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Im folgenden Kapitel soll der Einfluss von Reifegrad (Alter) und Erntezeitpunkt der Pflanze auf den Reineiweißgehalt der Silage untersucht werden.

Einfluss der Jahreszeit

Bei der Gewinnung von Gras für die Bereitung von Grassilage werden mehrere Schnitte im Laufe einer Vegetationsperiode genutzt. Bei Deutschem Weidelgras beispielsweise erfolgt der erste Schnitt meist Mitte bis Ende Mai vor der Blüte. Im Juni/Juli wird häufig zum zweiten Mal mit Beginn der Blüte geschnitten. Wenn ein dritter (und vierter) Schnitt erfolgen soll, so ist dies zum Ende des Sommers im August/September (nach der Blüte) möglich. Mit den Schnitten verändern sich Menge und Zusammensetzung der Pflanzeninhaltsstoffe wie Roh-protein, Reineiweiß und Gerüstsubstanzen. Beim Rohprotein ist bereits im zweiten Schnitt ein deutlich geringerer Gehalt feststellbar (KÜNNEMANN u. HERRMANN 1967). Bei Knaul- (Dactylis glomerata), Wolligem Honiggras (Holcus lanatus) und Wiesenfuchsschwanz (Alopecurus pratensis) sinken die Gehalte an Rohprotein und Reineiweiß nach einer Untersuchung von KIRCHGESSNER et al. (1960) im Zeitraum vom Rispenschieben bis zum Blühende im Mittel um 37 % bzw. 32 %. Mit den Gerüstsubstanzen verhält es sich andersherum. Sie nehmen im Laufe der Vegetationsperiode zu und bestimmen den Reifegrad der Pflanze. Je höher der Anteil an Gerüstsubstanzen wie Zellulose, Hemizellulose und Lignin ist, desto schlechter wird die Verdaulichkeit der Pflanze (HARRISON et al. 2003). Mit der Verdaulichkeit sinkt auch der Energiewert der Silage (SMITH et al. 1972). Dies bestätigen Untersuchungen der LUFA Nord-West für die Grassilageernte 2009, bei denen der erste Schnitt am energiereichsten war (ENGLING u. EGERT 2009).

Die Rohprotein- und Energiewertveränderungen in verschiedenen Aufwüchsen werden in Abbildung 2.1.2 verdeutlicht.

Für die Verwertbarkeit einer Pflanze durch das Tier ist v. a. der Blatt-Stamm-Quotient entscheidend, der sich bei der älteren Pflanze in Richtung des zunehmend weniger verdaulichen Stammes verschiebt (SMITH 1972; HARRISON et al. 2003). Zunehmende Reife der Pflanze bedeutet auch, dass die Pflanze längeren Tageslichtperioden ausgesetzt ist.

Dies führt schon bei nur vier Stunden mehr Licht am Tag zu einer Reduktion der Blattzahl (BOWMAN u. LAW 1964). In der Folge nimmt auch der Gehalt an löslichen Blattproteinen ab (LYTTLETON 1973). Für die nordwestdeutsche Ernte 2009 bescheinigen ENGLING u.

EGERT (2009) der Grassilage eine deutlich geringere Verdaulichkeit im dritten Schnitt im Vergleich zum ersten Schnitt. Mit zunehmender Reifung der Pflanze kommt es also zu einem Anstieg der Gehalte an Zellwandbestandteilen, während die Proteinkonzentration sinkt (Tab.

2.1.4). Die Pflanze wird damit für das Tier schlechter verwertbar.

