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4. VOM MUSEUMSGEDANKEN ZUM BAUPROJEKT - ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DES DEUTSCHEN HYGIENE-MUSEUMS UND ENTWICKLUNG DES DEUTSCHEN HYGIENE-MUSEUMS

4.4. Der Bau eines neuen Museums

4.4.4. Allgemeiner Ideenwettbewerb

Schon unmittelbar nach der IHA 1911 hatte man nach praktikablen Baulösungen für ein Hygiene-Museum gesucht. In zwei Fachzeitschriften der Architektur findet sich 1912 unter der Rubrik „Wettbewerbe“ eine kurze Notiz folgenden Inhalts:

„Ein Preisausschreiben betreffend Entwürfe für den Neubau eines Hygiene-Museums in Dresden wird von der Dresdner Künstlerschaft für die Architekten Deutschlands angestrebt. Für den Neubau steht eine Bausumme von rd. 3.300.000 M. zur Verfügung. Für fünf Preise wird eine Summe von 33.000 M. vorgeschlagen.“168

In einem vom damaligen Dresdner Bürgermeister Beutler unterzeichneten Protokoll vom September 1912169 heißt es, man wolle, sobald sich die Stadtgemeinde für einen Bauplatz ausgesprochen habe, eine engere Konkurrenz unter Dresdner Künstlern ausschreiben und noch Anfang Oktober die Beratungen abschließen, um städtischen Kollegien und Staatsregierung entsprechende Vorlagen zu machen. Vorgeschlagen wurden Dülfer, Bestelmeyer, Erlwein, Lossow & Kühne, Menzel, Roth und Schilling & Gräbner. Neben den ortsansässigen Architekten und Büros wurde aber schon damals ein „Wunschkandidat“ außer der Reihe geführt, der zu dieser Zeit in Düsseldorf tätig war: Wilhelm Kreis. In dem Protokoll heißt es lapidar: „Hierzu wurde von anderer Seite noch sehr empfohlen, von auswärtigen Herren Professor Kreis hinzuzuziehen.“ Mit Blick auf die noch genauer zu erläuternden Ereignisse gut vierzehn Jahre später ist dieser Umstand von Interesse. Offenbar hatte Kreis schon damals eine starke Lobby in den entscheidenden Kreisen.

Im April 1920 schrieb der Museumsverein zusammen mit dem sächsischen Kultusministerium einen reichsweiten allgemeinen Ideenwettbewerb um die Gestaltung eines Museumskomplexes aus, der an prominenter Stelle in Dresden, auf dem Grundstück des ehemaligen Marstalls hinter dem Zwinger, das Deutsche Hygiene-Museum und die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen aufnehmen sollte. Zugelassen waren ausdrücklich „(...) alle Architekten deutscher Sprache, die sich seit mindestens 1. Januar 1910 in Deutschland aufhalten (...)“.170 Dem Inhalt nach handelte es sich um die bedeutendste Architekturkonkurrenz

168 Ankündigung im Wortlaut veröffentlicht in: Deutsche Bauzeitung Nr. 72 (7. September 1912). Jg. XLVI. Berlin 1912, S. 624; Bauzeitung fuer Wuerttemberg, Baden, Hessen, Elsass-Lothringen. Jg. 9. 1912, S. 293.

169 Protokoll „Rathaus Dresden am 11. September 1912, gez. Beutler“. Stadtarchiv Dresden. Ratsarchiv A.XX.IV.

142 Bd. I: Hygiene-Museum in Dresden, Bl. 175/176.

170 Niederschrift über die Sitzung des Vorstandes des Deutschen Hygiene-Museums e.V. vom 30. April 1920, Bl.

44-46, hier Bl. 45. Archiv des Deutschen Hygiene-Museums (Signatur 18/6). Im Juli 1920 erweiterte man den Kreis der Wettbewerbsteilnehmer auch auf deutschsprachige Personen aus der Tschechoslowakei. Auf der Grundlage des

unter deutschen Architekten seit dem Wettbewerb um den Berliner Reichstag von 1882.

