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RITUELLE HANDLUNGEN AUF DER TRAJANS- UND DER MARCUSSÄULE — EIN VERGLEICH

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 159-165)

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RITUELLE HANDLUNGEN AUF DER TRAJANS- UND DER MARCUSSÄULE — EIN VERGLEICH

Das Thema, das ich bespreche, ist weder neu noch einfach. Es gibt schon viel Literatur über die Ein-zelheiten der Darstellungen wie über das Gesamtproblem.1 Ich bin kein Spezialist für Ikonographie und werde diesen Aspekt des Themas deshalb nur kursorisch behandeln. So werde ich nicht auf das Problem der Lesbarkeit der Bilder eingehen. Ich werde mich ausschließlich mit dem Konzept der Bil-der beschäftigen, insofern sie einen bestimmten Willen des Künstlers ausdrücken sollen. Der Künstler, der diese Bilderfolge entworfen hat (bzw. die Künstler, die sie entworfen haben) und die Autorität, die sie annahmen, wollten mit diesen Opferszenen etwas ausdrücken. Ich werde also fragen, was die Bil-der Bil-der Säule über Religion aussagen sollen und was Bil-der Gedankengang Bil-der Konzeptoren Bil-der BilBil-der- Bilder-folge war.

Ich werde zuerst die rituellen Handlungen auf der Trajanssäule besprechen, dann werde ich sie mit den entsprechenden Handlungen auf der Antoninischen Säule vergleichen. Meine Schlussfolge-rung wird sein, dass auf beiden Säulen bestimmte Riten benutzt werden, um die Erzählung zu qualifi-zieren und zu strukturieren. Es gibt in dieser Hinsicht keine größeren Unterschiede zwischen den bei-den Monumenten. Die Marcussäule unterscheidet sich aber von der früheren durch die spektakuläre Darstellung von Zeichen.

1. Trajanssäule

Beschreiben wir kurz die hier zu behandelnden Szenen. Auf der Szene VIII sehen wir eine lustratio, ebenso wie auf Szene LIII oder CIII. Die frühere Forschung hat auf kleine Unterschiede in diesen Bil-dern hingewiesen (nur auf Szene LIII trägt der Eber eine vitta, in der Szene VIII trägt der Opferdiener, der vor Trajan steht, einen Krug, auf CIII eine acerra). Auch die Darstellung der Castra, in denen der Kaiser in der Toga, zwischen zwei Liktoren, opfert, kann verschieden sein. In allen Fällen opfert der Kaiser innerhalb eines Lagers, er trägt die Toga, sein Haupt ist verhüllt. Er scheint die sogenannte Praefatio vorzunehmen, also mit dem Opfer zu beginnen, während die drei Opfertiere mit den Musi-kanten und dem Opferpersonal das Lager umkreisen.

Weiter beschreibt die Columna ein Opfer bei der Ankunft des Kaisers in einem Hafen vor der Stadtmauer (Szene LXXX). Ein Rind liegt tot auf dem Boden bei einem Altar, auf dem ein Feuer brennt. Die Szenen LXXXIV–LXXXV stellten ebenfalls ein Opfer mehrerer Rinder bei der Ankunft des Kaisers in einem Hafen dar. Die Opfervorbereitungen sind abgeschlossen: Vier Rinder, darunter wenigstens zwei Stiere, warten bei zwei Altären augenscheinlich auf Trajan, der sie darbringen wird.

Die Szene LXXXVI zeigt ein Voropfer, das der Kaiser selbst vollzieht; die Zunge des auf die Knie gezwungenen Rinds hängt aus dem Maul, was bedeutet, dass es schon getötet worden ist, und der Po-pa, der das Tier noch hält, wartet auf einen weiteren Befehl. Man hat angenommen, er warte auf den Befehl, das Tier zum extispicium zu öffnen. Auch dieses Opfer scheint außerhalb der Stadt stattzufin-den. Die Szene LXXXIX stellt die Ankunft des Kaisers in einer Stadt dar; die Menge begrüßt ihn, während er innerhalb der Stadt ein Voropfer darbringt. Bei vier weiteren Altären warten vier Rinder.

Ein weiteres Opfer zeigt Szene XCIX. Diesmal opfert Trajan bei der Donaubrücke. Eine weitere An-kunft des Kaisers vor einer Stadt stellt Szene CII dar. Ein Opfer erwartet den Kaiser, der vom Militär empfangen wird. Das Tier, ein Stier, steht beim Altar.

