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2.2 Generierung von Embryonalstadien beim Rind

2.2.3 In-vivo-Kultur in vitro produzierter Embryonen

Gerade um neue Wege zum Verständnis der embryo-maternalen Kommunikation aufzeigen zu können, ist es unumgänglich, In-vitro-Methoden mit den physiologi-schen Abläufen im Eileiter zu kombinieren. Im Gegensatz zur vollständigen Embryo-nalentwicklung im Tier bietet die In-vitro-Produktion von Embryonen einen guten Ein-blick für wissenschaftliche Fragestellungen, da eine große Anzahl weiblicher Keim-zellen genutzt werden kann. Dennoch liegen IVP-Embryonen durch ihre geringere Qualität hinter den Embryonen zurück, deren Entwicklung vollständig im Tier abläuft.

In vivo gewonnene Embryonen besitzen gute qualitative Eigenschaften, dennoch ist deren Gewinnung erheblich eingeschränkt. So reagieren nur 1/3 aller synchronisier-ten und superovuliersynchronisier-ten Tiere adäquat auf die Hormonstimulation. Unterschiede zwi-schen in vitro produzierten Embryonen und in vivo gewonnenen Embryonen (Tabelle 1) sind also nach wie vor deutlich (FARIN und FARIN, 1995; THOMPSON 1997;

HOLM et al., 2002).

Da sich diese markanten Unterschiede meist auf Vergleichsstudien von Embryonen aus reiner In-vitro-Produktion mit denen, die sich vollständig im Tier entwickelt ha-ben, beziehen, wurden in vitro produzierte Embryonen in Eileiter von Zwischenemp-fängern übertragen und dort kultiviert, um das Entwicklungspotential des Ovidukts zu

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nutzen und die Zeitspanne in einer künstlichen Umgebung und damit den möglichen negativen Einfluss der In-vitro-Kultur auf die Embryonalentwicklung so gering wie möglich zu halten.

Tabelle 1: Unterschiede zwischen in vitro und in vivo erzeugten Embryonen In vivo

ICM-Zellen (Blastozyste) 40 weniger

Gefriertauglichkeit gut geringer

Temperaturempfindlichkeit gering hoch

Trächtigkeitsraten 55-65% 40-60%

höhere fetale Verluste im letz-ten Drittel der

Trächtigkeit nach Transfer von IVP-Embryonen

Metabolismus ATP-, O2-, Glukose- und Pyruvataufnahme

ungestört niedrigere Aufnahmen in IVP-Embryonen

ungestört erhöht, ähnlich, erniedrigt

Als Zwischenempfänger sind sowohl heterologe als auch homologe Spezies verwen-det worden. Im Jahr 1955 wurde in einer Studie erstmalig aufgezeigt, dass sich be-fruchtete Schafeizellen in den Eileitern von pseudograviden Kaninchen normal entwi-ckeln können (AVERILL et al. 1955). Seit dieser Zeit gab es Reihe von Veröffentli-chungen über die Entwicklungsfähigkeit verschiedener fertilisierter Säugtiereizellen zu präimplantatorischen Embryonen im Ovidukt des Kaninchens (BOLAND 1984).

Der Zugang zu den Eileitern der Tiere erfolgte chirurgisch durch einen Einschnitt in der Linea alba (SIRARD u. LAMBERT 1986) oder laparoskopisch (BESENFELDER et al. 1998). Über den Eileitertrichter wurden die Embryonen in die Eileiterampulle transferiert. Die In-vivo-Kultur im Kaninchen fand im ligierten Ovidukt statt, um Emb-ryoverluste via Uterus und Cervix zu vermeiden. In einer Arbeit im Jahr 1986 wurde aufgezeigt, dass die In-vivo-Kultur im Kanincheneileiter bovinen Embryonen bessere physiologische Konditionen bietet als die reine In-vitro-Kultur der Embryonen (SIRARD u. LAMBERT 1986). Es konnten Trächtigkeiten mit Geburten gesunder Kälber nach Embryotransfer der im Kanincheneileiter zwischenkultivierten Embryo-nen erzeugt werden.

