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Vierzig Jahre nach dem Erscheinen von "The Economics of Welfare" übte Ro-nald Coase (1960) in einem bahnbrechenden Artikel recht harsche Kritik an Pigous Vorschlag zur Bewältigung von Externalitätsproblemen. Seiner Meinung nach sei der Ruf nach Staatseingriffen zu voreilig, weil der Pigou-Ansatz nicht alle Möglich-keiten einer erfolgreichen Internalisierung durch den freien Markt berücksichtige.

Coases Gedanken, die diese Ansicht begründen, finden sich in den ersten Kapiteln seines Aufsatzes, in denen er anhand eines Beispiels erläutert, daß Ineffizienzen, die durch externe Effekte verursacht werden, prinzipiell auch durch private Verhand-lungen zwischen den involvierten Individuen beseitigt werden können. Die in späte-ren Jahspäte-ren als "Coase-Theorem" bezeichnete Kernaussage dieser relativ langwieri-gen Argumentation wurde von Turvey (1963) unter Verwendung der graphischen Darstellung, die schon Abbildung I zugrundegelegt wurde, auf den Punkt gebracht.

(Siehe Abbildung 2).

Die Ausgangslage sei dadurch gekennzeichnet, daß der Staat keinerlei Maß-nahmen ergreift, um die Ausübung des negativen externen Effekts zu begrenzen. Es werden also weder Steuern erhoben noch ist der Verursacher gesetzlich verpflichtet, für die angerichteten Schäden aufzukommen. Die Behauptung ist nun, daß die Indi-viduen in dieser Ausgangssituation das effiziente Aktivitätsniveau selbständig und ohne Zwang durch eine zentrale Instanz realisieren werden. Diese Behauptung wird folgendermaßen begründet:

Das Aktivitätsniveau x· wird nicht dauerhaft bestehen bleiben, weil aufgrund der Divergenz zwischen Grenzgewinn und Grenzkosten durch eine Reduzierung ein zusätzlicher Wohlfahrtsgewinn möglich ist. Dieser potentielle Wohlfahrtsgewinn stellt für den Verursacher und den Geschädigten einen Anreiz dar, miteinander in

Abbildung 2

DM

d'(x)

X

0 x*

Verhandlungen über eine Einschränkung der Aktivität und die Aufteilung des damit verbundenen Gewinns einzutreten. Da rationale Individuen einen solchen Verhand-lungsspielraum nützen werden und dieser erst erschöpft ist, wenn Grenzgewinn und Grenzkosten übereinstimmen, wird sich zwangsläufig das effiziente Aktivitätsni-veau einstellen.

So ist es beispielsweise denkbar, daß der Geschädigte dem Schädiger für die Einschränkung seiner Aktivität eine Kompensation in Höhe der damit verbundenen Gewinneinbußen anbietet. Da sich der Schädiger durch dieses Angebot im Ver-gleich zur Ausgangssituation nicht verschlechtert, hat er keinen Grund, es abzuleh-nen. Für den Geschädigten lohnt sich eine Reduzierung des Aktivitätsniveaus, so-lange sein Grenzschaden höher ist als die marginale Kompensationszahlung, die dem Grenzgewinn des Schädigers entspricht. Das für ihn individuell optimale Akti-vitätsniveau ist demzufolge identisch mit dem Pareto-Optimum x*. Die Entschädi-gung, die er an den Verursacher zu zahlen hat, beträgt b(x')-b(x*)=

J>'

(x)dx.

Sein eigener Bruttonutzenzuwachs kann durch die vermiedene Schadensdifferenz d(x')-d(x*)= J:.'d'(x)dx quantifiziert werden, so daß der Nettonutzenzuwachs d(x')-d(x*)-[b(x')- b(x*)]=

r

d'(x)- b'(x)dx beträgt. Dieser entspricht in Ab-bildung 2 der schraffierten Dreiecksfläche und ist offensichtlich gleich dem ge-samtwirtschaftlichen Wohlfahrtsgewinn, der beim Übergang von x' nach x* erziel-bar ist.

Als Alternative zu dieser Verhandlungslösung wäre es genauso denkbar, daß der Schädiger dem Geschädigten die Reduktion von x' auf x* gegen eine Kompen-sation in Höhe von d(x')-d(x*)=

r

d'(x)dx von sich aus anbietet. Die Differenz zwischen diesem Betrag, der der maximalen Zahlungsbereitschaft des Geschädigten für die Senkung des Aktivitätsniveaus von x' aufx* entspricht, und den Gewinnein-bußen b(x')-b(x*)= J:.'b'(x)dx ergibt den Nettogewinn, den der Schädiger durch dieses Arrangement erzielt. Dieser Nettogewinn ist wieder gleich dem gesamtwirt-schaftlichen Überschuß.

Neben diesen beiden Extremfällen, in denen sich jeweils ein partner den gesamten Wohlfahrtsgewinn aneignen kann, kommen als Verhandlungs-ergebnisse auch alle Zwischenlösungen in Frage, die eine Aufteilung des Über-schusses vorsehen. Wenn sich die Verhandlungspartner auf einen bestimmten Ver-teilungsschlüssel geeinigt haben, dann ist klar, daß beide für das Aktivitätsniveau x*

plädieren werden, da andernfalls der zu verteilende "Kuchen" nicht maximal wäre.

Individuelle Nutzenmaximierung führt also in diesen Beispielen zur Durchset-zung des effizienten Aktivitätsniveaus x* auch ohne Staatseingriffe. Alles was der Staat in dieser Situation zu tun habe, so wird weiter argumentiert, sei die Garantie einer Eigentumsordnung, in der festgelegt werden solle, ob der Schädiger, wie in den obigen Beispielen, a priori das Recht auf eine uneingeschränkte Ausübung sei-ner Aktivität haben soll (Laisser-Faire-Prinzip) oder ob dem Geschädigten ein Veto-recht gegen eine Beeinträchtigung eingeräumt werden soll (Verursacherprinzip).

Die Tatsache, daß im ersten Fall der Geschädigte für eine Einschränkung der Pro-duktion zu zahlen habe, im zweiten Fall dagegen der Schädiger sich die Erlaubnis zur Aufnahme der Produktion erst erkaufen müsse, habe keinen Einfluß auf die Effizienzeigenschaften der Verhandlungslösung.6 Wenn also die privaten Wirt-6Vgl. Coase (1960, S. 8). Auf eine Beschreibung möglicher Verhandlungslösungen im Falle des Verursacherprinzips wird hier zunächst verzichtet. Dieses Szenario wird in den folgenden beiden Kapiteln ausführlich behandelt. Die Tatsache, daß sich bei allen Varianten das gleiche

pareto-op-schaftssubjekte bei klaren Eigentumsverhältnissen selbst für eine vollständige Inter-nalisierung sorgen können, seien weitergehende Interventionen durch eine Zentral-instanz bestenfalls überflüssig, wenn nicht gar schädlich. Diese Ansicht kommt bildhaft in einem Zitat von Worcester (1972, S. 5) zum Ausdruck, in dem Staatsein-griffe in dieser Situation als "drugs for a patient who is not ill" bezeichnet werden.