1 Ich beschränke mich auf die neuere Literatur: Lepper, Frere(1988); Settis (1988); Coarelli (1999), wo weitere Literatur zu finden ist. Vor kurzem ist eine neue Behandlung der Reliefs von H. Chew und A. S. Stefan (2015) erchienen. Für diese Arbeit konnte sie nicht mehr benutzt werden.

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Welche sind nun die Riten, die auf all diesen Bildern dargestellt sind? Die Suovetaurilienopfer sind einfach zu beschreiben. Wie H. Versnel und J. Rüpke2 bewiesen haben, handelt es sich nicht um ein Reinigungsopfer beim Abschluss einer Handlung, sondern sozusagen um ein Schutzopfer vor dem Beginn einer neuen Handlung. Die Lustratio ist eine Prozession, ein Rundgang der Opfertiere, die dann beim Altar dem Gott Mars geopfert werden. Dieser Ritus soll die Menschen, den Ort, die Felder oder die Tiere, die sich an einer gemeinsamen Handlung beteiligen oder die eine Gemeinschaft grün-den, gegen jedes Übel verteidigen. Jeder kennt die lustratio agri des Cato3 und das Suovetaurilien-opfer, das die Zensoren nach dem Zensus des populus zelebrierten.4 Im Kriegszustand geschieht dies, wenn eine Armee neuaufgestellt wird, d.h. wenn eine neue Phase der Kriegführung beginnt5. Der Ritus wird auch durchgeführt, wenn eine Stadt oder ein Lager neu gegründet oder während eines Feldzuges wiederbesetzt werden6. Auf unseren Bildern handelt es sich jeweils um den Bau eines Lagers. Die Szene muss im Geiste des Künstlers eine besondere Bedeutung gehabt haben, denn es gibt auf der Säule andere Bilder, die den Bau eines Lagers darstellen, die aber nicht von der lustratio begleitet sind. Es kann auch ein Zeichen dafür sein, dass die Bilderzählung nicht systematisch alle Vorkomm-nisse beschreibt, sondern eine Auswahl trifft. In diesem Fall kann man nur rätseln über den Grund der Darstellung der drei Lustrationen. Vielleicht hat es mit dem Beginn einer neuen Phase im Feldzug zu tun. Die erste Lustration findet am Anfang des Krieges statt, kurz nach dem Einfall in das feindliche Land. Vielleicht stellt der Künstler so dar, dass das römische Heer jetzt vollständig ist, nachdem sich alle Gruppen — vielleicht in einem Zentrallager — zusammengefunden haben, und dass der Feldzug nun beginnt. Man muss aber bedenken, dass es auf der Säule um die Lustratio eines Lagers geht und nicht um die Lustratio des Heeres selbst. Wahrscheinlich wird auf die Errichtung von römischen Standlagern angespielt, vielleicht im Zusammenhang mit Ereignissen, die uns leider unbekannt sind.

Die zweite Lustration wird nach dem Beginn des zweiten Feldzugs dargestellt, die dritte gegen Ende des Krieges. Die Lustrationen decken also die gesamte Zeit des Krieges ab, sie bilden die erste und die letzte Ritualdarstellung auf der Säule.

Man bemerke auch, dass bei allen Suovetaurilienopfer der Kaiser in der Toga opfert, mit verhüll-tem Haupt, was nicht der Militärtracht und dem Militäropfer entspricht. Trajan opfert hier nicht, wie immer wieder behauptet wird, als Pontifex Maximus, sondern als Kaiser, als Imperiumsträger. Denn wie ein pontifex dargestellt wurde, ob er wie die flamines eine Kopfbedeckung trug, ist nicht klar. Auf jeden Fall handelt der Kaiser auch in Rom religiös immer als Imperiumsträger, z.B. wenn er einen Tempel oder Altar weiht oder wenn er opfert. Denn dies tun vor allem Imperiumsträger, viel seltener die pontifices. Die Opfertracht des Kaisers ist weiter interessant, weil sie bedeutet, dass die Lustration eigentlich ein ziviles Opfer ist, auch wenn es im Kriegsgebiet zelebriert wird.Der Kaiser fungiert als Gründer des Lagers, der Stadt oder der Heeresgruppe, nicht als militärischer Befehlshaber dieser Orte oder Gruppen. Es gibt noch weniger Grund, den Kaiser hier als Priester handeln zu lassen. Der Ponti-fex Maximus opfert und handelt in Rom, außerhalb Roms aber — vor allem in einer Provinz und auf fremden Territorium — hat er keinen Anlass zu opfern.

