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Die Verschärfung der Widersprüche in den gesellschaftlichen Naturverhältnissen und die damit verbundene Umwelt- und Klimakrise

Im Dokument 8 «Wenn das alte stirbt …» (Seite 50-53)

Im Fordismus wurden die gesellschaftlichen Naturverhältnisse entscheidend durch die hoch mechanisierte und automatisierte Massenproduktion und die fossile Ener-giewirtschaft bestimmt. Die Massenproduktion und die Massenkonsumtion führten zu tief greifenden Veränderungen in den Produktionsstrukturen vor allem in den Zweigen der verarbeitenden Industrie, die auf neuen Technologien beruhten. All dies bewirkte einen großen Sprung in der Produktivität. Diese Umwälzung in den Pro-duktivkräften und den Produktionsstrukturen war mit einem hohen Energieeinsatz auf Basis fossiler Energieträger und einem rasch ansteigenden Verbrauch der für den Materialeinsatz erforderlichen Naturressourcen verbunden. Der vorwiegend quanti-tative Mehreinsatz natürlicher Ressourcen führte zu einer wachsenden Kluft zwischen

der schnell zunehmenden Effektivität der lebendigen Arbeit (Arbeitsproduktivität) und der zurückbleibenden Effektivität der vergegenständlichten Arbeit. Dadurch wurden die gesellschaftlichen Naturverhältnisse zunehmend belastet.

Die Krise 1973/74 ff. fiel mit einer beginnenden Ressourcen- und Klimakrise und einem stärkeren öffentlichen Bewusstwerden darüber zusammen, dass eine gesicherte Zukunft der Menschheit tief greifende Änderungen der gesellschaftlichen Naturver-hältnisse verlangt, die bisher durch eine rücksichtslose extensive Inanspruchnahme der Naturbedingungen gekennzeichnet waren. Es dauerte jedoch eine längere Zeit, bis begonnen wurde, die hiermit verbundenen Probleme öffentlich zu diskutieren und vor allem die notwendigen Konsequenzen zur Umstellung der Energiebasis hin zu den erneuerbaren Energien, für eine höhere Effizienz des Energie- und Material-einsatzes, für die Ausweitung und technologische Weiterentwicklung des Recyclings im größeren Umfang sich durchsetzten (vgl. Brand 2012: 57 u. 61 ff.).

Im Zusammenhang mit der Scheidewegproblematik in der gegenwärtigen Krise spielen vor allem folgende Anforderungen an die Gestaltung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse eine zunehmend wichtige Rolle: (1) Der globale Charakter der Umweltprobleme hat sich weiter verstärkt. Deshalb muss man die Erfordernisse zur Veränderung und Gestaltung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse mehr unter globalen Aspekten untersuchen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen ziel-strebiger und wirksamer umsetzen. (2) Die notwendige Weiterentwicklung der Na-turverhältnisse ist in der Einheit und wechselseitigen Verflechtung von Naturentnah-me – Aneignung von Naturressourcen – und Naturbelastung durch Produktions- und Konsumtionsabfälle speziell unter dem Aspekt der Klimakrise durchzusetzen. (3) Die gegenseitig engeren Verflechtungen zwischen den gesellschaftlichen Naturverhältnis-sen und den sozialen VerhältnisNaturverhältnis-sen sind stets im Auge zu behalten und zukünftigen Maßnahmen zugrunde zu legen.

Ein Vergleich der großen Krisen des 20. und 21. Jahrhunderts macht deutlich, dass sich in den Beziehungen zwischen Inhalt und Verlauf dieser Krisen und den Naturverhältnissen im Hinblick auf einen notwendigen Pfadwechsel die wohl tief greifendsten Veränderungen vollzogen haben.

In der Zeit vor, während und nach der Krise 1929/33 spielten Umweltprobleme als gesellschaftliche Probleme der weiteren Entwicklung der menschlichen Gesellschaft faktisch keine Rolle. In der Krise 1973/74 ff. hatten sich zwar die Widersprüche zwi-schen den Naturbedingungen, ihrer extensiven und rücksichtslosen Inanspruchnah-me und der damit verbundenen zunehInanspruchnah-menden Zerstörung der natürlichen Umwelt, weiter zugespitzt. In der Krise selbst und in den Einschätzungen der wichtigsten Er-scheinungsformen der Krise spielten die Umweltprobleme jedoch keine wesentliche Rolle.

