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Der Proteinabbau in der geschnittenen Pflanze vollzieht sich in zwei Stufen. Zunächst werden die Peptidbindungen gespalten, wodurch freie Aminosäuren und Peptide entstehen. Im zweiten Schritt werden die Aminosäuren zu einer Fülle von Endprodukten abgebaut, darunter Ammoniak, organische Säuren und Amine (ROOKE u. HATFIELD 2003). Alkaloide dagegen sind keine Abbaustoffe, sonder werden aus Aminosäuren aufgebaut und gehören zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen (s. Kap. 2.4.1.2).

Bis zu 50 % des Gesamtproteins der Pflanze werden durch die gemeinsame Aktivität von pflanzlichen und mikrobiellen Enzymen während der Silierung abgebaut (MAHANNA u.

CHASE 2003). Dabei verändern sich die Mengenverhältnisse der Stickstoffverbindungen zueinander. So erhöht sich z. B. der Anteil an Nicht-Protein-Stickstoff (NPN). Der NPN-Pool besteht aus Ammoniak, Nitrat, Nitrit, freien Aminosäuren, Aminen und Amiden (PITT 1990).

Ammoniak und Amine werden zu einem großen Teil mikrobiell fixiert (MUCK 1988). Den größten Teil (ca. 60 %) des Pflanzenproteins bauen jedoch pflanzliche Proteinasen ab (HERON et al. 1986).

Proteinasen

Proteinasen sind im Blattwerk enthalten (THIMANN 1980). Sie treten in den verschiedenen Phasen eines Pflanzenlebens, nämlich bei der Keimung, der Gewebedifferenzierung und bei der Alterung in Erscheinung (vgl. Kap. 2.2.1; FRITH u. DALLING 1980) und sie kommen sowohl im Cytoplasma (CHOE u. THIMANN 1974) als auch in Vakuolen vor (MATILE 1975; KINGSTON-SMITH et al. 2005). Die höchste Aktivität des Enzyms beobachtete TRACEY 1948 zwischen pH 5 und 6 in aufbereitetem Blattzellsaft verschiedener Pflanzen (Abb. 2.2.2).

Für die meisten Proteinasen liegt der Aktivitätsbereich im sauren Milieu (MCDONALD et al.

1991). Die in den Vakuolen befindlichen Proteinasen nehmen nicht am normalen Makro-molekülumsatz der lebenden Zelle teil. Sie treten erst ins Cytosol aus, wenn die Pflanze altert oder beschädigt wird. Ihre Aufgabe ist es, wertvolle Nährstoffe für die lebenden Pflanzenteile zurückzuführen (TAIZ u. ZEIGER 2007). Deshalb sind pflanzliche Enzyme sofort nach dem Schnitt der Pflanze aktiv und arbeiten auch in den frühen Stadien der Silierung, bis der pH-Wert abfällt (OHSHIMA u. MCDONALD 1978; auf <5: ROOKE u. HATFIELD 2003).

Darunter werden die meisten Proteinasen instabil; es kommt zur Aktivitätsabnahme bis hin zur Inaktivierung (ROOKE u. HATFIELD 2003). Auch GABEL u. BICKEL (2006) beobachteten, dass die Proteolyse unter pH 4,0 stark vermindert wird. Die Inaktivierung betrifft aber nicht alle Enzyme. CARPINTERO et al. (1979) konnten zeigen, dass der Proteinabbau auch in Silage, die mithilfe von Säure auf einen pH-Wert von 4,0 gebracht

Abb. 2.2.2: Aktivität proteolytischer Enzyme in Abhängigkeit vom pH-Wert im Medium von Nicotiana tabacum (TRACEY 1948)

wurde, fortbestand, allerdings in geringerem Ausmaß. Die Aktivitätsabnahme durch den sinkenden pH-Wert tritt etwa 5-7 Tage nach der Einsilierung auf (KEMBLE 1956). Der Hauptanteil der proteolytischen Aktivität findet jedoch in den ersten 48 bis 72 Stunden nach Beschickung des Silos statt und ist damit bereits abgeschlossen, bevor der pH-Wert durch die Fermentation stark sinkt (MUCK 1987).

Zu dieser Zeit ist die Temperatur im Silo bereits angestiegen. Proteinasen haben hohe Temperaturoptima von 45-55 °C (BRADY 1961) und können unter den anfänglichen Silier-bedingungen besonders gut arbeiten (vgl. Kap. 2.2.3). Bis zu Temperaturen von 50 °C nimmt die Proteolyse kontinuierlich zu (MCKERSIE 1981). GABEL u. BICKEL (2006) fanden nach Inkubation wässriger Aufgüsse von Luzerne das Maximum der Proteolyse bei 45 °C und eine Hemmung bei Temperaturen ab 60 °C. Bezug nehmend auf den Hauptanteil der proteoly-tischen Aktivität (s. o.) hat der Temperaturanstieg zu Beginn der Silierung einen weitaus größeren Einfluss auf die Proteolyse als der Abfall des pH-Werts (OHYAMA et al. 1973).

