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Der Praxisfall: Erweiterung des Flughafens Frankfurt

ERFAHRUNGEN MIT AUSGEWÄHLTEN PRAXISFÄLLEN

4. Mediation in der Bundesrepublik Deutschland

4.6. Der Praxisfall: Erweiterung des Flughafens Frankfurt

Zur geplanten Erweiterung des Frankfurter Flughafens wurde von 1998 bis Ende 1999 ein eineinhalbjähriges Mediationsverfahren durchgeführt. Am Ende dieses Verfahrens ist man u. E. im Grunde keinen Schritt weiter, denn die betroffenen Gemeinden drohen mit juristischen Mitteln bis zur letzten Instanz. Dies kann sich noch Jahre hinziehen, und es ist keine langfristig stabile Lösung in Sicht, obwohl sich die Landespolitik inzwischen verstärkt der Sache angenommen hat. Das

Mediationsverfahren hatte im Januar 2000 eine Reihe von ökologischen und ökonomischen Daten zu den Szenarien für den Flughafenausbau oder die Einstellung des gesamten Projektes dargestellt.298 „Wieder einmal - die Startbahn West, bundesweites Symbol eines Zielkonflikts in der Wachstumsgesellschaft, ist gerade 16 Jahre alt - spaltet der Flughafen die Region.“ 299 Der Protest wird zunehmend von Rechtsanwälten formuliert und mündet aller Voraussicht nach in eine Prozessflut aufgrund privater Klagen wegen Gesundheitsbeeinträchtigungen und Schadstoffemissionen sowie durch drohende massive Einbußen des Werts von Immobilien, die in unmittelbarer Nähe der geplanten Flughafenerweiterung liegen.

Das Mediationsverfahren wurde im Sommer 1998 von dem damaligen hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel initiiert. An dem Mediationsverfahren nahmen 21 VertreterInnen von betroffenen Städten und Gemeinden, der Wirtschaft (inklusive Flughafen Frankfurt AG, Lufthansa AG und Deutscher Flugsicherung), Gewerkschaften, der Landes- und Bundesregierung sowie einer Bürgerinitiative beteiligt. Den drei Mediatoren Prof. Kurt Oeser300, Dr. Frank Niethammer 301 und Prof. Dr. Klaus Hänsch 302 gelang es nach eineinhalb Jahren intensiver Prozessarbeit nicht, eine langfristig stabile Übereinkunft zu erzielen, denn der SPD-Oberbürgermeister der Stadt Offenbach, die von der derzeit favorisierten Lösung (Südbahn) massiv betroffen wäre, hat mit allen juristischen Mitteln durch alle Instanzen gedroht.303 Mithin ist man also u. E. keinen Schritt weiter als zu Beginn des Mediationsverfahrens, auch wenn dies die Verantwortlichen anders sehen mögen.

Damit kann das Mediationsverfahren nach unserer Einschätzung als gescheitert betrachtet werden. In der Folge drängen sich zwei thesenartige Feststellungen auf:

1. Ein erneutes Mediationsverfahren ist u. E. nicht möglich, weil das Vertrauen der betroffenen Beteiligten in dieses Konfliktregelungsverfahren durch die

„Unprofessionalität“ der Mediatoren nachhaltig erschüttert wurde.

2. Ein alternatives, von allen Beteiligten akzeptierbares Konfliktregelungsverfahren ist nicht in Sicht mit der Folge, dass es aller Voraussicht nach zu einem hoheitlichen Entscheidungs- und Durchführungsverfahren kommen wird.

3. Bürgerinitiativen und Naturschutzverbände kritisieren den Mediationsprozess und werfen den Mediatoren vor, dass sie lediglich Mediation als Etikett für die

298 Vgl. Kauffmann (2000), S. 3f.

299 Kauffmann (2000), S. 3.

300 Ehemaliger Umweltpfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland.

301 Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt.

302 Ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments.

