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6. DAS DEUTSCHE HYGIENE-MUSEUM NACH DEM ENTWURF VON WILHELM KREIS - DER INNENBAU WILHELM KREIS - DER INNENBAU

6.3. Der Mittelbau (Hauptbau)

ursprünglichen Sitzungszimmer (Abb. VI/35,36) befindet sich heute im Zimmer des stellvertretenden Direktors noch ein zeitgenössischer, eleganter Fauteuil-Sessel (Abb. VI/39), wobei nicht klar ist, ob er für diesen Raum beziehungsweise für welchen anderen Raum des Museums er vorgesehen war. Von der Erstausstattung dieses Raumes ist kaum etwas erhalten.10

Mit Ausnahme der Vorhalle, die von den Räumen des Hauptbaus noch den umfassendsten Eindruck von der Gestaltung der Erbauungszeit Zeugnis gibt, sind die Veränderungen der Nachkriegszeit an den anderen wichtigen Innenräumen des Hauptbaus insgesamt so gravierend, dass es sinnvoll erscheint, die heutige Raumsituation nicht mehr zur Beschreibung des Einrichtungszustandes von 1930 heranzuziehen, sondern sich ganz auf das noch vorhandene zeitgenössische Abbildungsmaterial zu stützen.

6.3.1. Die Vorhalle (Eingangshalle)

Von der Vorhalle liegt keine Entwurfszeichnung vor. Anhand von zeitgenössischen Aufnahmen (Abb. VI/40,41) lässt sich die Vorhalle in dem ausgeführten Zustand von 1930 folgendermaßen beschreiben. Durch eine der fünf großen zweiflügeligen Metalltüren11 zu betreten, stellt sich die Eingangshalle als ein quergelagerter Raum von relativ geringer Raumtiefe dar. Zu beiden Seiten führen Treppen, welche um Träger mit ovalem Zuschnitt im Bogen herumgelegt sind, hinauf in das Zwischengeschoss mit der Garderobe. Die ovalen Träger markieren etwa die Mitte der Raumtiefe. Heute befinden sich auf den beiden Podesten steinerne Löwendarstellungen (Abb.

VI/42,43). Es handelt sich hierbei um in Kunststein ausgeführte Abgüsse der von August Gaul (1869-1921) für das 1920-24 errichtete Gefallenendenkmal der Universität Leipzig entworfenen liegenden Löwen. Die Originalskulptur des bekannten Berliner Tierplastikers und Graphikers ist 72,0 cm hoch und in Kirchheimer Muschelkalk ausgeführt. Sie befindet sich heute auf dem Sachsenplatz in Leipzig. Ein Briefwechsel aus dem Jahr 1937 zwischen der Staatlichen Skulpturensammlung Dresden und dem Vertreter der Erben August Gauls beinhaltet die Absprache bezüglich der Herstellung einer zweifachen Kopie des Löwen für eine Verschönerungsmaßnahme im Deutschen Hygiene-Museum, der Aufstellung im Foyer. Anfang der 1940er Jahre müssen durch den Dresdner Bildhauer Edmund Moeller zunächst Gipsabgüsse angefertigt worden sein, was eine Zahlungsanweisung über 8000 RM von März 1943 belegt.

Später wurden dann vermutlich die Kunststeinfassungen der Gaulschen Löwen im Foyer aufgestellt, die durch ihre streng vereinfachten Formen statuarisch und monumental wirken.12

fünfziger Jahren entstanden.

11 Bei den heute in situ vorhandenen Metalltüren handelt es sich um originalgetreue Nachbildungen aus den 1960er Jahren. Bis in diese Zeit soll es noch mindestens zwei Originaltüren gegeben haben, die jedoch nach ihrem Ausbau vermutlich weggeworfen worden sind.

12 Siehe hierzu: Unterlagen im Archiv des Deutschen Hygiene-Museums „Rechnungswesen 1943“ (Signatur 38/5, Bl. 9) und „Bauoberleitung/Wiederaufbau/Werterhaltung/Anschluß Fernheizung 1950“ (Signatur B-78). Für diesen Hinweis danke ich Frau Marion Schneider. Schon in dem Gebäude in der Großenhainerstraße in Dresden, wo das

