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Vokalquantität Glottalisierung:

Im Dokument Morphologisch komplexe Wörter (Seite 185-191)

•mehr Verschlüsse > weniger Verschlüsse NEIN

•mehr Glottalisierung > weniger Glottalisierung NEIN Geminaten:

•höhere abs. Dauer > niedrigere abs. Dauer JA

•höhere rel. Dauer > niedrigere rel. Dauer NEIN 5) Segmentkontext

Glottalisierung:

•t#V, s#V > n#V, V#V JA*

Geminaten:

•Obstruenten > Sonoranten JA

6) Vokalquantität Glottalisierung:

•kein Einfluss NEIN*

Geminaten:

KV > LV

•höhere abs. Dauer > niedrigere abs. Dauer JA

•höhere rel. Dauer > niedrigere rel. Dauer JA*

Vorkommen von Glottalverschluss und Glottalisierung auswirkt (vgl. Tab. 3.14 und Tab. 3.16). Das Gleiche gilt für die relative Dauer (vgl. Tab. 3.19), die sich darin interessanterweise von der absoluten Dauer unterscheidet (vgl. Tab. 3.18).

Selbst bei eingeschränktem Frequenzbereich führt eine höhere Tokenfrequenz so-mit noch zu einer Reduktion der absoluten Dauer. Diese Diskrepanz im Verhalten der absoluten und der relativen Dauer wiederholt sich auch für andere Variablen.

Besonders auffällig ist dabei, dass sich die relativen Dauern in ihrem Verhalten meistens mit der Glottalisierung / dem Glottalverschluss gruppieren lassen. Die Annahme, dass die relative Dauer unmittelbar mit der Grenzstärke zwischen den

pWörtern zusammenhängt, wird dadurch bestätigt. Es lässt sich damit festhalten, dass die Tokenfrequenz eine systematische Schwächung der Grenzmarkierung mit sich bringt, sobald ein gewisser Frequenzbereich abgedeckt wird.

Ebenso wie die Tokenfrequenz ist auch die Akzentuierung ein äußerst stabi-ler Einflussfaktor auf die lautliche Reduktion an der pWortfuge. Für alle abhängi-gen Variablen gilt, dass sie stärker reduziert werden, wenn sie in einem unakzen-tuierten Testelement vorkommen als wenn das Element einen Satzakzent trägt.

Interessant ist für den Faktor Akzentuierung darüber hinaus, dass er auch in ei-ner signifikanten Interaktion mit dem Segmentkontext auftritt, und zwar bei den Variablen Glottalisierung und Glottalverschluss. Für die Glottalisierung gilt, dass der Segmentkontext überhaupt nur dann signifikant wird, wenn die Interaktion mit der Akzentuierung in das Modell einfließt (vgl. Tab. 3.9 und Tab. 3.10). Für das Auftreten eines Glottalverschlusses konnte gezeigt werden, dass relevante Unterschiede zwischen den Segmentkontexten nur dann zu Tage treten, wenn die Wörter unakzentuiert sind (vgl. Tab. 3.11 und Abb. 3.12). Die Segmente ent-falten also ihren koartikulatorischen Effekt offenbar nur dann, wenn die Wörter nicht akzentuiert sind. Die dann auftretende Koartikulation entspricht insofern den Erwartungen, als der Kontext t#V signifikant mehr Verschlüsse aufweist als der Kontext n#V, der sich in dieser Hinsicht nicht von s#V und V#V unterscheidet (vgl. dazu auch Bergmann 2014).

Zum Einflussfaktor Wortart lässt sich sagen, dass sich keine der Erwartun-gen bestätigt. Ausgehend von der üblichen prosodischen Analyse von Partikel-verben und Komposita, die den Konstituenten jeweils pWortstatus zuweist, wur-de zunächst keine systematische Variation wur-der Grenzrealisierung mit diesem Fak-tor erwartet. In Anlehnung an Wiese (2000) wurde jedoch bezüglich der Degemi-nierung vermutet, dass die Partikelverben einer stärkeren Reduktion unterwor-fen sein könnten als die Komposita. Tatsächlich zeigt die Analyse aber, dass zum einen auch das Vorkommen des Glottalverschlusses systematisch durch die Wort-art / den Wortbildungstypen beeinflusst ist, und dass zum anderen die relative Dauer einen der Erwartung entgegengesetzten Effekt aufweist. Beide Ergebnisse sind allerdings gut miteinander in Einklang zu bringen, denn sowohl Glottalver-schluss als auch relative Dauer sind bei den Partikelverben stärker ausgeprägt als bei den Komposita. Bei der relativen Dauer ist der Effekt an eine Interaktion mit der Frequenz gebunden, die darin besteht, dass Partikelverben dem reduzieren-den Effekt der Frequenz stärker standhalten als die Komposita. Partikelverben bewahren ihre wortinterne Grenze somit offenbar besser vor Abschwächung als Komposita. Bei der Variable Glottalverschluss handelt es sich hierbei um die in-itiale Grenze der verbalen Wurzel; bei der relativen Dauer ist nicht mit Sicherheit