Die Scheidewegsituation im Verhältnis Mensch und Umwelt hat sich in den Jahren vor der großen Krise 2007/08 ff. und auch nach ihrem Ausbruch weiter zugespitzt.

Im Vergleich zu den Krisen 1929/33 und 1974/76 haben sich in der gegenwärtigen

Krise einige wichtige Veränderungen vollzogen: Erstmals ist die Umweltkrise ein be-stimmender Bestandteil der komplexen, multiplen Krise, insbesondere im Hinblick auf ihren Charakter als Reproduktionskrise. Zugleich hat sich das öffentliche Bewusstsein für die Umweltprobleme, sowohl für das Wahrnehmen der Umweltbedrohungen und ihres globalen Charakters als auch für notwendige Veränderungen in den Mensch-Natur-Verhältnissen, deutlich verändert.

In der gegenwärtigen Scheidewegsituation kommt qualitativen Änderungen in den gesellschaftlichen Naturverhältnissen eine außerordentlich hohe Priorität und Dring-lichkeit zu. Die Notwendigkeit, zu einem postfossilen und postatomaren Zeitalter und einer anderen, die Naturressourcen schonenden Produktions- und Konsumti-onsweise überzugehen, wird nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten für die angestrebten Veränderungen. Sie unter-scheiden sich voneinander insbesondere in der Konsequenz und dem Tempo ihrer voraussichtlichen Realisierung, in ihren sozialen Wirkungen und in ihrer Verbindung mit Eingriffen in die kapitalistischen Macht- und Eigentumsverhältnisse.

Danach könnten drei verschiedene strategische Konzepte unterschieden werden, die sich in mehrere Untervarianten untergliedern lassen. Sie werden in der linken Literatur ausführlich behandelt (vgl. Adler/Schachtschneider 2010; Candeias 2012):

1. das Konzept eines grünen, ökologisch modernisierten Kapitalismus, 2. das Konzept eines «Green New Deal», das im Rahmen kapitalistischer Grundstrukturen unter Be-rücksichtigung sozialer Erfordernisse und mit einer stärkeren staatlichen Regulierung faktisch auf einen ökologischen Kapitalismus orientiert ist, 3. das linke Umbaukon-zept, der «Plan B – Das rote Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau» (vgl. Die Fraktion DIE LINKE 2012). Es beruht auf der engen inhaltlichen und zeitlichen Verflechtung ökologischer und sozialer Erfordernisse und geht davon aus, dass eine sozialökologische Nachhaltigkeit grundlegende Änderungen in der Regulierungswei-se erfordert und auch Eingriffe in die kapitalistischen Macht- und Eigentumsver-hältnisse voraussetzt. Seine Durchsetzung verlangt den Bruch mit dem bisherigen Wachstumsmodell, das seine sozialökonomische Grundlage im kapitalistischen Pro-fitstreben hat und zu irreversiblen Schäden an Natur und Menschen führt.

Die jeweiligen Ziele und Akteure dieser drei Szenarien zur Lösung der Umwelt-probleme unterscheiden sich grundlegend voneinander (vgl. Adler/Schachtschneider 2010; Candeias 2012). Am gegenwärtigen Scheideweg gibt es in diesem Zusam-menhang vier herausragende Anforderungen an eine zukunftsorientierte und -fähige Entwicklung im 21. Jahrhundert. Sie muss (1) nachhaltig sein, das heißt die gesell-schaftlichen Naturverhältnisse in Übereinstimmung mit den Umweltbedingungen verbessern und zukunftsfähig sichern, (2) sozial sein, im Interesse der Menschen und der Befriedigung ihrer Bedürfnisse liegen, das heißt ein menschenwürdiges und glückliches Leben in sozialer Sicherheit gewährleisten, (3) den globalen Charakter der Umweltprobleme berücksichtigen und auf dem gleichen Grundrecht zur Nutzung der natürlichen Umwelt für alle Menschen und für alle Regionen der Erde beruhen,

und (4) ein Leben in Frieden für alle Völker der Erde ermöglichen, kriegerische Kon-flikte im Kampf um den Zugriff auf die knapperen Naturressourcen verhindern.

3 Neoliberale Globalisierung und europäische Integration, Veränderung

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