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DIE TRAIANSSÄULE ALS ZEUGNIS INNOVATIVER HERRSCHAFTS- HERRSCHAFTS-DARSTELLUNG DES OPTIMUS PRINCEPS

Im Dokument H ISBN: 978-3-902976-53-6 (Seite 165-183)

Jeder historische Atlas enthält eine Karte des römischen Reiches in den Grenzen des Jahres 117 n.

Chr., als Traian gerade in einem gewaltig dimensionierten Krieg das Imperium um drei neue Provin-zen im Osten erweitert hatte. Zu diesem Zeitpunkt war das Reich so groß wie nie zuvor, und niemals wieder sollte es von Britannien bis zur Sahara und von Spanien bis zum Persischen Golf reichen. Das populäre — und auch in der Fachwissenschaft noch wirkmächtige — Bild Traians als eines, wenn nicht sogar des größten Eroberers, den das römische Reich je hervorbrachte, wird ganz maßgeblich durch unsere Wahrnehmung jener Monumente in Rom konturiert, die er als Orte der Erinnerung an seine Kriegstaten errichtete; an erster Stelle das Traiansforum und die Traianssäule.1

Mit seinen rund 220 Metern Länge und 188 Metern Breite war das Forum der größte architektoni-sche Komplex seiner Zeit in der Hauptstadt, doch auch seine einzelnen baulichen Bestandteile setzten neue Maßstäbe. Gigantische Bögen boten einen repräsentativen Zugang auf das Areal, bunter Marmor ließ seine Bauten und Böden in allen Farben erstrahlen, inmitten der Platzanlage erhob sich eine über 12 Meter hohe vergoldete Reiterstatue Traians, und auch die Basilica Ulpia, die quer zum Forumsplatz liegende Halle, war die größte ihrer Art in der römischen Welt. Die Säule selbst war für den Betrachter zunächst nicht gut zu sehen, denn sie erhob sich auf einem kleinen Hof, der sich zwischen dieser Halle und zwei Bibliotheksgebäuden befand, welche der Öffentlichkeit Werke der griechischen und lateini-schen Literatur zugänglich machten. Mit ihrer Höhe von 100 römilateini-schen Fuß — rund 30 Metern — überragte sie jedoch die anderen Gebäude des Forumskomplexes, und zumindest ihre Spitze, die zu-dem eine vergoldete Statue des Kaisers trug, war weithin sichtbar.

Der Bau dieses Forums war durch zwei von Traian in den Jahren 101/102 und 105/106 n. Chr. ge-führte Kriege gegen die Daker ermöglicht worden. Infolge dieser Siege war gewaltige Beute nach Rom geflossen, und Architektur und Ausstattung des Forums bezeugten diese Finanzierung durch ihre im Wesentlichen militärisch geprägte Bilderwelt. Zahlreiche Statuen zeigten den Kaiser als Feldherrn und Triumphator im Viergespann, begleitet von der Siegesgöttin Victoria; daneben rühmten Inschrif-ten, welche Taten und Tugenden Traians die Siege ermöglicht hatInschrif-ten, Reliefs zeigten ihn die Kriege führen sowie in die Kämpfe eingreifen, und Statuen gefangener Daker schmückten die Fassaden der Gebäude. Auch das Heer selbst fand sich in zahlreichen Darstellungen auf dem Forum repräsentiert.

So trugen etwa die Dächer der den Forumsplatz umgebenden Säulenhallen die vergoldeten Standarten von Truppenteilen.

Doch nirgends wurden die Leistungen der Soldaten und ihres Feldherrn so umfangreich wie de-tailliert dargestellt und gefeiert wie auf den Reliefs der Traianssäule. Auf dem rund 200 Meter langen Fries, der sich in 23 Windungen spiralförmig um die Columna zieht, erinnert eine fortlaufende Bilder-zählung an die Ereignisse der beiden von Traian höchstselbst angeführten Feldzüge. Hierbei stehen die Taten des Heeres und seines kaiserlichen Feldherrn im Mittelpunkt; rund sechzigmal ist der Herrscher in den Szenen des Frieses dargestellt. Die Säule war derart gewaltig und auch als Einzelmonument bedeutend, dass sie erst am 12. Mai 113 n. Chr., somit anderthalb Jahre nach der eigentlichen Einwei-hung des Forums, der Öffentlichkeit übergeben wurde. In uralter republikanischer Tradition stehend, waren die Monumente des Forums ex manubiis finanziert worden: aus den Versteigerungserlösen der

1 Zu Forum und Säule Traians s. Zanker (1970); Packer (1997); Seelentag (2004) 297–408 und (2006); Meneghini, Santangeli Valenzani (2007).