Tatsächlich stellte ein Projekt mit diesem Bauvolumen und den damit verbundenen Anforderungen an eine in städtebaulichen Dimensionen gedachte künstlerische Gestaltung in jenen Jahren eine Ausnahme dar. Insgesamt wurden 192 Entwürfe171 eingereicht. Die große Beteiligung trotz geringer Realisierungschancen kann in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage gesehen werden, die sich besonders negativ auf die Situation des Architektenstands ausgewirkt hatte. Die Dresdner Architekten hatten im Vorfeld regelrecht um die Ausschreibung einer Konkurrenz gekämpft. Mit knapp 40 Entwürfen, die zumeist in der Dokumentation von Otto Schubert (1921)172 und im 6. Jahrgang von Wasmuths Monatsheften173 publiziert sind, ist insgesamt also nur ein Bruchteil der eingereichten Arbeiten in Abbildungen überliefert. In einem Fortsetzungsbericht der Deutschen Bauzeitung vom Januar und Anfang Februar 1921 verfolgt und kommentiert Albert Hofmann den Ideenwettbewerb um das Deutsche Hygiene-Museum.174 Dazu kommen noch ein paar allgemeine Kurzmeldungen in den Fachorganen175 und einige kleinere kritische Beiträge176 in den großen Bauzeitschriften.

Antrags von Emil Högg, die Frist um 2-3 Monate, mindestens aber 4 Wochen zu verlängern, beschloss der Geschäftsführende Ausschuss des Museums eine Verlängerung um 6 Wochen und legte den 15. Oktober 1920 als Einreichungstermin für Entwürfe fest. Vgl. Brief vom 3. Juli 1920 von Oberbürgermeister Blüher an den Geschäftsführenden Ausschuss des Deutschen Hygiene-Museums und Rundschreiben. Stadtarchiv Dresden.

Ratsarchiv. A.XX.IV. 142 Bd. III: Hygiene-Museum in Dresden, Bl. 97/98 und Bl. 104.

171 Siehe Verzeichnis der eingereichten Entwürfe mit Kennwort. In: Niederschrift über die Tagung des Preisgerichts zur Prüfung der Entwurfsskizzen für das Deutsche Hygiene-Museum und die staatlichen naturwissenschaftlichen Museen. Archiv der Akademie der Künste Berlin. Scharoun WV 28.

172 Otto Schubert: Der Wettbewerb um das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. In: Cornelius Gurlitt, Bruno Möhring (Hrsg.): Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit. Elftes Sonderheft der Halbmonatsschrift. Berlin 1921. Siehe auch: Volker Welter: Ideenwettbewerb für das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden 1920. In: Bauwelt. Heft 81.

o. O. 1990, S. 2214-2219.

173 Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Heft 1/2. Jg. VI (1921/22). Berlin 1922, Abb. der Entwürfe S. 43-64.

174 Albert Hofmann: Der allgemeine deutsche Ideenwettbewerb zur Erlangung von Entwurfs-Skizzen für das Deutsche Hygiene-Museum und die staatlichen naturwissenschaftlichen Museen in Dresden. In: Deutsche Bauzeitung Nr. 1, 3, 4, 5, 7, 9. Jg. 55. Berlin 1921.

175 Ankündigung der Ausschreibung: Deutsche Bauzeitung Nr. 35 (1. Mai 1920). Jg. 54. Berlin, S. 208; Die Bauwelt Heft 2. Jg. 11. Berlin 1920, S. 276; Erweiterung der Teilnahmebedingungen: Deutsche Bauzeitung Nr. 47 (12. Juni 1920). Jg. 54. Berlin 1920, S. 260; Die Bauwelt Heft 24. Jg. 11. Berlin 1920, S. 326; Erläuterungen zu Bauaufgabe und Preisgericht: Deutsche Bauzeitung Nr. 38 (12. Mai 1920). Jg. 54. Berlin 1920, S. 224; Mitteilung der Fristverlängerung: Deutsche Bauzeitung Nr. 57 (17. Juli 1920). Jg. 54. Berlin 1920, S. 300; Veröffentlichung der Preisträger: Deutsche Bauzeitung Nr. 99. Jg. 54. Berlin 1920, S. 476; Die Bauwelt Heft 51. Jg. 11. Berlin 1920, S.

661; Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 99 (11. Dezember 1920). Jg. 40. Berlin 1920, S. 623.

