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Vom National-Hygiene -Museum zum Deutschen Hygiene -Museum

4. VOM MUSEUMSGEDANKEN ZUM BAUPROJEKT - ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DES DEUTSCHEN HYGIENE-MUSEUMS UND ENTWICKLUNG DES DEUTSCHEN HYGIENE-MUSEUMS

4.3. Vom National-Hygiene -Museum zum Deutschen Hygiene -Museum

Der Anspruch, sich in ihrer Arbeit und Ausstellungstätigkeit immer den Anforderungen der Zeit zu stellen und auf die aktuellen Bedürfnisse der Menschen einzugehen, forderte die noch junge Institution schon bald in besonderer Weise heraus, als es galt, den verheerenden Auswirkungen des Krieges in der Bevölkerung entgegenzutreten. So beteiligte sich das Dresdner Museum 1917 mit einer Ausstellungsgruppe über Verwundeten- und Krüppelfürsorge an einer Ausstellung in Leipzig, stellte die Errungenschaften und die speziellen Arbeitskräfte des Hauses der Kriegsbeschädigtenfürsorge zur Verfügung und ermöglichte mit der Ausstellung „Die Kriegsbeschädigtenfürsorge in Deutschland“ in Dresden eine Überblicksdarstellung der Problematik. Das National-Hygiene-Museum nahm 1918 zu allen Einrichtungen Kontakt auf, die im weitesten Sinne mit Volksgesundheitsaufklärung zu tun hatten, so dass man für die dringenden Maßnahmen zum Umgang mit den Folgen des Krieges gewappnet war. Schon 1918 bereitete man einschlägige Ausstellungsstücke zum Thema „Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ vor, die dann in einer Ausstellung Anfang 1919 präsentiert werden konnten.137 Das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen von Krieg und Nachkriegszeit verlangten aber nicht nur die Aufbereitung spezieller Themen, sondern auch besonders wirksame, flächendeckende Aufklärungsarbeit. Im Jahr 1919 beschritt das National Hygiene-Museum auch hier einen neuen Weg, indem es durch mobile Ausstellungskonzeptionen in Form von Wanderausstellungen die hygienische Volksbildung erweiterte. Schon 1918 hatte man beschlossen, Schaustücke für Ausstellungen zusammenzustellen, mit denen man im In- und Ausland Städte und kleinere Gemeinden erreichen konnte. Die Schwerpunktthemen dieser oftmals umfangreichen beweglichen Ausstellungen in umgerüsteten Lastwagen und Zelten waren Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose, Säuglingspflege. Außerdem wurden ausgewählte

137 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1933. Im Anhang: Ein Rückblick auf die Entwicklung des Museums. Dresden o.J., S. 34/35.

Teile der Sammlung „Der Mensch“ gezeigt. Über den Inhalt der Wanderausstellungen informierte das Museum durch Veröffentlichung von Büchern und einer Museumszeitschrift. Zur Ausrüstung der Wanderausstellungen mussten Duplikate von Lehrmitteln durch die museumseigenen Werkstätten angefertigt werden. Das große Interesse an den Schauobjekten des Museums legte 1920 auch die Entscheidung des geschäftsführenden Direktors Georg Seiring nahe, Kopien von wichtigen Exponaten und andere Lehrmittel durch die technischen Facharbeiter in den museumseigenen Werkstätten seriell produzieren zu lassen, um diese in aller Welt zu verkaufen. Die Idee, als wissenschaftliche und gemeinnützige Institution auch in eigener Sache unternehmerisch tätig zu werden, um durch die so gewonnenen Einnahmen wiederum die Museumsarbeit zu finanzieren, darf als kleine „Revolution“ gewertet werden. Diese Aufgabe übernahm nun die aus den Lehrmittelwerkstätten des Museums hervorgegangene

„Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf“.138 Gleichzeitig mit der Produktion lief eine aktive „Öffentlichkeitsarbeit“ mit der Herausgabe von Schriften, Aufklärungs- und Werbematerial. Georg Seiring scheint sich mit diesen klugen Maßnahmen an die Reklamestrategie und die kaufmännischen Traditionen seines Freundes Karl August Lingner im besten Sinne angelehnt zu haben. Das für ein Museum ungewöhnliche Wirtschaftskonzept erwies sich als sehr praktikabel. Die inflationsbedingt trostlose Lage, das Stiftungsvermögen ging durch die Geldentwertung verloren, hätte beinahe zur Einstellung der Lehrmittelproduktion und zur Entlassung des verbliebenen technisch spezialisierten Personals geführt, wenn man nicht den Weg der seriellen Herstellung von Ausstellungsmitteln vor allem für das Ausland eingeschlagen hätte. Die durch Lehrmittelproduktion erwirtschafteten Einnahmen trugen dazu bei, dass das Museum, das 1920 in „Deutsches Hygiene-Museum (e.V.)“ umbenannt wurde, die wirtschaftlich schwierige Zeit der Inflation überstehen konnte. 1923 lief der Mietvertrag für das Gebäude der Großenhainer Straße ab, so dass das Deutsche Hygiene-Museum umziehen musste.

