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Ursprung der unterschiedlichen Aktivität von [OMIM]Cl und [OMIM]BF 4

5.2 Epoxidierung unter Verwendung von anorganischen Perrhenatsalzen und

5.2.3 Katalytische Aktivität mit verschiedenen ionischen Flüssigkeiten als Tenside

5.2.3.6 Ursprung der unterschiedlichen Aktivität von [OMIM]Cl und [OMIM]BF 4

Die Ergebnisse aus den vorangegangenen Kapiteln legen nahe, dass das Anion nicht nur die Rolle des Ladungsausgleichs übernimmt, sondern darüber hinaus das Reaktionsgeschehen auf molekularer Ebe-ne beeinflusst. Dies soll im Folgenden anhand der ILs [OMIM]BF4 und [OMIM]Cl verdeutlicht wer-den.

Bisher wurden die Ergebnisse unter der Annahme interpretiert, dass die Tensid-ILs in der wässrigen Phase – ähnlich wie für nichtionische Tenside – undissoziiert vorliegen. Es ist jedoch allgemein be-kannt, dass sich bei ionischen Tensiden ein Gleichgewicht zwischen Gegenionen, die an der Mizell-oberfläche adsorbiert sind, und freien (in der wässrigen Pseudophase gelösten) Gegenionen ausbildet.

Dementsprechend kann ein Anionenaustausch an der Mizelloberfläche stattfinden, wenn verschiedene Anionen in der wässrigen Phase vorhanden sind [87, 130]. Dies wird durch das Pseudophasen-Ionenaustausch-Modell (PIE) beschrieben und kann vereinfachend wie in Gleichung (R-5.5) darge-stellt werden:

(R-5.5) Für die Epoxidierungsreaktion ist zu erwarten, dass sich dieses Gleichgewicht sehr schnell schon zu Beginn der Reaktion und unabhängig von den eingesetzten Salzen einstellt. Aus diesem Grund wurden mehrere Kreuzexperimente durchgeführt, bei denen entweder [OMIM]X (mit X = BF4-, Cl-) mit KReO4 oder [OMIM]ReO4 mit KX in äquimolaren Mengen eingesetzt wurde. Die Ergebnisse können Abbildung 5.43 entnommen werden, wobei zum Vergleich die Ergebnisse nur mit [OMIM]ReO4

(ohne Zugabe von KX) aufgeführt sind. Wie nach dem PIE-Modell (Gl. (R-5.5)) zu erwarten, hängt die Reaktivität des Katalysatorsystems in der Tat lediglich von der Art der eingesetzten Ionen in wässriger H2O2-Lösung und nicht von den eingesetzten Salzen ab, d. h. die Salze dissoziieren in Lösung und die Herkunft der Ionen ist somit für die Reaktivität irrelevant. Das ist als Beleg dafür anzusehen, dass sich die katalytisch aktive mizellare Spezies in situ ausbildet.

Bemerkenswert ist, dass die IL [OMIM]ReO4 mit und ohne Zugabe von KCl gleichermaßen aktiv ist (Abbildung 5.43 (B)). Die Ionenstärke, die als möglicher Grund für die Aktivitätssteigerung in Kapitel 5.2.1 angeführt wurde, hängt aber nur von der Valenz (Ladung) und nicht von der Art der Ionen ab, d. h. sie ist bei Verwendung von Cl- und BF4- gleich. Aus dem Vergleich der Experimente mit Cl- bzw. BF4- folgt demnach, dass die Steigerung der Ionenstärke nicht der Grund für die Aktivitätssteigerung sein kann. Zudem lassen sich die Ergebnisse in Abbildung 5.43 (B) auch dahingehend interpretieren, dass KPIE in Gl. (R-5.5) für Cl- einen Wert deutlich größer als 1 annimmt, d. h. die Perrhenatanionen haben eine größere Affinität zur Mizelloberfläche und verdrängen so die Chloridionen in die wässrige Pseudophase. Im Gegensatz dazu sollte für BF4- der Wert von KPIE gleich oder kleiner als 1 sein, da anderenfalls die Zugabe von BF4- zur Perrhenat-IL den gleichen Effekt haben müsste wie die Zugabe von Cl-. Dies ist schematisch in Abbildung 5.44 verdeutlicht. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass BF4- wenigstens teilweise ReO4- von der Mizelloberfläche

[OMIM]X KReO4 (aq) [OMIM]ReO4 KX (aq) KPIE

verdrängt, was offensichtlich zu einer höheren Aktivität führt. Auf der Grundlage dieser Experimente wird aber nicht klar, ob diese Aktivitätssteigerung auf eine größere Mobilität der Perrhenatanionen zwischen der wässrigen und mizellaren Pseudophase zurückzuführen ist oder auf eine günstige Wechselwirkung (cokatalytischen Effekt) zwischen Perrhenat und Tetrafluoroborat an der Mizelloberfläche.

Abbildung 5.43: Kreuzexperimente mit [OMIM]BF4/KReO4 und [OMIM]ReO4/KBF4 (A) bzw.

[OMIM]Cl/KReO4 und [OMIM]ReO4/KCl (B) im Vergleich zur Messung mit [OMIM]ReO4 ohne zusätzliche Salzzugabe bei Referenzbedingungen (vgl.

Kapitel 4.1.2).