Eine weitere Möglichkeit, eine temporäre In-vivo-Kultur bei einer heterologen Spezies durchzuführen, bietet der Eileiter des Schafes. LU et al. konnten in ihrer 1988 veröf-fentlichen Arbeit Entwicklungsraten (zur Morula/Blastozyste) von 60 % für Embryo-nen, die in vitro gereift, in vitro fertilisiert und anschließend im Schafeileiter zwi-schenkultiviert wurden, aufzeigen. In einer weiteren Studie wurden 668 befruchtete bovinen Eizellen in ligierte Schafeileiter transferiert. Der Zeitpunkt des Transfers der befruchteten Oozyten war auf den Ovulationszeitpunkt der Tiere terminiert. Nach 6-tägiger Eileiterkultur konnten 63% der übertragenen Stadien wiedergefunden wer-den, 46% erreichten das Morula bzw. Blastozystenstadium (LU et al. 1988). Die Verwendung von IVF-generierten Embryonen, die im ligierten Schafeileiter zwi-schenkultiviert wurden, ist mittlerweile als Standardmethode etabliert und sowohl in wissenschaftlichen (LAZZARI et al. 2002; LONERGAN et al. 2003b) als auch in um-fangreichen praktischen Bereichen (GALLI et al. 2003) angewendet worden. Der ho-he Aufwand dieser Produktionsmethode wird in Kauf genommen, da die Embryonen aus der Zwischenkultur im Schafovidukt ein höheres Entwicklungspotential besitzen.

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Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass in vitro produzierte Zygoten nach einer In-vivo-Kultur im Schafeileiter eine deutlich verbesserte Qualität aufwiesen. Qualitäts-merkmale waren Kryotoleranz und Genexpressionsmuster der Embryonen. Die Er-gebnisse für die Eileiterkultur-Blastozysten waren vergleichbar mit denen von Blastozysten aus reiner In-vivo-Kultur. Blastozysten aus der IVP wiesen eine niedrige Kryotoleranz im Gegensatz zu denen aus den anderen Gruppen auf (ENRIGHT et al.

2000; RIZOS et al. 2002a; LONERGAN et al. 2003a). Desweiteren wurde auf Gen-expressionsebene (Tabelle 2) festgestellt, dass Blastozysten aus der temporären In-vivo-Kultur in vitro produzierter Embryonen, die aus dem Tier gewonnen wurden, ei-ne niedrigere Expression zum Beispiel für Geei-ne wie BAX (Apoptose) oder SOX (Stress) zeigten als Blastozysten aus einer reinen In-vitro-Kultur (LAZZARI et al.

2002; RIZOS et al. 2002b; LONERGAN et al. 2003b; GUTIERREZ-ADAN et al.

2004).

Tabelle 2: MessengerRNA-Expressionsmuster in Blastozysten unterschiedlicher Her-kunft und in Relation zu anderen Qualitätsparametern (Wrenzycki 2007, modifiziert) Qualitätsmarker/Herkunft Transkripthäufigkeit

(Anstieg↑ oder Abfall↓) Referenzen

Respiration SLC2A1↑, G6PD↑ LOPES et al. 2007

Qualität der sNT-Blastozysten GAPDH↓, Tubulin↓, DNMT↓, GATA6↓,

IFITM3↓ SMITH et al. 2007

Geburtsgewicht (indirekt) SLC2A3↑ LAZZARI et al.

2002

Kryokonservierung Survivin↑, FAS↑, Kaspase-3↑, HSP↑ PARK et al. 2006

Trächtigkeitsrate nach Transfer COX2↑, CDX2↑, ALOX15↑, BMP15↑ ,

in vitro-kultivierte Blastozysten SCL2A3↓, SLC2A4↓, SLC2A8↓ KNIJN et al. 2005

SOF supplementiert mit Hyaluronan BAX↓, SOX↓, IGF2↑, Ecad↓ PALASZ et al.

2008

Verwendung gesexten Spermas

in der IVF SLC2A3↓, G6PD↓ , Xist MORTON et al.

2007

Sauerstoffbedingungen während

der Post-Kompaktierungskultur Myotrophin↓, APC1↓ HARVEY et al.

2007

In vivo- vs. IVP- vs. in vivo-kultivierte

Blastozysten FOXO3a↓, REA↓, HMG2↓, GNBL2↓,

EEF1G↓

CORCORAN et al.

