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Verständigungsorientierte Kommunikation

ERFAHRUNGEN MIT AUSGEWÄHLTEN PRAXISFÄLLEN

2. Qualitative Mängel:

4.8. Synopse von Praxisbeispielen der Mediationsverfahren

4.8.5. Verständigungsorientierte Kommunikation

Die Kommunikation in NEUSS war nach Einschätzung aller Beteiligten eindeutig verständigungsorientiert. Massive Schwierigkeiten ergaben sich in den Rückkopplungsprozessen bei den einzelnen Umweltgruppen mit ihren jeweiligen Basisgruppenmitgliedern. Dadurch entstand für den Gesamtverfahrensverlauf eine unzumutbare Verzögerung, woraufhin der Mediator ohne Rücksprache mit den Beteiligten das Verfahren abbrach. Trotz dieses Abbruchs blieben die freiwillig zu Beginn des Prozesses im Konsens vereinbarten Grundregeln des kommunikativen Miteinanders auch nach Ende des Verfahrens erhalten.

Die Ausgangslage in MÜNCHEHAGEN wurde als äußerst schwierig wahrgenommen, denn sie war durch vielfältige Klagen und Strafanträge gekennzeichnet. Trotz der schwierigen Ausgangslage konnten sich die Teilnehmer im Konsens auf eine schriftliche Fassung der Kommunikationsregeln, die im Verfahren Anwendung fanden, einigen. Insgesamt konnte eine beachtliche inhaltliche Übereinstimmung im Verlauf des Verfahrens erzielt werden.

Die Entwicklung individueller oder gruppenbezogener Wertbäume und deren Kriterien zur Verifizierung trug im Verfahren der REGION NORDSCHWARZWALD entscheidend zu einer verständigungsorientierten Kommunikation bei.

Im Verfahren um den Flughafen BERLIN BRANDENBURG INTERNATIONAL (BBI) erarbeiteten sich die Teilnehmer eine wechselseitige Akzeptanz und Anerkennung der Sichtweise der jeweils anderen betroffenen Beteiligten.

Die Verständigungsbereitschaft der betroffenen Beteiligten im Verfahren um den Flughafen FRANKFURT hat sich im Verlauf des Mediationsprozesses massiv verschlechtert und wird von den Teilnehmern als „vertane“ Chance wahrgenommen.

In der Vor-Verhandlungsphase wurde im Verfahren um das Abfallwirtschaftsprogramm BERLIN eine konsensuelle Einigung auf kommunikative

Spiel- und Geschäftsordnungsregeln erreicht, die im Verlauf des Prozesses gut funktionierten.

In der Konzeptionsphase erfolgte im Mediationsverfahren des KANTON AARGAU (CH) eine konsensuale Verabschiedung einer Arbeitsvereinbarung für die weitere Zusammenarbeit im Prozeß. Gleichzeitig gelang der Aufbau von lösungsorientierten und tragfähigen Kommunikations- und Kooperationsstrukturen.

4.8.6. Fairness und Kompetenz

In NEUSS war eine nicht durchgängige Gleichbehandlung aller Beteiligten aus Zeitgründen wahrnehmbar. Die wichtigsten Beurteilungskriterien für die Teilnehmer waren die Kriterien Fairness und Kompetenz, die in weiten Teilen erfüllt wurden.

In MÜNCHEHAGEN einigten sich die Verfahrensbeteiligten darauf, dass keine Zitate aus dem Prozess verwendet wurden, ohne eine vorherige Zustimmung des betroffenen Beteiligten eingeholt zu haben. Dadurch gelang die Schaffung eines (fairen) Schutzraums.

Die Kompetenz der Teilnehmer wurde innerhalb des Verfahrens durch die gebildeten Bürgerforen im Prozess der REGION NORDSCHWARZWALD über die Darstellung der Wertbäume und die analytische Überprüfung der damit verbundenen Kriterien und Aussagen deutlich gestärkt. Fairness wurde von allen betroffenen Beteiligten als gegeben wahrgenommen.

Die Entwicklung einer Dialogkultur im Sinne eines sozialen Lernens zeigte im Verfahren um den Flughafen BERLIN BRANDENBURG INTERNATIONAL (BBI) eine konkrete Anwendung des Fairness- und des Kompetenzkriteriums.

Im Verfahren um die Erweiterung des Flughafens FRANKFURT war fehlende Objektivität bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen festzustellen. Die im Verfahren relevanten Gutachten wurden nicht von den Mediationsteilnehmern in Auftrag gegeben. Darüber hinaus wurden die Fragestellungen nicht ausreichend tief

geprüft und bearbeitet. Insgesamt sind die Erkenntnisse des Verfahrens nicht ausreichend, was auch damit zusammenhängt, dass die Bewertungskriterien nicht ausreichend verifiziert wurden.

