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6 E RKENNBARE K OMPETENZEN DURCH DIE W EITERENTWICKLUNG SOZIALER

6.2 Verhalten im Umgang mit anderen Menschen

Ein weiterer Bereich, in dem sich eine Weiterentwicklung der Sozialkompetenz deutlich zeigt, ist das Verhalten der Studierenden im Umgang mit anderen Menschen.

Laut den Antworten der Studierenden zu den offenen Fragen im Fragebogen, gewöhnten sie sich im Laufe der Ausbildung an die Zusammenarbeit mit verschiedensten Menschengruppen und entwickelten infolgedessen ein besseres Menschenverständnis.

So konnten sie nicht nur unterschiedliche Menschengruppen kennenlernen, sondern verfügen nach der Ausbildung über die nötige persönliche Anpassungsfähigkeit, um sich auf ihr wechselndes Gegenüber einstellen zu können. Insofern sind sie in der Lage, mit immer wieder wechselnden und deshalb „neuen Persönlichkeiten, Problemen und Herausforderungen“ umzugehen. So gaben 77% der online befragten Studierenden diesbezüglich an, eine starke bis sehr starke Weiterentwicklung ihrer Flexibilität im Sinne einer Umstellungsbereitschaft und -fähigkeit bemerkt zu haben, während die restlichen 23% zumindest eine geringe Veränderung feststellten.

Abb.11: Flexibilität und Umstellungsbereitschaft. Quelle: Eigene Darstellung.

25%

52%

23%

0% 0%

Flexibilität/Umstellungsbereitschaft und -fähigkeit

sehr stark stark wenig gar nicht nicht beurteilbar

Des Weiteren zeigt sich eine Weiterentwicklung in der persönlichen Einstellung der Studierenden anderen Menschen gegenüber, was sich laut den offenen Antworten in der Fragebogenerhebung in einem größeren Verständnis für schwierige Phasen bei sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber äußert. Darüber hinaus erleben die angehenden Therapeut*innen bei sich auch eine höhere Akzeptanz von Meinungen und Verhaltensweisen, die sie persönlich nicht teilen oder unterstützen, aber respektieren und tolerieren können. Ergänzt wird die Weiterentwicklung der Sozialkompetenz der Studierenden im Umgang mit anderen Menschen dadurch, dass die Befragten bei sich eine deutliche Steigerung in der Achtung vor anderen Menschen, der Toleranz sowie der Verständnisbereitschaft bemerkten. So beurteilten jeweils 74% der Studierenden das Veränderungsausmaß ihrer Toleranz bzw. auch ihrer Verständnisbereitschaft für ihr Gegenüber als stark bis sehr stark, während 81% der Befragten angaben, stark bis sehr stark ihre Achtung vor anderen Menschen weiterentwickelt zu haben:

Abb.12: Achtung, Toleranz und Verständnisbereitschaft. Quelle: Eigene Darstellung.

Die angehenden Physiotherapeut*innen sind auch der Ansicht, am Ende ihres Studiums die Welt von einem sozialeren Standpunkt aus zu sehen, und dass sie nun verschiedene soziale Situationen weit anders, also viel wertfreier und objektiver als früher beobachten.

Im Zuge dessen urteilen die zukünftigen Physiotherapeut*innen, ihrer Ansicht nach am Ausbildungsende weniger schnell bzw. versuchen jeden Menschen, jedes Problem und jeden Schmerz ernst zu nehmen.

Darüber hinaus geben die Studierenden in den zusätzlichen Erklärungen im Fragebogen an, in den meisten Situationen anders zu reagieren, als sie es noch vor ein paar Jahren getan hätten, da sie nun über mehr Sicherheit im Umgang mit Menschen und (schwierigen) Situationen verfügen. Sie nehmen bestimmte Situationen bewusster und reflektierter wahr und agieren nach eigenem Ermessen sensibler für bzw. in Situationen mit zwischenmenschlichem Kontakt. Auch das Gespür für eine Einschätzung von Situationen und Stimmungen von Personen hat sich nach den Angaben der Befragten verbessert, sodass sie ein besseres Einfühlungsvermögen für Situationen und Menschen entwickeln konnten und nun empathischer im Umgang mit anderen Menschen sind. Das bedeutet für sie beispielsweise, dass sie sich besser in ihr Gegenüber hineinversetzen können, auch wenn sie persönlich ganz andere Ansichten vertreten.

