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Teil II: Die Internalisierung externer Effekte durch eine Zentralinstanz

6. Einfache staatliche Internalisierungsinstrumente im Vergleich zur

6.2 Second-Best-Vergleich zwischen privaten Verhandlungen

6.2.3 Vergleich mit der Verhandlungslösung

Nachdem die durchschnittlich zu erwartenden Wohlfahrtsverluste von Aufla-gen- bzw. Abgabenlösung bei bekannter und unbekannter Gewinnfunktion bestimmt wurden, ist jetzt noch der erwartete Wohlfahrtsverlust, der bei der Verhandlungslö-sung auftritt, zu berechnen. Wie in Kapitel 2 gezeigt wurde, ergibt sich das Produk-tionsniveau x,(0), das der Schädiger wählt, falls sich der Geschädigte als ein 0 -Typ offenbart hat, aus der Bedingung

(6.19) b'(x) = 0 + F(0)/fr0).

Unter unseren speziellen Annahmen über die Grenzgewinnfunktion wird diese Be-dingung zu

(6.20) a - ex= 0 + F(0)/f(0), so daß

(6.21) x,(0) = {a - [0 + F(0)/Q0))}/c

das Verhandlungsergebnis ist. Diese Allokation wurde zusammen mit der effizien-ten Allokation x*(0) in Abbildung 20 dargestellt. Der Wohlfahrtsverlust, den die Verhandlungslösung ex post nach sich zieht, ergibt sich durch Berechnung des In-halts der schraffierten Dreiecksfläche.

Abbildung 20 DM

8 + F(8) / f(8)

d'(x,8)

X

0 Xv(8) X*(8)

Man erhält

(6.22) v(0)

=

(1/2)[x*(0) -Xy(0)][F(0)/f(0)]

=

(l/2c)[F(8)/f(8)]2,

wobei wieder x*(0) = (a - 8)/c berücksichtigt wurde. Der erwartete Wohlfahrtsver-lust beträgt dann

(6.23) v0 = E(v(0)) = (1/2c)E[F(8)/f(0)]2.

Da in unserem Modell Einkommenseffekte in bezug auf das Extemalitätsni-veau keine Rolle spielen und folglich, wie Maskin und Tirole (1990) gezeigt haben, das eventuelle Auftreten privater Information beim Schädiger als offerierender Par-tei für das Verhandlungsergebnis unerheblich ist, gilt Gleichung (6.23) sowohl für das Szenario mit bekannter, als auch für das mit unbekannter Gewinnfunktion.

Auch im Hinblick auf die Wohlfahrtsverluste, die bei der Internalisierung durch die Zentralinstanz auftreten, braucht nicht zwischen den beiden Fällen unter-schieden zu werden, wenn man davon ausgeht, daß die Zentralinstanz ausschließlich daran interessiert ist, ein möglichst hohes durchschnittliches Wohlfahrtsniveau zu erzielen, und sich für die überlegene Abgabenlösung entscheidet. Unter dieser Vor-aussetzung besteht eine vollkommene Äquivalenz nicht nur zwischen Preis- und Mengenregulierung bei sicherer Gewinnfunktion, sondern auch zwischen Preisre-gulierung bei sicherer und unsicherer Gewinnfunktion.

Inwieweit der Staatseingriff höhere Wohlfahrtsgewinne erwarten läßt als die private Verhandlungslösung, hängt also bei optimalem Verhalten der Zentralinstanz von der Differenz

(6.24) .:10 = v0 -

v

0 = v0 -

v:

= (l/2c){E[F(0)/f(0)]2- cr;}

ab. Nur wenn .:10 < 0 ist, ist die Verhandlungslösung die bessere Alternative. An-dernfalls erweist sich der Staatseingriff als mindestens gleichwertig, obwohl er auf die Enthüllung der privaten Informationen verzichtet.