2007

Kultur im isolierten Mäuseeileiter

SLC2A1↓↑, Na/K↓, Cx43↓↑, Oct4↑

,SOX↓↑, Sur↓↑ RIZOS et al. 2007

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Aufgrund der Notwendigkeit, präimplantative Entwicklungsstudien auch beim Rind durchführen zu können, wurden bei dieser Spezies bislang die verschiedensten ope-rativen Eingriffe beschrieben, um IVP-Rinderembryonen in den Eileiter der homolo-gen Spezies transferieren zu können. Die Operationen fanden teils sogar in Vollnar-kose statt. Es wurde durch einen ventralen Schnitt die Bauchhöhle eröffnet und ein Katheter in der Eileiterampulle verankert. Das andere Ende des Schlauches wurde via Uterus und Vagina nach außen gelegt und am Schwanz fixiert. Zygoten und Embryonen im 2-Zell-Stadium wurden über den Katheter in das Ovidukt übertragen.

Nach fünftägiger Kultur erfolgte die Rückgewinnung der Stadien durch eine nichtchi-rurgische Spülung bzw. nach Schlachtung der Tiere mit anschließender Spülung der entnommenen Reproduktionsorgane. Die Wiederfindung- und Entwicklungsraten bei dieser Methode waren allerdings sehr gering. Lediglich ein Embryo hatte sich bis zum Morulastadium weiterentwickelt. Jedoch glich diese Morula in Färbung, Größe und Kompaktierung den In-vivo-Morulae (SCHMIDT et al. 1997).

FAYRER-HOSKEN et al. transferierten im Jahr 1989 in vitro gereifte und befruchtete Rinderembryonen laparoskopisch in die Eileiter von fünf Färsen. Die Tiere waren zyklussynchron zu den zu übertragenden Stadien. Der endoskopische Zugang zur Bauchhöhle erfolgte über die rechte Flanke der Rinder. Ein Teflonschlauch mit ange-schlossenem Tomcat-Katheter wurde in die Bauchhöhle vorgeschoben. Der Katheter war mit 2-5 Embyonen im Zweizellstadium beladen und wurde unter endoskopischer Kontrolle 2,5-5cm in die Eileiterampulle eingeführt, dort erfolgte das Absetzen der Embryonen. Eines der Empfängertiere brachte ein gesundes Kalb auf die Welt (FAYRER-HOSKEN et al. 1989).

Im Jahr 1993 wurde erstmalig beim Kaninchen ein Routineeingriff für den Transfer von Embryonen in den Eileiter unter laparoskopischen Bedingungen beschrieben (BESENFELDER u. BREM 1993). Aufgrund dieser Ergebnisse wurde dieser Zugang ebenfalls beim Rind dargestellt, um einen tubalen Anschluss der Embryonalentwick-lung sowohl für wissenschaftliche als auch praktische Ansätze zu schaffen (BESEN-FELDER u. BREM 1998). Bei dieser Methode wurde der Zugang zu den inneren Ge-schlechtsorganen mittels transvaginaler Endoskopie geschaffen. Ein Universalschaft

mit eingelegtem, stumpfen Obturator wurde vaginal eingeführt, bis vor die Cervix ge-schoben und dorsal in der Fornix vaginae fixiert. Im Anschluss erfolgte die Durchsto-ßung des Vaginaldachs mittels eines perforierenden Trokars. Ein Arbeitsschaft mit eingelegtem Endoskop wurde anschließend in den Universalschaft eingeführt. Im Arbeitskanal befindet sich ein Schlauch mit angeschlossener Embryotransferkapillare aus Glas. Diese hirtenstabartig gebogene, mit IVP-Embryonen befüllte Kapillare wur-de dann unter endoskopischer Kontrolle in wur-den Eileitertrichter eingefäwur-delt und bis in die Ampulle vorgeschoben. In der Eileiterampulle sind die Embryonen abgesetzt worden (BESENFELDER u. BREM 1998; HAVLICEK et al. 2005a/b; BESENFELDER et al. 2009). Die Rückgewinnung der Embryonen erfolgte entweder durch eine unblu-tige Uterusspülung (wie in Kapitel 2.2.2 beschrieben) oder durch eine kombinierte, endoskopische Eileiter-/Uterusspülung. Die Wiederfindungsrate wird durch die Rückgewinnungsmethode stark beeinflusst. Eine endoskopische, kombinierte Spü-lung von Uterus und Eileiter führte zu einer Steigerung der Wiederfindungsrate um das doppelte (HAVLICEK et al. 2005a/b; BESENFELDER et al. 2010).

Es wurden in diesen Studien sowohl verschiedene Embryonalstadien (auch Game-ten) übertragen als auch verschiedene Einbettungsmedien verwendet, um die Wiederfindungs- und Entwicklungsraten zu steigern (WETSCHER et al. 2005a/b).