Tab. 2.1.4: Gehalte an Rohprotein und Zellwandbestandteilen (Hemicellulose, Cellulose, Lignin) mit zunehmender Reife von Weidelgras in g kg-1 TS (mod. nach MCDONALD et al. 1991)

Schnitt Datum Rohprotein Hemicellulose Cellulose Lignin

1 22. April 209 113 170 30

2 14. Juni 61 127 217 33

3 19. Juli 34 183 284 72

4 13. September 31 210 331 100

Anders verhält es sich, wenn das Gras im Laufe der Vegetationsperiode geschnitten wird. Der neue Aufwuchs kann eine fast ebenso hohe Rohproteinkonzentration enthalten, wie der

Abb. 2.1.2: Qualitätsveränderungen des Futters einer intensiv be-

wirtschafteten Wiese (aus DIERSCHKE u. BRIEMLE 2002, nach KÜHBAUCH et al. 1997)

vorherige. So fanden ISSELSTEIN et al. (2003) in einem Frühjahrsaufwuchs von Deutschem Weidelgras (Lolium perenne) 194 g Rohprotein kg-1 TS und im Sommeraufwuchs 178 g Rohprotein kg-1 TS.

VAN STRAALEN u. TAMMINGA (1990) zeigen einen weiteren Trend im Zusammenhang mit dem Rohprotein auf. Sie fanden eine positive Beziehung zwischen der Anzahl an Tagen, die seit dem 1. Mai vergangen sind, und der Menge an nicht abbaubarem Protein in der Pflanze. Dieser Fund spricht für einen frühen Schnitt. Zum gleichen Ergebnis kommen RINNE et al. (1997). Nach ihren Untersuchungen ist der Anstieg in der Fraktion A (NPN, s. Kap. 2.1.1) während der Silierung umso größer, je jünger (weniger reif) die Pflanze ist.

MCALLAN et al. (1994) untersuchten eine Anfang Juni und eine Ende Juni/Anfang Juli geschnittene Grassilage und fanden bei der nur knapp einen Monat früher geschnittenen Silage eine signifikant höhere Verdaulichkeit. Die Anfang Juni erzeugte Silage zeigte geringere Buttersäuregehalte und führte bei laktierenden Milchkühen zu größerer mikrobieller Proteinsynthese im Pansen, sowie zu stärkerer Anflutung von mikrobiellem Protein im Duodenum.

Im Hinblick auf die Pansenverdauung birgt ein jahreszeitlich früher Schnitt die Gefahr des Absinkens des Pansen-pH durch eine schnelle Fermentation. Die Faserverdauung wird beeinträchtigt und die pH-Werte können in kritische Bereiche von 6,2 bis 6,0 (gegenüber 6,4-6,6 Normalwert) absinken (HOOVER 1986). Der bei der Silagefütterung aus früh im Jahr geschnittenem Gras (28 g N kg-1 TS gegenüber 18,9 g N kg-1 TS bei spätem Schnitt) auftretende pH-Wert Abfall im Pansen ist laut MCALLAN et al. (1994) vergleichbar mit einer Erhöhung des Kraftfutteranteils in der Ration von drei auf neun kg pro Tag. Kraftfutter enthält große Mengen leichtlöslicher Kohlenhydrate und führt in größeren Mengen zu einer Übersäuerung des Pansens. Es kann infolgedessen zur Entstehung einer subklinischen oder gar klinischen Pansenacidose kommen. Die Auswirkungen bei der Wahl eines späteren Schnittzeitpunkts im Jahr sind in Tabelle 2.1.5 zusammengefasst.

Tab. 2.1.5: Veränderungen im Futterwert von Gras bei jahreszeitlich späterem Schnitt- zeitpunkt (≥ 2. Schnitt) im Vergleich zum 1. Schnitt

Parameter Veränderung Autor(en)

Rohprotein-Gehalt sinkt KÜNNEMANN u. HERRMANN 1967;

LYTTLETON 1973

Reineiweiß-Gehalt sinkt KIRCHGESSNER et al. 1960 Gehalt an

Gerüstsubstanzen

steigt SMITH 1972; HARRISON et al. 2003

Blattzahl sinkt BOWMAN u. LAW 1964

Buttersäuregehalt steigt MCALLAN et al. 1994

Verdaulichkeit sinkt THOMAS et al. 1981; VAN VUUREN et al. 1990

Proteinabbaubarkeit sinkt VAN STRAALEN u. TAMMINGA 1990;

RINNE et al. 1997b Mikrobielle

Proteinsynthese

sinkt MCALLAN et al. 1994

Anflutung von mikrobiellem N im Duodenum

sinkt MCALLAN et al. 1994

Angesichts der deutlich negativen Veränderungen in Bezug auf Proteingehalt und Verdaulichkeit des Grasschnitts, empfiehlt sich ein jahreszeitlich früher Schnitt (vorzugsweise 1. Schnitt) im Jahr.