Ein hoher Druck durch zeitliche Vorgaben von Seiten des Senats als Auftraggeber des Verfahrens um das Abfallwirtschaftsprogramm BERLIN ging zu Lasten der Kompetenz und Fairness im Prozess, weil nicht ausreichend Zeit vorhanden war, die Fragestellungen umfassend genug zu bearbeiten. Dennoch konnten alle relevanten Expertenmeinungen in das Mediationsverfahren integriert werden.

Im Mediationsverfahren des KANTONS AARGAU (CH) entwickelte sich eine Dialogkultur des sozialen Lernens deutlich wahrnehmbar heraus. Die konkrete Anwendung des Fairness- und des Kompetenzkriteriums gelang durchgängig.

4.8.7. Gemeinsinn und Vertrauen

Im NEUSSER Verfahren bestanden die Vertreter der Kreisverwaltung auf eine Sonderrolle. Insgesamt war eine deutliche Klimaverbesserung in den Beziehungen der Teilnehmer untereinander mit Blick auf eine gemeinsame vertrauensbasierte Lösung wahrzunehmen. Das Mediationsverfahren war zu keinem Zeitpunkt umstritten.

In MÜNCHEHAGEN trug die Schaffung eines Schutzraumes zur Entstehung von Offenheit und Vertrauen maßgeblich bei. Dadurch konnten offene Fragen gemeinsam beschrieben werden. Mithin entstand ein Konsens über Dissense von einzelnen Sachfragen.

Durch Kompetenz im Sinne von intersubjektiv nachprüfbaren Aussagen entstand im Verfahren um das Abfallwirtschaftsprogramm der REGION NORDSCHWARZWALD ein wechselseitiges Vertrauen, Gemeinsinn und eine gemeinsam geteilte Verantwortung für die weitere Vorgehensweise in Form einer konsensuell vereinbarten Handlungsempfehlung. Auf der anderen Seite schwächte

die fehlende Einbindung der verantwortlichen (Kommunal-)Politiker die Verantwortungsübernahme durch die Teilnehmer.

Im Verfahren um den Flughafen BERLIN BRANDENBURG INTERNATIONAL (BBI) bildeten sich langfristig kooperative Beziehungen unter den Teilnehmern heraus.

Die Kriterien Gemeinsinn und Vertrauen waren im Verfahren um den Flughafen FRANKFURT nicht erfüllt, denn es blieben unverändert harte Konfliktlinien zwischen den betroffenen Beteiligten bestehen. Im Anschluß des Verfahrens war ein Rückfall in klassische Protestmethoden und Verhalten von Beteiligten wahrzunehmen, die für Paralysesituationen typisch sind.

Im Verfahren um das Abfallwirtschaftsprogramm BERLIN gelang der Aufbau von Vertrauensstrukturen und gemeinsinnorientierten Handlungsoptionen im Zusammenspiel mit einer gemeinsamen Umsetzungsverantwortung. Dies ist vor dem Hintergrund einer paralysierenden Misstrauenssituation vor dem Mediationsverfahren als außerordentlich positiv zu werten.

Das Mediationsverfahren im KANTON AARGAU (CH) war zu keiner Zeit umstritten. Darüber hinaus bildeten sich langfristig tragfähige Kooperationsbeziehungen unter den betroffenen Beteiligten heraus. Der Vertrauensaufbau gelang über die Klärung der Beziehungsebene zwischen den Teilnehmern innerhalb des Prozesses.

4.8.8. Prozesslernen

Im Verfahren um das Abfallwirtschaftskonzept im Landkreis NEUSS fällt die Beurteilung des sozialen Prozesses positiv aus. Darüber hinaus war eine starke soziale Erwünschtheit des Mediationsverfahrens festzustellen. Zwei Drittel der Teilnehmer äußerten sich im Anschluß an den Prozess positiv über den Verlauf und die Ergebnisse. Ein Drittel der betroffenen Beteiligten hat seine individuelle Wahrnehmung und sein Verhalten verändert.

Im MÜNCHEHAGENER Mediationsverfahren ließ sich eine positive Entwicklung der sozialen Beziehungen feststellen.

Im Verfahren der REGION NORDSCHWARZWALD waren intensive Lernprozesse bei allen betroffenen Beteiligten wahrzunehmen. Der Prozess förderte die Entwicklung einer Metaposition, die ein wechselseitiges Verständnis der Teilnehmer ermöglichte.

Im BERLIN BRANDENBURGER Flughafenverfahren gelang die Entwicklung einer Dialogkultur im Sinne eines sozialen Lernprozesses.

