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5. Die Abundanzumlage

5.2. Systematisierung der Abundanzumlagen

5.2.1. Umlagegrundlagen

Die Bemessungsgrundlage der Abundanzumlage steht im Mittelpunkt des folgen-den Kapitels. Dazu werfolgen-den die im Grundlagenteil 4.3.2 im Rahmen der Ermitt-lung der Schlüsselzuweisungen erläuterten Begriffe Steuerkraft und Finanzbedarf zunächst hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Abundanz untersucht, um im An-schluss andere Ausgestaltungsmöglichkeiten der Bemessungsgrundlage zu erörtern.

5.2.1.1. Bemessungsgrößen

2019 finden sich in den Ländern zwei unterschiedliche Ausprägungen zur Ermitt-lung der Umlagegrundlagen. Einmal Länder, die sich ausschließlich an den Ein-nahmen der Gemeinden orientieren und diejenigen, die auch Bedarfsgrößen mit-einbeziehen. Der Großteil der Länder hat sich für die zweite Variante entschieden und verwendet als Umlagegrundlage die finanzwissenschaftlich definierte Form von Abundanz gemäß der Bedingung SM Zi > BM Zi.

Zur ersten Gruppe gehören die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.Während in Baden-Württemberg ein Teil der Steuerkraftmesszahl und der Schlüsselzuweisungen, also die Finanzkraft, als Bemessungsgrundlage dient, be-zieht sich in Rheinland-Pfalz die Umlagegrundlage nur auf die Höhe der Steuer-kraft, konkret auf die Differenz zur landesdurchschnittlichen Steuerkraft.30

Eine Erhöhung der Umlagegrundlagen im Sinne von steigenden Steuereinnah-men kann zum einen auf eine günstige Wirtschaftslage zurückgehen. Zum anderen kann auch eine Erhöhung der Nivellierungssätze ausschlaggebend für den Anstieg der Steuerkraft sein. Steigende Nivellierungssätze führen dazu, dass die Gemeinden

„reicher“ gerechnet werden, so dass ihre Umlageschuld ansteigt.

Je nach Ausgestaltung kann die Umlagegrundlage im Vergleich zu einer Rela-tivierung mit den Bedarfen relativ größer ausfallen. Dann erscheint es vor allem für Länder mit steuerstarken Gemeinden lohnend, eine solche Umlage einzusetzen, da sie das hohe Aufkommen nutzen können, um sich fiskalisch zu entlasten. Wird das Aufkommen der Schlüsselmasse zugeführt, können die distributiven Effektein

30Da die Finanzausgleichsumlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in den nächsten Kapiteln individuell analysiert werden, stehen hier die Einnahmen der Gemeinden und deren grundsätzlicher Einfluss auf die Abundanzumlage im Fokus.

5. Die Abundanzumlage (Finanzausgleichsumlage) 50 den Ländern voll wirken und die Umlage kann insgesamt zielgerichtet eingesetzt werden.31

Allerdings widerspricht dies dem Grundkonzept des horizontalen Finanzaus-gleichs. Für die Höhe der Schlüsselzuweisungen ist stets ausschlaggebend ob und inwiefern, die Finanzkraft einer Kommune ausreicht, um deren Finanzbedarf zu decken.32Eine abundante Kommune verfügt über eine Finanzkraft, die mindestens dem Finanzbedarf entspricht und erhält daher keine Zuweisungen. Eine Abundan-zumlage schöpft diese Kommunen ab und verstärkt damit die distributive Funktion des Finanzausgleichs.

Bezieht sich die Umlagegrundlage dagegen lediglich auf die Finanzkraft einer Kommune, erfolgt ein Bruch in der Systematik des Finanzausgleichs. Dadurch kann die mit der Umlage intendierte distributiven Funktion zwar erfüllt werden, jedoch schließt sich diese anders als bei einer Abundanzumlage nicht übergangslos an das Zuweisungssystems an.33

Abbildung 5.2, die die Steuereinnahmen der Kommunen pro Einwohner für 2017 und 2018 abbildet, unterstützt diese These nur zum Teil. Alle Flächenländer konn-ten aufgrund der günstigen konjunkturellen Lage einen Anstieg ihrer Steuerein-nahmen von 2017 und 2018 verzeichnen. Mit 1.602 Euro pro Kopf nimmt Hessen 2018 erneut die Spitzenposition unter den Ländern ein, dicht gefolgt von Bayern mit 1.543 Euro pro Kopf und Baden-Württemberg mit 1.492 Euro pro Kopf. Vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung des Landes Baden-Württembergs, eine derart ertragreiche Bemessungsgrundlage nicht durch den Finanzbedarf zu relativieren und sich stattdessen vollumfänglich auf die Steuereinnahmen der Ge-meinden zu konzentrieren, ebenso nachvollziehbar, wie die der relativ steuerschwa-chen Länder, eine andere Umlagegrundlage zu wählen.

5.2.1.2. Relation von Steuerkraft und Bedarf

Die in Kapitel 4.3.2 beschriebenen Wirkungen von Finanzkraft und Finanzbedarf auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen beeinflussen die Abundanz einer

Gemein-31 Allerdings besteht bei einem hohen Umlageaufkommen auch immer die Gefahr, dass die Länder die fiskalische Funktion der Umlage für sich selbst nutzen. Siehe dazu Kapitel 5.3.1.

32 Vgl. Lenk, Rudolph (2004), S. 11 [104].

33 Eine umfassende Analyse der Ausgleichswirkung solcher Umlagen findet sich in 5.3.1.

5. Die Abundanzumlage (Finanzausgleichsumlage) 51

Abbildung 5.2.: Steuereinnahmen der Gemeinden in Euro je Einwohner 2017 und 2018.

