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Die Entwicklung boviner IVP-Embryonen wird stark durch die Bedingungen während der Oozytenreifung, Fertilisation und Embryonenkultur beeinflusst. Es konnte gezeigt werden, dass die Oozytenqualität den Hauptfaktor für die Entwicklung der ungereiften Eizelle zur Blastozyste darstellt (RIZOS et al. 2002b). Dagegen wird die Qualität der resultierenden Embryonen, gemessen an der Kryotoleranz und der rela-tiven Menge spezifischer Gentranskripte, hauptsächlich durch die Kulturbedingungen nach der Fertilisation bestimmt (RIZOS et al. 2002b, 2003, Tabelle 1). Obwohl die Medien zur In-vitro-Kultur immer weiter verbessert wurden, zeigen in vitro produzierte Embryonen nach wie vor Abweichungen im Vergleich zu in vivo gewonnenen Emb-ryonen. Das zeigt sich sowohl auf morphologischer und biochemischer, aber auch auf molekularer Ebene. IVP-Embryonen zeigen eine erhöhte Sensitivität gegenüber der Kryokonservierung (POLLARD u. LEIBO 1994) und besitzen ein dunkleres und erhöhtes Zytoplasmavolumen, sowie einen erhöhten Lipidgehalt (CROSIER et al.

2000). Zudem können bei einem Vergleich mit präimplantatorischen In-vivo-Embryonen Unterschiede im Energiemetabolismus nachgewiesen werden (KHURANA u. NIEMANN 2000b). Ebenso wird über ein erhöhtes Auftreten von chromosomalen Aberrationen berichtet (VIUFF et al. 1999). Darüber hinaus gibt es Abweichungen im mRNA-Expressionsmuster entwicklungsrelevanter Gene (NIE-MANN u. WRENZYCKI 2000; RIZOS et al. 2002a, 2003; WRENZYCKI et al. 2005b).

Wie bereits vorher erwähnt, beschrieben LONERGAN et al. 2001 den positiven Ein-fluss der In-vivo-Kultur im ligierten Schafeileiter auf die Blastozystenqualität von Embryonen aus In-vitro-Reifung und In-vitro-Fertilisation. Sie konnten zeigen, dass

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die Embryonen aus dem Schafeileiter eine signifikant höhere Kryotoleranz, gemes-sen an der Überlebens- und Schlupfrate nach dem Auftauen, als die Embryonen aus der In-vitro-Kultur besaßen (LONERGAN et al. 2001).

Unterschiede zeigten sich aber auch bei den aus IVP-Embryonen resultierenden Kälbern im Vergleich zu Kälbern aus in vivo gewonnenen Embryonen. Diese Auffäl-ligkeiten werden unter dem Begriff „Phänomen der übergroßen Kälber“ („large offspring syndrome“, LOS) zusammengefasst (WALKER et al. 1996; YOUNG et al.

1998; FARIN et al. 2006). Neben der charakteristischen Übergröße und den vergrö-ßerten Organen treten Abweichungen in Form von erhöhten pränatalen Verlusten, Schwergeburten, verlängerten Trächtigkeiten, Atemproblemen, Saugschwierigkeiten, Eihautwassersucht sowie plötzlichem perinatalen Tod auf. Die Kälber weisen außer-dem häufiger einen veränderten Energiestoffwechsel auf (LAZZARI et al. 2002;

WRENZYCKI et al. 2004, 2005a).

All die oben aufgeführten Qualitätskriterien lassen allerdings keine wirklich objektive Beurteilung der Embryonenqualität zu. Somit könnte mit Hilfe des Expressionsmus-ters entwicklungsrelevanter Gene die Qualität von Embryonen aus IVP objektiver und besser evaluiert werden. Unterschiede in den mRNA-Expressionsmustern diverser Gene zwischen IVP und in vivo erzeugten Embryonen sind in zahlreichen Studien bereits aufgeführt worden, wobei das Expressionsmuster der in vivo erzeugten Emb-ryonen als physiologischer Standard gilt (NIEMANN et al. 2002; LONERGAN et al.

2003a/b; GUTIERREZ-ADAN et al. 2004; WRENZYCKI et al. 2005a; CORCORAN et al. 2006; TVEDEN-NYBORG et al. 2007). Änderungen in diesem physiologischen Genexpressionsmuster können als ein Versuch des Embryos angesehen werden, suboptimale Kulturbedingungen zu kompensieren (LAZZARI et al. 2002).

