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Durch den Ernteschnitt wird die Pflanze beschädigt. An der Schnittstelle werden Zellen und Zellorganellen zerstört, sodass Zellinhaltsstoffe ausfließen oder mit anderen Stoffen in Kontakt kommen, von denen sie zuvor durch die Zellkompartimentierung getrennt waren.

Dieser Prozess lässt sich auch bei den proteinabbauenden Enzymen der Pflanze, den Proteinasen, beobachten.

Pflanzliche Proteinasen kommen in der Zelle hauptsächlich in Vakuolen, besonders in denen reifer Blätter, vor (KINGSTON-SMITH et al. 2005). Sie haben wichtige Aufgaben: so entfernen sie geschädigte Proteine, bearbeiten Proteine, die im Zellkern synthetisiert wurden, aber in andere Organellen importiert werden und sie eliminieren geschädigte oder infizierte Zellen, um die Ausweitung von Verletzungen oder die Ausbreitung von Pathogenen zu verhindern (ZHU et al. 1999). Proteinasen werden konstitutiv oder durch Schädigung der

Zellen oder durch biotischen Stress synthetisiert (ZHU et al. 1999). Das macht eine feine Regulierung (biochemisch oder durch Kompartimentierung) notwendig, um ein Neben-einander von Proteinen und Proteinasen in der gleichen Zelle zu ermöglichen (ZHU et al.

1999). Die Separierung von Enzym und Substrat führt dazu, dass die Proteinasen nur erschwert an die Proteine in intakten Zellen andocken können. Nach der Ernte wird diese Kompartimentierung in Teilen der Pflanze aufgehoben und die Proteinasen werden sofort aktiv (HENDERSON et al. 1972). Sie vermitteln die „initialen“ Schritte der Proteolyse, die ein wesentlicher Teil sowohl der Alterung als auch des Zelltods ist (KINGSTON-SMITH et al. 2003). Pflanzliche Proteinasen wirken jedoch nicht nur unmittelbar nach Austritt aus Vakuolen und Cytosol, sondern auch noch einige Zeit länger auf das Pflanzenmaterial ein (BECK 1966). Noch vorhandene Proteine werden weiterhin hydrolysiert; hauptsächlich zu Aminosäuren (OHSHIMA u. MCDONALD 1978), aber auch zu anderen Abbauprodukten wie z. B. Amiden, deren Gehalt besonders am zweiten und dritten Tag nach dem Schnitt ansteigt (KEMBLE u. MACPHERSON 1954). Amide, Amine und Ammoniak führen zu einer pH-Wert-Erhöhung in der Silage (WOOLFORD 1984). Dies könnte zumindest teilweise durch die beim Schnitt freigesetzten organischen Säuren und ihre pH-Wert senkende Eigenschaft (WOOLFORD 1984) kompensiert werden. Der Proteinabbau geht auch nach der Einsilierung (s. auch Kap. 2.2.3) weiter. Ausführliche Informationen zum Proteinabbau während der Silierung sind nicht Teil der vorliegenden Arbeit; sie sind in der einschlägigen Literatur (z. B. WOOLFORD 1984; MCDONALD et al. 1991; BUXTON et al. 2003) zu finden.

Nach HELDT u. PIECHULLA (2008) sind die wichtigsten proteolytischen Enzyme löslich bzw. in Wasser suspendierbar. Da Proteine von Enzymen hydrolytisch unter Aufnahme von Wasser gespalten werden, schlussfolgern GABEL u. BICKEL (2006), dass die Enzym-aktivität sich auf die wässrige Phase von Pflanzen und Silage beschränkt bzw. angewiesen ist.

Wird die Pflanze nun abgeschnitten, so verliert sie pro Stunde bis zu ca. einen Viertelliter Wasser pro Einzelpflanze (z. B. Tomate, Mais und Sonnenblume 0,02-0,27 ml; LÖSCH 2003). Das Schneiden von Gras führt zum Austrocknen der Halme und damit zur Verminderung der wässrigen Phase. Folglich müsste der enzymatische Proteinabbau vermindert sein (vgl. Kap. 2.2.2). Dafür spricht, dass über die „blutenden“ Sprossquerschnitte eine große Menge Xylemsaft austritt, der sowohl durch den Wurzeldruck, als auch über

organische Osmotika ausgetrieben wird. Der Wurzeldruck beträgt meist um 0,1 bis 0,2 MPa (ZIEGLER 1991). Er ist von früh morgens bis mittags am höchsten; um Mitternacht am geringsten (VAADIA 1960). Außerdem steigt der Wurzeldruck im Frühjahr vor und während der Blattentfaltung; vermutlich aufgrund temperaturabhängiger Osmotika wie Zucker und Kalium (Blattaustrieb) sowie Magnesium (Blattflächenerweiterung), an (LÖSCH 2003).

Hinzu kommt, dass die junge Pflanze einen per se höheren Flüssigkeitsanteil an der Trockensubstanz [Weidegras im Schossen 150 (BAILEY 1973) bis 175 g TS kg-1 uS (KAMPHUES et al. 2009)] gegenüber der reifen Pflanze [Weidegras zum Ende der Blüte 240 (KAMPHUES et al. 2009) bis 360 g TS kg-1 uS (BAILEY 1973)] besitzt.