176 Albert Hofmann: Der Wettbewerb um die neuen Museumsbauten in Dresden. In: Deutsche Bauzeitung Nr. 41 (22. Mai 1920). Jg. 54. Berlin 1920, S. 233-235; Bruno Möhring: Zum Wettbewerb um das Hygiene-Museum in Dresden. In: Stadtbaukunst alter und neuer Zeit. Heft 1. Berlin 1920, S. 381/382; Zentralblatt der Bauverwaltung Nr.

1 (1. Januar 1921). Jg. 41. Berlin 1921, S. 1-3; Baugilde Nr. 1/2 (12. Januar 1921). Jg. 3. Berlin 1921; Paulsen: Der Wettbewerb um das Hygiene-Museum in Dresden. In: Die Bauwelt. Heft 2 (13. Januar 1921). Jg. 12. Berlin 1921, S.

15-19; Zentralblatt der Bauverwaltung Nr. 5 (15. Januar 1921). Berlin 1921, S. 29-34; Bau-Rundschau Nr. 14. (28.

Juli 1921). Jg. 12. Hamburg 1921, S. 187-196, S. 200-204; Heinrich de Fries: Wettbewerb Hygiene-Museum, Dresden. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Heft 1/2. Jg. VI (1921/22). Berlin 1922, S. 39-41; K. Paul Andrae: Zum Wettbewerb Hygiene-Museum. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Heft 1/2. Jg. VI (1921/22).

Berlin 1922, S. 41/42.

Verstreute Anmerkungen zu bestimmten Wettbewerbsbeiträgen finden sich in einigen monographischen Arbeiten. Bei dem groß angelegten Ideenwettbewerb von 1920 handelte es sich um den ersten großen Wettbewerb nach dem zweiten Weltkrieg und gleichzeitig auch einen der bedeutendsten der frühen 1920er Jahre in Deutschland. Schließlich ist er ein nicht unbedeutender Teil der Vorgeschichte des Deutschen Hygiene-Museums. Dass diese Architekturkonkurrenz sowohl in der Literatur über die Geschichte der Einrichtung als auch in der Literatur zur Architekturgeschichte dieser Zeit bisher fast völlig ignoriert, allenfalls als Faktum erwähnt wird, muss erstaunen. Eine erste Gesamtdarstellung der bisher wenig bekannten Vorgänge rund um den Dresdner Wettbewerb unternahm Volker Welter 1990 in der Bauwelt.177

Hatte es vor dem ersten Weltkrieg zahlreiche groß angelegte Architekturwettbewerbe für prunkvolle Warenhäuser gegeben, ging es im allmählich wiederbelebten Wettbewerbswesen nach dem Krieg zunächst vornehmlich um Kriegerehrenmale, später im Wesentlichen um Rathäuser, Kirchen, Stadthallen, Bürohäuser und einige wenige Siedlungsbauprojekte. In der Zeit der Inflation 1922/23 erreichte die Bautätigkeit einen starken Rückgang, der sich nach einigen Jahren der Erholung spätestens 1930/31 wiederholte. In diesen Zeiten waren die meisten Architekten auf jeden Auftrag angewiesen. Die Beteiligung an Wettbewerben war nicht nur durch die Möglichkeit, eigenes Profil zu gewinnen, sondern oftmals durch existenzielle Sorgen motiviert. Die Beschäftigung mit den wenigen großen Wettbewerben dieser wirtschaftlichen Krisenzeiten ist in vieler Hinsicht besonders aufschlussreich. Nicht selten wird beispielsweise die Verknüpfungen solcher Konkurrenzen mit Politik und Kulturpolitik der Städte durch tendenziös besetzte Preisgerichte deutlich.178

Viele der damals nicht ausgezeichneten Architekten wurden später durch ihre Arbeiten bekannt, darunter vor allem Hans Scharoun, die Brüder Luckhardt und Paul Bonatz. Die Beschäftigung mit ihren Wettbewerbsentwürfen, aber auch mit den baukünstlerischen Arbeiten wenig bekannter Architekten verspricht einen breiten Querschnitt besonders der heterogenen Zwischenkriegsarchitektur in Deutschland. Angesichts der Erkenntnis, dass die Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus vielfältigen, oftmals ineinander verschränkten Strömungen und Tendenzen bestand, von denen in ihrer Breitenwirkung auf das allgemeine Bauschaffen

177 Volker Welter: Ideenwettbewerb für das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden 1920. In: Die Bauwelt. Heft 44. (23. November 1990). Jg. 81. Berlin 1990, S. 2214-2219.