Untersuchungen auf der Transkriptionsebene präimplantatorischer Säugetieremb-ryonen können ebenfalls wertvolle Hinweise auf den physiologischen Status und da-mit die Überlebensfähigkeit und Entwicklungskompetenz der untersuchten Embryo-nen liefern. Weiterhin ist es auf diese Weise möglich, eiEmbryo-nen wissenschaftlichen Ein-blick in die Regulation der Expression zahlreicher Gene während der frühen Embry-onalentwicklung zu erhalten. Zu diesem Zwecke wurden Gendatenbanken

erschaf-fen. Die Genexpressionen von 60 Genen in bovinen IVP-Blastozysten, Blastozysten aus sNT (somatic nuclear transfer) und in vivo gewonnenen Blastozysten wurde un-tersucht. Es konnte gezeigt werden, dass sich sowohl Blastozysten aus der IVP wie auch Blastozysten aus sNT im Expressionsmuster verschiedenen Genen zu denen reiner in vivo Blastozysten unterschieden (LONG et al. 2007, MC HUGHES et al.

2009). KUES et al. analysierten 2008 erstmals beim Rind das gesamteTranskriptom in der frühen Entwicklungsphase von der Oozyte bis zur Blastozyste mit Hilfe des Affymetrix GeneChip Bovine Genomic Array. Dieser Chip analysiert etwa 23.000 Transkripte. Diese Studie zeigt erstmals eine zusammenfassende Analyse des Gen-expressionsprofils und der transkriptionellen Dynamik in der In-vivo-Präimplantationsphase und kann damit als eine Basis zur Verbesserung assistierter Reproduktionstechniken dienen (KUES et al. 2008).

Während der präimplantatorischen Embryonalentwicklung geschehen eine Reihe von Änderungen in der Genexpression, zum Beispiel im Verlauf der ersten Teilungen, der Aktivierung des embryonalen Genoms, der Kompaktierung zur Morula und Blastozystenbildung mit Ausbildung der inneren Zellmasse (ICM) und des Trophektoderms (TE; KIDDER 1992). Sowohl mütterliche mRNA und Proteine, wel-che während der Oogenese synthetisiert und akkumuliert wurden und zur frühen Entwicklung beitragen (TELFORD et al. 1990), als auch väterliche mRNA, welche während der Befruchtung in die Eizelle gelangen, spielen dabei eine wichtige Rolle (OSTERMEIER et al. 2004). Der präimplantatorische Rinderembryo ist zunächst un-ter der Kontrolle maun-ternaler genomischer Informationen. Anschließend ist die Ent-wicklung von neuen Genprodukten abhängig, die vom embryonalen Genom nach dessen Aktivierung produziert werden (WRENZYCKI et al. 2007, Abb. 3). In der Pha-se des Übergangs von der maternalen auf die embryonale Expression (MET, siehe Abb. 3) ist der Embryo besonders anfällig gegenüber externen Faktoren (DEAN et al.

2001). Die Hauptaktivierung (major activation) des bovinen embryonalen Genoms erfolgt im 8- bis 16-Zell-Stadium (TELFORD et al. 1990), wohingegen die minor activation („kleine“ Aktivierung) schon in der Zygote beobachtet werden kann (MEMILI u. FIRST 2000). Die meisten Gene werden zeit- und stadienabhängig, dem

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allgemeinen maternalen und/oder embryonalen Expressionsmuster folgend, transkri-biert (NIEMANN u. WRENZYCKI 2000).

Abbildung 3: Transkriptionsverläufe während der frühen Embryonalentwicklung beim Rind (Wrenzycki et al. 2007)

Die In-vitro-Umgebung hat einen großen Einfluss auf die mRNA-Expressionsmuster in präimplantatorischen Rinderembryonen. Inadäquate Kulturbedingungen beeinflus-sen nachteilig die Embryonenqualität (NIEMANN u. WRENZYCKI 2000; LAZZARI et al. 2002; LONERGAN et al. 2003; WRENZYCKI et al. 2005; CORCORAN et al.

2007; TVEDEN-NYBORG et al. 2008) und sind korreliert mit signifikanter Hoch- oder Herunterregulierung, De-novo-Induktion oder Stilllegung von Genen, die für die un-gestörte Embryonal-, Fetal- und Neonatalentwicklung verantwortlich sein können (siehe Tabelle 2). Auffällige Abweichungen können zu abnormalen Entwicklungen, die wie bereits weiter oben beschrieben, unter dem Begriff des LOS zusammenge-fasst werden und zum embryonalen oder fetalen Tod führen (WRENZYCKI et al.

2005a, FARIN et al. 2006).