Einfluss der Tageszeit

Für die Gewinnung des Grasschnitts ist nicht nur das Datum entscheidend, auch die Tageszeit spielt eine Rolle. Die meisten Ratschläge bezüglich des optimalen Termins orientieren sich am Gehalt der wasserlöslichen Kohlenhydrate (WSC). Ihre Konzentration ist ausschlaggebend für die Intensität der Milchsäuregärung, die zur Konservierung des Futters benötigt wird. Bevor auf den Einfluss der Tageszeit eingegangen wird, zunächst ein paar allgemeine Betrachtungen: Besonders in jungen eiweißreichen Grünfutterpflanzen reicht die

Menge an WSC oft nicht für eine ausreichende Milchsäurebildung und damit eine erfolgreiche Silierung aus (NEHRING 1972). Ideal sind 30 g WSC pro kg Siliergut-Frischmasse (WILKINSON et al. 1983). Ausgehend von einem TS-Gehalt von Wiesengras im Schossen (vor der Blüte) von 180 g TS/kg uS (KAMPHUES et al. 2009) liegt der erforderliche Wert an WSC bei 167 g kg-1 TS. Demnach verfügt das Deutsche Weidelgras mit 100-200 g kg-1 TS über eine ausreichende Menge an nicht strukturellen Kohlenhydraten (LEIBENSPERGER u. PITT 1988). Weitere Gräserspezies unserer Breiten wie Wiesen-schwingel (Festuca pratensis), Wiesen-Lieschgras (Phleum pratense) und Wiesen-Knaulgras (Dactylis glomerata) haben niedrigere WSC-Konzentrationen, wobei das Wiesen-Knaulgras am schlechtesten abschneidet (JONES 1970).

Im Tagesverlauf steigt die WSC-Konzentration an und erreicht in den späten Nachmittags- bis frühen Abendstunden ihr Maximum (HOLT u. HILST 1969; NEHRING 1972). Maximale Konzentrationen an WSC und nicht strukturellen Polysacchariden wurden für Luzerne und Gräser gegen 18:00 Uhr, minimale gegen 6:00 Uhr ermittelt (HOLT u. HILST 1969) was WAITE u. BOYD (1953) auf Veränderungen in der Saccharosekonzentration zurückführen.

Diese wird positiv von hoher Lichtintensität und niedrigen Temperaturen beeinflusst (DEINUM 1966). Das verwundert, weil die Temperaturkurve im Tagesverlauf üblicherweise ansteigt. Steigende Temperaturen führen zu einem Verlust an WSC; schon bei einem Anstieg um 15 °C sinkt der WSC-Gehalt bei Welschem Weidelgras (Lolium multiflorum) um rund 40 % (DEINUM 1981). In den Abendstunden, in denen die größten Gehalte an WSC vorliegen (s. o.), werden wieder geringere Temperaturen als zur Tagesmitte gemessen.

Für einen Schnitt zum Ende der Tageslichtperiode spricht auch der dann geringere pH-Wert im Vergleich zu den Morgenstunden. Gegen 8:30 morgens liegt der pH-Wert von Luzerne deutlich über pH 5,5; um 14:00 Uhr bei 4,87 (MELVIN 1965). Mithilfe der Milchsäurebildung im Silo soll der pH-Wert der Silage letztlich auf 4,2 bis 4,0 abgesenkt werden (s. Kap. 2.2.2). OWENS et al. (1999) unterstützen die Ergebnisse von MELVIN (1965). Sie schnitten Luzerne und Rotklee (Trifolium pratense L.) zu vier verschiedenen Tageszeiten (6:00, 10:00, 14:00 und 18:00 Uhr) und welkten das Pflanzenmaterial (auf 350 g TS kg-1) vor der Silierung an. Die Silage von 6:00 hatte den höchsten, die von 14:00 den niedrigsten pH-Wert. Die Differenz zwischen niedrigstem und höchstem pH-Wert lag in der Untersuchung von OWENS et al. (1999) mit angewelkter Silage bei 0,41; für die direkt