Proteinasen werden abhängig von ihrem Reaktionstyp in vier Gruppen eingeteilt: Thiol-, Carboxyl-, Serin- und Metall-Proteinasen (BARRETT 1980). In Blättern kommen die beiden erstgenannten Gruppen am häufigsten vor (FRITH u. DALLING 1980). Serin-Proteinasen dagegen sind hauptsächlich in Mikroorganismen und Tieren vertreten (KINDL 1994). Nach ihrem Angriffspunkt werden Proteinasen in Endo- und Exopeptidasen unterschieden (BARRETT 1994). Endopeptidasen greifen die Polypeptide zunächst an ihren Peptid-bindungen an. Exopeptidasen sind danach mit ihrem katalytischen Zentrum in der Lage, auf die freigelegten Carboxylgruppen der endständigen Aminosäuren zuzugreifen. Die pflanzen-spezifischen Endopeptidasen können ferner in Cystein- und Aspartat-Endopeptidasen unter-teilt werden (ROOKE u. HATFIELD 2003).

Pflanzenenzyme führen nicht zur Zersetzung, sondern nur zur Aufspaltung der großen Eiweißmoleküle in einfachere Bausteine (NEHRING 1972). Begünstigt wird der pflanzen-enzymatische Abbau durch langes Vorwelken (vgl. Kap. 2.2.2), besonders unter feuchten Bedingungen, bis zu einem Trockensubstanzgehalt von 400 g kg-1 (MCPHERSON 1952). Je schneller dieser Trocknungsgrad erreicht wird, desto geringer sind Proteolyserate und Amidproduktion (MCPHERSON 1952). CHASE (1993) bestätigt in seinen Untersuchungen

mit Luzerne, dass der Aminosäurenabbau umso geringer ist, je trockener das Siliergut, und je kürzer damit die benötigte Gärzeit ist.

In geschnittenem Gras unterscheidet sich die Aminosäurenzusammensetzung vor und nach dem proteolytischen Abbau der Pflanzenproteine nicht (KEMBLE 1956; BRADY 1965). Die Proteolyse ist nicht selektiv, sondern im Gegenteil „uniform“. Es kommt zu keinem bevor-zugten Abbau einer bestimmten Aminosäure (KEMBLE u. MCPHERSON 1954). Das ändert sich mit dem Welken und Silieren des Pflanzenmaterials stark (ASHBELL et al. 1983;

MCDONALD et al. 1991; Tabb. 2.2.2 und 2.2.3).

Anwelken

Auf ihre Abbaubarkeit während des Anwelkens und der Silierung testeten MAKONI et al.

(1993) drei Blattproteinfraktionen (s. Kap. 2.2.1) in Luzerne. Die Fraktion 2 unterteilten die Autoren nochmals in lösliche [in 40 %iger (NH4)2SO4-Lösung] und unlösliche Proteine. Beim Anwelken wurden ihren Untersuchungen nach in erster Linie Proteine mit hohen Molekular-gewichten (18-60 kDa) abgebaut. Sie gehören entweder zu den löslichen Proteinen der Frak-tion 2 oder zu den Chloroplasten-Membranproteinen (FrakFrak-tion 3). Während eines dreitägigen Welkens können bereits 20 % des Proteinstickstoffs zu NPN abgebaut werden (KEMBLE u.

MCPHERSON 1954).

Tab. 2.2.2: Konzentrationsveränderungen (Anstieg, Rückgang) von N-Verbindungen beim Anwelken unterschiedlicher Gräser (jeweils am stärksten betroffene Verbindung an erster Stelle)

N-Verbindung Spezies Autor(en)

Prolin Dt. Weidelgras;

Weidelgras; Weizen

KEMBLE u. MCPHERSON 1954;

BRADY 1965; ASHBELL et al. 1986

Alanin Weidelgras BRADY 1965

Carboxyl-N Weidelgras BRADY 1965

Asparaginsäure Weizen ASHBELL et al. 1986 Glutaminsäure Weizen ASHBELL et al. 1986