Die weiteren Opferszenen betreffen immer eine Ankunft des Kaisers. Entweder geht er an Land oder er trifft in einer Stadt ein. Man kann auch hier nur über den genaueren Anlass rätseln, denn mei-stens versteht man nicht, warum er opfert. Bei einer Landung kann man annehmen, dass er ein Votum

2 Versnel (1975) 97–115; Rüpke (1990) 144–146.

3 Cato agr. 148.

4 Val. Max. 4.1.10: … qui (= Africanus) censor, cum lustrum conderet inque solitaurilium sacrificio scriba ex publicis tabulis sollemne ei precationis carmen praeiret, quo di immortales ut populi Romani res meliores amplioresque facerent rogabantur, ‘satis’ inquit ‘bonae et magnae sunt: itaque precor ut eas perpetuo incolumes seruent’, ac protinus in publicis tabulis ad hunc modum carmen emendari iussit. qua uotorum uerecundia deinceps censores in condendis lustris usi sunt;

Suet. Aug. 97 (14 n. Chr.): cum lustrum…conderet …vota, quas in proximum lustrum suscipi mos est, collegam suum Ti-berium nuncupare iussit. nam se, quamquam conscriptis paratisque iam tabulis, negauit suscepturum quae non esset solutu-rus.

5 Liv. 38, 37, 8; Tac. ann. 6, 37; Plut. Caesar 43, 2; Brutus 39, 11.

6 Wir kennen nur Lustrationen von Stadtteilen, die durch den Feind besetzt wurden, und die dann gereinigt und durch eine Lustration „wiederbefestigt“ wurden (Liv. 3, 18, 10 Capitolium purgatum atque lustratum), oder von der gesamten urbs nach schlechten Vorzeichen (Liv. 21, 62, 6–7; 35, 9, 5; 45, 16, 8; Tac. ann. 13, 24) oder eines Ortes der urbs zum Neubau eines vom Feuer zerstörten Tempels (Tac. hist. 1, 87).

Rituelle Handlungen auf der Trajans- und der Marcussäule — Ein Vergleich

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für die sichere Schifffahrt gleich nach der Landung einlöst, so wie es Brauch war. Inez Scott-Ryberg7 spricht diese Darstellungen als nuncupationes votorum an, die durchgeführt wurden, bevor der Kaiser den Fluss bzw. das Meer überschritt. Ich stimme ihr insofern zu, als es sich sehr gut um einen Votivri-tus handeln kann, aber außer bei Fällen, in denen aus irgendeinem Grund die laufenden Vota neuerlich bestätigt wurden, wurde bei der nuncupatio voti nicht geopfert. Dies aber wurde getan, wenn das Vo-tum fällig war. Ich sehe in diesen Bildern also solutiones votorum für die gelungene Schifffahrt oder Reise. Auf den Bildern, die vier Opfertiere und ebensoviel Altäre darstellen, wie bei Szene LXXXIX, handelt es sich — wenn der Steinmetz präzise war — um Opfer an vier Gottheiten, denn gewöhnlich entspricht jeder Altar einer Gottheit. Man kann hier z.B. an die kapitolinische Trias und Salus publica denken, d.h. an die Wiederholung, die commendatio, der Abfahrtsvota, von denen ich noch reden wer-de. Es gibt auf jeden Fall aber keine zweifelsfreie Deutung der Opferszenen, die dargestellt sind und regelmäßig wiederkehren.