178 Siehe hierzu: Manfred Speidel: Das kurze Leben der Konkurrenzen. Architekturwettbewerbe der Zwanziger Jahre an Rhein und Ruhr. In: Dieter Breuer (Hrsg.): Die Moderne im Rheinland. Ihre Förderung und Durchsetzung

wohl die traditionsgebundeneren Gestaltungsauffassungen überwogen, stellt der Dresdener Ideenwettbewerb von 1920 eine aufschlussreiche Quelle mit dokumentarischem Charakter dar.

Der Anforderungskatalog des Auslobers war sehr umfangreich.179 Auf dem annähernd quadratischen Gelände nördlich des Zwingerteichs zwischen Stall-Straße, Ostra-Allee, Kleine Packhof-Straße und Devrient-Straße (Abb. IV/12) sollten neben dem Hygiene-Museum auch Gebäude für die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen, bestehend aus Mineralogisch-geologischem, Prähistorischem, Zoologisch-anthropologischem und Ethnographischem Museum, geplant werden, wobei letztere erst einige Jahre später realisiert werden sollten. Es galt also, eine größere zusammenhängende Anlage zu planen, die in Etappen realisierbar wäre und deren einzelne Bauabschnitte jeweils ein in sich geschlossenes Ganzes bilden sollten. Das Gebäude des Hygiene-Museums, das um die Hälfte erweiterbar sein sollte, wollte man eher im nord-östlichen Teil des Geländes angesiedelt wissen. Für Erweiterungsvorschläge und im Hinblick auf eine gelungene städtebauliche Gesamtlösung für dieses Areal sollten notfalls auch umliegende Parzellen in der Planung mit einbezogen werden können. Die Vorgaben bezüglich des Raumprogramms waren angesichts der Vielseitigkeit der Institution beachtlich. Ein Kellergeschoss sollte neben Werkstätten, Anatomischen Laboratorien, Räumen für Tiere, Räumen für Heizungs- und elektrische Beleuchtungsanlagen auch Aufenthaltsräume, Kleiderablagen und einen Raum für Erste Hilfe aufnehmen. Im Erdgeschoss sah man neben Vorräumen wie beispielsweise der Eingangshalle, Verwaltungsräumen mit Nebenräumen eine etwa 3000qm große Fläche für Sammlungsräume vor. Für das Obergeschoss war nochmals eine solche Fläche für Sammlungsräume gewünscht und Räume für die Wissenschaftlichen Leitungen der neuzeitlichen und der geschichtlichen Abteilung mit Sitzungszimmer und Nebenräumen. Das Dachgeschoss sollte Platz bieten für die Unterbringung einer Bibliothek, diverser Laboratorien, photographischer Werkstätten, Werkstätten für Bildhauer, Holzbildhauer, Zeichner, Maler, eine Buchbinderei, Lagerräume für Sammlungen, Aufbewahrungsräume für Materialien und einen Personalraum. Dazu sollte es im Dachgeschoss eine Hausmeisterwohnung, zwei weitere Wohnungen, einen geräumigen Dachgarten und einen

in Literatur, Theater, Musik, Architektur, angewandter und bildender Kunst 1900-1933. Vorträge des interdisziplinären Arbeitskreises zur Erforschung der Moderne im Rheinland. Köln 1994, S. 298-320.

179 Der ursprünglich vorgesehene Einreichungstermin für die Entwürfe vom 1. September 1920 wurde später auf den 15. Oktober 1920 verschoben. In der Deutschen Bauzeitung war zweimal die Anregung vorgetragen worden, die als zu knapp angesetzte Einsendefrist wegen der Bedeutung der Bauaufgabe und im Hinblick auf die Gewinnung ausgereifter Entwürfe zu verlängern. Vgl. Deutsche Bauzeitung Nr. 38 (12. Mai 1920). Jg. 54. Berlin 1920, S. 224;

Deutsche Bauzeitung Nr. 47 (12. Juni 1920). Jg. 54. Berlin 1920, S. 260. Verlangt waren neben einem Lageplan Schaubilder oder ein Übersichtsmodell, sämtliche Grundrisse, Ansichten und Schnitte, Massenberechnungen sowie

großen Hörsaal für 300 Personen geben, der mit einem weiteren kleinen Hörsaal für 70 bis 80 Personen zusammengelegt werden könnte.180 Während man 1919 noch genaue Flächenverteilungen für die Sammlungsräume vorgab (Neuzeitliche Abteilung: 1650qm;