geschnittene Silage von MELVIN (1965) bei 0,63. MUCK et al. (2003) schließen daraus, dass der Schnittzeitpunkt bei angewelkten Silagen weniger stark ins Gewicht fällt. Gegen die Ernte am Abend sprechen die höheren Atmungsverluste (Abnahme der Konzentration an nicht strukturellen Kohlenhydraten), wenn das geschnittene Pflanzenmaterial vor Einbruch der ersten Nacht nur wenig trocknen konnte (MUCK et al. 2003).

Die Wahl eines späteren Schnittzeitpunkts am Tag führt zu den in Tabelle 2.1.6 zusammengefassten Auswirkungen. Veränderungen, die für einen späteren Schnittzeitpunkt sprechen, sind in Kursiv-Schrift dargestellt.

Tab. 2.1.6: Veränderungen im Futterwert von Gras bei tageszeitlich späterem Schnittzeitpunkt (14:00 und 18:00 vs. 6:00)

Parameter Schnittzeitpunkt mittags (14:00)

Schnittzeitpunkt abends (18:00)

Autor(en)

Gehalt an WSC steigt HOLT u. HILST 1969;

NEHRING 1972

pH-Wert sinkt1 MELVIN 1965; OWENS et

al. 1999b Atmungsverluste

(Gehalt an WSC) bei Liegezeit auf dem Feld

steigt MUCK et al. 2003

1 nur Daten für Luzerne und Rotklee

Die optimale Schnittzeit ist auch nach der in Tabelle 2.1.6 dargestellten Zusammenstellung der Veränderungen nicht leicht festzulegen. Zwar sprechen der höhere WSC-Gehalt des Abend- und der niedrigere pH-Wert des Nachmittagsschnitts gegenüber denen vom Morgen für eine Ernte nach dem Mittag. Jedoch könnte die ungenügende Trocknungsmöglichkeit des Schnittguts diese Vorteile ins Gegenteil verkehren (vgl. Kap. 2.2.2 und 2.2.3).

Anmerkung zur Schnittfrequenz

Neben der Wahl des geeigneten Schnittzeitpunkts gilt es auch, sich über die Häufigkeit des Schneidens Gedanken zu machen. Denn um die wirtschaftliche Nutzung des Graslandes sicher zu stellen, sind i.d.R. drei bis vier Schnitte, mit den bereits genannten Vor- und Nachteilen (1. Schnitt vs. Folgeschnitte), erforderlich. Dabei ist die Zeitspanne zwischen den Schnitten von Bedeutung. Wählt man zu lange Schnittintervalle, nimmt die Pflanzenreife auf Kosten der Verdaulichkeit zu. Dagegen führen zu kurze Intervalle zwischen den Schnitten zu einer Abnahme des Hektarertrags (HARRISON et al. 2003). Eine Empfehlung für die richtige Vorgehensweise wird nur aufgrund der futtermittelanalytischen Ergebnisse des entsprechenden Aufwuchses sowie der witterungs- und betriebsbedingten Voraussetzungen möglich sein. In jedem Fall muss das Siliergut sorgfältig geworben werden, um Blattverluste zu vermeiden und dadurch den Blatt-Stamm-Quotient günstig zu halten (Auswirkungen auf die Rohproteinkonzentration, s. Kap. 2.1.2.; MUCK et al. 2003). Selbstverständlich müssen Verunreinigungen vermieden werden (vgl. Kap. 2.2.3).

2.2. Silageherstellung