303 Vgl. Kauffmann (2000), S. 3f.

Durchsetzung des Flughafenausbaus benutzt hätten. Dies sind schwerwiegende Vorwürfe, die in der Konsequenz die Voraussetzung eines erfolgreichen Mediationsverfahrens untergraben: Die (absolute) Unabhängigkeit der Mediatoren von (materiellen) Interessen und die Nähe zu betroffenen Beteiligten. Im Falle des Frankfurter Flughafens scheint dies ganz offensichtlich nicht der Fall gewesen zu sein, und fast zwangsläufig ist das Mediationsverfahren gescheitert. Das lag sicherlich auch daran, dass wesentliche Interessenvertreter von Umweltverbänden sowie der größte Teil der Bürgerinitiativen nicht für eine Teilnahme an dem alternativen Konfliktregelungsmechanismus gewonnen werden konnten. Es ist als ein elementarer Fehler der Mediatoren zu werten, dass es diesen in der Konzeptionsphase des Verfahrens nicht gelang, alle wichtigen Betroffenen zu einer Verfahrensbeteiligung zu bewegen. Vor diesem Hintergrund hätten die Mediatoren das Scheitern klar vorhersehen können, und das Mediationsverfahren gar nicht erst beginnen dürfen. Damit wurde eine große Chance vertan.

Ein sog. Regionales Dialogforum setzt die Arbeit des Mediationsteams insoweit fort, als es die Empfehlungen der Mediatoren in Form eines Gesamtpakets umzusetzen versucht. Dabei ist allerdings die strategische Grundsatzfrage des „ob“ einer Flughafenerweiterung schon gefallen, so dass das Regionale Dialogforum nur noch das „wie“ - bezogen auf Kompensationen - klären will.304 Auch hier ist u. E. ein Scheitern offensichtlich wahrscheinlich, da die Umweltverbände und Naturschutzorganisationen eine solche Präjudiz nicht akzeptieren und dies mit ihrer Nicht-Teilnahme dokumentieren. Insoweit setzt sich der Ursprungsmangel, der ungenügenden Zusammensetzung der Teilnehmer aus dem Mediationsverfahren, hier fort. Selbstverständlich sind die Initiatoren des Regionales Dialogforums ausgesprochen positiv hinsichtlich der Entwicklung, doch waren sie auch in Bezug auf die Einschätzung des Mediationsprozesses davor überaus positiv. Insoweit ist die Vorgehensweise neuartig, als das Dialogforum parallel zu den Entscheidungsprozessen im politischen Bereich und zu dem gesetzlich obligatorischen Verwaltungsweg durchgeführt wird. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen sehr deutlich, dass dieser Weg von massiven Protesten der nicht beteiligten Betroffenen begleitet sein und unmittelbar in die Blockade führen wird.

Von der Politik wurde dieses Mediationsverfahren als beispielhaft für die Bearbeitung komplexer Fragestellungen bezeichnet. Betrachtet man dieses Urteil vor

304 Vgl. Fietkau (2001).

dem Hintergrund der entwickelten Kriterien, dann kann eine Übertragung dieses Verfahrens auf andere Großprojekte nicht empfohlen werden. Nach Aussagen der Politik sind die Erkenntnisse des Verfahrens eindeutig und ausreichend, doch wie weit die politisch Verantwortlichen gerade auch in diesem Zusammenhang von den Bürgern entfernt sind, zeigt die Wahrnehmung derselben, die teilweise großes Misstrauen gegen das Bündel von Einzelgutachten, Expertenanhörungen und Ergebnisberichten hegen. Schwerwiegendster systematisch-methodischer Mangel ist die Feststellung, dass die Vorgehensweise der Informationsverdichtung von den Einzelgutachten zum Gesamtergebnis nebulös bleibt. Eine Nutzen-Kosten-Analyse wurde nicht durchgeführt. Darüber hinaus müssen gravierende Mängel305 in der Erkenntnisgewinnung konstatiert werden: