• Keine Ergebnisse gefunden

Kommunikative und soziale Kompetenz

(Verfahrensdesign) und Anforderungen an das Mediatoren-Team

3.7. Eignungsprofil von Mediatoren

3.7.2. Kommunikative und soziale Kompetenz

Mit Hilfe seiner kommunikativen Fähigkeiten sieht sich der Mediator in der Rolle, Präferenzen zu erforschen, statt Interessenvertretungen zu unterstützen. Er versucht, das gegenseitige Sieg-Niederlagen-Denken durch Angebote zusätzlichen Nutzens überwinden zu helfen. Er trägt dabei die Prozessverantwortung und orientiert sich dezidiert erst in zweiter Linie an den potentiellen Ergebnissen. Er strukturiert und fördert Kreativität mit methodischer Unterstützung in Form von Flipcharts und Metaplan-Kommunikationstechniken. Der Mediator versucht immer wieder eine

„Vergegenwärtigung“218 von Emotionen, Werten und Präferenzen zu erreichen, damit das gegenseitige Verständnis und Vertrauen der beteiligten Individuen wächst.

Wichtig für diese kommunikative Begegnung ist einerseits die Präsenz in der Gegenwart einschließlich eines Selbstgewahrseins, andererseits die Akzeptanz des jeweiligen anderen in seiner Einzigartigkeit unter Einschluss seiner Eigenheiten und Schwächen, drittens ein aufmerksames Wahrnehmen des Kommunikationspartners und schließlich hat der Mediator dafür Sorge zu tragen, dass es bei dem Prozess des kommunikativen Ringens um gemeinsame Aussagen zu keinen Benachteiligungen kommt. Das erfordert ein Höchstmaß an Sensibilität, Wahrnehmungsgabe und Empathie, um sofort aufkommende Kommunikationsstörungen durch Ansprechen und Klären beseitigen zu können.

Eine weitere wichtige Aufgabe besteht für einen professionellen Mediator in der Abwehr und Offensichtlichmachung von moralisierenden Äußerungen.

Moralisierung ist eine attraktive Strategie in der öffentlichen Auseinandersetzung und führt in der politischen Praxis immer wieder zu Erfolgen. Dieses Verhalten und diese kommunikative Ausdrucksweise kommt natürlich auch in Mediationsverfahren immer wieder vor. Dabei verfügt aber jeder betroffene Beteiligte seinerseits über ein Arsenal möglicher Moralisierungen, um damit aus strategischen Gründen seinem Kommunikationspartner schaden zu können. Der Mediator hat verstärkte Aufmerksamkeit auf die Verhinderung von Moralisierungen zu richten, denn dies bedeutet eine gravierende Störung einer lösungsorientierten Vorgehensweise. Der Verzicht auf moralisierende Aussagen bedeutet aber nun keineswegs, dass man

218 Der Begriff stammt von Martin Buber und bezeichnet die Fähigkeit, sich das zu vergegenwärtigen,

„was ein anderer Mensch jetzt denkt, fühlt, empfindet in eben seiner Wirklichkeit, d.h. als einen Lebensprozess dieses Menschens“. Buber (1951), S.33.

Argumente nicht nach moralischen Kriterien beurteilen dürfe oder dass ethische Gesichtspunkte aus dem Mediationsprozess verbannt werden.

Eine Aufgabe des Mediators im Rahmen seiner sozialen Kompetenz ist es, betroffene Beteiligte des Mediationsverfahrens wieder in Kontakt mit sich selbst zu bringen.

Durch geschickte, nicht-manipulierende Fragen und interessiertes, aktives Zuhören bietet er Hilfe zur Selbstklärung von Individuen in der Mediationsgruppe an und leistet so einen Beitrag zur individuellen Authentizität von Beteiligten. Diese Authentizität ist einerseits als eine Voraussetzung und gleichzeitig als ein Ziel für Beziehungsklärungen innerhalb der betroffenen Beteiligten zu betrachten. Eine weitere Aufgabe des Mediators liegt in der Erahnung, Herausarbeitung und angemessenen Präsentation regelhaft wiederkehrender Interaktionsstrukturen, die die lösungsorientierte Kommunikation behindern. Indem der Mediator die Kommunikationssituation klar strukturiert, hat er die Prozesssteuerung inne. Immer wieder werden erfahrungsgemäß einzelne Teilnehmer versuchen, die Prozesssteuerung an sich zu reißen. Dagegen muss sich der Mediator wappnen, um seinen Auftrag erfolgreich durchführen zu können. Der Mediator sollte aber auch seine „missionarische“ Seite seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur kennen, seine eigene Wertewelt und ihre Wirkung auf die zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Gruppe. Der Mediator muss sich jeglicher Verteidigungen, Rechtfertigungen oder Erklärungen zugunsten der kommunikativen Meinungsäußerung eines einzelnen Gruppenmitglieds enthalten. Die Mitglieder einer Mediationsgruppe können und werden alles anzweifeln, was er zum Zwecke der Kommunikationssteuerung methodisch und nicht in der Sache vorschlägt und sie werden möglicherweise auch versuchen, alle Äußerungen des Mediators grundsätzlich zu diskutieren. Meistens sind die betroffenen Beteiligten jedoch sehr froh, dass jemand das Steuer der Kommunikation fest in der Hand behält und lassen sich dann auch auf einer methodisch-professionellen Ebene führen. 219