Das Ergebnis dieser Gegenüberstellung hängt in entscheidendem Maße von der Wahrscheinlichkeitsverteilung von 0 ab. Diesbezüglich wurde eine Gleichvertei-lung im Intervall [0-,0+] angenommen, so daß F(0)/f(0) = 0 - 0· gilt. Unter diesen Umständen ergibt sich

(6.25) .:10= (l/2c){E(0- 0°}2- cr;} = (l/2c){E(0- 0°)2- E[0- E(0)]2 }.

Dieser Ausdruck ist aber wegen E(0) > 0· eindeutig positiv, weshalb folgende Schlußfolgerungen möglich sind:

Falls die Gewinnfunktion des Schädigers bekannt ist, kann der Staat entweder mit Hilfe einer Pigou-Steuer oder einer äquivalenten Auflage, die lediglich die er-wartete Wohlfahrt maximiert, im Durchschnitt ein besseres Allokationsergebnis erreichen als auf dem Verhandlungswege erzielt werden kann. Ist die Gewinnfunk-tion des Schädigers unbekannt, ändert sich an dieser Überlegenheit (auch quantita-tiv) nichts, sofern eine Pigou-Steuer erhoben wird.

Dieses Ergebnis ist natürlich extrem, was den letzten Teil der Schlußfolgerung betrifft, der ja nur deshalb zustande kam, weil ein konstanter Grenzschaden ange-nommen wurde. Dennoch erscheint es legitim, gerade diesen Extremfall zu

betrach-ten, weil er auf drastische Weise demonstriert, daß eine wohlüberlegte Auswahl eines einfachen und praktikablen Intemalisierungsinstruments auf der Basis öffent-lich zugängöffent-licher Informationen in bestimmten Situationen eindeutig besser sein kann, als die Verhandlungslösung, bei der unter Aufwendung von Kosten private Informationen erst enthüllt werden müssen.

Wem dieses Beispiel zu suggestiv erscheint, der sei auf die oben zitierten Bei-träge verwiesen, die einen ähnlichen Wohlfahrtsvergleich durchführen. Die Resul-tate, die sich in diesen Arbeiten ergeben haben, sprechen zwar weniger eindeutig gegen die Verhandlungslösung, beweisen aber, daß die Überlegenheit solch einfa-cher Politiken auch unter anderen Rahmenbedingungen immerhin möglich ist.

Diese Tendenz bestätigt sich, wenn man im Rahmen des hier verwendeten Modells nochmals das Szenario mit unbekannter Gewinnfunktion betrachtet und annimmt, die Zentralinstanz entscheide sich nicht für eine Pigou-Steuer, sondern für die weni-ger effiziente Auflage. Diese Wahl könnte beispielsweise dadurch begründet wer-den, daß die Zentralinstanz stark risikoavers ist und Schwankungen des Extemali-tätsniveaus, wie sie bei der Abgabenlösung auftreten würden, vermeiden möchte.

Ein anderer Grund für eine Entscheidung zugunsten der Auflagenlösung könnte darin bestehen, daß eine finanzielle Belastung des Schädigers aus verteilungspoliti-schen Gründen nicht erwünscht ist oder zu hohe Verwaltungskosten nach sich zieht.

In diesem Fall erhält man als Wohlfahrtsdifferenz

(6.26) !1'0 = (l/2c){E(0- 0Y- cr~ -cr;} = (l/2c){[E(0 )- 0·]2 - cr;}.

Berücksichtigt man in (6.26), daß wegen der Gleichverteilungsannahme von 0 im Intervall [0-,0+] E(0) = (0· + 0+)/2 gilt, dann ergibt sich

(6.27) !1'0 = (l/2c){(l/2)W- 0·12 - cr;} = (l/2c){3cr~ -cr;},

wobei cr~ = (1/12)(0+- 0Yverwendet wurde. Dieser Ausdruck ist dann positiv, wenn cr;/cr~ < 3. Das bedeutet immerhin, daß selbst die Auflagenlösung noch besser ist als die private Verhandlungslösung, solange die Varianz von a die von 0 um weni-ger als den Faktor 3 übersteigt.