Unterstrichen werden diese Einschätzungen durch die Angaben des Großteils der online befragten Studierenden, die gerade im Bereich des eigenen Einfühlungsvermögens bzw.

in der sozialen Sensibilität zu 85% eine starke bis sehr starke, und zu 10% zumindest eine geringe Veränderung feststellten:

Abb.13: Einfühlungsvermögen und Soziale Sensibilität. Quelle: Eigene Darstellung.

Dazu passend zeigt sich auch eine Steigerung der Sensibilität für zwischenmenschliche Probleme. In diesem Bereich gaben 77% der online befragten Studierenden an, eine starke bis sehr starke Veränderung sehen, während weitere 19% diesbezüglich immerhin ein wenig Veränderung bemerkten.

36%

49%

10%

2% 3%

Einfühlungsvermögen/ Soziale Sensibilität

sehr stark stark wenig gar nicht nicht beurteilbar

Abb.14: Sensibilität für zwischenmenschliche Probleme. Eigene Darstellung.

Auch die befragten Lehrenden führten in den Interviews an, dass sie die Studierenden vor allem im Umgang mit besonderen Menschen zunehmend toleranter (IPL1) erlebten und am Ende der Ausbildung bei den angehenden Therapeut*innen ebenso eine Steigerung in deren Achtung vor anderen Personen und deren Bedürfnisses erkennen konnten (IPL1). Die Studierenden pflegen ihrer Ansicht nach einen reiferen Umgang mit verschiedensten Menschen, der geprägt ist von Augenhöhe (IPL7) und Wertschätzung anderen gegenüber, die auch dann nicht verloren geht, wenn die Studierenden Kritik üben oder selbst kritisiert werden (IPL8; IPL7). Nach den Erfahrungen der Lehrenden zeigen die zukünftigen Physiotherapeut*innen nicht nur Interesse an ihrem Gegenüber bzw. dessen Handicap oder Fähigkeiten, sondern können „Physiotherapie als etwas verstehen, was zwischen Menschen stattfindet und ein Sozialverhalten braucht […]“, egal ob nur gesprochen oder gehandelt wird (IPL2). Die Studierenden präsentieren sich infolgedessen beziehungsfähiger, können Beziehungen besser gestalten und sich gut auf ihr Gegenüber einlassen (IPL7). Dies wird möglich, da die Studierenden aus Sicht der Lehrenden fähig sind zu bedenken, wie Begegnungen mit anderen Menschen ablaufen und welche Faktoren das Miteinander beeinflussen können (IPL5). Im Zuge dessen können die befragten Lehrenden ebenso wie die Studierenden selbst, eine sehr starke Weiterentwicklung in der Empathie-Fähigkeit der Physiotherapiestudierenden feststellen (IPL4; IPL5; IPL6), was ihrer Meinung zum Großteil daran liegt, dass die zukünftigen Therapeut*innen im Laufe der drei Ausbildungsjahre ihren Horizont und ihr Handlungsspektrum erweitern und dabei erfahren konnten, wie unterschiedlich Menschen, ihre Bedürfnisse oder Situationen mit zwischenmenschlichem Umgang sein können (IPL5). Empathie lernen die Studierenden nach Meinung einer Lehrperson im Physiotherapiestudium bewusst und auch implizit, weil diese Fähigkeit sowohl während

35%

43%

19%

0%

3%

Sensibilität für zwischenmenschliche

Probleme

sehr stark stark wenig gar nicht nicht beurteilbar

der praktischen als auch während der theoretischen Ausbildung ständig und dauernd erforderlich ist (IPL6). Insofern zeigen die Studierenden, dass sie auf ihr Gegenüber wirklich eingehen (IPL4), da sie sich aufgrund ihrer Empathie-Fähigkeit vorstellen können, welche Bedürfnisse jemand haben könnte, auf die sie auch Rücksicht nehmen müssen (IPL5) bzw. was sie in der einen oder andere Situation erwarten könnte (IPL5).

Mithilfe der Weiterentwicklung der beschriebenen Eigenschaften und Fähigkeiten sind die Absolvent*innen des Physiotherapiestudiums flexibel im Umgang mit verschiedenen Menschen (IPL1) und fähig, ihr Verhalten umzustellen, je nachdem, mit wem sie es zu tun haben, egal ob dies nun ein*e Vorgesetzte*r, Gespräch- bzw. Handlungspartner*in oder Patient*innen sind (IP2).

