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6 E RKENNBARE K OMPETENZEN DURCH DIE W EITERENTWICKLUNG SOZIALER

6.8 Physiotherapeutisches Handeln

Die bisher beschriebene Weiterentwicklung der sozialen Kompetenzen von Physiotherapiestudierenden zeigt sich den Lehrenden nach, auf Ebene des professionellen Handelns im Berufsfeld. Dieses Handeln ist von einem reifen oder souveränen Auftreten geprägt, das sich hier v.a. in der Art und Weise zeigt, wie die Studierenden bei einer Therapie vorgehen und Aktivitäten durchführen, egal ob real mit Patient*innen im Praktikum oder fiktiv mit Fallbeispielen bei der Prüfung (IPL2; IPL5;

IPL6).

Die verbesserte soziale Kompetenz demonstrieren die Studierenden nicht nur in einer verbesserten Empathiefähigkeit, sondern auch dadurch, dass sie für eine andere Person oder alle an der Therapie Beteiligten die Situation, die Atmosphäre und das Handeln zufriedenstellend und umsichtig gestalten können (IPL2). Dies ist zwar abhängig vom erworbenen (Fach-)Wissen und den Erfahrungen der Auszubildenden aus dem Praktikum, dennoch verfügen alle Studierenden über einen breiteren klinischen Hintergrund und sind deshalb im gesamten Handeln kompetenter, bzw. etwas konkreter ausgedrückt handlungsfähiger, selbstständiger und in ihrer eigenverantwortlichen Vorgehensweise sicherer (IP1; IP3).

Beim Vermitteln von therapeutischen Themen oder fachlichem Wissen können die Studierenden nicht nur entscheiden, was sie an ihre Patient*innen weitergeben, sondern können ihren Fokus auf die Qualität der Vermittlung von einzelnen Inhalten legen. So handeln zu können, sodass sie diese Inhalte gut „rüberbringen“ können, ist laut Ansicht

einer befragten Person ein ganz wesentlicher Indikator für eine Verbesserung der eigenen sozialen Kompetenzen (IP4).

Da die Kommunikationsfähigkeit, wie auch aus den Interviews hervorgegangen, im physiotherapeutischen Handeln einen großen Stellenwert besitzt, wird der Kompetenzentwicklung in diesem Bereich ein eigenes Kapitel gewidmet (siehe Kapitel 5.11).

Bezüglich physiotherapeutisches Handeln wurde im Fragebogen von den befragten Studierenden beschrieben, dass sie infolge des Studiums nun viel mehr Augenmerk auf Problemlösung legen. So gaben 84% der Studierenden an, eine starke bis sehr starke Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten zur Problemerkennung sowie zu 64% eine ebenso ausgeprägte Steigerung ihrer Lösungsorientiertheit erlebt zu haben. 15% bzw. 27% der online Befragten konnten eine geringe Verbesserung dieser Teilkompetenzen feststellen.

Abb.21: Problemerkennung. Quelle: Eigene Darstellung.

Abb.22. Lösungsorientierung. Quelle: Eigene Darstellung.

38%

46%

15%

0%

1% Problemerkennung

sehr stark stark wenig gar nicht nicht beurteilbar

23%

41%

27%

6% 3%

Lösungsorientierung

sehr stark stark wenig gar nicht nicht beurteilbar

Dies führt laut zusätzlichen Anmerkungen von Studierenden in einzelnen Fragebögen dazu, dass sie in sämtlichen ihrer Lebenssituationen viel lösungsorientierter vorgehen bzw. Probleme mit dem Ziel angehen, diese schnellstmöglich zu beheben. Nach eigenen Angaben bewirkt die verbesserte Lösungsorientiertheit im therapeutischen Handeln von Studierenden, dass sie eine Untersuchung strukturierter planen und Therapiemaßnahmen leichter und schneller adaptieren können.

Auch die Studierenden der Interviewbefragung erleben eine Weiterentwicklung ihrer sozialen Kompetenzen darin, dass sie in ihrem physiotherapeutischen Handeln problembezogener und zielfokussiert (IP1; IP3) sowie lösungsorientierter agieren können (IP2). In der Untersuchungssituation oder beim Trainingsaufbau mit Patient*innen sind die Studierenden in der Lage, strukturierter und reflektierter vorzugehen (IP1; IP3) bzw.

einzelne Handlungsschritte zu priorisieren und zu reihen. Dies zeigt sich nicht nur bei der praktischen Umsetzung ihrer Fähigkeiten während der Praktikumszeit, sondern auch bei Prüfungen im Studium (IP3).

Im physiotherapeutischen Handeln zeigen die Studierenden aus Sicht der Lehrenden, dass sie nicht nur aus dem Bauch heraus, sondern nach bestimmten Kriterien agieren (IPL5), was in einem gewissen prozesshaften Vorgehen sichtbar wird (IPL1): Im Umgang mit Patient*innen verfügen die angehenden Physiotherapeut*innen über eine größere Wahrnehmungsfähigkeit und Beobachtungsgabe (IPL1), wenn es darum geht, schnell aufnehmen zu können „was Sache ist“ (IPL4). In ihrem schnelleren und punktgenaueren Erfassen der Situation, der Menschen und der Umgebung, können die zukünftigen Therapeut*innen ihr jeweiliges Gegenüber im individuellen Kontext wahrnehmen und so relativ rasch auf die aktuellen Bedürfnisse einer Person schließen (IPL5).