Sehr oft besteht auch die Kunst des Mediators darin, einem „ungünstig dastehenden“

Gruppenmitglied zu helfen, ein für ihn ungünstigeres Ergebnis offen gegenüber seiner Basisgruppe vertreten zu können, ohne persönlich sein Gesicht zu verlieren.220 Der Mediator befindet sich nicht innerhalb der in der Entwicklung begriffenen Gruppe und hat deshalb Zeit, Raum und Überblick. Er kann also entweder die Ebene des Austauschs von Kommunikationssignalen und -symbolen beobachten oder die

219 Vgl. Schulz von Thun/Thomann (1988), S. 24-52.

220 Vgl. Renn/Webler (1994), S. 33.

Gesamtheit der kommunikativen Austauschvorgänge. Begreifen und erklären, was geschieht, kann er nur, wenn er als Beobachter seine Stellung wechselt, d.h. wenn das Subjekt zum Objekt wird. Zunächst einmal beginnt die Mediationstätigkeit mit der Beobachtung, denn es besteht ein großer Unterschied zwischen der Beobachtung von Dingen und der Überwachung von Beziehungen. Wer die Dinge beobachten und erkennen will, muss sich erst einmal zwischen sie stellen. Es gibt nur eine Erkenntnis, und diese ist immer an einen Beobachter gebunden, der sich innerhalb eines Kommunikationssystems oder neben ihm befindet. Dieser Beobachter ist dabei genauso strukturiert, wie das, was er beobachtet. Darüber hinaus hat der Mediator jede direkte kommunikative Interaktion zwischen den betroffenen Beteiligten zu fördern und nicht seine eigenen Ziele durchsetzen zu wollen. Durch die Gestaltung des Prozessrahmens als wichtigste Aufgabe des Mediators werden Bedingungen geschaffen, in denen die Teilnehmer sich selbst Konfliktlösungen erarbeiten können.

Je mehr dies die Beteiligten kraft eigenen Erlebens wahrnehmen, desto besser ist es für den Verlauf. Gleichzeitig ist ein solches Gewahrwerden bei der Prozesssteuerung durch den Mediator die Chance, die Mediationsgruppe nicht nur in die Verantwortung zu nehmen, sondern auch die Basis für außergewöhnliche Gruppenleistungen, die über die Leistungsfähigkeit einzelner Individuen weit hinausgehen. Das bedeutet aber auch, dass der Mediator die teilnehmenden Individuen so nimmt, wie sie sind und er sollte nicht versuchen, sie zu verändern.

Prozessorientierte Lernfortschritte der Individuen ereignen sich von den Individuen ausgehend oder sie ereignen sich nicht. Einsichten und Lernen lässt sich nur sehr bedingt verordnen, sondern lediglich durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen ermöglichen. Für die Handlungsfähigkeit und den Prozessverlauf ist ein Verhalten des Mediators zweckmäßig, dass dieser beobachtend überlegt, welche situativen Einflüsse das beobachtete Verhalten einzelner Gruppenmitglieder hervorrufen, und in welcher Weise der Mediator situationsverändernd eingreifen kann, ohne die individuellen und personengebundenen Merkmale überzubewerten. Die Frage, wie der Mediator die Rahmenbedingungen der Interaktion verändern kann, beispielsweise durch Arbeit in Kleingruppen, bilaterale Gespräche des Mediators oder durch die Gestaltung von Sitzungspausen, sind situationsbezogene Handlungsansätze, um den sozialen Prozess innerhalb des Mediationsverfahrens voranzubringen.