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Kriegsbeute.2 Durch diese Auktionierung der Beute waren die Siege dem stadtrömischen Publikum nicht nur augenfällig, sondern tatsächlich ‘begreifbar’ geworden.

Mit diesen gewaltigen Bauten kam Traian der Erwartungshaltung der Bevölkerung in spektakulä-rer Weise entgegen. Denn der römische Kaiser hatte für sein Volk zu sorgen, nicht nur, indem er etwa die reibungslose Getreideversorgung der Hauptstadt garantierte, öffentlich Geschenke verteilte oder prächtige Spiele bot. Insbesondere hatte er Bauten zu errichten, von denen alle Bürger profitieren soll-ten, neben Aquäduksoll-ten, Thermen, Säulengängen und Tempeln eben auch Platzanlagen — dies ent-sprach dem historisch gewachsenen Bild eines guten, um das Gemeinwohl besorgten Princeps. Tat-sächlich reihte sich Traian mit seinem Forum in eine Reihe von Vorgängern ein, die ihrerseits Platzan-lagen in ihrem Namen dem römischen Volk übergeben hatten, Nerva etwa, Vespasian und Augustus.

Doch die traianischen Monumente übertrafen ihre Vorgänger. Schließlich waren die Maße des Forums und seine aus aller Welt herbeigeschafften wertvollen Materialien, welche neben dem Einfluss des Bauherrn auch die Größe seines Reiches sinnlich erfahrbar machten, bis dahin ungesehen; und indem die Monumente ersichtlich als das direkte Resultat der Kriegstaten und der Freigebigkeit des Kaisers vorgeführt waren, wurde dem Betrachter deutlich gemacht, dass nicht allein die Bauten, sondern auch der Erbauer selbst alle seine Vorgänger bei weitem übertreffe. Niemand sonst hatte so viel zur Aus-dehnung des Reiches und zum Wohle des römischen Volkes beigetragen.

Der Traianssäule kam bei dieser Illustration der kaiserlichen Größe eine besondere Funktion zu.

Siegreichen Feldherren zur Dokumentation und Verherrlichung ihrer Taten Ehrenmonumente zu er-richten, besaß eine lange Tradition, und zur Zeit Traians standen zahlreiche solcher Erinnerungsmale aus Republik und Principat auf den verschiedenen Platzanlagen der Hauptstadt. Stets referierte eine am Monument angebrachte Inschrift den Anlass seiner Errichtung, und für gewöhnlich war eine Statue des solcherart Geehrten fester Bestandteil des Ehrenmals. Eine besondere Gruppe dieser Monumen-tenklasse waren Ehrensäulen, etwa jene des Duilius wegen seines Sieges von Mylae im Ersten Puni-schen Krieg oder jene Oktavians wegen seines Seesieges über Sextus Pompeius bei Naulochos. In diese Säulen waren die Rammsporne der in diesen Schlachten erbeuteten Schiffe eingelassen. In-schrift, bauliche Gestalt und Beiwerk solcher Monumente enthielten also stets die erklärende Rechtfer-tigung ihrer Errichtung. Ebenso verhält es sich mit der Traianssäule. Auf ihrem Fries, der in seiner Detailliertheit zur Nachprüfung der Kriege einzuladen schien, konnte das stadtrömische Publikum erkennen, dass es die Taten der Dakerkriege waren, welche eine solch großartige Ehrensäule für den siegreichen Feldherrn und seine Truppen rechtfertigten, wie Rom sie noch nicht gesehen hatte. Traian strengte also vor den Augen der Öffentlichkeit den Vergleich mit den Großen der Vergangenheit an, indem er sich mit traditionellen Bauformen in Relation zu deren Monumenten setzte. Da seine Bauten jene aber an Größe, Pracht und nicht zuletzt auch an der Dichte der dokumentierten Taten übertrafen, formulierte der Princeps gegenüber den Zeitgenossen wie auch den kommenden Generationen den Anspruch, seine Vorgänger bei weitem übertroffen zu haben.