Geschichtliche Abteilung: 1350qm)181, wurde die genaue Verteilung im Ausschreibungstext von 1920 offen gehalten. Dort heißt es auch, dass die Ausstellungsfläche von 6000 qm nicht unbedingt zur Hälfte auf Erd- und Obergeschoss verteilt werden müsse und dass einige Ausstellungsräume mit künstlicher Beleuchtung durchaus auch im Unter- oder 2. Obergeschoss Platz finden könnten.182

Insgesamt handelte es sich nicht nur um einen anspruchsvollen, vielfältigen Raumbedarf183, sondern um Baumassen, die wegen des hohen Magazincharakters große Rauminhalte bereitstellen mussten. Aus dem sensationellen Erfolg der Halle „Der Mensch“ auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung ergab sich die natürliche Notwendigkeit, diesen Teil der Ausstellung zum Zentrum und Hauptbestandteil eines zu planenden Museumsbaus zu machen, was auch aus einem seitens des Bauträgers vorgegebenen Grobvorschlag für die Anordnung der Sammlungsräume von 1919 schon deutlich hervorgeht (Abb. IV/13). Den internen Ausschreibungsunterlagen im Stadtarchiv aus demselben Jahr beigefügt war ein undatierter, ausgearbeiteter Grundrissentwurf von Max Hans Kühne (Abb. IV/14), der in Grundzügen schon starke Ähnlichkeit mit seinem 1920 eingereichten Wettbewerbsentwurf aufweist. Er zeigt eine klappsymmetrische Anlage, deren breite, in einem ovalen Raum mit Umgang endende Achse zu beiden Seiten von je einem großen Innenhof flankiert ist, um den sich u-förmig Ausstellungs- und Verbindungstrakte legen. Der Entwurf entstand vermutlich 1912 im Zusammenhang mit den oben geschilderten Bemühungen, einen engeren Wettbewerb zu veranstalten.

ein Erläuterungsbericht. Vgl. Allgemeiner deutscher Idee-Wettbewerb zur Erlangung von Entwurf-Skizzen für das Deutsche Hygiene-Museum und die staatlichen naturwissenschaftlichen Museen in Dresden. Dresden 1920, S. 3/4.

180 Vgl. Otto Schubert: Der Wettbewerb um das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. In: Cornelius Gurlitt, Bruno Möhring (Hrsg.): Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit. Elftes Sonderheft der Halbmonatsschrift. Berlin 1921, S. 8/9 (Auszug aus den Wettbewerbsbedingungen).

181 Vgl. Engerer Ideen-Wettbewerb zur Erlangung von Entwurfs-Skizzen für das Deutsche Hygiene-Museum und die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Museen in Dresden. (Entwurf!). Dresden, im November 1919. Stadtarchiv Dresden. Akten der Stadtverordneten zu Dresden. H. 114 Bd. I: Hygiene-Museum in Dresden, S. 8/9.

182 Vgl. Allgemeiner deutscher Ideen-Wettbewerb zur Erlangung von Entwurfs-Skizzen für das Deutsche Hygiene-Museum und die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Museen in Dresden. Dresden, im April 1920, S. 7-9.

Bibliothek des Deutschen Hygiene-Museums (Signatur Hyg. A III 11/412a).

183 Obwohl die Auslobung schon sehr detaillierte Vorstellungen über Raumverteilung und Zuschnitte der Säle beinhaltet hatte, beschloss man im November 1920 museumsintern, nach dem Wettbewerb erneut über den Raumbedarf für die Sammlungen und Werkstätten sowie über räumliche Gewichtungen nachzudenken. Der Grund dafür waren Überlegungen der Museumsleitung, die geschichtlich-völkerkundliche Abteilung in die neuzeitliche Abteilung zu integrieren. Eine solche museologische Entscheidung hätte natürlich Auswirkungen auf den

Bei der Ausschreibung des allgemeinen Architekturwettbewerbes 1920 kam zu den Forderungen einer wirksamen Positionierung des Hygiene-Museums und eines komplizierten Raumprogramms schließlich noch eine denkmalpflegerische Auflage hinzu. Es galt, die auf dem Grundstück des ehemaligen königlichen Marstalls befindliche alte Reithalle aus dem 18.