Aus diesem Grund wurde zusätzlich der Einfluss des Stoffmengenverhältnisses BF4-:ReO4- untersucht.

Um bei einer konstanten Konzentration des Tensidkations [OMIM]+ und somit der Mizellen zu arbei-ten und gleichzeitig die Katalysatorkonzentration konstant zu halarbei-ten, wurde die Menge an KBF4 zum Referenzversuch mit [OMIM]ReO4 variiert (Abbildung 5.44). Die Ergebnisse zeigen, dass die Reakti-onsrate sowohl oberhalb als auch unterhalb der Äquivalenzkonzentration über einen weiten Bereich keine Änderung erfährt. Erst bei geringen Konzentrationen an BF4- nimmt die Aktivität deutlich ab. Im Falle eines stöchiometrischen cokatalytischen Effekts zwischen Perrhenat und Tetrafluoroborat würde man aber einen Rückgang der Rate bereits wenig unterhalb der Äquivalenzkonzentration, d. h. bei einem Stoffmengenverhältnis von 1:1, erwarten. Es liegt daher der Schluss nahe, dass die Aktivitäts-steigerung durch eine größere Mobilität der Perrhenatanionen zustandekommt, indem die BF4--Anionen für den Ladungsausgleich an der Mizellgrenzfläche sorgen. Da bei kationischen Tensi-den der Dissoziationsgrad der negativ gelaTensi-denen Gegenionen von der Mizelloberfläche typischerweise zwischen 0 und 0,5 liegt und somit die Mizelloberfläche in wässriger Lösung nur zu einem Teil mit Gegenionen „abgesättigt“ ist, tritt der Rückgang der Reaktionsrate erst deutlich unterhalb der Äquiva-lenzkonzentration auf.

Abbildung 5.44: Variation des Stoffmengenverhältnis von KBF4 und [OMIM]ReO4 bei Referenz-bedingungen (vgl. Kapitel 4.1.2) und Schema zur Veranschaulichung des Ionenaustauschs an der Mizelloberfläche.

Die geringere Aktivität des chloridhaltigen Katalysatorsystems kann mit einer Inhibierung der Reakti-on durch Cl--Ionen erklärt werden. Dies wurde u. a. von Sato et al. bei wolframatkatalysierten Epoxi-dierungen beobachtet [180]. Tatsächlich führt die Zugabe von Cl--Ionen zum Katalysator [OMIM]BF4/KReO4 zu einer Abnahme der Reaktionsgeschwindigkeit, wie Abbildung 5.45 (A) zeigt.

Dies ist nicht durch das oben diskutierte Dissoziationsverhalten von Chlorid zu erklären, da sonst kei-ne Veränderung der Reaktionsrate zu erwarten ist, sondern weist auf eikei-ne Hemmung durch Cl- hin.

Diese Hemmung bestätigt sich auch, wenn man die Konzentration von [OMIM]Cl bei konstanter Kon-zentration an ReO4- variiert (Abbildung 5.45 (B)): Gibt man kleine Mengen an Tensid-IL zum Reakti-onsansatz, der nur NaReO4 und keine Tensid-IL enthält, so geht die Reaktionsrate gegenüber dem IL-freien System zunächst sogar zurück, d. h. die Chloridionen inhibieren die Reaktion in der wässrigen Phase. Bei weiterer Zugabe an [OMIM]Cl steigt die Reaktionsrate sprungartig an, was auf die Bildung von Mizellen und auf das Überschreiten der CMC hinweist. In diesem Bereich liegt die Reaktionsrate sogar über der Rate der IL [OMIM]ReO4. Dies liegt vermutlich an der etwa doppelt so hohen Kon-zentration an ReO4- (0,33 mol L-1), die in den Versuchen mit [OMIM]Cl konstant gehalten wurde und somit deutlich höher ist als in den Versuchen mit [OMIM]ReO4. Die Mizellbildung und die höhere Perrhenatkonzentration überkompensiert also in diesem Konzentrationsbereich die Inhibierung durch die Cl--Ionen. Eine weitere Erhöhung der Konzentration an [OMIM]Cl führt allerdings nicht mehr zu einer nennenswerten Erhöhung der Reaktionsrate. Dies deutet darauf hin, dass die Inhibierung durch Chlorid hier aufgrund der steigenden Cl--Konzentration wieder an Bedeutung gewinnt, sodass die Re-aktionsrate schließlich bei Erreichen der Äquivalenzkonzentration sogar abnimmt, während sie im Falle von [OMIM]ReO4 weiter steigt.

0 1 2

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Reaktionsrate r 0 in mol L-1 h-1

Stoffmengenverhältnis n

KBF4/n

[OMIM]ReO4

[OMIM]BF4/KReO4

[OMIM]ReO4/KBF4 +

ReO4

-ReO4 -ReO4

-ReO4 -ReO4

-ReO4

-ReO4 -ReO4 -BF4

-Cl

-Abbildung 5.45: A: Inhibierung der Epoxidierung in Gegenwart von Cl- bei Referenzbedingungen (vgl. Kapitel 4.1.2). B: Variation der Konzentration von [OMIM]Cl bei konstanter Konzentration an ReO4-. Die Konzentrationsvariation mit [OMIM]ReO4 (offene Symbole, vgl. Kapitel 5.1.2) ist zum Vergleich ebenfalls gezeigt.