Über die bereits erwähnten Treppenaufgänge sind das Zwischengeschoss, die Wandelhalle und die Säle des Mittelbaus direkt sowie die Räumlichkeiten der beiden Kopfbauten indirekt erschlossen, gänzlich unabhängig von der weiter innen im Gebäude liegenden Erschließung der Ausstellungsräume. Die Eingangstüren besaßen innen flache Steinrahmungen. In den Zwischenräumen zwischen den Türen war mittig, horizontal je eine längliche, schildartige Lichtquelle angebracht. Diese war in ihrer Form architektonisch gestaltet mit einer klammerartigen Metallfassung nur im oberen Teil, die mit der Form der Eingangstürumrahmungen korrespondierte.13 Von der Vorhalle im Erdgeschoss aus führen drei große Türen gegenüber den Eingangstüren in den dahinter sich anschließenden Empfangssaal (heute Steinsaal). Diese Türen besitzen eine massige, doppelte Rahmung sowie ein unterhalb der Decke abschließendes Gesims. Zwischen den Türen sind zwei Kassenkabinen in die Wand eingelassen. Die Rahmungen der Türen, ihre sehr tiefen Gewände, die Fußbodenplatten und die Fußleisten sind in Naturstein ausgeführt. Die Haupttreppe des Mittelbaus besteht wie sämtliche Treppen innerhalb der Bürotrakte aus Theumaer Fruchtschiefer, einem zuvor nur selten verwendeten, vor allem wegen seiner besonderen Härte für den Treppenbau sehr geeigneten Material. Die Setzstufen sind geschliffen und die Trittstufen dagegen rau behandelt, wodurch reizvoll modellierende Schattenwirkungen erreicht werden. Bei dem Fußbodenbelag handelt es sich um sogenannte Nürnberger Gera-Platten, die zum Teil ein Meter mal ein Meter groß und in ihrer Farbwirkung sehr unterschiedlich ausfallen, wodurch der Fußboden relativ „lebendig“

wirkt. Die verbleibenden Wandflächen sind hell verputzt.14

6.3.2. Die Empfangshalle

Von der Empfangshalle liegt ein undatierter Entwurf mit der Bezeichnung „Eingangshalle“ vor (Abb. VI/44). Dieser Entwurf zeichnet sich durch eine düstere Atmosphäre aus. Er zeigt das

National-Hygienemuseum nach der Internationalen Hygiene-Ausstellung von 1911 Räume zur Herstellung von Kopien der Ausstellungsobjekte gemietet hatte, soll es Löwendarstellungen gegeben haben. Einer der frühen Entwurfszeichnungen für das Museum sowie die Entwürfe zum Umbau, die Wilhelm Kreis in den dreißiger Jahren im Zuge der Planungen für ein Gauforum vorgelegt hat, zeigen Löwen auf den beiden großen Pylonen der Schaufassade. Eine Untersuchung zur Verwendung dieser Symbolik im Zusammenhang mit der Institution des Deutschen Hygiene-Museums wäre sicherlich interessant.

13 Diese Beleuchtungskörper existieren heute nicht mehr. An den Wandflächen zwischen den Eingangstüren befinden sich heute vier Sgraffiti, welche 1947 als Diplomarbeiten von Studenten der Hochschule für Bildende Künste unter der Leitung von Professor Heinz Lohmar geschaffen wurden.

14 Die Angaben zum Material bei Walter Mälzer: Das Deutsche Hygiene-Museum. Seine technische Ausgestaltung.

In: Die Baugilde 12. Berlin 1930, S. 1065-1072, hier S.1065/1066.

breite Mittelschiff der Empfangshalle mit den Durchgängen zu beiden Seitenschiffen, die von kräftigen Pfeilern gebildet werden. Der Raum des Entwurfs ist geprägt von einer steinernen Verkleidung. An den Pfeilern befinden sich, die Linie der Stürze durchstoßend, schildartige Beleuchtungskörper. Ein großes Fenster zum Schmuckhof ist mit fünf vertikalen Bahnen und je fünf horizontalen Sprossen kleinteiliger gegliedert als die tatsächlich ausgeführte Version. Auf dem Entwurf sind in den unteren Hälften der drei mittleren Bahnen des Fensters scheinbar Austritte mit filigranen Rahmungen eingesetzt. Flankiert wird das Fenster in der Entwurfszeichnung von je einer figuralen Plastik auf zwei, pyramidenähnlich übereinander gesetzten Steinblöcken. Durch die archaischen Skulpturen werden der im Entwurf vorherrschende Eindruck von Massigkeit und die sakrale Atmosphäre noch unterstützt. Auffällig ist auch die zeichnerische Steigerung der Licht- und Schattenverhältnisse der Halle, eine Technik, die Wilhelm Kreis besonders beherrschte.

Bei der ausgeführten Empfangshalle, über die zeitgenössische Fotos Aufschluss geben (Abb.

