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Komplexe Wörter (ohne Phrasen)

Im Dokument Morphologisch komplexe Wörter (Seite 146-152)

4) syntaktische Struktur Phrase > Wort

3.4 Ergebnisse: Einflussfaktoren auf die phonetische RealisierungRealisierung

3.4.1 Glottalverschluss und Glottalisierung .1 Verteilung der Rohdaten

3.4.1.2 Komplexe Wörter (ohne Phrasen)

Die Analysen der binären Variablen „Verschluss“ und „Glottalisierung“ mittels ei-ner gemischten linearen Regression verdeutlichen, dass sowohl die Frequenz als auch die Akzentuierung einen stabilen Einfluss auf die Realisierung der initialen Wortgrenze in den komplexen Wörtern hat. Ebenfalls stabil ist der Einfluss des Segmentkontexts.

Die Ergebnisse für die Glottalisierung werden in folgendem Modell deut-lich, das sich als bestes Modell durchgesetzt hat (Tab. 3.9). Schätzwerte mit posi-tivem Vorzeichen zeigen eine geringere Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Glottalisierung an, Schätzwerte mit negativem Vorzeichen dagegen eine größere.

Die beiden hauptsächlich interessierenden Faktoren „Frequenz“ und „Akzentuie-rung“ sind fett hervorgehoben (Somers C = 0,85; Dxy= 0,71; Kollin = 9,25).

Tabelle 3.9: Finales Modell „Glottalisierung“

Random effects:

Groups Name Variance Std.Dev.

SprecherA (Intercept) 0.76669 0.87561

Number of obs: 1268, groups: SprecherA, 14 Fixed effects:

Estimate Std. Error z value Pr(>|z|)

(Intercept) -6.33083 0.89623 -7.064 1.62e-12 ***

Frequenz 0.23884 0.04318 5.531 3.18e-08 ***

Akzentuierung: unakz 2.54701 0.77162 3.301 0.000964 ***

Segmentkontext: s#V 1.92229 0.82437 2.332 0.019709 * Segmentkontext: t#V 1.54574 0.84903 1.821 0.068669 . Segmentkontext: V#V 1.95398 0.83681 2.335 0.019541 * Akzunakz:

Segmentkontexts#V

-1.76081 0.90571 -1.944 0.051880 . Akzunakz:

Segmentkontextt#V

-3.32143 1.07151 -3.100 0.001937 **

Akzunakz:

SegmentkontextV#V

-2.24047 0.94913 -2.361 0.018247 *

Geschlechtw -0.90279 0.56010 -1.612 0.107001

Mit einem Anstieg der Frequenz sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Wörter mit Glottalisierung produziert werden. Das Gleiche gilt für Wörter in

unakzen-tuierter Form. In dieser Hinsicht bestätigen sich also die Erwartungen bezüglich der Einflussfaktoren, und die in den Rohdatenabbildungen angedeuteten Vertei-lungen stellen sich als statistisch signifikant heraus. Höherfrequente Elemente und unakzentuierte Elemente haben also eine höhere Wahrscheinlichkeit, ohne Grenzmarkierung realisiert zu werden als niederfrequente und akzentuierte.

Hinsichtlich der Akzentuierung ist noch eine Interaktion mit dem Segment-kontext zu beachten. Offensichtlich sind die verschiedenen Segmentabfolgen un-terschiedlich von der Akzentuierung betroffen. Im Modell werden zuerst die Haupteffekte für die verschiedenen Segmentkontexte angeführt, wobei das Ba-sislevel durch den Kontext n#V gestellt wird. Das bedeutet, dass bei Betrachtung der Haupteffekte alle Kontexte zu (tendenziell) weniger Glottalisierung neigen als der Kontext n#V (für alle ist der Schätzwert positiv). Allerdings zeigt sich, dass sich dieser Effekt bei unakzentuierter Realisierungsweise umkehrt. Alle Kontexte zeigen bei fehlender Akzentuierung eine höhere Wahrscheinlichkeit zur Glottali-sierung als n#V. Dieses Ergebnis ist extrem schwer zu interpretieren, und da t#V und V#V sich hierbei gleich verhalten, ist es schwer einzusehen, in welcher Weise die in Abschnitt 3.3 eingeführten Erwartungen erfüllt sein könnten. Ausgehend von n#V wäre aufgrund der artikulatorischen Anforderungen ein gegensätzli-ches Verhalten bei V#V (weniger Glottalisierung) und t#V (mehr Glottalisierung) zu erwarten. Interessant ist, dass ein Modell ohne die Interaktion den Segment-kontext gar nicht als signifikant ausweist (Somers C = 0,84; Dxy = 0,68; Kollin

= 6) (Tab. 3.10). Die Modellkritik spricht jedoch für das Modell mit Interaktion (Tab. 3.9), weshalb sie im endgültigen Modell beibehalten wurde.