Jahrhundert zu konservieren und in die Neuplanungen einzubeziehen. Der als erhaltenswert eingestufte, in den Jahren 1794-95 durch Christian Traugott Weinlig (1739-1799)184 errichtete Bau war als Teil einer weiträumigen klassizistischen Vierflügelanlage hinter dem Zwinger noch erhalten. Bezüglich der Bebauung des Geländes waren also schwierige, zum Teil gegenläufige Faktoren miteinander in Einklang zu bringen. Die exponierte Lage des zu beplanenden Bauplatzes stellte eine große künstlerische und städtebauliche Herausforderung dar. Man versprach sich von dem Wettbewerb daher weniger eine baureife Lösung als zunächst einmal Anregungen und die Gewinnung von Richtlinien bezüglich der Behandlung dieses Stadtbereichs, der charakterisiert wird durch eine ungewöhnliche Ansammlung von sehr bedeutenden Bauten auf engstem Raum. Es galt, das gewachsene Ensemble aus Bauten der ersten Hälfte des 18.

Jahrhunderts und des 19. Jahrhunderts in der unmittelbaren Umgebung am Theaterplatz185 zu berücksichtigen. Daneben machte die Ausschreibung noch weitere konkrete Vorgaben, wonach der Hauptzugang für beide Museen möglichst an der Stall-Straße liegen sollte und besonders auf eine gute Belichtung sämtlicher Ausstellungsräume Wert zu legen sei.186 Angaben über eine einzuhaltende Bausumme wurden in der Ausschreibung keine gemacht.

Das Gremium der Preisrichter des Ideenwettbewerbs für das Deutsche Hygiene-Museum187 setzte sich aus siebzehn Personen zusammen, von denen überwiegend Hochschulprofessoren die

Raumbedarf beziehungsweise die Raumdisposition gehabt. Vgl. Protokoll der Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Hygiene-Museums vom 24. November 1920, Bl. 110/111.

184 Der Dresdner Architekt, Architekturschriftsteller und Radierer Christian Traugott Weinlig (1739-1799) war 1793 Hofbaumeister und seit 1799 Oberlandbaumeister. Neben dem Bau der Reithalle ist vor allem seine Beteiligung am Ausbau von Schloss Pillnitz erwähnenswert.

185 Zu nennen ist der 1711-28 von Matthäus Daniel Pöppelmann (1662-1736) erbaute Zwinger, die 1738-55 von Gaetano Chiaveri (1689-1770) gebaute katholische Hofkirche, die 1830-32 nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) entstandene Altstädter Wache am Theaterplatz, die Gemäldegalerie (1847/56) als Abschluss des Zwingers zur Elbe hin und das Opernhaus (1971/78) von Gottfried Semper (1803-1879). Semper, der in den Jahren 1834-49 Professor für Baukunst und Vorsteher der Bauschule an der Kunstakademie in Dresden war, hatte in dieser Zeit den sogenannten Forumsplan für das Areal entwickelt.

186 Otto Schubert: Der Wettbewerb um das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. In: Cornelius Gurlitt, Bruno Möhring (Hrsg.): Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit. Elftes Sonderheft der Halbmonatsschrift. Berlin 1921, S. 6.

187 Vgl. Otto Schubert: Der Wettbewerb um das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden. In: Cornelius Gurlitt, Bruno Möhring (Hrsg.): Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit. Elftes Sonderheft der Halbmonatsschrift. Berlin 1921, S. 7.

Fachpreisrichter stellten.188 Mit dem amtierenden Stadtbaurat von Berlin Ludwig Hoffmann (1852-1932) war eine einflussreiche Autorität in der Jury vertreten. Die Zusammensetzung des Gremiums wurde insbesondere nach der Entscheidung des Wettbewerbs kritisiert. In der Wettbewerbsbesprechung einer wichtigen Bauzeitung wurde stark bemängelt, dass

