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(Verfahrensdesign) und Anforderungen an das Mediatoren-Team

3.6. Anforderungen an den Mediator

Es liegt in der Rollenausübung des Mediators, die Regeln des Diskurses, die mit Zustimmung aller Beteiligten zustande kamen und in Funktion gesetzt worden sind, zu überwachen und auf deren Einhaltung zu bestehen. Darüber hinaus ist die Hauptaufgabe darin zu sehen, dass den betroffenen Beteiligten diejenige Unterstützung zuteil wird, die mit der Prüfung der Geltungsansprüche der jeweiligen sprachlichen Aussagen nach den im voraus gemeinsam festgelegten Regeln einhergehen. Mediationsverfahren sind an institutionelle Rahmenbedingungen gebunden. So sind die teilnehmenden Betroffenen darauf angewiesen, dass sie auf einen im Rahmen des Verfahrens zu entwickelnden gemeinsamen Fundus von Werten und Zielen zurückgreifen, um eine einvernehmliche Lösung finden zu können. Ein Mediator arbeitet erfahrungsgemäß erfolgreicher, wenn er mit einem weiteren Kollegen arbeitet. Der eine kann vorrangig die Sachebene beobachten, während der Zweite schwerpunktmäßig die Beziehungsebene und die Wirkung des Methodikeinsatzes beobachtet. Beide Beobachtungsebenen gleichzeitig kompetent im Blick zu behalten, kann ein einzelner Mediator nicht durchgängig erfolgreich leisten. Häufig wird auch in Mediationsverfahren in kleineren Untergruppen gearbeitet, so dass mehrere Mediatoren sinnvoll und notwendig sind.

Leichter gestaltet sich der praxisorientierte Mediationsprozess, wenn die betroffenen Beteiligten sich im Vorfeld schon in Interessengruppen organisiert und sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben.213 Dies ist aber keine notwendige Startvoraussetzung für den Beginn eines Mediationsprozesses. Angesichts der prozessorientierten Flexibilität gibt es fast so viele Mediationsformen und -stile, wie es professionelle Mediatoren gibt. Durch ihren nicht-formalen Charakter gibt es keinen fest vorgegebenen Ablaufplan des Mediationsverfahrens.

213 Vgl. Renn/Oppermann (1995), S. 265.

Die praxisorientierten Durchführungsregeln wollen wir als Empfehlungen für eine möglichst effiziente und effektive Prozesssteuerung verstanden wissen. Eine der Hauptaufgaben des Mediators besteht in Organisation und Durchführung einer workshop-orientierten Arbeitsweise in Gruppenform, was nicht zwingend Einzelgespräche ausschließt. Dabei ist insbesondere auf eine weitgehend ausschließliche Konzentration auf Kommunikationssteuerungsaufgaben, Strukturierung und Visualisierung von inhaltlichen Teilnehmer-Aussagen zu achten.

Hinsichtlich der Beisteuerung von konkreten themenbezogenen Inhalten raten wir aus gruppendynamischen Gründen ab, zumal die Teilnehmer im Sinne eines eigenverantwortlichen Lernprozesses selbst in die Lage versetzt werden sollen, Lösungsalternativen zu finden und zu bewerten. Nur dort, wo für den Mediator als Prozess und Kommunikationssteuerer offensichtlich ist, dass die Informationslage und die Wissensbasis der Mediationsgruppe nicht für einen lösungsorientierten Prozess ausreicht, ist die Beauftragung eines externen Gutachters auf einer gemeinsam formulierten Verfahrensanweisung und einer präzisen Untersuchungsbeschreibung angezeigt.