Zudem ist zu bedenken, dass die Variable „Glottalisierung“ wie oben beschrie-ben sowohl die Realisierungen der Gruppe „j/j“ als auch der Gruppe „n/j“ umfasst, die dann der fehlenden Grenzmarkierung „n/n“ gegenüberstehen. Ein Blick auf die Abbildung zur Verteilung der verschiedenen Ausprägungen auf die Segment-kontexte (s. o. Abb. 3.11(a)) macht deutlich, dass der Anteil der fehlenden Grenz-markierung verteilt auf die vier Kontexte nur noch äußerst gering ist. Möglicher-weise ist die geringe Beleganzahl bei der Verteilung auf die Segmentkontexte nicht ausreichend für eine sinnvolle Analyse. Der Einflussfaktor „Geschlecht“

verfehlt in beiden Modellen nur knapp einen statistischen Trend. Weibliche Per-sonen würden sonst als tendenziell stärker grenzmarkierend ausgezeichnet.

Es lässt sich festhalten, dass das Auftreten einer Grenzmarkierung durch Glot-talverschluss und / oder Glottalisierung im Gegensatz zur fehlenden Grenzmar-kierung stark durch die Tokenfrequenz des komplexen Worts und durch die Ak-zentuierung auf Äußerungsebene beeinflusst ist. Mit steigender Frequenz und unter unakzentuierter Bedingung steigt die Wahrscheinlichkeit einer fehlenden Grenzmarkierung.

Tabelle 3.10: Modell ohne Akzentuierung * Segmentkontext

Random effects:

Groups Name Variance Std.Dev.

SprecherA (Intercept) 0.73815 0.85916

Number of obs: 1268, groups: SprecherA, 14 Fixed effects:

Estimate Std. Error z value Pr(>|z|) (Intercept) -4.95356 0.58822 -8.421 < 2e-16 ***

Frequenz 0.23575 0.04292 5.493 3.94e-08 ***

Akzentuierung: unakz 0.83525 0.27438 3.044 0.00233 **

Segmentkontext:s#V 0.54085 0.33244 1.627 0.10376 Segmentkontext:t#V -0.62026 0.42197 -1.470 0.14158 Segmentkontext:V#V 0.29260 0.36015 0.812 0.41655

Geschlechtw -0.89217 0.55133 -1.618 0.10561

Die Variable Verschluss kontrastiert alle Vorkommen mit einem Glottalver-schluss (n = 780) mit jenen mit Glottalisierung ohne VerGlottalver-schluss (n = 418) und jenen ohne jegliche Markierung (n = 70). Es wurde außerdem ein Modell für ein reduziertes Datenset ermittelt, in dem die Vorkommen mit Verschluss und Glottalisierung („j/j“) mit den Vorkommen mit reiner Glottalisierung („n/j“) kon-trastiert werden. Beiden Modellen bescheinigt die Modellkritik jedoch nur eine recht geringe Übereinstimmung zwischen vorhergesagten Werten und tatsäch-lichen Werten (volles Datenset: C = 0,73, Dxy = 0,45, Kollin = 10,6; reduziertes Datenset: C = 0,70, Dxy= 0,39, Kollin = 10,4). Die Differenzierung von Glottalver-schluss und Glottalisierung (und fehlender Markierung im vollen Datenset) lässt sich somit zumindest durch die eingebrachten Faktoren nicht so gut vorhersa-gen wie die Differenzierung von „irvorhersa-gendeiner“ Grenzmarkierung und fehlender Markierung, wie sie durch die Variable Glottalisierung vorgenommen wird.

Dennoch erhellen auch die Modelle für das Auftreten eines Glottalverschlus-ses die auftretende Variation. In beiden Datensets kristallisieren sich die gleichen Prädiktoren als signifikant heraus, nämlich wie schon für die Glottalisierung die Tokenfrequenz und die Akzentuierung. Außerdem tritt noch ein schwach signi-fikanter Einfluss für die Wortart hinzu sowie als stärkster Einflussfaktor das Ge-schlecht. Auch der Segmentkontext wird signifikant, wie das Modell in Tab. 3.11 zeigt. Dargestellt wird das Modell mit der etwas höheren Vorhersagekraft, näm-lich das Modell für alle Datenpunkte.

