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2. Nachhaltigkeits-Issues

2.3. Transmissionsriemen für Nachhaltigkeits-Issues

Marktliche, staatliche und öffentliche Stakeholder stellen gemäß dem Konzept der Anspruchsgruppen Forderungen, die sie aus Nachhaltigkeitsproblemen bzw.

wahrgenommenen Belastungen ableiten. Diese Forderungen werden nach Dyllick und Belz (1997, S. 27f) sowie Winter und Steger (1997, S. 15) durch drei externe „Lenkungssysteme“

oder „Transmissionsriemen“ an Unternehmen herangetragen: Markt, Politik und Öffentlichkeit. Die Transmissionsriemen gleichen auf den ersten Blick den zuvor unterschiedenen Anspruchsgruppen. Sie gehen jedoch aus einer funktionalen Betrachtungsweise hervor, wohingegen das Anspruchsgruppenkonzept auf einer institutionellen basiert. Folgende Funktionsweisen liegen den Transmissionsriemen zugrunde (vgl. Dyllick 1990, S. 127ff; Dyllick, Belz et al. 1997, S. 27f):

Der Markt bedient sich des Lenkungsmechanismus Preis und stellt einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage nach Gütern her. Im Nachhaltigkeitskontext drücken sich marktliche Einflüsse in einem veränderten Nachfrageverhalten oder in Form von Kosten aus. So fragen Unternehmen Umwelthaftpflichtversicherungen nach, die die Haftung für Schäden an Dritten, z.B. durch Asbestfasern oder den Austritt toxischer Substanzen, decken (vgl. Tarna 2001, S. 160f). Ein weiteres Beispiel sind Fonds, die nach unterschiedlichen sozialen und/oder ökologischen Kriterien investieren. Derartige Fonds werden als

„Sustainable Investment Funds“, „Ethical Funds“ oder „Umweltfonds“ bezeichnet. In den letzten Jahren hat sich jedoch immer mehr die in den USA gebräuchliche Bezeichnung

„Socially Responsible Investment“ (SRI) als Oberbegriff durchgesetzt (vgl. Jeucken 2001, S. 85). Die Anfänge dieser Fonds liegen in den frühen 1980er Jahren. Damals war eine kleine Gruppen von Investoren in den USA und Großbritannien darauf bedacht, dass ihr Geld nicht nur unter ökonomischen Kriterien investiert wird, und so bildete sich eine Nachfrage nach sozial- und ethischverantwortlichen Fonds. Rund zehn Jahre später entwickelten sich dann im deutschsprachigen Raum ökologisch orientierte Fonds als Folge eines gestiegenen Umweltbewusstseins von Konsumenten und neuen Gesetzen. Diese Fonds investierten zuerst nur in neue Umwelttechnologien (vgl. Hugenschmidt und Janssen 2001, S. 46).

Die Politik legt in demokratischen Prozessen verbindliche Regeln fest und setzt diese durch hoheitliche Gewalt durch. Für Unternehmen steht hierbei die Erfüllung von staatlichen Regulierungen im Vordergrund. Diese basieren hauptsächlich auf technischen oder verhaltensorientierten Vorschriften (Auflagen, Gebote, Verbote), Preisbeeinflussungen (Tarife, Lenkungsabgaben) sowie Mengenbeeinflussung (Emissionshandel, Kontingentierung) (vgl. Schaltegger und Sturm 1995, S. 3). So resultiert aus dem „Montreal-Protokoll“ zum Schutz der Ozonschicht ein Verbot für gewisse Finanzierungs- und Versicherungsgeschäfte. Die Unterzeichnerstaaten des Protokolls - wie die USA, Deutschland oder Japan - verpflichten sich, keine Kredite, Garantien oder Versicherungen für den Export von Produkten, Ausrüstung oder Technologien zuzulassen, die zur