„Hochbauleute von künstlerischem Rang im Preisgericht geradezu verschwindend gering vertreten“ gewesen seien.189 Tatsächlich ist nicht nur die Verteilung der Preise unverständlich, sondern viele der von der Jury abgegebenen Werturteile lassen zudem in ihrer Aussagequalität zu wünschen übrig. Die 192 eingereichten Arbeiten konnten in der Zeit vom 1. Dezember 1920 bis 1. Januar 1921 täglich von 10-16 Uhr in der Ausstellungshalle des Museums in der Stallstraße von der interessierten Öffentlichkeit besichtigt werden. Nach einer mehrmonatigen Vorprüfung der Entwürfe unter der Leitung von Emil Högg und einer viertägigen Beratung der Preisrichter vom 4. bis 7. Dezember 1920 stand die Entscheidung der Jury fest. Den mit 35.000 Reichsmark dotierten ersten Preis erhielt der Entwurf mit dem Kennwort „Offene Bauanlage“

von Hermann Buchert aus München.190 Entgegen der ursprünglichen Absicht wurde schließlich ein Entwurf angekauft, den man zur Grundlage weiterer Planungen machen wollte. Es handelte sich um den Entwurf des Dresdner Architekten Max Hans Kühne mit dem Kennwort „Rote Zickzack-Linie“.

Allgemein lassen sich die Entwürfe in zwei Gruppen aufteilen. Während die eine Gruppe die Mitte des Marstallgrundstücks unbebaut lässt und die Museen als getrennte Gebäudegruppen seitlich von dieser Sichtachse entlang der Ostra-Allee und der Devrient-Straße anordnet191,

188 Es handelte sich um folgende Persönlichkeiten: Oberbaurat Professor Hermann Billing (Karlsruhe); Stadtbaurat C. J. Bühring (Leipzig); Professor Dr. Hans Grässel (München); Geheimer Rat Professor Dr. Cornelius Gurlitt (Dresden); Geheimer Baurat Stadtbaurat Dr. Ludwig Hoffmann (Berlin); Professor Emil Högg (Dresden); Professor Dr. Hermann Jansen (Berlin); Oberbaurat Oskar Kramer (Dresden); Geheimer Hofrat Professor Georg Wrba (Dresden); Oberbürgermeister Bernhard Blüher (Dresden); Ministerialdirektor Geheimer Rat Dr. Böhme (Dresden);

Ministerialdirektor Geheimer Rat Dr. Hedrich (Dresden); Geheimer Regierungsrat Dr. Heyn (Dresden);

Ministerialdirektor Geheimer Rat Ernst Just (Dresden); Staatsminister a. D. Dr. Walter Koch (Berlin);

Stadtverordneten-Vorsteher Nitzsche (Dresden); Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Karl Sudhoff (Leipzig).

189 Heinrich de Fries: Wettbewerb Hygiene-Museum, Dresden. In: Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Heft 1/2.

Jg. VI (1921/22). Berlin 1922, S. 39-41, hier S. 39.

190 Den mit 25.000 Reichsmark angesetzten zweiten Preis erhielt der Entwurf mit dem Kennwort „Neues Leben“

von den Architekten Carl Oettinger und Josef Scherer aus Berlin-Lichterfelde. Der dritte Preis ging mit 15.000 Reichsmark an den Architekten Peter Jürgensen aus Berlin-Charlottenburg und seine Mitarbeiter E. Röhlk und C.

Pönitz, die einen Entwurf unter dem Kennwort „Elbflorenz“ eingereicht hatten. Der Weimarer Stadtarchitekt Max Vogeler bekam für seinen Entwurf „Zusammenklang“ den mit 10.000 Reichsmark dotierten vierten Preis. Den fünften Preis von jeweils 5.000 Reichsmark erhielten insgesamt drei Entwürfe: der Entwurf „Bildungsstätte“ von Wilhelm Kamper aus Köln-Ehrenfeld, der Entwurf „Notung“ von Heinrich Hansen aus Kiel und der Entwurf

„Leviathan“ von Regierungsbaumeister Hertwig aus Aschaffenburg.