Die Einbettungsmedien (Alginat, Hyaluronsäure) sollten einen zu schnellen Abtrans-port bzw. Rückfluss der in den Eileiter übertragenen Stadien verhindern.

Wie erfolgreich gezeigt werden konnte, ermöglicht dieser minimal-invasive, endosko-pische Zugang durch das Scheidendach zum Rinderovidukt den frühzeitigen Trans-fer von Embryonen in den Eileiter, um sowohl Trächtigkeiten zu erzeugen als auch den Rindereileiter zur In-vivo-Kultur von Embryonen zu nutzen. Mit dieser Methode konnte ebenfalls erstmals gezeigt werden, dass durch Spülung der bovinen Eileiter nach Superovulation und künstlicher Besamung (KB) frühe Embryonalstadien (Zygo-ten bis 16 Zeller) beim Rind mit anderen Methoden als durch Schlachtung oder chi-rurgische Maßnahmen gewonnen werden können (BESENFELDER et al. 2001;

HAVLICEK et al. 2009; BESENFELDER et al. 2010).

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Studien von RIZOS et al. befassten sich mit einer Organkultur boviner, in vitro er-zeugter Zygoten im isolierten Eileiter von Mäusen (isolated mouse oviduct, IMO). Bei diesen Untersuchungen sollte besonders die Entwicklungsfähigkeit der Embryonen im IMO und die Qualität der daraus entstandenen Blastozysten untersucht werden.

Wie bereits oben beschrieben, kann das Entwicklungspotential des Eileiters (sowohl im Trans-Spezies-Transfer als auch beim Transfer bei der homologen Spezies) dazu beitragen, qualitativ hochwertige Blastozysten zu erzeugen. Trotzdem gibt es einige Nachteile, lebende Tiere als Zwischenempfänger zu nutzen. Zu erwähnen wären die Tieranschaffungs- und Tierhaltungskosten, Tierschutzaspekte und der hohe techni-sche und personelle Aufwand für die Transfers.

In vitro produzierte, bovine Zygoten wurden in die Ampullen von vorher frisch ent-nommenen Mäuseeileitern transferiert und diese dann in zwei verschiedenen Medien (SOF, KSOM) kultiviert. Gleichzeitig fand eine IVC einer Kontrollgruppe in den bei-den Medien statt. Die Kultur der Zygoten im IMO brachte im Vergleich zur Kontroll-gruppe keine höheren Entwicklungsraten hervor. Qualitativ unterschieden sich die gewonnenen Blastozysten jedoch. Es konnte mittels RT-qPCR aufgezeigt werden, dass Genexpressionsmuster qualitätsassozierter Transkripte aus Embryonen dieser Organkultur denen ähneln die rein in vivo generiert bzw. im Schafeileiter zwischen-kultiviert wurden. Die Blastozysten aus der In-vitro-Kultur-Vergleichsgruppe wiesen hingegen ein verändertes Expressionsmuster auf (RIZOS et al. 2007).

Da in verschiedenen Tiermodellen eine bessere Embyronenqualität nach In-vivo-Kultur im Eileiter nachgewiesen werden konnte, vergleichbare Studien für den hu-manmedizinischen Bereich allerdings nicht existieren, entwickelten Wissenschaftler 2009 erstmals ein In-vivo-Kultursystem für den Menschen. Für dieses In-Uteri-Culture-System (IUCS) wurde eine perforierte Siliconröhre mit Zygoten/Embryonen, erstellt durch ICSI (intracytoplasmic sperm injection), beladen und via Scheide in den Uterus von Frauen eingeführt, für einige Tage kultiviert. Die daraus gewonnenen Embryonen wurden dann mit Embryonen aus einer In-vitro-Produktion verglichen.

Die Mikroperforation der Siliconröhre erlaubt eine Kommunikation zwischen Embryo-nen und Endometrium bzw. zwischen EmbryoEmbryo-nen und den Uterussekreten. Es

konn-ten Embryonen guter Qualität gewonnen werden. Ein signifikanter Unterschied stellte sich in der Anzahl der euploiden Embryonen dar, die Anzahl war im Vergleich zur In-vitro-Kontrollgruppe bei der IUCS-Gruppe erhöht. Diese Ergebnisse werfen erneut die Frage auf, in wie weit die In-vitro-Kulturbedingungen einen negativen Einfluss auf epigenetische Modifikationen und Genexpression haben (BLOCKEEL et al. 2009).

2.3 Unterschiede in der Qualität und in der Genexpression bei