Transmissionsriemen für Nachhaltigkeits-Issues

Herstellung von bestimmten ozonzerstörenden Stoffen dienen (vgl. UNEP 2000, S. 23). Ein weiteres Beispiel ist der „Community Reinvestment Act“ (CRA). Der US-Kongress verabschiedete 1977 den CRA, um Geschäftsbanken dazu anzuhalten, Kredite auch in einkommensschwachen Regionen und Stadtteilen zur Verfügung zu stellen. Der CRA wurzelt in der Überlegung, dass die Institute dort, wo sie ihr Einlagengeschäft durch Filialen betreiben, auch eine Verpflichtung haben, eine vorhandene Kreditnachfrage zu decken (vgl.

Apgar und Duda 2003, S. 169f). Die Regelung schreibt fest, dass regelmäßig evaluiert wird, inwieweit Banken dabei helfen die Kreditbedürfnisse im Umkreis ihrer Filialen zu befriedigen. Die Überprüfung wird durch staatliche Finanzaufsichtsbehörden durchgeführt und die Ergebnisse werden bei der Beantragung von Zentralbankkrediten berücksichtigt (vgl. Federal-Reserve-Bank 2004).

Das Lenkungssystem Öffentlichkeit basiert auf sozialer Ächtung und dem Gewissen von Unternehmensmitarbeitern und ist weitestgehend implizit wirksam. Für Unternehmen steht hierbei vor allem die Sicherung der Akzeptanz und Legitimität bei relevanten Anspruchsgruppen im Vordergrund. Beispielsweise lancierten in internationaler Zusammenarbeit indonesische und niederländische Umweltschutzgruppen eine Kampagne gegen niederländische Banken, die Kredite an indonesische Palmölproduzenten vergeben hatten. Aufgrund von stark expandierenden Palmölplantagen wurden illegal Regenwälder gerodet, was zu sozialen Konflikten und großen Waldbränden mit weitreichender Luftverschmutzung in Südostasien führte. Über 250.000 Postkarten wurden Anfang 2001 in den Niederlanden verteilt, mit denen sich Bankkunden an ihre Bank wenden sollten, um die Einstellung der Finanzierung von umweltzerstörenden Palmölplantagen zu fordern. Die Aktion führte dazu, dass Parlamentsabgeordnete formelle Anfragen an die Regierung über die Rolle niederländischer Banken in Indonesien einreichten und die Banken den Umweltschützern einen Dialog anboten. Nach einer Reihe von Treffen mit Aktivisten einigten sich ABN AMRO, Rabobank, Fortis und ING Anfang 2002 darauf, die Finanzierung von Palmölprojekten von ökologischen und sozialen Kriterien abhängig zu machen, wie z.B. keine Zerstörung von Regenwald, keine Brandrodungen, kein illegales Vorgehen und die Einbindung von Anwohnern (vgl. Wakker und Gelder 2000, S. iff; Focus-on-Finance 2001, S. 1ff; Teoh 2002, S. v).

In der Regel gebrauchen bestimmte Anspruchsgruppen ein Lenkungssystem und können diesem zugeordnet werden: Kunden benutzen den Markt, Gesetzgeber und Behörden das Lenkungssystem Politik sowie Umweltaktivisten das Lenkungssystem Öffentlichkeit.

Anspruchsgruppen können sich auch mehrerer Lenkungssysteme bedienen, insbesondere das der Politik und des Marktes (Dyllick, Belz et al. 1997, S. 28ff). Für die effektive Nutzung von Lenkungssystemen durch öffentliche Anspruchsgruppen spielen die Medien eine bedeutende Rolle. Sie sind Verteiler sowie Verstärker der Forderungen und stellen somit in vielen Fällen die Infrastruktur für die Arbeit der Anspruchsgruppen dar (vgl. Dyllick 1990, S. 58ff).

