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3.3 Sprachliche Mittel der Selbstdarstellung

3.3.1 Personalpronomen

3.3.1.3 Unpersönliches MAN

Das letzte Pronomen, das in dieser Untersuchung nur ergänzend zu den Pronomen der ersten Person betrachtet werden soll, ist das unpersönliche MAN16. Dieses war ebenfalls schon mehrfach Gegenstand von Untersuchungen zum wissenschaftlichen Schreiben, besonders im Vergleich mit dem ICH und dem WIR. Obwohl das MAN zu-mindest in seiner grundlegenden denotativen Bedeutung keine Ausprägung der ers-ten, sondern der dritten Person ist, macht es Sinn, es hier in ausgewählten Funktionen mit zu betrachten. Wie im Folgenden ausgeführt wird, gibt es Vorkommen des MAN, die eindeutig als verfasserreferenziell gewertet werden müssen.

16Zwar sind das deutsche MAN und das englische ONE in ihrer Bedeutung nicht immer eindeutig deckungsgleich, ich schließe mich jedoch den hier zitierten Arbeiten an, die es als ausreichend vergleich-bar behandelt haben. Im Folgenden wird die Bezeichung MAN verwendet, wenn das Pronomen an sich gemeint ist; es steht also sowohl für das deutsche MAN als auch für das englische ONE.

Darüber hinaus unterscheiden sich das deutsche und das englische Teilkorpus in Hinblick auf die Verwendungshäufigkeit der ersten Person Singular so deutlich, dass es sich anbietet, das unpersönliche Pronomen als zusätzliche Vergleichsdimension mit einzubeziehen. Diesen Ansatz haben auch Fløttum u. a. (2006) verfolgt:

Like many others we claim that first person pronouns represent the most explicit author presence, whatever the discoursal genre is. However, in our studies of author presence in research articles, we realised already in a pilot study [...] that the differences between English articles, on the one hand, and French articles, on the other, are so great that we found it necessary to investigate the extent to which other possible personal constructions are used in French. (Fløttum u. a. 2006: 110)

Zwar wird das englische ONE im Vergleich zu anderen Sprachen deutlich weniger be-nutzt (Fløttum u. a. 2006: 111), Fløttum u. a. (2006) gehen aber mit Johansson (2002) trotzdem davon aus, dass das englische ONE und das deutsche MAN (sowie auch das norwegische MAN) in Bezug auf ihre möglichen Referenzen vergleichbar sind, auch wenn es offenbar deutliche Unterschiede in ihrem Gebrauch in wissenschaftlichen Tex-ten gibt, so das es durchaus sinnvoll ist, sie zu vergleichen.

Auch Matthias Hutz hat in Bezug auf die unpersönlichen Pronomen MAN und ONE deutliche Unterschiede zeigen können. Während er in seinem deutschsprachi-gen Korpus bei 1,2 % der finiten Verbformen ein MAN als Subjekt gefunden hat, was in seinem Korpus häufiger ist als die erste Person Singular und Plural zusammenge-nommen, kam das unpersönliche ONE in seinem englischsprachigen Teilkorpus so gut wie nicht vor (0,1 %) (Hutz 1997: 238). Ähnliche Ergebnisse haben auch andere Un-tersuchungen, die das Deutsche und das Englische (Sanderson 2008a) oder auch das Englische und andere Sprachen (Fløttum u. a. 2006) verglichen haben, gezeigt.17

English one is rather infrequent. It is generally considered as formal, even pretentious and affected, and it appears that many people avoid using it altogether [...]. (Fløttum u. a. 2006: 68)

Das unpersönliche MAN steht für einen „generalisierten Aktanten“, der unterschiedli-che Referenten widerspiegeln kann (Steinhoff 2007: 227). Diese Vagheit in der Referenz reicht noch deutlich weiter als beim WIR und führt dazu, dass die Aussagen, die mit einem unpersönlichen Subjekt getroffen werden, häufig eine weiterreichende intersub-jektive Gültigkeit suggerieren als Aussagen mit personalisierten Subjekten (Steinhoff 2007: 227). Dies ist gerade in wissenschaftlichen Texten von Vorteil, wenn der Autor Aussagen oder Erkenntnisse, zu denen er subjektiv als Handelnder gelangt ist, als

17Im hier untersuchten Korpus wird das ONE jedoch tatsächlich gelegentlich gebraucht und kommt mit einer absoluten Anzahl von 120 sogar auf einen höheren Wert als das deutsche ICH (105). Die Aus-wertung dieser Werte erfolgt in Abschnitt 5.1.3 und Abschnitt 5.1.3.3.

möglichst allgemeingültig darstellen will und sich selber bewusst nicht als diejenige Instanz einbringen will, die für diese Aussagen, Erkenntnisse etc. verantwortlich ist.