zu sagen, ob es sich um eine Stärkung der initialen Grenze oder eine geringer aus-geprägte Schwächung der finalen Grenze der Partikel handelt. Ausschlaggebend scheint in beiden Fällen zu sein, dass die Konstituenten des Partikelverbs häufig auch getrennt voneinander realisiert werden. Dies gilt für das Kompositum un-ter keinen Umständen. Zwar treten hier die einzelnen Bestandteile sicher auch einzeln auf, aber niemals als das konkrete komplexe Lexem, das das Kompositum darstellt. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt wurde, wäre es sinnvoll, zusätzli-che Frequenzmaße zu berücksichtigen, um der Rolle des getrennten Vorkommens für die Stärkung der Wortgrenzen weiter auf den Grund zu gehen. Bemerkens-wert ist, dass Nübling & Szczepaniak (2008) vermuten, dass ein eigenständiges Vorkommen von pWörtern dazu beitragen könne, dessen Grenzen zu stabilisie-ren (vgl. Nübling & Szczepaniak 2008: 20-22). Diese Vermutung wird auf der Basis der vorliegenden quantitativen Studie somit gestützt.

Die Erwartungen zur syntaktischen Struktur haben sich mit Ausnahme der Variable absolute Dauer nicht erfüllt. In einer Datengrundlage, in der die Ak-zentuierung und Frequenzunterschiede zwischen komplexen Wörtern und Lexe-men in einer Phrase weitestgehend konstant gehalten wurden, unterscheidet sich die phonetische Realisierung der Testelemente lediglich hinsichtlich der absolu-ten Dauer der geminatischen Lautsequenzen (vgl. Tab. 3.18). Die relative Dauer und das Auftreten von Glottalverschluss und Glottalisierung werden nicht signi-fikant von der syntaktischen Struktur beeinflusst (vgl. Tab. 3.19, Tab. 3.14 und Tab. 3.16). Auch hier verhalten sich relative Dauer und das Grenzsignal Glottal-verschluss / Glottalisierung somit gleich. Das Ergebnis zeigt an, dass die Grenz-stärke nicht systematisch damit variiert, ob die entsprechenden Laute wortintern oder wortübergreifend auftreten, ob sie also der lexikalischen oder der postlexika-lischen Ebene zugehören. Geminatenreduktion und Glottalisierung variieren so-mit systematisch so-mit dem wortbezogenen Faktor Frequenz und dem äußerungs-bezogenen (postlexikalischen) Faktor Akzentuierung, aber nicht mit der syntakti-schen Struktur bzw. der Zugehörigkeit zur lexikalisyntakti-schen oder postlexikalisyntakti-schen Ebene. Aus der Perspektive der prosodischen Phonologie lässt sich festhalten, dass sich eine pWort-interne pWortgrenze in einer rekursiven Struktur, wie sie in Partikelverben oder Komposita auftritt, nicht signifikant von einer hierarchisch höherrangigen pWortgrenze in einer prosodischen Phrase unterscheidet. Dass immerhin die absolute Dauer der Lautsequenz in den Phrasen höher ist als in den komplexen Wörtern verdeutlicht allerdings, dass doch innerhalb eines pWorts ge-nerell geringere Dauern vorliegen, auch wenn dies nicht ohne Weiteres als eine geringere Grenzstärke zwischen den Konstituenten interpretiert werden sollte.

Auf den Einfluss des Segmentkontextes wurde oben im Zusammenhang mit der Akzentuierung bereits eingegangen. Es wurde gezeigt, dass sich der koar-tikulatorische Einfluss des Kontextes auf Glottalverschluss und Glottalisierung nur bei unakzentuierter Bedingung durchsetzt. Gleiches lässt sich für die De-geminierung nicht behaupten. Der Segmentkontext bzw. die Segmente der ge-minatischen Lautsequenz üben immer einen hochsignifikanten Einfluss auf die absoluten und relativen Dauern aus, wobei in etwa die Abfolge l#l < n#n, m#m <

