kriegstaktik entfalten sie ihre volle Kampfkraft und

8 Junkelmann (1991) 70; Speidel (1965) 61–67.

9 In den Szenen XXXVI–XXXVII scheinen sie den auf dem Vormarsch befindlichen Kaiser gerade vor einem sarmati-schen Hinterhalt gerettet zu haben: Während zwei Reiter ihn von der Gefahr in Kenntnis setzen, verfolgen die übrigen die bereits flüchtenden feindlichen Panzerreiter. Auch in den Szenen LXXXIX–XC, CV und CXIV wird der Kaiser ausschließ-lich von Soldaten dieser Truppengattung umringt.

10 Richter (2004) 339.

11 Pro Legion setzte sich der Führungsstab aus dem senatorischen Legionslegat sowie einem senatorischen Tribun, fünf ritterlichen Tribunen und ca. zehn Kohorten- und Alenpräfekten der Hilfstruppen zusammen. Als ideale ritterliche Militär-laufbahn (sog. tres militiae) galt die sukzessive Bekleidung der Präfektur einer cohors quingenaria, ein Militärtribunat (oder Kommando über eine cohors miliaria) und schließlich der Befehl über eine ala quingenaria oder miliaria; so konnten diese Ritter bis zu 10–15 Jahre bei der Armee bleiben, in der Regel deutlich länger als Senatoren, deren Kommandos schneller wechselten; Eck (1999) 29–30; Alföldy (2011) 207–208.

12 Eck (1999) 32 mit Beispielen.

13 Vgl. Fehr (1985/1986) 51.

14 Aber vielleicht sind sie auch in anderen Figuren repräsentiert, wie beispielsweise in Szene X, wo sich während einer Ansprache an das Heer auf dem Podest des Kaisers ein Soldat findet, der sich in seiner Tracht nicht von einfachen Auxilia-ren unterscheidet. Aufgrund des friedlichen Kontextes und der Tatsache, dass es sich um eine Einzelfigur handelt, scheint mir die Identifizierung als eques singularis hier unwahrscheinlich.

15 Als sog. numeri. Eck (1999) 18; vgl. auch Campbell (2000) zur etwas uneindeutigen Nomenklatur.

16 (Orientalische) Bogenschützen: Szenen LXX, CVIII, CXIV; (balearische) Schleuderer: Szenen LXVI, LXX, LXXII;

maurische Kavallerie: Szene LXIV; (germanische) Keulenkrieger: Szenen XXIV, XXVII, XXXVI, XXXVIII, XL, XLII, LXVI, LXX, LXXII, CXV.

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leisten dem Imperium beste Dienste. Neben den regulären Hilfstruppen in einheitlicher Bewaffnung sind auch sie Teil der großen Integrationsmaschine römisches Heer,17 wo mit der Zugehörigkeit zur römischen Ordnung, der (freiwilligen) Unterordnung unter römische Disziplin und Logistik und der Nutzung des Lateinischen als lingua franca die ursprüngliche ethnische Zugehörigkeit mehr oder we-niger schnell verschwimmt und römische Normen und Lebenswelt den Alltag bestimmen.

Dass in diesem Prozess der Zusammenarbeit und des Zusammenwachsens, dem alle auf römischer Seite und im römischen Heer Kämpfenden verpflichtet sind, auch gegenseitige Solidarität eine große Rolle spielt, zeigt die Sorge für die Verwundeten, die über die Truppengattungen hinausgeht — in Szene XL pflegt ein Auxiliar einen verwundeten Kommilitonen, der als Legionär gekennzeichnet ist.18