Neben dieser gesteigerten Fähigkeit, Probleme zu erkennen (IP1), sind die Studierenden in der Lage, auf Basis des physiotherapeutischen Prozesses mit ihren Untersuchungsmaßnahmen eine genaue Problemanalyse durchzuführen und im Therapieablauf verschiedene Problemlösungsprozesse anzugehen. So zeigen sie am Ausbildungsende beim Gestalten der Behandlung, dass sie sowohl die Bedingungen zur Problemlösung schaffen, als auch mit ihren Behandlungsmaßnahmen, dass sie das identifizierte Problem lösen können (IPL4; IPL5), um gezielt mit Patient*innen zu arbeiten (IPL4). Aufgrund dessen ist es den zukünftigen Therapeut*innen möglich, die vordergründigen Ziele für die Behandlung klarer zu erkennen, zu formulieren und können auch begründen, warum sie diese verfolgen. Im Anschluss daran können die angehenden Therapeut*innen einen Handlungsweg identifizieren, um das Ziel zu

erreichen (IPL2; IPL3; IPL5; IPL6). Dies ermöglicht ihnen, laut den Lehrenden, ein von außen beobachtbares adäquates Handeln auch auf sozialer Ebene (IPL3; IPL5).

Bei ihrem physiotherapeutischen Vorgehen zeigen die Studierenden auch eine vorausschauende Planung von Arbeitsabläufen, was beispielsweise darin sichtbar wird, dass sie für einen Transfer oder Lagewechsel von Patient*innen rechtzeitig nötige Hilfsmittel herrichten und sich von außen sichtbar auch überlegt haben, wo sie sich positionieren (IPL5). Auch im strukturierten Vorgehen im Handlungsablauf ist erkennbar, dass sich die Studierenden zuvor überlegt haben, was sie untersuchen und welche Assessments sie benötigen, um einen Wiederbefund durchführen zu können (IPL4). In der Anwendung von erlernten physiotherapeutischen Techniken und Maßnahmen agieren die Studierenden sicherer und mit mehr Selbstverständnis (IPL6) und bleiben zielstrebig an den Problemen dran bzw. geben nicht gleich auf, wenn etwas nicht funktioniert (IPL3). Im Verlauf der Therapie versuchen die Studierenden die Patient*innen nicht auf eine Diagnose zu reduzieren, bei der sie eine mögliche Maßnahme ausprobieren (IPL8) und diese dem/ der Patient*in „drüberzustulpen“, sondern arbeiten patientenzentriert (IPL7). Dies wird aus Sicht der Lehrenden deshalb möglich, da die Studierenden am Ende ihrer Ausbildung über einen erweiterten Erfahrungshintergrund verfügen, und sich dadurch deutlich routinierter im Therapieprozess präsentieren. In diesem zeigen die angehenden Therapeut*innen eine vermehrte Sensibilität und Vielschichtigkeit in ihrem Vorgehen, da sie in ihren Behandlungen über ein größeres Spektrum an Möglichkeiten verfügen, um in bestimmten Situationen zu handeln (IPL5;

IPL7). Abhängig von ihren Erfahrungen im Praktikum sind die Studierenden aus Sicht der Lehrenden auch dazu in der Lage, zum priorisierten Handlungsweg zumindest ein, zwei Alternativen miteinzuplanen, wenn sie merken, dass ihr Plan nicht wie gewünscht funktioniert oder noch nicht passend genug ist (IPL5). Im Handeln wählen die Studierenden schneller aus einer Vielzahl an Möglichkeiten die therapeutischen Maßnahmen und Techniken aus und können diese ganz spontan abwandeln bzw.

individuell an die Person anpassen, mit der sie eine therapeutische Situation gestalten sollen (IPL2; IPL5). In diesem Ablauf zeigen sich die Studierenden sensibel für das, was der aktuelle Kontext gerade bringt, berücksichtigen also die Situationen und sehen die Person als Ganzes in ihrer jeweiligen Tagesverfassung (IPL5; IPL8).

Am Ende des Physiotherapiestudiums ist es den zukünftigen Therapeut*innen möglich, auf mehreren Eben parallel zu agieren und „Multitasking“ zu betreiben, indem sie einerseits den Therapieprozess, die Zeit, das Krankheitsgeschehen, ihre eigenen Handlungen und gleichzeitig auch das Wohl des Patienten im Auge behalten können.

Darüber hinaus sind sie auch fähig, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und abzuschätzen, was unmittelbar, später und langfristig wichtig ist. So können die Studierenden diese Prozesse überwachen und bei Bedarf adaptieren (IPL1).

Wie in diesen Ausführungen ersichtlich, ist im physiotherapeutischen Kontext die Arbeit mit und am Körper wesentlich. Insofern wird dieser Bereich, in dem sich laut den Befragten ebenfalls eine Weiterentwicklung der sozialen Kompetenzen zeigt, im folgenden Kapitel ausführlicher behandelt.