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2.6 Fleischverderb

2.6.3 Verderbnisparameter und ihre Einflussfaktoren

Der pH-Wert hat wesentlichen Einfluss auf die Fleischreifung und kann sich auch auf den mikrobiologischen Staus des Fleisches auswirken.

Im lebenden Muskel beträgt er zwischen 7,0 (BATE-SMITH u. BENDALL 1949;

EBERMANN u. ELMADFA 2008) und 7,2 (HOFMANN 1987; WARRIS 2006;

KRÄMER 2007). Nach dem Tod kommt es durch die Anhäufung von Milchsäure im Gewebe zu einer fortschreitenden pH-Wert-Absenkung die sich tierartspezifisch bis zum Erreichen des „End-pH“ fortsetzt (WARRIS 2006). Dieser liegt bei Reh- und Rotwild zwischen 5,4-6,0 (DEUTZ u. PLESS 2006).

Nach Abschluss der Fleischreifung steigt nach KUJAWSKI (1996) der pH-Wert in Wildtierkörpern von durchschnittlich 5,2 bis 5,4 auf 5,8 bis 6,2 an. In Abhängigkeit vom weiteren Reifungsverlauf und Verderbnisprozessen, schließt sich ein erneuter Anstieg des pH-Wertes an, der durch das Ausmaß des Eiweißabbaus bedingt wird.

Bei bakteriellem Verderb und längerer Lagerung können Werte >6,5 erreicht werden (HOFMANN 1987). Detaillierte Angaben zu den pH-Werten in Wildbret und den beeinflussenden Faktoren wurden von mehreren Autoren gemacht (WICHERN 1936;

KNIEWALLNER 1969; BAUR u. REIFF 1976; LENZE 1977; HOFMAN 1987; KOBE u. RING 1992; STOLLE et al. 1995; WIKLUND et al. 2001; DEUTZ u. PLESS 2006;

WINKELMAYER et al. 2008).

Der pH-Wert spielt eine wesentliche Rolle in der Fleischreifung und kann auch bei Wildfleisch eine fehlerhafte Reifung bedingen. Neben höheren Werten bei geringen Glycogenreserven kann es dabei auch zu einem überstürzten Werte-Abfall kommen der zu Fleischqualitätsabweichungen ähnlich dem PSE-Fleisch des Schweines führt.

In der AVV LmH werden konkrete Anleitungen für den Zeitpunkt und die Lokalisation der pH-Wert-Messung in Schlachtkörpern und erlegtem Haarwild gegeben und Richtwerte für abnorme Fleischsäuerung bei Schwein, Rind, Schaf und Haarwild genannt. Demnach soll der pHULT bei Haarwild 12-96 Stunden nach dem Erlegen ermittelt werden und gibt bei Werten von ≥5,8 Hinweis auf eine verzögerte oder unvollständige Glycolyse.

Dem pH-Wert kommt auch eine entscheidende Bedeutung für die Qualität und die Haltbarkeit von Fleisch zu. Ein entsprechend niedriger Wert hemmt bakterielles Wachstum (GRACEY et al. 1999), da nur eine begrenzte Zahl von Mikroorganismen in einem sauren Milieu überleben und sich vermehren kann. In Tab. 1 sind die pH-Wert-Bereiche für optimales Bakterienwachstum angegeben.

Tab. 1 Minimale und maximale pH-Werte für das Wachstum von Mikroorganismen (modifiziert