Vorstellbar ist, dass der Flüssigkeitsverlust über die Schnittstelle bei einem jahreszeitlich frühen Schnitt (s. Kap. 2.1.2) relativ gesehen größer ist und damit die wässrige Phase schnell verringert sowie der Proteinabbau zügig vermindert wird. Ob er jedoch stärker verringert wird als bei der reiferen von sich aus wasserärmeren Pflanze lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Ein Flüssigkeitsverlust findet zusätzlich über die Spaltöffnungen (Stomata; vgl. Kap. 2.3.2) statt. Nach dem Schnitt führt der Wasserverlust in den Mesophyllzellen indirekt zu einer Turgorreduktion in den Epidermiszellen. Letztere setzen den noch turgoreszenten Schließ-zellen weniger Druck entgegen, sodass die SchließSchließ-zellen auseinander weichen können und so den stomatären Spalt für einige Minuten freigeben (MEIDNER u. MANSFIELD 1986). Diese passive Stomatabewegung ist unter der Bezeichnung „IWANOFF-Effekt“ bekannt (LÖSCH 2003). Sobald auch die Schließzellen vom Wasserverlust betroffen sind, schließen sich die Stomata wieder. Die Stomata öffnen nicht, wenn sich die Pflanze zuvor im Wasserstress (vgl.

Kap. 2.3.1) befunden hat (MEIDNER u. MANSFIELD 1968). Sind die Stomata bereits geöffnet, weil die Pflanze während der Transpirationsphase der Spaltöffnungen geschnitten wurde und ist die Pflanze gut wasserversorgt, werden die Stomata sofort („im Moment des Schneidens“) geschlossen. Ursache dafür ist der plötzliche Abfall des hydrostatischen Drucks.

Dadurch steht das Wasser im Blatt frei zur Verfügung; es kommt zu einem Anstieg des Turgors in den Epidermiszellen, die dann den Schließzellen einen größeren Widerstand entgegensetzen, sodass diese sich schließen (MEIDNER u. MANSFIELD 1968).

Je nach Wasserversorgung der Pflanze können Wasserverluste über die Stomata auftreten, die die Aktivität pflanzlicher Proteinasen beeinflussen können.

Das Leben einer Pflanzenzelle endet nicht mit dem Schnitt oder der Aufnahme durch das Tier beim Grasen. Solange die Zelle intakt bleibt (KINGSTON-SMITH et al. 2003), kann sie atmen und so ihre Stoffwechselprozesse aktiv erhalten (MUCK et al. 2003). Ihre Lebens-fähigkeit hält sogar noch bis einige Stunden nach der Einsilierung an, und zwar solange wie Sauerstoff und Substrat vorhanden sind (MCDONALD 1991). In dieser Zeit sind auch pflanzliche Enzyme aktiv, die Eiweißstoffe abbauen (NEHRING 1972). Erst mit der Entstehung des anaeroben Milieus tritt der Tod der Pflanzenzelle ein (WOOLFORD 1984).

Mit dem Zelltod nimmt die Zellwandintegrität ab: es kommt zur Zelllyse. In deren Folge werden lösliche Pflanzenkomponenten frei, die wichtig für die mikrobielle Produktion von Milchsäure sind. Zwar wird nur ein geringer Teil der Milchsäure tatsächlich aus den freigesetzten Komponenten hergestellt, die Zelllyse ist jedoch der Anstoß für die Milch-säuresynthese (MUCK et al. 2003). Die Lyse der Zellen tritt innerhalb weniger Stunden nach vollständigem Verlust von Sauerstoff ein. Tritt weiterhin Luft in das Siliergut ein, verlangsamt sich die Zelllyse, was zu einem merklichen Verlust an fermentierbaren Kohlenhydraten führt. Auch bei niedrigem TS-Gehalt ist das Einsetzen der Zelllyse verzögert.

Bis zum Einsetzen einer signifikanten Milchsäureproduktion können unter diesen Umständen sieben bis acht Stunden vergehen (GREENHILL 1964 b). Welkt man das Pflanzenmaterial vor der Silierung an, so muss man auch hier im Vergleich mit direkt siliertem Pflanzenmaterial mit einer Verzögerung der Zelllyse rechnen (GREENHILL 1964 c). Damit stehen zunächst keine Substrate für die bakterielle Fermentation bereit und die Milchsäurebildung verzögert sich (GREENHILL 1964 d). Eine ungenügende oder verspätete Milchsäurebildung kann die Silierung ernsthaft gefährden. Die höhere Rohproteinausbeute empfiehlt dennoch das Anwelken (vgl. Kap. 2.2.2).

Zusammenfassung:

Nach dem Ernteschnitt treten für die Pflanze weit reichende Veränderungen ein. Die Unter-brechung der Flüssigkeitsversorgung führt zum Wasserverlust und damit zum Turgoreszenz-verlust in Zellen und Geweben. Es kommt zum Abbau von Proteinen durch pflanzliche Pro-teinasen und schließlich zur Zelllyse. Die Zelllyse wird durch Sauerstoffverlust beschleunigt und durch zu feuchtes oder zu trockenes Pflanzenmaterial verzögert. Da proteolytische Pflanzenenzyme Proteine hydrolytisch spalten und damit auf Wasser angewiesen sind

(GABEL u. BICKEL 2006), kann eine Verringerung der Wasserkonzentration in den Zellen durch Wasserverlust über die Stomata zu einer Aktivitätsabnahme oder gar Inaktivierung pflanzlicher Proteinasen führen.