Lenkungssystem

Öffentlichkeit (Interessengruppen)

Lenkungssystem

Markt (Kunden) Lenkungssystem Politik (Gesetze)

Unternehmen Medien: Verteiler / Verstärker

Abbildung 2: Mechanismen der Einwirkung auf Unternehmen Quelle: in Anlehnung an Steger (2004b, S. 97)

Abbildung 2 veranschaulicht dies am Beispiel des oben genannten Protestes öffentlicher Interessengruppen gegen niederländische Banken. Durch Protestaktionen wird versucht, das Unternehmen öffentlich an den Pranger zu stellen und durch die Mobilisierung öffentlichen Drucks zum Einlenken zu bringen (Transmissionsriemen Öffentlichkeit). Zusätzlich wird das Lenkungssystem Markt genutzt, indem versucht wird, Kunden zu Boykottmaßnahmen zu bewegen, zum Beispiel durch den Wechsel zu einer anderen Bank, um hierdurch Nachfrageausfälle für das Unternehmen herbeizuführen. Durch die Protestaktionen versuchen die Umweltaktivsten aber auch, ihr Anliegen in die Politik zu tragen und gesetzliche Regelungen anzuregen und zu erreichen (Lenkungssystem Politik). Zwar ist es meistens ein langwieriger politischer Prozess bis zur Formulierung von Gesetzen, doch schon alleine das Aufgreifen eines Nachhaltigkeits-Issues durch etablierte politische Fraktionen kann für Unternehmen die Risiken eines gesetzlichen Eingriffs verdeutlichen und somit Druck auf diese ausüben (vgl. Dyllick 1990, S. 61; Dyllick, Belz et al. 1997, S. 40f; Winter und Steger 1997, S. 1ff). Beispielsweise demonstrierten Greenpeace-Kletterer im September 2002 über zwei Wochen hinweg an der Fassade des Hauptsitzes der West LB in Düsseldorf und errichteten ein sechs mal zwei Meter großes „Mahnmal“ an der Gebäudefront mit der Aufschrift: „Erster Preis für West LB - Ihr Partner in Sachen Urwaldzerstörung". Sie versuchten hiermit, dem Bau einer Pipeline in Ecuador entgegenzuwirken, der in den Augen der Aktivistengruppe eine große Gefahr für den primären Regenwald und wichtige Frischwassergebiete darstellte, und dessen Finanzierung die Bank in einem Konsortium anführte. Zudem forderten die Umweltaktivisten die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die größter Anteilseigner der Finanzinstitutes ist, auf, Stellung zu vorliegenden Gutachten zu nehmen, die die Verstöße des Vorhabens gegen die Umweltrichtlinien der Weltbank aufzeigten. Die öffentlichkeitswirksame Aktion bewirkte, dass sich ein Ausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages mit der Finanzierung der Pipeline beschäftigte und die

Begriffsverständnis des Nachhaltigkeitsmanagements

nordrhein-westfälische Umweltministerin forderte, dass die Standards der Weltbank eingehalten wurden (vgl. Greenpeace 2002; WAZ 2002).

Ein weiterer Aspekt von Nachhaltigkeits-Issues ist, dass sie sich ändern können. War vor ein paar Jahren das mit saurem Regen verbundene Waldsterben ein zentrales Thema in den öffentlichen Umweltschutzdebatten, so ist dieses Problem heute - trotz einer anhaltenden Verschlechterung der Situation - in den Medien so gut wie nicht mehr präsent und Themen wie der von Menschen gemachte Klimawandel beherrschen die Debatten. Aus Nachhaltigkeitsproblemen resultierende Issues sind meist nicht statisch, sondern dynamisch und können somit durch die Transmissionsriemen für Unternehmen relevant werden und auch bleiben oder aus der öffentlichen Wahrnehmung und dem Blickfeld verschwinden (vgl.

Achleitner 1985, S. 93; Steger 1993, S. 249; Dyllick, Belz et al. 1997, S. 40; Winter und Steger 1997, S. 60f).