Pseudomonas aeruginosa 5,6 8,0 Geringe Säuretoleranz

pHmin> 5,0

Yersinia enterocolitica 4,5 9,0

Salmonellen 4,0-4,5 8,0-9,6

Escherichia coli 4,4 9,0

Mittlere Säuretoleranz

Es gilt jedoch zu beachten, dass sich die Säuretoleranz der Mikroorganismen unter dem Einfluss extrinsischer und intrinsischer Faktoren auch reduzieren kann, im Vergleich zu den als optimal angegebenen pH-Werten (KRÄMER 2007). Neben dem pH-Wert kann sich durch weitere unterschiedliche Milieuanforderungen ein Selektionsvorteil für einige Bakterien ergeben, so dass in Abhängigkeit von den äußeren Bedingungen bestimmte Keime dominieren. Aus diesem Grund kann sich trotz eines absinkenden pH-Wertes eine sog. „Kühlhaus-Flora“ [vor allem psychrotrophe Mikroorganismen (BEM u. HECHELMANN 1994)] in unverpacktem Fleisch bilden. In verpacktem Fleisch hingegen werden diese Mikroorganismen hauptsächlich von Milchsäurebakterien verdrängt (BAUMGART 2004a). Der pH-Wert sollte hinsichtlich der Fleischbeurteilung jedoch nicht überschätzt werden und kann keinesfalls weitere Maßnahmen wie die pathologisch-anatomische und die bakteriologische Untersuchung ersetzen (PLETZIGER 1946; WACKER 1991).

2.6.3.2 Temperatur

Neben der Bedeutung für die postmortalen Vorgänge im Fleisch, nimmt die Temperatur auch Einfluss auf den Stoffwechsel der im Fleisch vorhandenen Mikroorganismen. Nur ca. 10% der Bakterien der initialen Keimflora des Fleisches können bei Kühlraumtemperaturen wachsen. Der Anteil der Verderbniserreger die diese Fähigkeit besitzen ist sogar noch geringer (BORCH et al. 1996).

Für den Verderb kühlgelagerter Produkte spielen besonders die psychrotrophen Mikroorganismen eine Rolle. Die in Tabelle 2 aufgeführten Organismen können auch aus Wildfleisch isoliert werden.

Tab. 2 Wachstumstemperaturen und Generationszeit verschiedener Keime (modifiziert nach BFR 2006a)

Mikroorganismus Wachstumstemperaturen (° C)

minimal optimal maximal

Generationszeit (min) bei Optimaltemperatur

Y. enterocolitica 0 27 45

Listeria spp. 1 34 45

Pseudomonas spp. (-3) 4 41

Salmonella spp. 6 37 47 40

E. coli 4 37 46

B. cereus 5 32 50 35

Staph. aureus 6 37 46 20 (35 °C)

Lactobacillus spp. 1 53

Klebsiella spp. 3 10-44 44

Durch eine Kühllagerung unterhalb von 7 °C kann die Vermehrung und Toxinbildung der meisten pathogenen Lebensmittelinfektionserreger gehemmt werden (UPMANN et al. 2000; BÜLTE 2007). Dieses wird auch durch die rechtliche Forderung des Herabkühlens auf +7 °C umgesetzt. Dem schließt sich auch KUJAWSKI (1996) an, gibt aber zu bedenken, dass sich Fäulnisbakterien noch bis zu einer Umgebungstemperatur von +1 °C vermehren können. Bei Kühltemperaturen kann sich eine Wachstumsnische für psychrotolerante Bakterien ergeben. So können bestimmte Erreger wie Listerien oder Yersinien auch noch bei diesen Temperaturen wachsen und stellen somit eine potenzielle Gefahr für die menschliche Gesundheit dar (HILBERT u. SMULDERS 2000).

Der konservierende Einfluss der Kühlung resultiert hauptsächlich aus einer Verlängerung der Latenzphase10 und einer Erhöhung der Generationszeit11 der

10Latenzphase (Lag-Phase): Wachstumsphase, in der sich die Mikroorganismen auf neue Umweltbedingungen

Mikroorganismen (BEM u. HECHELMANN 1994; KRÄMER 2007). Diesbezüglich benennen KRÖCKEL u. HECHELMANN (1998) den optimalen Temperaturbereich für die Kühllagerung von Fleisch und Fleischerzeugnissen mit -1 °C bis +2 °C, weil Anzeichen wie Schmierigkeit, Verfärbung und Geruchsabweichungen bei 0 °C erst nach etwa 11 Tagen, bei 5 ° C nach 6 Tagen, bei +10 °C nach 4 Tagen und bei +20

°C bereits nach 2 Tagen zu beobachten sind.

Der Einfluss der Kühlung auf die Fleischqualität wurde in den Arbeiten verschiedener Autoren dargestellt (BANDICK u. RING 1995; PAULSEN u. WINKELMAYER 2004).