Welche Schlußfolgerungen können nun aus den Ergebnissen dieses Wohl-fahrtsvergleichs gezogen werden? Es würde sicher zu weit führen, daraus eine un-bedingte Überlegenheit staatlicher Intemalisierungsmaßnahmen ableiten zu wollen.

Dazu sind die Modellannahmen viel zu restriktiv und nicht "objektiv" genug. Insbe-sondere die Annahme eines konstanten Grenzschadens erwies sich als relativ hart, was die Deutlichkeit der Überlegenheit einer zentralen Regulierung betrifft. Den-noch gibt es auch triftige Gründe für die Betrachtung gerade dieses Spezialfalles:

Zum einen konnte deutlich gemacht werden, daß u.U. noch erhebliche zusätz-liche Wohlfahrtsgewinne erzielt werden können, wenn der Staat das "richtige" In-strument auswählt. Mit Hilfe einer Pigou-Steuer konnte die Unsicherheit der Ge-winnfunktion vollständig neutralisiert und die bei solchen "Daumenregeln" unver-meidlichen Effizienzverluste minimiert werden. Derartige Spielräume bei der Ge-staltung staatlicher Maßnahmen dürfen daher bei einem Wohlfahrtsvergleich mit privaten Verhandlungen nicht unberücksichtigt bleiben.

Zum anderen hätte es wenig Sinn gehabt, das Rechenbeispiel so zu konstruie-ren, daß sich im Ergebnis die Verhandlungslösung als vorteilhafter erwiesen hätte.

In diesem Fall wäre nur das alte - und offensichtlich falsche - Vorurteil bestätigt worden, daß bei unvollständiger Information über Technologien und Präferenzen dezentrale Allokationsmechanismen die besseren Resultate liefern. So aber wird man freiwilligen Intemalisierungsverhandlungen eher mit einer gewissen Skepsis begegnen. Die Tatsache, daß schon derartig simple Maßnahmen ausreichen, um die Effizienz der Verhandlungslösung zu übertreffen, dürfte einem doch zu denken ge-ben. Dies gilt gerade für den Wohlfahrtsvergleich im Szenario mit unbekannter Grenzgewinnfunktion. Wenn diese "common knowledge" ist, ist die Überlegenheit einfacher Intemalisierungsinstrumente vielleicht weniger überraschend, da in die-sem Fall kein Unterschied zwischen dem Informationsstand der Zentralinstanz und dem des Schädigers besteht. Die informationelle Ausgangssituation ist unter beiden institutionellen Rahmenbedingungen die gleiche. Etwas erstaunlicher ist dagegen das schlechte Abschneiden der Verhandlungslösung bei unbekannter Grenzgewinn-funktion. Dieses gewinnt angesichts der in der Einführung erwähnten Auffassung Hayeks an Bedeutung, derzufolge man die Entscheidungen über die Ressourcenal-lokation aus Effizienzgründen den privaten Wirtschaftseinheiten überlassen sollte, weil diese die nötigen Informationen über Präferenzen und Technologien besitzen.

Vor dem Hintergrund dieser Behauptung würde man vermuten, daß die Verhand-lungslösung im Vergleich zum zentralen Intemalisierungsansatz gerade dann höhere Wohlfahrtsgewinne erwarten läßt, wenn die Gewinnfunktion des Schädigers nur diesem selbst bekannt ist. Unter diesen Umständen hätte der Schädiger gegenüber der regulierenden Behörde tatsächlich einen Informationsvorsprung, der sich nach

Hayeks Argumentation in Form einer vergleichsweise höheren Effizienz der Ver-handlungslösung niederschlagen müßte. Die Ergebnisse unseres Rechenbeispiels haben gezeigt, daß sich diese Vermutung i.a. nicht bestätigt.