s#s, f#f < t#t gilt (vgl. Abb. 3.25(a)). Liquide sind somit kürzer bzw. anfälliger für die Dauerreduktion als Nasale, diese sind kürzer als die Frikative und jene noch-mals kürzer als der Plosiv /t/. Selbstverständlich handelt es sich beim Einfluss des Segments in den geminatischen Lautsequenzen nicht um einen koartikulato-rischen Einfluss wie er etwa bei den Lautkontexten der Glottalisierung / Glottal-verschluss vorliegt. Stattdessen ist davon auszugehen, dass die Laute zum einen spezifische inhärente Dauern mit sich bringen und zum anderen unterschiedlich anfällig sind für (Dauer-)reduktionen (vgl. Neppert 1999: 181-182, Schäfer 2014b:

60). Dieser Einfluss wurde somit in der Auswertung kontrolliert, ist aber für sich genommen für die vorliegende Studie von untergeordnetem Interesse.

Auch der Einfluss der Kovariate Vokalqantität stand nicht im Mittelpunkt des Interesses. Nichtsdestotrotz kann festgehalten werden, dass sich die mit ihm verbundenen Erwartungen in Hinblick auf die Dauermessungen bestätigt haben.

Nach Kurzvokal werden in den Modellen höhere absolute und relative Dauern der geminatischen Lautsequenz vorhergesagt (vgl. z. B. Tab. 3.17 und Tab. 3.22).

Dies spricht für einen Ausgleich der Dauer auf Silbenebene. Aufschlussreich ist weiterhin, dass sich beide Dauervariablen in einer signifikanten Interaktion mit der Frequenz befinden, die allerdings etwas unterschiedlich ausgeprägt ist. Nach Langvokal bleibt die relative Dauer der nachfolgenden Sequenz trotz steigender Frequenz stabil, während sie nach Kurzvokal weiter absinkt. Dies wurde so in-terpretiert, dass sich die Frequenz auch reduzierend auf den Vokal auswirkt, was bei Kurzvokal im Erstglied allerdings nur begrenzt möglich ist. Die Dauerreduk-tion geht bei diesen somit stärker auf Kosten der konsonantischen Lautsequenz als bei den Erstgliedern mit Langvokal. Ein unerwartetes Ergebnis ist, dass die Vokalquantität zumindest in einem statistischen Trend mit dem Auftreten des Glottalverschlusses zusammenhängt. Nach Langvokal ist ein Glottalverschluss tendenziell wahrscheinlicher als nach Kurzvokal. Möglicherweise ist dies auf die zeitliche Koordination der artikulatorischen Gesten zurückzuführen, wobei ein Langvokal schlichtweg mehr Zeit bietet, die glottale Verschlussgeste umzuset-zen. Dafür spricht möglicherweise auch, dass Glottalverschlüsse häufiger nach

Pausen auftreten, was auf eine größere notwendige artikulatorische Präzision zurückgeführt wird (vgl. Kohler 1994; Malisz u. a. 2013).

Zuletzt sei noch erwähnt, dass sich auch das Geschlecht teilweise als rele-vanter Einflussfaktor für die Realisierung der Wortgrenze erwies, nämlich bei der Variable Glottalverschluss. Die weiblichen Sprecherinnen realisieren mehr Glottalverschlüsse und damit eine stärkere Grenzmarkierung als die männlichen Sprecher der Studie. Dies entspricht den Ergebnissen von Dilley u. a. (1996) zum Amerikanischen Englisch. Für die Geminatenreduktion stellte das Geschlecht demgegenüber keinen relevanten Prädiktor dar.

Abschließend kann somit gesagt werden, dass sich in den komplexen Wörtern sowohl für die Realisierung des Glottalverschlusses als auch der Geminaten eine graduelle Variation feststellen lässt, die systematisch mit verschiedenen Einfluss-faktoren zusammenhängt. Damit wird zunächst deutlich, dass die untersuchten phonologischen Prozesse nicht als rein kategorisch beschrieben werden können.

Eine Modellierung der Variation müsste neben segmentellen Faktoren in erster Linie die prosodische Struktur (genauer: die Akzentuierung) und die Tokenfre-quenz berücksichtigen. Die Tatsache, dass die graduelle Reduktion der Grenzstär-ke unter anderem durch die Lexemfrequenz vorhergesagt werden kann, spricht außerdem gegen ein Modell mit getrennten Komponenten für lexikalische und postlexikalische Effekte. Das Auftreten von lexikalisch spezifischer gradueller Variation ist in einem solchen Modell nicht vorgesehen.

Im Dokument Morphologisch komplexe Wörter (Seite 185-191)