191 Hierzu gehören die prämierten Entwürfe „Offene Bauanlage“ von Hermann Buchert (1. Preis),

„Zusammenklang“ von Max Vogeler (4. Preis), „Notung“ von Wilhelm Kamper (5. Preis), aber auch die Arbeiten von Paul Bonatz/Friedrich Scholer, Wilhelm Riphahn/Stoos, Waldo Wenzel.

positioniert die andere Gruppe das Hygiene-Museum in der Blockmitte und legt die Bauten des Naturwissenschaftlichen Museums auf eine der Randflächen beziehungsweise ring- oder halbkreisförmig um das zentrale, in der Zwingerachse liegende Hygiene-Museum herum.192 Die überwiegende Zahl der Beiträge gehört der zweiten Gruppe an. Während in der erste Gruppe die Reithalle durch Sichtbeziehung zum Zwinger aufwertet ist, jedoch eine lange Zeit unvollständige, einseitige Bebauung in Kauf genommen wird, erfüllt die zweite Gruppe der Entwürfe zwar diese Forderung nach einer wirkungsvollen Teilrealisierung der Gesamtanlage, vernachlässigt durch die Mittelstellung des Hygiene-Museums aber die historische Reithalle. In beiden Fällen ist die Zwingerachse häufig als Symmetrieachse der Anlage beziehungsweise des Kernbaus herangezogen. In allen Entwürfen spielt die Gestaltung des Zwingerteichs als vermittelnde Überleitung zwischen Zwinger und Museumskomplex eine Rolle. Die Mehrzahl der Entwürfe beschränkt sich auf die Gestaltung der Baugruppe selbst ohne die Umgebung planerisch mit einzubeziehen, was laut Wettbewerbsprogramm zwar wünschenswert, aber, vermutlich wegen der wirtschaftlich allgemein schwierigen Zeit, nicht verpflichtend war. Unter den preisgekrönten Beiträgen gibt es einige, welche die unmittelbare Umgebung der geplanten Museen berücksichtigen.193 Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Architekturkonkurrenz durch das Festhalten an langen, um Innenhöfe herum abgewickelten Saalfolgen und regelmäßige Systeme aus Flügeln und Querriegelverbindungen eine starke Orientierung an Galeriebauten des 19. Jahrhunderts, einen Bautyp, der eigentlich den neuartigen Anforderungen eines Hygiene-Museums nicht mehr entsprechen konnte. Das enge „Vorgabenkorsett“ der Ausschreibung in Bezug auf die Saal- und Kojentiefen (Saal: 8,5m, davon Gang: 2,5m und Kojen: 6,0m), das eine klassische Vorstellung vom Museumsbau wiederspiegelt, mag diese Richtung gefördert haben.194 Diese eher an dem Typus der klassischen Gemäldegalerie orientierten Vorgaben verraten ein museologisches Verständnis seitens des Hygiene-Museums als Auslober, das einer wirklichen Loslösung aus der Tradition im Sinne des eigentlich völlig neuartigen Anliegens eines hygienischen Lehrinstituts und einer Volkserziehungsstätte noch ‚im Wege steht’.

192 Zu dieser Gruppe gehören die preisgekrönten Beiträge: „Neues Leben“ von Karl Oettinger und Josef Scherer (2.

Preis), „Elbflorenz“ von Peter Jürgensen, R. Röhlk und C. Pönitz (3. Preis), „Bildungsstätte“ von Heinrich Hansen (5. Preis) und „Leviathan“ von Regierungsbaumeister Hertwig (5. Preis), aber auch die Beiträge von Hans Luckhardt, Hans Scharoun, Adolf Abel, Fritz Höger, Max Krampe, Zschucke/Wittlinger, Hans Richter, Beck/Sauer, Emil Wolf, Willy Schönefeld, Otto Schubert, Heinrich Seeling, Schilling & Gräbner, Oswin Hempel, Martin Dülfer, Bulling/Herkommer, August Abbehusen, v. Lüttwitz, Max Hans Kühne, Arnulf Schelcher, Oskar Menzel, Max Heinrich/Fritz Schultz, Richard Fuchs.

193 Vgl. Albert Hofmann: Der allgemeine deutsche Ideen-Wettbewerb zur Erlangung von Entwurfs-Skizzen für das Deutsche Hygiene-Museum und die staatlichen naturwissenschaftlichen Museen in Dresden. In: Deutsche Bauzeitung Nr. 5 (19. Januar 1921). Jg. 55. Berlin 1921, S. 25-27, hier S. 25/26.

194 Vgl. Volker Welter: Ideenwettbewerb für das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden 1920. In: Bauwelt. Heft 44. (23. November 1990). Jg. 81. Berlin 1990, S. 2214-2219, hier S. 2216.