Leucin Weizen ASHBELL et al. 1986

Anstieg

GABA Weidelgras BRADY 1965

Arginin Weidelgras; Weizen BRADY 1965; ASHBELL et al. 1986

Lysin Weidelgras BRADY 1965

Glutamat Weizen ASHBELL et al. 1986

Histidin Weidelgras BRADY 1965

aromatische AS Weidelgras BRADY 1965

Rückgang

Amide Weidelgras; Gras1 BRADY 1965; MCPHERSON 1972

1 nicht näher spezifiziert

Bei den Konzentrationszunahmen fällt unter den Aminosäuren der bis zu 50 %ige Anstieg von Prolin auf. Dieser Anstieg tritt aber nur beim Anwelken unter trockenen Bedingungen auf. Ihm wird eine Prolinsynthese zugrunde gelegt. Unter feuchten Anwelkbedingungen wird kein Prolin neu synthetisiert (KEMBLE u. MCPHERSON 1954). Bei der Prolinsynthese handelt es sich um einen aeroben Prozess (BRADY 1965). BOGGESS et al. (1976) vermuten, dass Prolin bei Wassermangel eine Entgiftungsfunktion für Ammoniak hat. Unter Wachstumsbedingungen oder beim Anwelken unter feuchten Bedingungen wird diese Funktion von der Amidproduktion wahrgenommen (KEMBLE u. MCPHERSON 1954;

OHSHIMA u. MCDONALD 1978). BOGGESS et al. (1976) schreiben den Anstieg von Prolin, welches aus Glutamat und Ornithin synthetisiert wird (KEMBLE u. MCPHERSON 1954; ASHBELL et al. 1986), einer Reaktion der Pflanze auf osmotischen Stress zu, die aber

ebenfalls der Entgiftung von Ammoniak dienen soll. Weitere Informationen zu Prolin sind in Kap. 2.3.1 zu finden.

Arginin ist nach WILSON u. TILLEY (1965) die dominierende Aminosäure in frischem Pflanzenmaterial. Ihr Konzentrationsabfall ist von allen Aminosäuren am größten. Arginin hat einen Anteil von 12-14 % am Gesamtblattprotein (WILSON u. TILLEY 1965). Es wird schnell und fast vollständig während des Anwelkens und der Silierung abgebaut (GROSS et al. 1979). Dies geschieht während des Anwelkens v. a. durch Umwandlung in Ornithin (ROOKE u. HATFIELD 2003).

Silierung

Während der Silierung werden auch Proteine der Fraktion 2 mit Molekulargewichten von 15-25 kDa abgebaut, die beim Anwelken erhalten blieben (MAKONI et al. 1993). Am stärksten vom Abbau betroffen ist allerdings das größte Blattprotein, das 560 kDa schwere Enzym Rubisco. In der Feld- und Wiesenpflanze fällt es dem Proteinabbau bei veränderten Lichtintensitäten, bei Blattverlust und bei der Pflanzenalterung zum Opfer. Während der Silierung wird Rubisco in den ersten 24 Stunden sehr stark abgebaut. Nach 48 Stunden sind nur noch kleinere Abbauprodukte des Enzyms zu finden (MAKONI et al. 1993).

Während der Silierphase wird durch die Proteolyse ein Drittel des Proteins innerhalb von drei Tagen abgebaut, bevor der pH-Wert unter den hemmenden Wert von 4,0 sinkt (KEMBLE 1956). Andere Autoren beschreiben einen ähnlich starken Proteinschwund (von 800 auf 600 g kg -1 TN), allerdings in einer kürzeren Periode von 12-24 Stunden (BRADY 1960;

KÜHBAUCH u. KLEEBERGER 1975). Es findet jedoch keine totale Proteolyse statt. Auch ohne die hemmende Wirkung des sinkenden pH-Wertes fällt der Proteingehalt im Allgemeinen nicht unter 250 g kg-1 TN (GOUET et al. 1970). Und auch bei sehr langer Lagerung bleiben 21 % des Stickstoffs in Form von Protein übrig (MCPHERSON 1952).

Diese gegenüber der Proteolyse resistenten Proteine sind unlöslich und membrangebunden (LICITRA et al. 1996; ROOKE u. HATFIELD 2003). Es wurde beobachtet, dass trotz weiter bestehender Enzymaktivität und trotz abgesenkten pH-Werts die Proteolyse bei Luzernesilage nach ein paar Tagen nachließ (MCKERSIE u. BUCHANAN-SMITH 1982). Es wird angenommen, dass nicht alle Proteine gleichmäßig verfügbar sind und verschiedene Proteine

in unterschiedlichem Maße abgebaut werden (MCDONALD et al. 1991). CHASE (1993) vermutet, dass die Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin in Luzernesilage resistent gegen den Abbau sind. Über die Kettenlänge und die Aminosäurenzusammensetzung der Silagepeptide weiß man nur wenig. Die meisten Peptide sind Di- und Tripeptide mit unterschiedlicher Aminosäurenzusammensetzung (NSEREKO u. ROOKE 2000).

Tab. 2.2.3: Konzentrationsveränderungen (Anstieg, Rückgang) von N-Verbindungen wäh-rend der Silierung unterschiedlicher Gräser (jeweils am stärksten betroffene Ver-bindung an erster Stelle)

N-Verbindung Pflanzenspezies und