Quelle: Eigene Darstellung, Eigene Berechnung, Daten: Statistisches Bundesamt (2015) [181], [191], Bevölkerungsstand in GENESIS-Online (2016) [187].

de in gegensätzlicher Richtung. Gleich ist dagegen der Grundsatz, dass nur das Verhältnis der beiden Größen Aussagen über Zuweisungsberechtigungen oder Zah-lungsverpflichtungen zulässt.

Eine Erhöhung der Steuerkraft, induziert durch Anstieg der eigenen Steuerein-nahmen oder Anhebung der Nivellierungssätze, lässt bei unveränderter Schlüssel-masse über einen steigenden Grundbetrag auch den gemessenen Finanzbedarf der Gemeinden ansteigen. Dadurch bleibt die insgesamt durch Schlüsselzuweisungen zu füllende „Lücke“ im Finanzausgleich erhalten. Verändert sich dadurch die in-dividuelle Finanzkraft-Finanzbedarf-Relation der Gemeinden, kann es zu Umver-teilungswirkungen auf der kommunalen Ebene kommen. Eine bisher knapp umla-gepflichtige Gemeinde kann ihren Abundanzstatus verlieren und zum Zuweisungs-empfänger werden. Umgekehrt verhält es sich bei einem Rückgang der Steuerkraft.

5. Die Abundanzumlage (Finanzausgleichsumlage) 52 Über einen sinkenden Grundbetrag konzentrieren sich die Zuweisungen auf dieje-nigen Gemeinden mit einem besonders ungünstigen Verhältnis von Steuerkraft und Finanzbedarf. Die Anzahl der abundanten Gemeinden kann in diesem Fall ansteigen.

Während ein Anstieg der Einnahmen isoliert betrachtet die Bemessungsgrund-lage erhöht, besteht zwischen Bedarf und Abundanz grundsätzlich kein negativer Zusammenhang. Der Finanzbedarf ergibt sich aus dem Gesamtansatz, das aus-schlaggebende Kriterium ist dabei die Einwohnerzahl. Modifiziert wird dieser Zu-sammenhang durch eine Einwohnerveredelung oder Nebenansätze, die auch auf der Einwohnerzahl beruhen. Steigt der Bedarf aller Gemeinden relativ gleich an, wird dies im Gesamtsystem über einen sinkenden Grundbetrag kompensiert, und an der Verteilung der Schlüsselzuweisungen oder der Anzahl an abundanten Gemeinden ändert sich nichts.

Wächst der Bedarf gemessen an der Einwohnerzahl jedoch ungleichmäßig, dann ergeben sich ebenfalls horizontale Verteilungseffekte innerhalb der Gemeindeebene.

Gemeinden deren Bedarf nur unterdurchschnittlich ansteigt, können ihre Zuwei-sungsberechtigung verlieren und zu Umlageschuldnern werden. Umgekehrt profi-tieren bei einem Absinken des Finanzbedarfs über den steigenden Grundbetrag auch Gemeinden, deren Bedarfsrückgang relativ gering ausfällt. Waren sie bisher knapp umlagepflichtig, kann es sein, dass sie nun Zuweisungen erhalten und ihren Abundanzstatus verlieren.

Mit der Einbeziehung von Bedarfselementen führt eine Abundanzumlage nicht nur konsequent die Systematik des kommunalen Finanzausgleichs fort, sondern berücksichtigt implizit auch distributive Aspekte bei der Umlageerhebung. Da in diesem Fall die individuelle Situation der Gemeinden, ausgedrückt im Verhältnis von Finanzkraft und Finanzbedarf, ausschlaggebend für die Höhe der Umlage ist, werden horizontale interkommunale Umverteilungseffekte verstärkt.

5.2.1.3. Bemessungszeitraum

Neben Unterschieden bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Abun-danz bestehen unter den Ländern auch Differenzen im Bemessungszeitraum der Umlagegrundlagen.

5. Die Abundanzumlage (Finanzausgleichsumlage) 53 In der Regel basiert der kommunale Finanzausgleich auf Steuerdaten des Vorjah-res oder des vorangegangenen JahVorjah-res. Dies erscheint sinnvoll, da der kommunale Fi-nanzausgleich auf diese Weise zeitnah auf Veränderungen in den Bemessungsgrund-lagen reagiert und damit Einnahmeschwankungen außerhalb des Finanzausgleichs für die Kommunen im Sinne einer Stabilisierungsfunktion zeitnah auffangen kann.

In der Mehrzahl der Länder sehen die Finanzausgleichsgesetze vor, dass sich das Kriterium der Abundanz auf denselben Zeitraum wie die Schlüsselzuweisungen be-zieht. Eine Ausnahme bilden Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Dort wird auch die fiskalische Situation in die Abundanzermittlung miteinbezogen, die mehr als ein Jahr zurückliegt.34

Neben den allgemeinen Folgen für die Haushaltsplanung der Kommunen erge-ben sich durch die Ausweitung des Bemessungszeitraums auch Effekte hinsichtlich der Wirksamkeit der Umlage. Reicht es nicht aus, dass eine Gemeinde im aktuel-len Finanzausgleichsjahr abundant ist, sondern muss die Steuerkraft in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren den Bedarf übersteigen, verringert sich die Wahr-scheinlichkeit, umlagepflichtig zu werden. Dementsprechend reduzieren sich auch die möglichen Ausgleichseffekte der Umlage, da relativ weniger zusätzliche Mit-tel an finanzschwache Kommunen verteilt werden können, um die bestehenden Finanzkraftdisparitäten abzubauen.

Im Dokument Umlagen im kommunalen Finanzausgleich (Seite 66-70)