STOLLE (2004) zeigte an einem Beispiel zur Simulierung einer Unterbrechung der Kühllagerung, dass eine dreitägige Erhöhung der Temperatur von 0 °C auf 10 °C und zwischenzeitlich sogar auf 20 °C, trotz erneuter anschließender Herabkühlung auf 0 °C, die Lagerfähigkeit des Fleisches um 1/3 verkürzte. Neben der Kühltemperatur ist aber auch die Temperatur zum Erlegungszeitpunkt von Bedeutung. Dies bestätigte eine Untersuchung von PAULSEN u. WINKELMAYER (2004) an 50 Wild-Karkassen unterschiedlicher Tierarten. Hier waren die Gesamtkeimzahlen der im Winter erlegten Tiere signifikant geringer als die der im Sommer erlegten Tiere.

Bei einer Lagertemperatur zwischen –1 °C und 0 °C und einer r. F. von ca. 85%

betrug die maximale Lagerdauer im Optimalfall für Wildwiederkäuer 3 Wochen (WINKLMAYER 2000), bzw. für Schalenwild 3 Wochen, für Kaninchen 1 Woche und für Geflügel 4 Tage (ANONYM 2008). BERT (1996) geht bei einer Lagerungstemperatur von maximal +7 °C beim Großwild und +3 °C beim Kleinwild von einer Lagerfähigkeit von höchstens 6 Tagen aus, sofern kein Weidwundschuss vorlag und das Wild hygienisch versorgt wurde. Ähnliche Werte gab auch SCHNEIDAWIND (1994) an: Reh und Gamswild in der Decke ca. 7-8 Tage, enthäutet ca. 6-7 Tage und Kitze ca. 3-4 Tage.

Neben den Bakterien selbst sorgen besonders die von ihnen gebildeten Enzyme für unerwünschte Änderungen im Fleisch. Bei ihren Untersuchungen beobachteten BRAUN et al. (1998), dass selbst bei Kühltemperaturen von -2 °C bis +0,5 °C, vorwiegend aber zwischen +2 °C bis +7 °C, bakterielle Proteolyse statt finden kann, wenn vor Kühlbeginn entsprechende mikrobielle Proteasen gebildet wurden.

einstellen und ihr Stoffwechsel aktiviert wird.

11 Generationszeit: Zeitspanne, in der sich die Zellzahl verdoppelt.

2.6.3.3 aw-Wert

Neben unterschiedlichen Temperaturen und Nährstoffen benötigen alle Mikroorganismen auch frei verfügbares Wasser für ihr Wachstum. Durch die Wasseraktivität (aw-Wert) wird angegeben, wie viel frei vorhandenes Wasser in einem Produkt vorhanden ist. Der Bedarf an Wasser variiert jedoch innerhalb der Bakterien-Gattungen. Der untere aw-Grenzwert beträgt für Pseudomonas fluorescens 0,97, für Klebsiella spp. 0,96, für E. coli 0,95, für Salmonella 0,94, für Listeria monocytogenes 0,92 und für Staphylococcus aureus 0,83 (HEESCHEN 2007).

Für frisches Wildfleisch wird die Wasseraktivität mit Werten von 0,911 bis 0,965 angegeben (SCHIEFER 2008). BRODOWSKI (1997) stellte im Vergleich verschiedener Wildarten das höchste Wasserbindungsvermögen für Rehwild und das geringste für Schwarzwild fest. Die Wasseraktivität stellt somit kein Hindernis für die Vermehrung von Mikroorganismen dar, es sei denn sie ist durch Abtrocknungs- prozesse an der Oberfläche etwas abgesenkt. Für UPMANN et al. (2000) sind die aw-Werte von Frischfleisch sogar ideal für das Wachstum von Bakterien.

REUTER (1984) geht davon aus, dass während des Gefrier-Prozesses, in dem das Wasser nicht mehr vollständig frei verfügbar ist, der mikrobiologische Status fixiert wird. Er schließt aber dennoch die Gefrierschädigung von Mikroorganismen nicht aus, was bei der Kultivierung bedacht werden muss.