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6. DAS DEUTSCHE HYGIENE-MUSEUM NACH DEM ENTWURF VON WILHELM KREIS - DER INNENBAU WILHELM KREIS - DER INNENBAU

6.1. Der Grundriss

6.1.1. Grundsätzliches zur inneren Organisation

Bis auf die in den Jahren 1927 bis 1929 entstandenen Statikpläne und einige Ausführungspläne (Ansichten) ist im Archiv des Deutschen Hygiene-Museums heute kein originales Planwerk mehr vorhanden. Stattdessen liegen Reproduktionen von einigen der Originalpläne vor. Diese Reproduktionen befinden sich in einem Fotoalbum im Archiv des Dresdner Museums. Wegen der relativ schlechten Abbildungsqualität sind für die Grundrisszeichnungen keine Datierungen erkennbar. Vermutlich sind alle Grundrisspläne in den Jahren 1927 bis 1929 entstanden. Die Reproduktionen der verschiedenen, leicht voneinander abweichenden Grundrisszeichnungen lassen sich noch ergänzen durch weitere Reproduktionen von Grundrissen, welche in zeitgenössischen Schriften veröffentlicht worden sind. So finden sich im Jahrbuch der Baukunst für die Jahre 1928/1929 zwei Grundrisse, und in einer Denkschrift von Egon Erich Albrecht von 1931 ist ein weiterer Grundriss publiziert. Alle Grundrisse (Abb. VI/1-12) stimmen in ihrer Hauptaussage überein. Sie zeigen einen durch lang gestreckte Flügel gebildeten großen, rechteckigen Innenhof, in dessen vordere Schmalseite ein zentraler Mittelbau einschneidet. Dem Mittelbau beigefügt sind ein pavillonähnlicher Anbau mit markantem, apsisähnlichen Abschluss zum Innenhof hin sowie zwei vorgelagerte Kopfbauten an den vorderen Ecken. Der Mittelbau fungiert als Angelpunkt und Schnittstelle aller genannten Gebäudeteile.1

Bei der Beschäftigung mit der Erstausstattung des Deutschen Hygiene-Museums, von der sich fast nichts erhalten hat, ist man im Wesentlichen auf noch existierende zeitgenössische Fotos und Pläne angewiesen. Besonders von den Räumen der Kopfbauten gibt es nur wenige Abbildungen.

Was die Erstausstattung der Schauräume betrifft, so geben neben den Fotos lediglich noch die zeitgenössischen Museumsführer2 Auskunft. Hilfreich ist für den gesamten Bau auch ein Aufsatz

1 Im Anhang sind die verschiedenen Fassungen des Grundrisses (G1-G13) in einer Tabelle einander gegenübergestellt, so dass die jeweils abweichenden Detailauffassungen sichtbar werden. Deutlich wird hier auch der überlieferte Umstand, dass Wilhelm Kreis seine Entwürfe gerne häufig und kurzfristig ändern ließ.

2 Internationale Ausstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer. Bibliothek des Deutschen Hygiene-Museums (Signatur D 8220 a); Führer durch das Deutsche Hygiene-Museum mit einem Vorwort über die Internationale Ausstellung und einem Führer durch Dresden als Anhang. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1931. (Sammelband). Bibliothek des Deutschen Hygiene-Museums (Signatur D 3143).

von Walter Mälzer3 aus dem Jahr 1930, wo besonders aus technischer Sicht konkrete Angaben zu Baumaterialien zu finden sind. Des Weiteren existieren noch einige Entwurfszeichnungen zu verschiedenen Räumen des Museums. Sie sollen jeweils im Zusammenhang mit der tatsächlichen Raumausführung berücksichtigt werden. Im Folgenden wird also die Rede sein von dem Ausstattungszustand des Deutschen Hygiene-Museums von 1930/31, der 1945 fast völlig zerstört worden ist. Wie die heutige äußere Baugestalt ist auch die heutige Inneneinrichtung ein Ergebnis des nicht originalgetreuen Wiederaufbaus und der Umbauten in der Nachkriegszeit beziehungsweise der Veränderungen, die zu Zeiten der ehemaligen DDR vorgenommen worden sind. Die ursprünglich klare räumliche Struktur und Orientierung des Baus ist dadurch heute in weiten Teilen stark verunklärt.