Schwerwiegende Mängel in der Interpretation der Erkenntnisse waren im Verfahren um den Flughafen FRANKFURT festzustellen. Die Öffentlichkeit wurde über falsch interpretierte Ergebnisse unterrichtet. Darüber hinaus ist ein unzureichendes Methoden- und Forschungsdesign wahrnehmbar. Ferner verhinderte ein (extern vorgegebener) hoher Zeitdruck ein Lernen der Teilnehmer im Prozess.

Eine positive Entwicklung der sozialen Beziehungen und eine gemeinsame Kommunikation kennzeichnete das Mediationsverfahren um das Abfallwirtschaftsprogramm BERLIN. Dies zeigte sich im Anschluß an das Verfahren im Sinne einer weiteren Zusammenarbeit der betroffenen Beteiligten.

Im Mediationsverfahren im KANTON AARGAU (CH) beurteilten die Teilnehmer den Prozeß im Hinblick auf das Kriterium Prozesslernen sehr positiv. Ebenso positiv wurde die im sozialen Prozeß entstandene Kommunikationskultur bewertet.

4.8.9. Wahlfreiheit

Im Landkreis NEUSS erhöhten sich durch das Mediationsverfahren die relevanten Wahlmöglichkeiten der betroffenen Beteiligten.

In MÜNCHEHAGEN nahmen durch das Mediationsverfahren die relevanten Wahlmöglichkeiten der Teilnehmer zu. Es waren darüber hinaus keine

Minderheitenvoten erforderlich, obschon dies vom Mediator ausdrücklich vorgesehen war.

Durch das Mediationsverfahren in der REGION NORDSCHWARZWALD erhöhten sich die Wahlmöglichkeiten für die betroffenen Beteiligten.

Im BERLIN BRANDENBURGER Flughafenverfahren wurde das Kriterium der Wahlfreiheit nicht erfüllt, denn die politischen Entscheidungsträger berücksichtigten nur in kleinem Umfang die Ergebnisse des Bürgerdialogs.

Im Verfahren um den Flughafen FRANKFURT fiel eine strategische Grundsatzentscheidung des „ob“ schon im Vorfeld des Verfahrens im Sinne einer Präjudiz, so dass im Mediationsprozess nur noch das „wie“ erarbeitet werden konnte.

Durch die Ausklammerung von relevanten Konflikt-Fragestellungen, die von den betroffenen Beteiligten als elementar wichtig erachtet wurden, erhöhte sich die Wahlfreiheit im Verfahren und im Anschluss daran nicht, sondern sie wurde kleiner.

Mittels einer umfassenden Klärung der sachlichen Konflikt-Fragekomplexe erhöhten sich im Prozess um das Abfallwirtschaftsprogramm BERLIN die Wahlmöglichkeiten für die betroffenen Beteiligten.

Im Mediationsverfahren im KANTON AARGAU (CH) waren grundsätzlich alle Handlungsoptionen nicht nur denk- sondern auch wählbar.

4.8.10. Reflexion

Die schriftliche Befragung der Teilnehmer des Mediationsverfahrens in NEUSS nach jeder Plenarsitzung respektive in einer Abschlußbefragung und Interviews führte zu dem Ergebnis, dass die Kooperationswilligkeit anderer Teilnehmer signifikant unterschätzt wurde.

In MÜNCHEHAGEN erfolgte eine qualitative Befragung mit einer positiven Beurteilung des gesamten Mediationsverfahrens und die Integration in die deutsche Rechtssystematik als Folge des Prozesses.

Im Verfahren der REGION NORDSCHWARZWALD wurden drei schriftliche Befragungen durchgeführt. Davon erfolgte eine dieser Befragungen zu Beginn und zwei gegen Ende des Prozesses. Darüber hinaus wurden zusätzlich Interviews durchgeführt, die alle sozial-wissenschaftlich evaluiert wurden.

Im BERLIN BRANDENBURGER Flughafenverfahren wurden keine schriftlichen Befragungen oder Interviews durchgeführt, so dass das Kriterium der Reflexion als nicht erfüllt zu werten ist.

Im Mediationsprozeß um die Erweiterung des Flughafens FRANKFURT erfolgte eine Befragung der Teilnehmer nach Abschluss des Verfahrens, wobei die Ergebnisse nicht öffentlich zugänglich sind.

Im Anschluß an das Mediationsverfahren um das Abfallwirtschaftsprogramm BERLIN wurde eine reflektierende Befragung durchgeführt.

Eine Teilnehmerbefragung beim Verfahren im KANTON AARGAU (CH) wurde sowohl während des Prozesses als auch nach Abschluß durchgeführt.