2. Marcussäule

Ich brauche die religiösen Szenen auf der Marcussäule nicht weiter zu beschreiben. Wenn man von der künstlerischen Variation in der Beschreibung der Opfer absieht, so findet man genau dieselben Dar-stellungen von Lustrationen und von Opfern, die man nicht weiter versteht, wie auf der Trajanssäule, nämlich Vota oder Dankopfer. Die erste Lustratio (Szenen V–VI8)ist so schlecht erhalten, dass weiter nichts über sie ausgesagt werden kann.Das Bild XXX hingegen stellt eine Variation zu den Darstel-lungen auf der Trajanssäule dar, denn es ist klar, dass das Bild die Lustratio des Heeres und nicht die eines Lagers beschreibt. Scott-Ryberg9 deutet die Folge von lustratio und contio als den Beginn des Feldzuges gegen die Sarmaten. Wie schon früher über Trajan gesagt, ist Marc Aurel bezeichnender-weise noch in Zivil, während er auf dem folgenden Bild in Militärtracht spricht. Das Heer ist als sol-ches rituell definiert, beschützt und aufgestellt worden, nun ist er sein Befehlshaber.

Zwei andere Opfer sind zu erkennen, Szene XIII, auf welcher der Kaiser auf einem Dreifuß zu op-fern scheint, und Szene LXXV, wo der Kaiser eine Libatio auf einem brennenden Altar darbringt. In beiden Bildern sind keine Opfertiere sichtbar, auch keine Musiker. Es ist sehr schwer zu entscheiden, was hier dargestellt ist, entweder eine supplicatio des Kaisers für einen Erfolg oder aber einfach eine Darstellung seiner pietas. Auf jeden Fall unterscheiden sich die rituellen Darstellungen von denen der Trajanssäule. Nur eine, vielleicht zwei Lustrationen werden abgebildet, und zwei äußerst abstrakte Darstellungen der Pietas des Kaisers.

Gibt es weitere Unterschiede? Ich sehe eine Differenz: Auf der Trajanssäule gibt es kaum einen Hinweis auf göttliche Zeichen. Es gibt nur ein Beispiel, das genau nach der ersten Lustration aufge-führt wird: Bei einer Rede des Kaisers scheint ein Reiter von seinem Maulesel gefallen zu sein (Szene IX). Trajan, umgeben von zwei Begleitern, weist auf die Szene hin, was wohl bedeutet, dass er auf das Ereignis aufmerksam macht, d.h. es als gutes Zeichen annimmt. Ich will nicht auf die Diskussion über die genaue Deutung dieser Szene eingehen; ich glaube, dies ist unmöglich. Aber wie alle Forscher, die die Szene beschreiben, gefolgert haben, ist es die Darstellung eines Omens, eines mehr oder weniger banalen Ereignisses, das den Fall der Gegner darstellen sollte und von Trajan angenommen wurde. Es war vielleicht ein bekanntes Ereignis, aber in den uns zur Verfügung stehenden schriftlichen Quellen ist es nicht aufgeführt. Kurz nach der Lustration des ersten Lagers würde so der Feldzug unter guten Vorzeichen beginnen. Weiter sieht man über der Darstellung einer Schlacht (wahrscheinlich der Schlacht bei Tapae) Jupiter über den Soldaten als Mitkämpfer (Szenen XXXII–XXXIII). Der Gott steht auf der römischen Seite und unterstützt das römische Heer.

Sonst aber finden wir nichts auf der Säule, was mit direktem Eingreifen der Götter in Beziehung steht. Anders hingegen auf der Marcussäule: Dort sind zwei Wunder dargestellt. Das erste, Szene XIa, zeigt einfach Feuer, das vom Himmel auf eine Befestigung fällt. Noch schöner ist das zweite Wunder, das sich wie das vorhergehende auf dem unteren Teil der Säule befindet und sehr gut zu sehen ist