Rom erkannte dies an. Es war ein Charakteristikum des Principat-Systems, dass vom Kaiser zwar erwartet wurde, aus der von ihm errungenen Beute Bauten für das Volk zu errichten, dass es aber Se-nat und Volk von Rom waren, die ihn dafür ehrten. Denn die Position des römischen Kaisers legiti-mierte sich aus der Zustimmung aller, aus dem consensus universorum. Ihm selbst war Bescheidenheit (moderatio/modestia) auferlegt, sie galt als wesentliche Herrschertugend. Der Princeps durfte sich also nicht selbst für Taten loben, die er ohnehin in Diensten und für das gemeinsame Wohl aller zu voll-bringen hatte. So hatten die im Namen von Senat und Volk formulierten Ehreninschriften an den zahl-reichen Statuen des Kaisers und eben auch auf der Basis der Traianssäule letztlich die Funktion, Trai-an seine allgemeine AkzeptTrai-anz als größter aller Kaiser zu bestätigen. Sie erkTrai-annten den Anspruch des Imperators an, durch seine Taten und Tugenden alle seiner Vorgänger übertroffen zu haben, wodurch es eben gerechtfertigt sei, seine Größe gewaltiger darzustellen, als Rom dies bis dahin gesehen hatte.

2 Gell. 13.15.1–3.

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Die Aussage der Inschrift und die Darstellung der Legionäre

Angesichts dieser Allpräsenz militärischer Elemente auf dem Forum und den Reliefs der Säule über-rascht die Aussage der Inschrift, die sich auf dem Sockel der Säule findet und die den Grund verzeich-net, weshalb Senat und Volk von Rom ihren Princeps mit dieser Säule ehrten:3

SENATVS POPVLVSQUE ROMANVS / IMP CAESARI DIVI NERVAE F NERVAE / TRAIA-NO AVG GERM DACICO PONTIF / MAXIMO TRIB POT XVII IMP VI COS VI P P / AD DECLA-RANDVM QVANTAE ALTITVDINIS / MONS ET LOCVS TANT[is ope]R!IBVS SIT EGESTVS

Mit keinem Wort erwähnt die Inschrift die auf dem Fries und in sämtlichen Monumenten des Fo-rums dokumentierten Kriegsleistungen des Kaisers und seiner Truppen. Vielmehr hält sie fest, die Columna sei zu Ehren des Kaisers errichtet worden, „um zu zeigen, bis zu welcher Höhe Berg und Platz abzutragen waren, um solchen Bauwerken Platz zu machen.“4 Verzeichnet sind also die heraus-ragende Ingenieursleistung und der städtebauliche Aufwand, den es bedeutet hatte, dem Forumskom-plex an dieser Stelle seinen Bauplatz zu bereiten. Schon zu Beginn des 20. Jh. hatten Grabungen nach-gewiesen, dass die Säule auf bereits seit republikanischer Zeit vorhandenen Bauschichten errichtet worden war.5 Damit wurde deutlich, dass die Höhe der Säule nicht die Arbeiten unmittelbar an ihrem Standort selbst anzeigen sollte, sondern jene Maßnahmen unmittelbar daneben: Der Hang des Quirinal war in der Tat abgetragen worden, um den nord-östlichen Exedren der Forumsportiken und der Basili-ca Platz zu schaffen. Die Traiansmärkte hatten dabei auch eine abstützende Funktion. Die Höhe der Säule entsprach jener Höhe, bis zu der die Traiansmärkte aufragten, ein baulicher Großkomplex, der zahllose Ladenlokale, Büros für Verwaltungstätigkeit und Mehrzweckhallen umfasste.6 Dieser promi-nente Hinweis auf die zivile Bautätigkeit mitten im römischen Stadtzentrum als Dedikationsinschrift an einem Monument, welches die Kriege in Dakien darstellt, gab immer wieder Rätsel auf. Warum bezieht sich die Inschrift nicht auf das Dargestellte? Warum ehrten Senat und Volk von Rom den Kai-ser nicht für die auf der Säule dargestellten militärischen Großtaten?