Dieser innere Zusammenhalt des Reiches wird auf der Säule auch über das Heer hinaus themati-siert, denn auch Nicht-Heeresangehörige sind Teil dieses Konzepts: In der Szenenfolge LXXXIX–XCI begrüßen mehr oder weniger romanisiert dargestellte Daker den Kaiser freudig in ihrer nach römi-schem Vorbild gebauten steinernen Stadt. Nach dem Empfang des Kaisers vollzieht er im Beisein der Provinzbevölkerung ein Opfer nach römischem Ritus. Die teilnehmenden Provinzbewohner sind in unterschiedlicher Weise charakterisiert: In der Nähe des Kaisers stehen mehrere, nach römischer Art bartlose, Togati, die als lokale Oberschicht (Mitglieder des ordo decurionum) und römische Bürger zu identifizieren sind, mit ihren (männlichen) Kindern, die ebenfalls bereits die Toga tragen und somit als zukünftige Provinzbürger auch den wichtigen Nachwuchs für Elite und Heer darstellen. Dahinter fin-den sich als Zuschauer auch Angehörige der nicht romanisierten, peregrinen Einwohnerschaft, die sich in ihrem Erscheinungsbild kaum von den dakischen Feinden unterscheidet, die jedoch ebenfalls durch ihre kluge Wahl der römischen Lebensweise aus Unterwerfung und Eingliederung einen deutlichen Gewinn gezogen haben, der jedem Betrachter der Darstellungen offenkundig wird.19

Auf der Trajanssäule sind so viele soziale Gruppen des gesamten römischen Reiches zusammen vertreten wie selten vorher auf einem stadtrömischen Reliefbild. Dabei wird der Elite aus Senatoren ihre staatstragende Rolle bei militärischen und politischen Entscheidungen und ihre Verbundenheit mit der Herrschaft in Person des Kaisers bescheinigt. Im Kontext des Heeres sind sie in ihrer Rolle als senatorische Legionskommandanten dargestellt. Eine fast noch bedeutendere Position scheinen auf den Reliefs aber die Ritter einzunehmen, was auch den historisch-politischen Gegebenheiten ent-spricht: Um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. gab es etwa 550 ritterliche Offiziersstellen im römischen Heer.

Die meisten Ritter lebten als domi nobiles in verschiedenen Stadtgemeinden Italiens und des Reiches, oft nachdem sie langjährig im Heeresdienst beschäftigt gewesen waren. Homines novi (aus dem Ritter-stand in den SenatorenRitter-stand aufgestiegene Personen) durchliefen im 2. Jh. n. Chr., im Unterschied zu den patrizischen Senatorensprösslingen, oft eine lange militärische Laufbahn.20 Danach bestimmten sie als finanzstarke Führungsschicht der lokalen Dekurionenräte die provinziale Politik.21 Diese pro-vinziale Aristokratie wurde in der Reichselite immer wichtiger, und Propro-vinziale erlangten schon in der zweiten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. in der konsularen Führungsschicht des Senatorenstandes die Mehr-heit.22

Die einfachen römischen Bürger bilden als Legionäre das Rückgrat der militärischen wie auch der zivilen Gesellschaft. Sie nutzen und verbreiten römische Kulturerrungenschaften bis in weit entfernte Gegenden, die romanisiert werden können und sollen. Dabei rücken die vielen Szenen

17 Die jährlich reichsweit mehrere Tausend Neubürger produzierte, s. Flaig (1995) 48, vgl. Eck (1999) 27.

18 Vgl. Faust (2012) 51–52; vgl. auch den Beitrag von D. Aparaschivei in diesem Band.

19 Vgl. L. Winkler in Baumer et al. (1991) 276–277 zur Eingliederungspolitik Trajans. Römische Frauen sind in der Szene übrigens nicht dargestellt. Frauen erscheinen erst im Hintergrund der Szene als Teil der (ikonographisch) fast „unromanisier-ten“ Peregrinen, und die mit ihnen dargestellten Kinder tragen keine Toga. Möglicherweise ist dies als Hinweis darauf ge-meint, dass Frauen nach römischer Auffassung nur im privaten, nicht im öffentlichen Leben Kompetenzen zugebilligt wur-den — was im Szenenkontext zeigen würde, dass auch in wur-den Provinzen bei römischen Bürgern römische Normen etabliert waren. Zur Frauenrolle siehe Schubert (2002) und Baharal (2000) 331–333.

20 Alföldy (2011) 160–168. 206–207. Viele Ritter stiegen überhaupt erst durch eine lange Militärlaufbahn in diesen Rang auf.