Um das komplexe Gebäude von 1930 in seiner Organisation zu verstehen, ist es sinnvoll, vorab die Nutzung der im vorausgehenden Kapitel charakterisierten verschiedenen Baukörper grob zu skizzieren. Wie schon am Außenbau mit seinen unterschiedlichen, einzelnen Gebäudekomplexen ablesbar, war der Innenbau klar in verschiedene Bereiche entsprechend den vielfältigen Aufgabengebieten des Deutschen Hygiene-Museums untergliedert (Abb. VI/8, 9).

Die vielen, verschiedenen Zwecken dienenden Räume waren in dem Gebäude so organisiert, dass sich eine einheitlich wirkende Gestalt ergab. Das komplexe Raumprogramm wurde in Grund- und Aufriss sichtbar. Während die Kopfbauten im Wesentlichen die Verwaltungsräume, der Mittelbau die repräsentativen Säle und Versammlungsräume beherbergten, nahmen die Hofflügel die Werkstätten und Ausstellungssäle auf. Im vorderen Teil des südlichen, linken Kopfbaus befanden sich die Räume der Bibliothek, der wissenschaftlichen Leitung, der Hygiene-Akademie4, des Archivs sowie im Erdgeschoss ein Gymnastiksaal. Der vordere Teil des nördlichen, rechten Kopfbaus beherbergte die Räume der Museumsleitung und Verwaltung, Sitzungszimmer, fotographische Werkstätten im Erdgeschoss sowie Räume für die Aktiengesellschaft für hygienischen Lehrbedarf. Beide Kopfbauten verfügten über eine Dachterrasse. Über den gestaffelten Eingangshallen des kubischen Hauptbaus lag hinter der lang gestreckten Ehrenhalle, deren Ausmaß mit dem der Eingangshalle übereinstimmte, der große Festsaal. In den oberen Geschossen befanden sich weitere Hörsäle und Unterrichtsräume, welche

3 Walter Mälzer: Das Deutsche Hygiene-Museum. Seine technische Ausgestaltung. In: Die Baugilde 12. Berlin 1930, S. 1065-1072.

4 Die am 25.6.1926 gegründete Akademie veranstaltete Vorträge und Fortbildungskurse in Gesundheits- und Wohlfahrtspflege für Ärzte, Schwestern und Beamte der staatlichen und kommunalen Wohlfahrt und Fürsorge. Vgl.

Hygiene-Organisation des Völkerbundes (Hrsg.): Internationale Studienreise nebst Fortbildungsvorträgen für ausländische Medizinalbeamte. Deutschland 1927. Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. o.O. 1927, S. 7.

durch zwei große, seitliche Treppenhäuser erschlossen wurden. Auf der Hofseite des Hauptbaus schloss sich ein von außen nicht sichtbarer eingeschossiger Ausstellungspavillon mit apsisähnlichem Abschluss an. Hier war das Kernstück der Museumssammlungen, die Ausstellung „Der Mensch“, untergebracht. Die drei Hofflügel beherbergten im Erdgeschoss die Werkstätten des Museums und im Obergeschoss die Ausstellungsräume, in denen die verschiedenen Gebiete der Hygiene abgehandelt wurden. In dem etwas verbreiterten, rückwärtigen Hofflügel an der Zinzendorfstraße war im unteren Ausstellungsgeschoss an der Hofseite ein Restaurant untergebracht.