Diese Frage wird noch komplexer, wenn wir uns klarmachen, dass die auf der Säule abgebildeten Kriegshandlungen in ganz charakteristischer Weise dargestellt sind. So ist bemerkenswert, dass die Legionäre des Kaisers, welche aus römischen Bürgern rekrutiert wurden und die am höchsten profes-sionalisierten Soldaten der antiken Welt waren, auf den Reliefs der Traianssäule keinesfalls die Haupt-last der Kämpfe tragen. Die Darstellung von kriegerischer Gewaltausübung durch sie ist erheblich beschränkt. Diese Aufgabe kommt auf dem Fries vor allem den Auxiliarsoldaten zu, jenen in den Pro-vinzen des Reiches rekrutierten und von römischen Offizieren befehligten Truppen, die erst mit ihrem Ausscheiden aus dem Dienst das römische Bürgerrecht erhielten. Zwar stehen die Legionäre in den meisten Szenen des Frieses im Mittelpunkt, doch sind sie nur dann als Kampfverband dargestellt, wenn sie technisch anspruchsvolle Tätigkeiten vollbringen, wenn sie etwa Belagerungsmaschinen bedienen, oder wenn die Kampfsituation eine besondere Disziplin verlangt, etwa beim Bilden einer Formation wie der „Schildkröte“ oder beim Sturm auf eine steinerne Bergfestung der Daker.7

Häufiger als zu kämpfen, verrichten die Legionäre auf den Reliefs Tätigkeiten, die auch einem stadtrömischen Zivilisten aus dessen Alltagsleben vertraut waren. So sieht man sie etwa beim Beladen und Entladen von Schiffen, als Handwerker beim Bau von Brücken und Gebäuden, sie ernten Getrei-de, fällen Bäume und sie arbeiten als Spezialisten, zum Beispiel als Ärzte oder Ingenieure. Wenn der Betrachter etwa auf die direkt über der Inschrift liegenden Reliefwindungen blickte, sah er die römi-schen Legionäre bei der Konstruktion einer Schiffsbrücke über die Donau, beim Schlagen von Schnei-sen in den dakischen Wäldern und beim Nivellieren von Gelände, um dort dann als Maurer und

3 CIL VI 960 = ILS 294 sowie den Beitrag von E. Weber in diesem Band.

4 Zanker (1970) 529–530 formuliert diese geläufige Übersetzung, die auch durch die spezifische Rezeption der Bauin-schrift durch Cass. Dio 68.16.3 nahegelegt wird. Zu den Interpretationsmöglichkeiten des Textes siehe Lepper, Frere (1988) 203–207.

5 Siehe den Beitrag von M. Bruno und F. Bianchi in diesem Band.

6 Strobel (2010) 311–312.

7 Siehe den Beitrag von Ch. Heitz in diesem Band.

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merleute Lager und Siedlungen zu bauen. Die Legionäre besiegen die feindselige Natur und errichten Werke der Zivilisation an ihrer Stelle. Bezwungen werden hier eben nicht allein die Daker, sondern auch deren wilder Lebensraum. Die Randzone des Imperiums wird zur Kulturzone gemacht.

Damit wurde die Perspektive entworfen, dass das eben noch allein von Barbaren bewohnte Fein-desland als dem Reich jüngst hinzugewonnene Provinz Dacia sofort zu prosperieren begänne. Denn mit besonderer Ausführlichkeit schildern die Reliefs den Weg Traians auf den Kriegsschauplatz durch die Donauprovinzen vor Beginn des zweiten Dakerkrieges. Hier wird der Kaiser von jubelnden Men-schen empfangen, und an ihrer Seite opfert er den gemeinsamen Göttern in Städten, die mit Bauten wie Tempeln, Theatern und Amphitheatern deutliche Anzeichen ihrer Romanisierung aufweisen. Die-se Provinzen gehörten schon länger zum Reich und wieDie-sen auf die künftige Entwicklung der hinzuge-kommenen Dacia. Hier wurden die zivilisatorische Macht Roms und die kulturelle Strahlkraft seines Reiches abgebildet. Das römische Heer und sein Befehlshaber sind nicht primär als erobernde Zerstö-rer, sondern gerade als Kulturbringer dargestellt.8

Im Folgenden wollen wir der für die Regierung Traians charakteristischen Verbindung von be-sonders betonter Sieghaftigkeit des Princeps und seiner Rolle als Kultivator nachgehen, die unter Trai-an ebenfalls eine bis dahin unbekTrai-annte Prominenz in der Herrschaftsdarstellung römischer Kaiser er-langte. Wir werden sehen, dass beide Botschaften untrennbar miteinander verbunden waren. Ihrer beider Ursprung ist in den Umständen zu finden, unter denen Traian seinen Principat antrat, und den Spielräumen und Notwendigkeiten der Herrschaftsdarstellung dieser Jahre.

Die Flavier und das Ideologem der Sieghaftigkeit

Die Herrschaftsdarstellung römischer Kaiser war ein stets dynamischer Prozess, in dem etablierte und innovative Elemente zusammenspielten. Ihre Motive basierten wesentlich auf senatorischen Werten und Handlungsmustern der Republik, und seit dem Principat des Augustus bildeten sie ein recht stabi-les Inventar. So wurden einem Princeps von Beginn seiner Herrschaft an gewisse Eigenschaften zuge-sprochen, zentrale Bestandteile der monarchischen Rolle. Allerdings wurden auch bestimmte daraus resultierende Taten von ihm erwartet. Dies war eine Hypothek für jene Kaiser, welche die ihnen von Vorneherein und grundsätzlich zugestandenen Eigenschaften bislang nicht konkretisiert und damit das von ihnen erwartete Bild eines Guten Princeps noch nicht bestätigt hatten.9 Obgleich der Fundus der Inhalte und Ausdrucksformen von Herrschaftsdarstellung über Jahrhunderte stabil blieb, beobachten wir durchaus Akzentverschiebungen von einem zum anderen Kaiser und auch innerhalb einer Regie-rungszeit. Neue Umstände und neue Taten des Herrschers ließen neue Inhalte in die Herrschaftsdar-stellung einfließen. Dabei wurden innovative Aussagen mittels erprobter Ausdrucksformen, etablierter Visiotypen etwa, in den etablierten Bestand eingebettet. Daher stellt das Bild des Herrschers, wie es uns in den unterschiedlichsten Medien erscheint, immer nur eine Momentaufnahme eines fortwähren-den Prozesses dar.

Die während der traianischen Regierung in zahlreichen Medien zu beobachtende Betonung der kaiserlichen Sieghaftigkeit hatte Gründe, die in den Jahrzehnten vor Traians Herrschaftsantritt zu su-chen sind und nur mit Blick auf die Herrschaft Domitians zu verstehen sind. Nach dem abrupten Ende der iulisch-claudischen Dynastie hatte der neue Princeps Vespasian nicht die Möglichkeit, Legitimati-on aus jenem Erbcharisma zu beziehen, das die Herrscher vLegitimati-on Augustus bis Nero für sich beanspru-chen konnten. Stattdessen machten er und nach ihm seine Söhne das Ideologem der kaiserlibeanspru-chen Sieg-haftigkeit zur wesentlichen Facette der charismatischen Komponente ihrer kaiserlichen Imago. Mit bis dahin ungekannter Intensität und Breitenwirkung konturierten die Flavier in zahlreichen Medien, von Ritualen über Monumente zu Münzen, das Bild des römischen Herrschers als eines erfolgreichen Feldherrn. Unter Domitian gewann diese Imago allerdings eine noch einmal andere Qualität als unter seinen Vorgängern. Dies lässt sich damit erklären, dass weder Vespasian noch Titus dem jüngeren

8 Hierzu s. Wolfram Thill (2010).

9 Zum hier zugrunde gelegten Konzept des römischen Principats als eines Akzeptanzsystems, zum Phänomen der Herr-schaftsdarstellung unter diesen Bedingungen und zu jenen gesellschaftlichen Gruppen, die von den kaiserlichen Botschaften angesprochen wurden und ihrerseits auf diese Einfluss nahmen, s. die Arbeiten von Egon Flaig, bes. (1992), und Seelentag (2004), bes. 12–42. — Zum Inventar der Herrschertugenden s. etwa Wallace-Hadrill (1982); Noreña (2011).