Tabelle 3.11: Finales Modell „Glottalverschluss“

Random effects:

Groups Name Variance Std.Dev.

SprecherA (Intercept) 0.16012 0.40015

Number of obs: 1268, groups: SprecherA, 14 Fixed effects:

Estimate Std. Error z value Pr(>|z|)

(Intercept) -1.04661 0.26535 -3.944 8.00e-05 ***

Frequenz 0.10807 0.01665 6.493 8.44e-11 ***

Akzentuierung: unakz 0.91627 0.21909 4.182 2.89e-05 ***

Wortart: PV -0.26341 0.13090 -2.012 0.044188 *

Segmentkontext: s#V 0.15009 0.23765 0.632 0.527695 Segmentkontext: t#V 0.11915 0.24667 0.483 0.629075 Segmentkontext: V#V 0.17913 0.26988 0.664 0.506846 Akzunakz:

Segmentkontexts#V

-0.40529 0.32398 -1.251 0.210946 Akzunakz:

Segmentkontextt#V

-1.25619 0.34397 -3.652 0.000260 ***

Akzunakz:

SegmentkontextV#V

0.01206 0.36394 0.033 0.973554 Geschlecht: w -0.95370 0.24824 -3.842 0.000122 ***

Vokalquantität: LV 0.22907 0.14162 1.617 0.105779

Wie deutlich zu erkennen ist, steht nicht nur die Differenzierung von fehlen-der Grenzmarkierung und stärkerer ofehlen-der starker Markierung mit den Faktoren Tokenfrequenz und Akzentuierung in Zusammenhang, sondern auch das Auftre-ten eines Glottalverschlusses selbst.

Zu Frequenz und Akzentuierung tritt ein weiterer Hauptprädiktor als signifi-kant hinzu, der für die Glottalisierung keine Rolle spielte, nämlich die Wortart.

Partikelverben haben demnach eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit mit Verschluss realisiert zu werden als Komposita. (Im reduzierten Datenset ohne die Elemente der Gruppe „n/n“ vermindert sich das Signifikanzniveau zu einem Trend). Partikelverben widersetzen sich einem Abbau der initialen Grenze so-mit stärker als Komposita. Dies könnte daso-mit in Zusammenhang stehen, dass Partikelverben häufig auch getrennt realisiert werden, wenn die Partikel bei Ver-bzweitstellung und einfachem Prädikat in die rechte Verbklammer rückt.

Mög-licherweise trägt dieses getrennte Vorkommen zu einer Stärkung der initialen Grenze der verbalen Wurzel bei. Es wurde allerdings nicht geprüft, wie häufig die Partikelverben in getrennter Form realisiert werden. Ebenso wenig wurde er-hoben, wie häufig die einzelnen Konstituenten der komplexen Wörter sind. Dies könnte sowohl für die Partikelverben als auch für die Komposita einen zusätzli-chen Einfluss auf die Grenzstärke ausüben (siehe hierzu auch die Ergebnisse zur Geminatenreduktion, Abschnitt 3.4.2).

Wesentlich eindeutiger als in den Ergebnissen zum Glottalisierungsvorkom-men sind die Ergebnisse zum Einfluss des SegGlottalisierungsvorkom-mentkontexts. Die Kontexte unter-scheiden sich für sich genommen nicht signifikant voneinander. In der Interakti-on mit der Akzentuierung vollzieht sich aber eine deutliche Abgrenzung des KInterakti-on- Kon-texts t#V von der Basisebene n#V, wobei es unter unakzentuierter Bedingung im Kontext t#V höchst signifikant wahrscheinlicher ist, dass ein Glottalverschluss auftritt als beim Kontext n#V. Zum besseren Verständnis der Interaktion zeigt Abb. 3.12 die Vorkommenswahrscheinlichkeit von Glottalverschlüssen für jeden Segmentkontext aufgegliedert in die Bedingung unakzentuiert und akzentuiert:

Abbildung 3.12: Verteilung von Glottalverschlüssen nach Kontext und Akzentuierung