Der Gesamtentwurf, die bauliche und künstlerische Oberleitung sowohl beim Außen- als auch beim Innenbau oblag dem Architekten Wilhelm Kreis. Er bestimmte alle wichtigen Grundzüge des Museums von der Gestaltung des Gartens am Lingnerplatz über die der repräsentativen Verkehrs- und Sammlungsräume, Flure, Treppenhäuser, Säle, Gasträume bis zur Hauptgestaltung und Grundrissdisposition der Büros, Werkstätten und Schauräume. Darin eingeschlossen waren die neuartigen Belichtungs- und Lüftungsanlagen der Säle und Schauräume. Wilhelm Kreis war also auch für die grundsätzliche Gestalt der Innenräume verantwortlich. Für die wichtigsten Räume liegen Reproduktionen undatierter, unsignierter Entwurfszeichnungen vor, die vermutlich aus dem Büro Kreis stammen. Aufgabe des aus Wien herbeigeholten Baurates Gottlieb Michael war die Einrichtung und detaillierte museale Gestaltung der vermutlich im Rohbauzustand von ihm übernommenen Schauräume.5

Siehe auch: Das Deutsche Hygiene-Museum im Jahre 1933. Im Anhang: Ein Rückblick auf die Entwicklung des Museums. Dresden o.J., S. 20-23.

5 Vgl. Internationale Hygiene-Ausstellung Dresden 1930. Amtlicher Führer. Dresden 1930, S. 160. Bibliothek des Deutschen Hygiene-Museums (Signatur D 8220). Über die an der Inneneinrichtung beteiligten ausführenden Firmen gibt eine Liste im Archiv des Deutschen Hygiene-Museums, auf der verschiedene Baufirmen und Handwerksbetriebe zusammengetragen sind, einige Anhaltspunkte. Leider lässt sich anhand dieser Liste und der vielen verstreuten zeitgenössischen Zeitungsanzeigen, in denen die verschiedensten Firmen mit dem Hygiene-Museum Eigenwerbung betreiben, oft nicht sicher nachvollziehen, welches Unternehmen für welche Arbeit am Museumsneubau in Dresden verantwortlich war. In dem zur Eröffnung des Museums erschienen Band der Reihe

„Neue Werkkunst“ findet sich ebenfalls ein umfangreicher Anhang mit Firmenwerbung. Vgl. Georg Seiring, Martin Richard Möbius, Walther Schulze: Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. Architektur Prof. Dr. Wilhelm Kreis. (Neue Werkkunst). Berlin/Leipzig/Wien 1930. Der lange verbreiteten, nahe liegenden Vermutung, die Deutschen Werkstätten Hellerau seien maßgeblich an der Herstellung der Einrichtung des Deutschen Hygiene-Museums beteiligt gewesen, steht ein Vorgang entgegen, der im Folgenden kurz geschildert werden soll. Aus Anlass der geplanten großen Kunstausstellung „Deutsche Kunst - Düsseldorf 1928“ wandte man sich im September 1927 vom Düsseldorfer Kunstpalast an Wilhelm Kreis, der zu dieser Zeit die Planungen für das Hygiene-Museum in Dresden betrieb, mit der Bitte, einen Raum auf der Düsseldorfer Ausstellung auszustatten. Nach einiger Unsicherheit über die Teilnahme von Wilhelm Kreis, schrieb dieser in einem Brief vom 23. Januar 1928 (Stadtarchiv Düsseldorf, Akte XVIII 2202 „Prof. Dr. W. Kreis Düsseldorf – Dresden“) an den Vorstand der Düsseldorfer Ausstellung , dass es Schwierigkeiten gäbe, eine Firma für die kostenlose Herstellung von Möbeln für die Gestaltung des in Düsseldorf zur Verfügung gestellten Ausstellungsraums zu finden, dass aber schließlich die Deutschen Werkstätten ihre grundsätzliche Bereitschaft in dieser Sache erklärt hätten, da diese, so vermutet Wilhelm Kreis, sich davon scheinbar eine spätere Zusammenarbeit (!) erhoffen würden. Er (Wilhelm Kreis) habe versucht, einen für das Hygiene-Museum geplanten Raum auszustellen, was sich allerdings wegen des Vorgriffs auf