Die Steuerungsarbeit wird erleichtert durch Kommunikationsregeln. Die wichtigste Regel dabei ist die, dass jeder einzelne Teilnehmer bei Redebeiträgen anderer Teilnehmer aktiv zuhört und nicht unterbricht und auch nicht kritisiert, es sei denn in einer der Phasen ist dies methodisch ausdrücklich vorgesehen. Jeder Teilnehmer sollte darüber hinaus seine eigenen Redebeiträge auf maximal 1-2 Minuten beschränken. Diese Zeitvorgabe erscheint zunächst als zu restriktiv, doch die gruppendynamische Erfahrung zeigt, dass dies für den Prozess nicht schädlich, im Gegenteil als sehr förderlich empfunden wird. Gerade in einer emotional angespannten Anfangsphase können die meisten zuhörenden Teilnehmer kaum ihre Ungeduld im Zaum halten, ehe sie ihren subjektiven Beitrag „loswerden“ können. In dieser emotional angespannten Phase vor dem eigenen Sprechen ist die Rezeptionsbereitschaft sehr gering und daher ist die zeitliche Taktung für kommunikative Sprechakte eine vertrauensbildende Maßnahme von höchster Priorität. Voraussetzung ist allerdings eine faire und konsequente Steuerung durch den Mediator.

Darüber hinaus hat sich in der Praxis von Gruppenentwicklungsprozessen gezeigt, dass ein „gemischtes Mediatoren-Team“ die effektivste und fairste Kommunikationssteuerungsleistung erzielen kann. Insbesondere wenn weibliche Interessenvertreterinnen involviert sind, empfiehlt sich in jedem Fall mindestens eine

Mediatorin im Steuerungsteam. Es sollte in der Planungsphase darauf geachtet werden, dass das Mediatoren-Team einen Raum als separate Rückzugsmöglichkeit hat, um reflexive Besprechungen von Phasen, größere Kommunikationsstörungen und Prozesssteuerungsprobleme sorgfältig analysieren und wirksam begegnen zu können.

Hinsichtlich der Teilnehmerzahl ist im Anschluss an Olson eine kleine Mediationsgruppe zu installieren. Wir halten eine Mediationsgruppe von maximal 15 bis 20 Personen als Beteiligte für die sinnvolle Obergrenze. In der Regel dürften sich die verschiedenen Interessengruppen über das Delegationsprinzip auf eine solche Größe regulieren lassen. Das Delegationsprinzip wird je nach Interessengruppe oder Verband unterschiedlich gehandhabt. Darüber gibt es auch keinerlei schriftliche Unterlagen, weil dies verbandsintern geregelt wird und regelmässig nicht nach außen dringt und auch nicht dringen soll. Auf einer theoretischen Basis handelt es sich um eine offene Fragestellung, weil an dieser Stelle die verbandsspezifische Literatur unbefriedigend ist und keinen Aufschluss gibt. 214

Darüber hinaus achtet das Mediatoren-Team darauf, dass die Teilnehmer „Ich-Botschaften“ senden und dabei klar benennen, um was es ihnen konkret geht und was für Gefühle das bei ihnen auslöst. Die Mediatoren bewerten und urteilen dabei nicht, sondern nehmen alle Standpunkte, Präferenzen und Emotionen im Sinne einer phänomenologischen Realität an. Ferner geht das Mediatoren-Team mit dem Gehörten vertraulich um, d. h. sie stehen insbesondere nach einem möglichen Scheitern des Mediationsverfahrens keinem der betroffenen Beteiligten als Zeugen oder Gutachter in einem anstehenden Rechtsstreit zur Verfügung. Unrealisierbare und nicht zielführende Vereinbarungen werden von den Mediatoren solange immer wieder zur Diskussion gestellt, bis sie obsolet werden, um gefährliche Irrwege und Scheinlösungen zu vermeiden.

Die „Schlagkraft“ der Mediationsgruppe besteht darin, dass in dem Verständigungsprozess auch und gerade solche Energien freigesetzt werden, die aus misstrauischer Destruktion zu gewinnen sind.215 Wichtig ist es für die praktische Umsetzung, dass es dem Mediatoren-Team gelingt, den teilnehmenden Individuen ein Identitäts- und Gruppengefühl zu vermitteln. Gleichzeitig ist aber auch darauf zu achten, dass das Individuum in der Gruppe noch als separierbares einzelnes Selbst

214 Vgl. Hartwig (1994).

215 Vgl. Baecker (1999), S. 185-192.

erkennbar bleibt. Das Mediationsverfahren steht und fällt u. E. mit der Kompetenz des Mediators oder dessen Team.