138 Schon 1913 unterschied man zwischen der Lehrmittelproduktion für den Eigenbedarf des Museums und für den Vertrieb. Das der neuzeitlichen Abteilung zugeordnete, für Herstellung und Vertrieb von Wachsmoulagen zuständige Pathoplastische Institut wurde als GmbH zum selbstständigen Unternehmen. Seit 1916 hielt die Lingner-Stiftung Gesellschaftsanteile der Firma Natura docet GmbH aus Naunhof/Leipzig. Die Firma, die das Spalteholzpatent innehatte, wurde 1916 in die Räume des Museums verlegt. Diese beiden, im Besitz des Museumsvereins befindlichen Gesellschaften, bildeten unter der geschäftlichen Leitung des Verwaltungsdirektors des Museums die Lehrmittelwerkstätten des National-Hygiene-Museums. Die Lehrmittel wurden zum Beispiel im Auftrag der Lingner-Stiftung gefertigt, die diese dann Schulen kostenlos zur Verfügung stellte. Die Absicht, mit den Erzeugnissen Gewinne zu erzielen, kam erst 1920 auf. Man konnte nun aber auf der Grundlage der bereits vorherrschenden Verhältnisse und der frühen Bemühungen um selbstständige Arbeit der Werkstätten sowie um einen hohen Qualitätsstandard in der Lehrmittelfertigung schnell ein sehr effektives Zusammenspiel zwischen Museumsarbeit, Werbung und Vertrieb als Wirtschaftskonzept umsetzen. Vgl. Georg Seiring: Verwaltungs- und Finanzbericht. In: Das National-Hygiene-Museum in Dresden in den Jahren 1912-1918. Dresden 1919, S. 19-28, hier S. 21; siehe auch: Karl Sudhoff: Allgemeiner Tätigkeitsbericht für die Jahre 1912-1918. In: Das National-Hygiene-Museum in Dresden in den Jahren 1912-1918. Dresden 1919, S. 5-8, hier S. 6.

Die neuen Räume befanden sich in der Zirkusstraße.139 In diesem Jahr erfolgte auch die Eintragung der „Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf“ in das Handelsregister. Die Gesellschaft erwirtschaftete genug, um ein hoch spezialisiertes Fachpersonal von 60 Leuten zu halten. Die öffentlichen Zuschüsse beliefen sich zu dieser Zeit auf den Betrag von 7.35 Goldmark. 1924 begann das Museum seine gesundheitserzieherische Arbeit planmäßiger auszubauen.140

Seit 1924/25 verbesserte sich die wirtschaftliche Lage des Museums auch dadurch, dass der Staat Sachsen und die Stadt Dresden wieder feste Beiträge zu den Unterhaltskosten des Hauses bewilligten. Der Ausbau der Museumsarbeit geschah vor allem im Bereich der Wanderausstellungen, durch die breite Bevölkerungsschichten im In- und Ausland erreicht werden konnten. Die Lehrmittelabteilung, die unter gemeinsamer geschäftlicher Leitung organisatorisch unabhängig vom Museum arbeitete, musste ständig erweitert werden. Es fehlten Räume für die Unterbringung von Ateliers, Werkstätten, Magazin- und Lagerräumen. 1925 konnte das Museum die neu bezogenen Sammlungsräume in der Zirkusstraße 38/40 und einen Ausstellungsraum in der Reithalle des früheren Marstalls am Zwingerteich eröffnen. Das große Interesse an den Kursen und Lichtbildervorträgen des Museums führte 1926 zur Gründung der Hygiene-Akademie innerhalb des Museums. Diese Akademie widmete sich ganz der Aus- und Fortbildung von Lehrern, Ärzten, Krankenschwestern und Beamten des staatlichen oder kommunalen Wohlfahrtswesens. Neben den Museumsmitarbeitern wirkten auch Universitätsdozenten, praktische Ärzte, Verwaltungsbeamte und Pädagogen bei der Hygiene-Akademie mit, der neben den Lehrmitteln des Museums auch noch eine umfangreich ausgestattete Lichtbildverleihstelle zur Verfügung stand. Das Museum erhielt Aufträge zur Durchführung von ärztlichen Fortbildungskursen und Ausstellungen im Ausland sowie zur Einrichtung ganzer Museen. Das Anschauungsmaterial des Deutschen Hygiene-Museums war weltweit begehrt. Vollständige hygienische Sammlungen wurden unter anderem nach Rumänien, Jugoslawien, Finnland, Ägypten und Kuba geliefert.141 1926 beteiligte sich das Deutsche

139 Auch ein Jahr nach dem Umzug erwiesen sich die Räume in der Zirkusstraße als zu klein. Für die Lagerung des Anschauungsmaterials, das gerade nicht auf Wanderausstellungen gezeigt wurde, hatte man schon auf externe Räumlichkeiten wie Keller und Bodenräume des Dresdner Rathauses und des Marstallgebäudes am Zwingerteich zurückgreifen müssen. Vgl. Das Zentralinstitut fuer Volksgesundheitspflege. Deutsches Hygiene-Museum Dresden.

Dresden, Juni 1927, S. 13. Bundesarchiv Berlin. Reichskanzlei R 43 I/833, Bl. 25-77.

140 Vgl. Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1933. Im Anhang: Ein Rückblick auf die Entwicklung des Museums. Dresden o.J., S. 36-38.

141 Vgl. Georg Seiring: Lingner und sein Werk „Das Deutsche Hygiene-Museum“. In: Hygiene. Sonderheft der Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen. Heft 5. Teil I (Mai). Jg. 22. Berlin 1930, S. 267 und S. 270-274, hier S. 272.

Hygiene-Museum maßgeblich an der großen Ausstellung für „Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen - Gesolei“ in Düsseldorf und an der „Reichsgesundheitswoche“.

Daneben war das Dresdner Museum an fast allen wichtigen internationalen Ausstellungsprojekten jener Zeit beteiligt.