Die beiden Balken links beziehen sich auf das Vorkommen im Kontext n#V, der das Basisniveau in der statistischen Auswertung darstellt. In diesem Kontext, ebenso wie bei s#V und V#V, sind Glottalverschlüsse häufiger unter akzentuierter

als unter unakzentuierter Bedingung. Davon weicht nur der Kontext t#V ab, bei dem es in unakzentuierter Bedingung häufiger zum Glottalverschluss kommt als in akzentuierter Bedingung (wenn auch nicht signifikant). Dies spiegelt sich wie oben gesehen auch im Regressionsmodell wider. Der Haupteffekt für die Akzen-tuierung ist somit für den Kontext t#V nicht gültig: In der Lautabfolge t#V kommt der Glottalverschluss unabhängig von der Akzentuierung gleichermaßen häufig vor. Weiterhin ist zu beobachten, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Glott-alverschluss unter akzentuierter Bedingung bei den verschiedenen Segmentkon-texten kaum variiert. Die Unterschiede entstehen erst, wenn die Akzentuierung wegfällt. Wie auch schon die Rohdatenabbildung (Abb. 3.11(a)) gezeigt hat, tre-ten tatsächlich im Kontext V#V am wenigstre-ten Glottalverschlüsse auf, gefolgt von n#V und s#V mit einer vergleichbaren Anzahl und t#V mit der höchsten Anzahl.

Für den Kontext t#V, der aufgrund der beiden Parameter Stimmlippeneinstellung und Timing von glottalem mit oralem Verschluss die stärkste Disposition für das Auftreten eines Glottalverschlusses hat, würde die Unterscheidung von akzentu-ierter und unakzentuakzentu-ierter Produktion daher im Gegensatz zu den anderen Kon-texten kaum einen Unterschied machen. Dieses Ergebnis lässt sich so interpretie-ren, dass koartikulatorische Effekte unter akzentuierter Bedingung unterdrückt werden und erst zum Tragen kommen, wenn das Element ohne Äußerungsakzent produziert wird. Die unter Akzent angenommene artikulatorische Stärkung wür-de sich somit in einer Blockierung koartikulatorischer Einflüsse über die pWort-grenze hinweg äußern (siehe dazu aber Hawkins 2010).

Schließlich ist noch zu erwähnen, dass der Faktor Geschlecht ebenfalls einen hoch signifikanten Einfluss auf das Auftreten des Glottalverschlusses hat. Wäh-rend die Forschungsergebnisse zum Englischen in dieser Hinsicht sehr uneinheit-lich sind (vgl. Redi & Shattuck-Hufnagel 2001), lässt sich für die hier untersuch-ten deutschen Dauntersuch-ten feststellen, dass zwar die Glottalisierung nicht signifikant durch das Geschlecht beeinflusst war, dass weibliche Personen aber mit höherer Wahrscheinlichkeit als die männlichen Personen die stärkste Stufe der Grenz-markierung mit Glottalverschluss (und Glottalisierung) wählen.

Wie oben erwähnt, wurde für die Kategorien „j/j“, „n/j“ und „n/n“ zusätzlich ei-ne ordinale logistische Regression gerechei-net, die die drei Kategorien in eiei-ne Rang-folge der Grenzstärke bringt. Die Auswertung bestätigt die signifikanten Prädik-toren Frequenz, Akzentuierung, Segmentkontext (t#V), Wortart, Geschlecht und Sprecher. Die Modellkritik weist dem Modell (Tab. 3.12) allerdings eine nur ge-ringe Vorhersagekraft zu (R2= 0,14, Somers C = 0,69, Dxy = 0,38).

Tabelle 3.12: Finales Modell ordinale Skala j/j – n/j – n/n

Coef S.E. Wald Z Pr(>|Z|)

y>=n/j -1.3811 0.2568 -5.38 <0.0001

y>=n/n -3.9446 0.2876 -13.72 <0.0001

Frequenz 0.1127 0.0160 7.03 <0.0001 ***

Akzentuierung=unakz 0.5601 0.1200 4.67 <0.0001 ***

Segmentkontext=s#V -0.0286 0.1583 -0.18 0.8566 Segmentkontext=t#V -0.5119 0.1710 -2.99 0.0028 **

Segmentkontext=V#V 0.1695 0.1811 0.94 0.3494

Vokalquantität=LV 0.2322 0.1366 1.70 0.0891

Wortart=PV -0.2585 0.1254 -2.06 0.0393 *

Geschlecht=w -1.0067 0.1261 -7.98 <0.0001 ***

Sprecher 0.0420 0.0150 2.80 0.0052 **

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