VI/45-47), handelte es sich um einen mit 26,0 m Grundmaß annähernd quadratischen Raum, der durch zwei Reihen mächtiger, granitverkleideter Pfeiler mit darüber liegendem Gesims und hohem Sturz in einen breiten Mittelraum und zwei schmalere Seitenschiffe aufgeteilt wurde. In die hinteren Teile dieser Seitenschiffe mündeten Treppenanlagen, über die eine Verbindung der beiden Schauraumgeschosse gewährleistet wurde. Kräftige, in enger Abfolge quer zur Hauptrichtung des Mittelschiffs der Empfangshalle verlaufende Deckenunterzüge mit dünnen, begleitenden Stäben an den Rändern der Balkenunterseiten und den tiefen Balkenzwischenräumen bildeten durch markante Schattenkonturen ein Gegengewicht zur vorherrschenden, schon durch die Parkachse vorgegebenen, Längsachse der Halle. Die Decke setzte sich zusammen aus äußerst massiven, Betonbalken-Reihen, die den verhältnismäßig niedrigen Raum zusätzlich kompakt wirken ließen. Die mit Cottaer Sandstein verblendeten Wände und der Fußboden aus verschiedenfarbigem Werkstein unterstützten die gedrungene, schwere Wirkung.15 Wie schon in der Vorhalle handelte es sich bei den Fußbodenplatten auch hier um Nürnberger Gera-Platten, welche in großem Quadratraster verlegt waren. In der Empfangshalle gab es keine örtlichen Heizflächen, so dass die Beheizung über eine Druckluftanlage stattfand. Das Fehlen jeglicher Einrichtungsgegenstände sorgte für einen

„weihevollen“, archaischen Raumeindruck. An jedem Pfeiler zum Mittelraum wie zu den Seitenräumen hin befand sich jeweils auf einer Metallkonsole ein schlichter, stehender,

schildartiger Lampenschirm aus Milchglas, dessen Oberkante abweichend vom Entwurf in Sturzhöhe der Durchgänge abschloss, welche Mittelschiff und Seitenschiffe verbanden. Einzige natürliche Lichtquelle des Raums war eine großes versenkbares Fenster aus Spiegelglas an der rückwärtigen Schmalseite der Halle (Abb. VI/47,48). Das Empfangshallenfenster war 14,0m breit und 6,5m hoch und hatte eine mittlere, horizontale Teilung sowie vier vertikale Sprossen.

Der mit Hilfe einer unmittelbar unter dem Fußboden der Halle sowie in den darunter liegenden Kellergeschossen befindlichen modernen elektrisch-maschinellen Einrichtung gleichmäßig versenk- und hebbare Teil des großen Fensters war 6,0m breit, 3,5m hoch und 25 Zentner schwer. Bei geöffnetem Zustand war der dahinter liegende Schmuckhof einzusehen.

Die rund 1000 Personen16 fassende Empfangshalle übernahm die Funktion einer inneren Verkehrshalle. Von hier aus konnte der Museumsbesucher folgende Räumlichkeiten erreichen:

vorne links über den Ehrenraum des Deutschen Hygiene-Museums die Räume der Sonderausstellung, hinten rechts und links über die Treppenhäuser (Abb. VI/49) beide Geschosse der Ausstellungstrakte und geradeaus die Ausstellung „Der Mensch“. Der Rundgang durch die Schauräume begann und endete mit dem rechten hinteren Treppenaufgang in der Empfangshalle.17

6.3.3. Der Schmuckhof

Der als Lichthof ausgebildete, geschlossene, quadratische Schmuckhof stellte den Kern der pavillonartigen Hofeinbauten dar. Durch die hydraulisch versenkbare Glaswand von der Empfangshalle getrennt, bildete der Hof eine optische Verlängerung der Halle, die ihren Abschluss in der Bronzeplastik „Hygieia“ von Karl Albiker fand (Abb. VI/50). Die den Schmuckhof begrenzenden Wände besaßen eine 15cm starke Sandsteinverblendung aus wetterbeständigem, weißgrauem Herrenleithner Sandstein und hatten im oberen Teil fast durchgängig Fensteröffnungen. Diese relativ eng gestellten Fenster in Form von liegenden

15 Die Verblendstärke bei den Verkleidungen betrug 15 cm Tiefe. Materialangaben bei Walter Mälzer: Das Deutsche Hygiene-Museum. Seine technische Ausgestaltung. In: Die Baugilde 12. Berlin 1930, S. 1065-1072, hier S. 1065.

16 Vgl. (Georg Seiring): Erläuterungsbericht zum Bau-Abschluß des Deutschen Hygiene-Museums. Ausgestellt am 31. Oktober 1931, 20 S., hier S. 10. Typoskript im Archiv des Deutschen Hygiene-Museums (Signatur 1931/14).

17 Vgl. Ausführungen zur „Verkehrsführung“ im Museumsbau von Wilhelm Kreis: Der Neubau des Deutschen Hygiene-Museums. Grundsätzliches über die Planung. In: Hygienischer Wegweiser. Heft 5. Jg. 5. Dresden 1930, S.

132-139, hier S. 132/136/137.