7 Scott-Ryberg (1955) 120 ff.

8 Für die Darstellungen s. Scheid, Huet (2000).

9 Scott-Ryberg (1955) 114.

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(Szene XVI, Taf. 53, Abb. 1). Man sieht dort eine erstaunliche Figur, einen bärtigen Gott, dessen Ar-me und Körper aus ströAr-mendem Regen gebildet sind. Unter ihm schwimAr-men leblose dakische Krieger im Wasser, während die römischen Soldaten zuschauen. Diese Szene stellt das Regenwunder im Qua-denland dar. Die Römer waren belagert und hatten kein Wasser mehr. In dieser großen Bedrängnis ging ein Wolkenbruch auf die kämpfenden Truppen nieder: Die Feinde wurden hinweggeschwemmt und erlitten große Verluste, die Römer ihrerseits fingen das Regenwasser auf und konnten so ihren Durst stillen. Dieses Wunder istdurch drei Überlieferungen bekannt: die gekürzte Version des Cassius Dio, eine Notiz in der Suda (unter Arnuphis und Iulianus)10 sowie bei Tertullian und Eusebius,11 die vieluntersucht worden sind.12 Die bildliche Darstellung muss zu diesen Zeugnissen hinzugefügt wer-den. Die Szene auf der Marcussäule ist als ein offizieller Bestandteil des Heeresberichts zu deuten, der für die römischen Autoritäten wichtig war. Auffällig dabei ist die Darstellung des Gottes, der das Aus-sehen eines Usenerschen Sondergottes hat. Er ist nur fließender Regen und Wolkenbruch. In einer früheren Arbeit habe ich für ihn zum Beispiel einen Namen wie Pluvius Imbricitor erfunden. Man muss sich den Gott und seine Benennung wie den Aius Locutius der hohen Republik vorstellen, was auch immer sein konkreter Name war. Interessant sind auch die anderen Versionen, die über das Wunder berichten, die von einem Daimon, den ein Theurg13 mobilisiert hätte, hin bis zum Gott der Christen reichen. In Rom auf der Marcussäule aber, auf einem höchst offiziellen Monument also, se-hen wir diesen eigenartigen, altertümlicse-hen Gott, dem der Kaiser vielleicht einen Tempel oder Altar gewidmet hatte. Zudem konnte ein Römer in dem Feuer, das vom Himmel gefallen war, auch Jupiter Fulminator oder einfach einen Fulminator erkennen;aber die „fließenden“ Haare und Bart lassen eher einen mit dem Regen verbundenen Gott vermuten. Meiner Meinung nach folgten jedenfalls die Rö-mer, je nach ihrer Herkunft und je nach ihrer Einstellung, einer dieser Deutungen.

Wie dem auch sei, diese göttliche Präsenz stellt einen großen Unterschied zur trajanischen Erzäh-lung dar. Nirgends auf der Columna Traiana sieht man eine solche Erscheinung — die banalen Dar-stellungen des Fluss- oder Meeresgottes sind etwas anderes. Es gibt auf der Trajanssäule die Szene des Sturzes eines Reiters vor dem Tribunal des Kaisers, der vielleicht ein gutes Omen darstellen sollte, es gibt auch die Szene der Schlacht, in der Jupiter diskret auf Seiten der Römern kämpft. Sonst aber sieht man nur Soldaten, Zivilbevölkerung und den Kaiser. Alles liegt in der Hand des Kaisers, der römi-schen Autoritäten und der Soldaten. Auch sieht man den Kaiser mehrmals mit Opferhandlungen be-schäftigt.

Diesem Fazit entspricht auch die Nüchternheit der Kommunikation mit der Bevölkerung Roms bei Kriegsausbruch. Die Arvalenkommentare bezeugen, dass am 3. Januar 101 und 10514 bei der her-kömmlichen Zeremonie der vota pro salute principis die solutio der Vota des vorigen Jahres nicht stattfand und dass nur die nuncupatio der Vota für das folgende Jahr vorgenommen wurde. In beiden Fällen muss der Grund dafür in der Verletzung der Abkommen mit den Dakern und deren Angriffe zu suchen sein: Die salus des Kaisers und des Reiches war nicht mehr die gleiche wie ein Jahr früher, sie war nun bedroht.15 Dies bedeutete, dass die kapitolinische Trias und die Salus publica des römischen Volkes ihren Teil des Votivkontraktes nicht erfüllt hatten, und dass die Römer so ihre Leistung, d.h.

die versprochenen Opfer, nicht darzubringen brauchten. Hoc anno sacrificatum non est schreibt der Sekretär der Arvalen. Es gibt auch andere Beispiele dieser Nichtauslösung der Gelübde, wenn die Gottheit ihren Dienst nicht getan hatte. Weiter wurden beim Auszug im März 101 große nuncupatio-nes votorum gemacht, mit denen eine große Zahl von Göttern gebeten wurde, den Kaiser siegreich heimkehren zu lassen.16 Man findet übrigens unter diesen Göttern Neptun, was bedeutet, dass auch die Schifffahrt miteinbezogen war. Und dieses Votum kann mit den verschiedenen Opferdarstellungen

10 Cass. Dio (Xiphil.) 71, 8, 4; Suda, !"#$%&'() (alpha, 3987); *%&+(,$-) (iota, 434).

11 Tert. apol. 5, 6; Eus. HE 5, 4–6.

12 Unter anderem Mommsen (1895 [1906]); Guey (1948); Birley (1966) 239 ff.; Fowden (1987) 83–95; Klein (1991) 117–

138; Maffei (1990) 327–367; Scheid (2000); Kovács (2009) mit weiterer Literatur.