Auch die Studierenden selbst bemerken bei sich, dass sie sich auf ihr Gegenüber einstellen und abschätzen können, mit welchen Personen sie wann und in welcher Weise umgehen bzw. sich verhalten sollen. Darüber hinaus sind sie in der Lage zu antizipieren, welchen Umgang die andere Person erwarten könnte und adaptieren demnach ihr Verhalten (IP6).

Die befragten Lehrpersonen erleben diesbezüglich, dass die Studierenden gezielt ein Problem erkennen (IPL4) und herausfinden können, was das Gegenüber momentan im Umgang braucht (IPL5). Insofern verfügen die angehenden Therapeut*innen über ausreichendes fachliches Knowhow und soziale Kompetenz, um die individuellen Bedürfnisse anderer wahrnehmen zu können. So ist es ihnen möglich, patient*innenzentriert zu arbeiten und nicht „das was sie gelernt haben, dem drüberstulpen“ oder über jemandes Bedürfnisse „drüber zufahren“ (IPL7).

Die Studierenden zeigen sich deshalb laut Meinung der Lehrenden bemüht, flexibel und mit einem grundsätzlich positiven Zugang einen produktiven Umgang zu gestalten (IPL7).

So versuchen sie vorbereitend Rahmenbedingungen für den Umgang zu schaffen, welche individuell an die Person angepasst sind (IPL4). Des Weiteren sind die angehenden Therapeut*innen veränderungsbereit, um vielleicht auch ihren Handlungsablauf an die Person anzupassen (IPL5).

Laut persönlichen Einschätzungen der interviewten Studierenden sind sie entsprechend ihrer besseren Menschenkenntnis in der Lage, auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen anderer zu reagieren (IP3) und können ihr eigenes Verhalten demzufolge flexibel verändern und anpassen (IP6). Je nach Gegenüber können sie in der einen Situation einen freundschaftlichen, eher „kumpelhaften“ Umgang mit manchen Personen pflegen und mit anderen wiederum ernsthafter, „sehr korrekt“ und „weniger scherzhaft“ (IP1) agieren. Dabei ist es ihnen möglich, die individuellen Bedürfnisse,

Sichtweisen, Meinungen und Erwartungshaltungen ihres Gegenübers zu akzeptieren (IP2, IP3), auch wenn diese von den eigenen abweichen.

Die Studierenden gaben in den Interviewgesprächen an, am Ende der Ausbildung mit anderen Menschen generell selbstsicherer und selbstverständlicher umzugehen und das eigene Verhalten dabei bzw. die eigenen Vorgehensweise nicht mehr in Frage zu stellen oder anzuzweifeln (IP1).

In ihren Verhaltensweisen sind sich die Befragten in ihrer Rolle als angehende*r Physiotherapeut*in auch darüber bewusst, eine Vorbildfunktion im Umgang mit anderen Menschen zu haben, die sie verantwortungsbewusst ausüben und nicht nur im therapeutischen Setting ausüben. So fühlen sich die Studierenden für Menschen zuständig und verantwortlich, egal ob diese ihnen bekannt oder unbekannt sind. Sie zeigen nicht nur im Umgang mit Patient*innen und/ oder Klient*innen, sondern auch im privaten oder öffentlichen Raum Hilfsbereitschaft (IP1; IP2) und Aktionsbereitschaft.

Nachdem sie sich in der Lage sind, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und auf andere einzugehen, um auf die Bedürfnisse von anderen zu achten (IP2), werden sie spontan und eigenständig aktiv, wenn es darum geht, nach Lösungen für ein momentan auftretendes Problem zu suchen. Dabei bieten die zukünftigen Therapeut*innen Hilfe nicht nur an, sondern können beispielsweise auch schnell helfend eingreifen (IP2): „ […]

wenn ich früher auf der Straße gegangen bin und ich Leute gesehen hab, die jetzt obdachlos waren oder mir begegnet sind, da bin ich vorbeigegangen und hab nicht hingeschaut. Seitdem ich das Studium mache, schaue ich da ganz bewusst hin. Gerade in den öffentlichen Bereichen. Und dann ruf ich auch mal die Polizei an und schau, dass die U-Bahn-Aufsicht da mal hinschaut. Oder beim Bäcker, wenn sich eine Person da hinsetzen will, die mit Rollator kommt, dass ich schau, geht’s der eh gut, beim Aufstehen helfen, in der Öffentlichkeit hingreifen, hinschauen“ (IP2).