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Bruder Domitian die Möglichkeit gegeben hatten, sich an der Spitze von Truppen zu profilieren und jene Erwartungen zu erfüllen, die an ein Mitglied der herrschenden Dynastie bezüglich seiner militäri-schen Leistungskraft gestellt wurden. Daher ist es verständlich, dass, als Titus nach so wenigen Regie-rungsjahren überraschend starb, Domitian von Beginn seiner Regierungszeit an um militärische Erfol-ge bemüht war.10 Im Frühjahr 83 überschritt er den Rhein und stieß in das Kernland der Chatten vor.

Doch schon im Herbst beendete er den Feldzug, und Anfang 84 feierte er seinen ersten Triumph.

Überdies führte der Kaiser bereits seit Sommer 83 den Namen Germanicus. Diesen hatte er nicht als bloßen Siegertitel angenommen, sondern als einen tatsächlichen Namensbestandteil.

Schon in republikanischer Zeit waren Siegerbeinamen den militärischen Führern inoffiziell über-tragen worden; es gibt kein Zeugnis dafür, dass Senat oder Volksversammlung sie vergaben.11 Voraus-setzung scheint allerdings gewesen zu sein, dass der Betreffende zuvor einen Triumph über das ent-sprechende Volk gefeiert hatte. Und Voraussetzung für den Triumph war wiederum, dass der Feldherr persönlich auf dem Kriegsschauplatz gewesen war, seine Truppen höchstselbst in den Krieg geführt hatte und seine Legionen ihn dort zum Imperator ausgerufen hatten. Diese in republikanischer Zeit gründenden Regeln behielten ihre Gültigkeit bis weit in die Kaiserzeit hinein.

Domitian war der erste Princeps überhaupt, der einen Siegerbeinamen führte; zahlreiche spätere Kaiser sollten ihm darin folgen. Und als Domitian im Jahre 83 für Monate in den Krieg zog, leitete er eine wesentliche Entwicklung der Herrschaftsdarstellung ein: die oft jahrelange Anwesenheit des Kai-sers an der Front — und damit seine Abwesenheit aus Rom, die das Akzeptanzsystem des Principats vor schwere Probleme stellte. Schließlich beruhte die Akzeptanz des Kaisers auf seiner erfolgreichen Zurschaustellung von Nähe mit den Senatoren wie auch der plebs urbana. Andererseits betonte die persönliche Führung eines Feldzuges die charismatische Komponente der kaiserlichen Imago: der Kaiser als eigenhändiger Sieger, der in seinem Namen, mit seiner Person untrennbar verbunden, seine Sieghaftigkeit trägt.12 Die Bilderwelten zeigen jedenfalls, dass dieses persönliche Eingreifen des Kai-sers in die Kriegshandlungen eine wesentliche Facette seiner Imago war.13

Allerdings wurde Domitians Imago des sieghaften Kaisers, Triumphators und Trägers eines Sie-gerbeinamens schon im Jahre 85 empfindlich gestört, als dakische Stämme in Moesia einfielen. Erneut begab sich der Kaiser höchstselbst an die Front. Er siegte und feierte 86 seinen zweiten Triumph, nun über die Daker. Allerdings wurde schon im darauffolgenden Jahr ein römisches Heer an der Donau vernichtet. Den Aufbruch in den Krieg verhinderten zwei Ereignisse, die womöglich einen Akzep-tanzverlust des Kaisers aufgrund dieser Niederlage beziehungsweise des Auseinanderklaffens von Anspruch und Wirklichkeit reflektierten. 87 wurde eine stadtrömische Verschwörung gegen Domitian

Allerdings wurde Domitians Imago des sieghaften Kaisers, Triumphators und Trägers eines Sie-gerbeinamens schon im Jahre 85 empfindlich gestört, als dakische Stämme in Moesia einfielen. Erneut begab sich der Kaiser höchstselbst an die Front. Er siegte und feierte 86 seinen zweiten Triumph, nun über die Daker. Allerdings wurde schon im darauffolgenden Jahr ein römisches Heer an der Donau vernichtet. Den Aufbruch in den Krieg verhinderten zwei Ereignisse, die womöglich einen Akzep-tanzverlust des Kaisers aufgrund dieser Niederlage beziehungsweise des Auseinanderklaffens von Anspruch und Wirklichkeit reflektierten. 87 wurde eine stadtrömische Verschwörung gegen Domitian

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