13 Der Magos Arnouphis oder der Theurgist Iulianus. Hinter den Quellen dieser Figuren eine historische Figur wiederzu-finden (AE 1934, 245), scheint mir schwierig.

14 Scheid (1998) 177, Nr. 62 (101 n. Chr.), Zeilen 1–11; 185, Nr. 64 (105 n. Chr.), I, Zeilen 1–10.

15 Scheid (1989–1990).

16 Scheid (1998) 178, Nr. 62 a, Zeilen 23–72.

Rituelle Handlungen auf der Trajans- und der Marcussäule — Ein Vergleich

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nach Landungen in Verbindung gebracht werden. Es kann sich in diesen Szenen also um commenda-tiones votorum handeln: Nach vollzogener Unterstützung bei dieser Handlung kann dem zuständigen Gott ein Votivopfer dargebracht werden, manchmal kann dann für das weitere Geschehen das Votum wiederholt oder „empfohlen“ (commendare) werden. Es handelt sich also im Großen und Ganzen um eine sehr herkömmliche und nüchterne Darstellung des Kriegszuges gegen die Daker, sowohl bei Kriegsausbruch als auch beim Auszug, in den Arvalakten und auf der Columna.

Dies ist auf der Marcussäule augenscheinlich anders. Sicher ist zwar, dass die gleichen Rituale wie auf der Trajanssäule dargestellt werden, aber sie sind weniger zahlreich und weniger konkret auf Einzelereignisse bezogen. Die sehr gut sichtbaren Bilder des Blitzschleuderers und des Regengottes sollen nicht nur beweisen, dass die Götter auf römischer Seite standen; vielmehr hatten sie unmittelbar und unerwartet in das Geschehen eingegriffen. Damit hatten sie den römischen Soldaten nicht nur Kraft und Unterstützung gegeben, sondern ihr Eingriff hatte Wunder gewirkt. Diese Epiphanie stellt m.E. einen Unterschied zur Trajanssäule dar. Die unglückliche Zeit der Markomannenkriege mag die-sen viel emotionaleren Tonfall der Marcussäule bestimmt haben. Die Gemüter waren bedrückt durch die Pest und die Barbarenkriege, und so wurden andere Mittel benutzt, um die göttliche Unterstützung auszudrücken. Wir besitzen leider die Arvalprotokolle des Kriegsbeginns gegen die Markomannen nicht, so dass wir nicht feststellen können, ob der öffentliche Aufzug des Kriegsbeginnes genau so selbstbewusst wie in den Jahren 101 und 105 durchgeführt wurde. Ein anderes Zeichen aber scheint in

Dies ist auf der Marcussäule augenscheinlich anders. Sicher ist zwar, dass die gleichen Rituale wie auf der Trajanssäule dargestellt werden, aber sie sind weniger zahlreich und weniger konkret auf Einzelereignisse bezogen. Die sehr gut sichtbaren Bilder des Blitzschleuderers und des Regengottes sollen nicht nur beweisen, dass die Götter auf römischer Seite standen; vielmehr hatten sie unmittelbar und unerwartet in das Geschehen eingegriffen. Damit hatten sie den römischen Soldaten nicht nur Kraft und Unterstützung gegeben, sondern ihr Eingriff hatte Wunder gewirkt. Diese Epiphanie stellt m.E. einen Unterschied zur Trajanssäule dar. Die unglückliche Zeit der Markomannenkriege mag die-sen viel emotionaleren Tonfall der Marcussäule bestimmt haben. Die Gemüter waren bedrückt durch die Pest und die Barbarenkriege, und so wurden andere Mittel benutzt, um die göttliche Unterstützung auszudrücken. Wir besitzen leider die Arvalprotokolle des Kriegsbeginns gegen die Markomannen nicht, so dass wir nicht feststellen können, ob der öffentliche Aufzug des Kriegsbeginnes genau so selbstbewusst wie in den Jahren 101 und 105 durchgeführt wurde. Ein anderes Zeichen aber scheint in

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 159-165)