Since the reference of these pronouns typically has to be determined by the co(n)text, they represent a very specific means for hiding as well as for brin-ging forth different voices. On the one hand, we can say that the pronoun is very useful to authors who want to hide; on the other, it is useful to authors who want to bring in the voice of a larger community, without having to be specific about the extension of this community. (Fløttum u. a. 2006: 111)

Insofern stellt sich also die Frage, welche referenzielle Bedeutung die unpersönlichen Pronomen in wissenschaftlichen Artikeln annehmen können. Hier bietet sich der Ver-gleich mit dem Gebrauch von WIR an.

Kuo beispielsweise hat zwei unterschiedliche Diskursfunktionen für das MAN iden-tifiziert. Es könne ihrer Meinung nach erstens als Referenz auf die Forscher bzw. Wis-senschaftler im Allgemeinen dienen und damit das geteilte Interesse, Ziel oder Wissen hervorheben. Wenn sich die Referenz dagegen nur auf den Autor oder aber den Autor und den Leser bezieht, diene dies dazu, eine Meinung oder ein „action statement“ zu äußern (Kuo 1999: 129). Grundsätzlich habe es aber immer einen distanzierenden und damit verallgemeinernden Effekt.

One, instead ofweorI, can make the opinion less personal and suggest that the opinion is widely held, or the action would be taken by any researcher in a given situation. (Kuo 1999: 129)

Kresta (1995) und nach ihm Steinhoff (2007: 208) unterteilen die verschiedenen MAN, ebenso wie das WIR, in das Autoren-MAN, das Fachkreis-MAN und das Gemein-schafts-MAN. Dabei fassen sie unter das Autoren-MAN diejenigen Vorkommen, bei denen die Handlung an den Autor als ausführende Person gebunden ist. Das Autoren-MAN konnte Kresta primär in Rezensionen nachweisen (Kresta 1995: 77). Ansonsten hat Kresta (1995) in seinem Korpus vor allem Vorkommen des Fachkreis-MAN ge-funden (Kresta 1995: 302), sie machen ca. drei Viertel der von ihm gege-fundenen MAN-Vorkommen und sogar 80 % der ONE-MAN-Vorkommen aus. In dem Teilkorpus wissen-schaftlicher Aufsätze konnte sogar über 90 % beider Pronomen diese Referenz zuge-schrieben werden (Kresta 1995: 303). Dabei wurde das Fachkreis-MAN überwiegend in metaligualen Handlungen verwendet (Kresta 1995: 319). Das Gemeinschafts-MAN dagegen machte nur etwa 10 % der Items aus, jedoch wurde das ONE in Krestas Tex-ten mit dieser Bedeutung prozentual häufiger benutzt als das MAN (Kresta 1995: 312).

Grundsätzlich wurde aber das MAN in seinen Texten deutlich mehr verwendet als das ONE (Kresta 1995: 303).

Dass das MAN im Deutschen eine bedeutende Rolle spielt, haben auch Steinhoffs Analysen gezeigt. Im Vergleich zu den Pronomen der zweiten Person hat Steinhoff

gezeigt, dass das MAN in den von ihm untersuchten Expertentexten mehr als dreimal so häufig verwendet wurde wie das ICH und 2,5 mal so häufig wie das WIR (Steinhoff 2007: 210).

Steinhoff hat in seiner Untersuchung vor allem die Kombination des unpersönli-chen Pronomens mit den Modalverben beobachtet und analysiert. Dabei hat er her-ausgefunden, dass das MAN am häufigsten mitkönnenkombiniert wird, was für 57 % der MAN-Vorkommen in seinem Korpus der Fall ist. Danach wird das MAN mit müs-sen(14 %),sollen(12 %),wollen(10 %),dürfen(4 %) undmögen(2 %) benutzt (Steinhoff 2007: 228). Steinhoff weist jedoch darauf hin, dass die Kategorisierung verschiedener MAN-Typen nur idealtypisch sein kann und sich nicht zur Beschreibung des tatsäch-lichen MAN-Gebrauchs in seinem Korpus eigne, da die Belege größtenteils nicht ein-deutig bestimmbar seien (Steinhoff 2007: 208). Dies wurde auch für das hier untersuch-te Korpus festgesuntersuch-tellt, sodass in der folgenden Auswertung das MAN nur dahinge-hend betrachtet wird, wie es in Handlungen benutzt wird, die auch mit dem ICH und dem WIR realisiert werden (könnten). Andere Gebrauchsweisen, unklare Formen und Kombinationen mit Modalverben, die die Handlungsbedeutung des Vollverbs modifi-zieren und damit eine eindeutige Zuordnung verhindern, werden aus diesem Grund hier nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht weiter thematisiert werden die Funktionen des MAN als Ersatz für die zweite Person (s. z. B. Sanderson 2008a: 113) und in Kom-bination mit Imperativen (Kresta 1995: 126).