21 Vittinghoff (1994) 260.

22 Alföldy (2011) 132–135 mit Anm.

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martialischen Charakters auf der Säule (Bau, Ernte, Opfer, Ansprachen etc.) das Heer in die Nähe einer zivilen Gesellschaft.23

Die Auxiliaren verdeutlichen dabei einen möglichen Weg zur vollwertigen Mitgliedschaft im rö-mischen Reich. Selbst unrömisch24 anmutende Verhaltensweisen wie die angesprochene Präsentation von Kopftrophäen vor dem Kaiser oder die sehr unterwürfige Haltung bei der Beuteverteilung (Szene XLIV) mögen den kulturellen und ideellen Unterschied der Auxiliaren zu den „echten“ Römern un-terstreichen,25 deren Status sie auch rechtlich noch nicht erreicht haben. Trotzdem sind sie in der römi-schen (Heeres)Gesellschaft von großem Nutzen. Für ihr Engagement im römirömi-schen Heer erwartete sie als Privilegierungsgeschenk das römische Bürgerrecht. Auf eine Verleihung dieses Bürgerrechts konn-ten sogar Angehörige irregulärer Hilfstruppen hoffen, wenn auch ohne das gleichzeitige conubium.26 Insofern war für freigeborene Reichsbewohner die beste und meist einzige Chance auf Erhöhung des persönlichen Status der Dienst im Heer, und das galt sowohl für den Bürger als auch für den Peregri-nen.27

Rom zeigt sich in diesem Reliefband demzufolge als ein Reich, in dem sämtliche Bewohner, ob Vollbürger oder Peregrine, ihren Beitrag zu dessen Wohlbefinden leisten, jeweils entsprechend der ihnen zugeteilten Rollen und Möglichkeiten. Gleichzeitig verdeutlichen sie implizit aber auch den Anspruch und die Möglichkeit, durch diesen Beitrag sozialen Aufstieg durch Integration zu erlangen.

Aufgrund der unübersehbar vielen, unterschiedlichen sozialen Gruppen im römischen Reich kann die kaiserzeitliche Gesellschaft, die in diesen Darstellungen als Heeresgemeinschaft repräsentiert ist, nicht mit der römischen Gesellschaft, die aus der Gemeinschaft römischer Bürger besteht, gleichgesetzt werden.28 Die Reliefs jedoch zeigen am Beispiel des Militärs, wie alle Reichsbewohner die Möglich-keit hatten, durch Anpassung und Orientierung an den „richtigen“ (= römischen) Normen und Idealen soziale Integration für den Einzelnen wie auch für ganze Gruppen zu erringen.29

Insofern tragen die Reliefs der Tatsache Rechnung, dass die Wurzeln eines Großteils der Reichs-bewohner außerhalb Roms und des imperium lagen. Dass das imperium zu dieser Zeit schon lange ein Konglomerat diverser Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichstem ethnischem und rechtlichem Status war, war wohl niemals zuvor aktueller als zur Zeit Trajans.30 Unter seiner Herrschaft wird mit-ten im politischen, ideellen und religiösen Zentrum der römischen Welt, in Rom, das wohl selbst schon ein ethnischer Schmelztiegel und Abbild des heterogenen Zustands des Reiches war, ein Mo-nument errichtet, das die Unterschiedlichkeit, aber auch den Zusammenhalt der Bewohner des römi-schen Reiches gegen die äußeren Feinde feiert.31 Die äußeren Feinde werden durch die Arbeit aller besiegt. Den im militärischen Kontext des Krieges unerlässlichen Modus des organisierten kollektiven Handelns, in dem der Kaiser eine besondere Rolle spielt, geben die Reliefs der Säule bildlich wieder.32 Die Darstellungen der Säule tragen die gesamte Vielschichtigkeit des Reiches und seiner Bewohner in die urbs und vor die Augen des stadtrömischen Publikums, dessen Sehgewohnheiten sich seit der au-gusteischen Zeit stark gewandelt hatten und statt allegorisch jetzt militärisch-konkreter geprägt

23 Fehr (1985/1986) 44–46.

24 Denn niemals erscheint ein Legionär mit einer Kopftrophäe; es sind immer nur die Auxiliaren (Szenen XXIV, LVI?,

24 Denn niemals erscheint ein Legionär mit einer Kopftrophäe; es sind immer nur die Auxiliaren (Szenen XXIV, LVI?,

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 143-149)