• Keine Ergebnisse gefunden

Toxische Luftschadstoff-Konzentrationen

1. Luftschadstoffe erzeugen Stress an der Vegetation

1.3. Toxische Luftschadstoff-Konzentrationen

Vor allem der Mensch erzeugt phytotoxische Konzentrationen von Luftschadstoffen

Luftschadstoffe entstehen in großen Mengen aus natürlichen Prozessen - z. B. aus dem Boden - und durch menschliche Aktivitäten. Diejenigen Spurenstoffe, die auf der Erde relevante Auswirkungen auf die Vegetation haben, sind vor allem anthropogenen Ursprungs. Toxische Konzentrationen in der Luft entstehen – abgesehen von Vulkanen – meist nur durch menschliche Aktivitäten. Sie verteilen sich je nach Lebensdauer regional bis global innerhalb der sehr dünnen Schicht der Troposphäre. In einem Erdmodell mit 1 m Durchmesser wäre die troposphärische Schicht - in natura ca. 10 bis 15 km - nur 1,2 mm dick.

Schon minimale Konzentrationen schädigen

Luftschadstoffe wirken nicht nur in unmittelbarer Emittentennähe, sondern auch überregional und global. Markant ist, dass sie schon in geringsten Konzentrationen toxisch sind: Bei den meisten Schadstoffen genügen 10 – 100 ppb, um Pflanzen nachweislich – wenn auch nicht nicht unbedingt sichtbar - zu schädigen (Tabelle 1-6).

Tabelle 1-6: Konzentrationsniveaus der wichtigsten gasförmigen Verbindungen.

Konzentrationsniveau Formel des Spurenstoffes Relevanz

Prozent N2, O2, Ar N2 und O3 indirekt relevant

ppm CO2, CO, CH4, (N2O) Indirekt relevant

ppb SO2, NOx, Ozon, NH3, VOC, H2S Direkt und indirekt relevant Sub-ppb OH* u. a. Radikale, VOC (FCKW) Direkt und indirekt relevant

Mensch und Pflanze haben unterschiedliche Voraussetzungen für die Empfindlichkeit gegenüber Luftschadstoffen

Die Voraussetzungen für die Empfindlichkeit von Pflanzen gegenüber Luftschadstoffen unterscheiden sich von jenen beim Menschen vor allem im Hinblick auf die Mobilität und die Gesamtdauer der Exposition (Tabelle 1-7).

Tabelle 1-7: Voraussetzungen von Mensch und Pflanzen für die Empfindlichkeit gegenüber Luftschadstoffen.

Mensch Pflanze

Spezies 1 > 400.000

Mobilität mobil ortsgebunden

Lebenserwartung < 100 Jahre Bis zu 4000 Jahre

Ernährung heterotroph photoautotroph Vermeidung und Toleranz (Entgiftung) Mechanismen vorhanden Mechanismen vorhanden

Waldbäume sind in Bezug auf Immissionsbelastungen gegenüber landwirtschaftlichen Kulturen insoferne im Nachteil, als sie eine größere Oberfläche (Rauigkeit) haben und um ein Vielfaches länger exponiert ist (Umtriebszeiten bis über 200 Jahre; Tabelle 1-8).

Tabelle 1-8: Unterschiede zwischen Wald und landwirtschaftlichen Kulturen, die z. T. die größere Immissionsempfindlichkeit von Wäldern erklären.

Wald Landwirtschaftliche Kulturen

Individuen langlebig kurzlebig

Exposition / Umtriebszeit 40 bis 240 Jahre ½ Jahr Anthropogene Beeinflussung relativ gering relativ hoch

Höhe bis 30 Meter bis 2 Meter

Blattflächenindex *) 5 - 12 ca. 4

Niederschlagsinterzeption Höher geringer

Waldböden naturnäher, stärkere Profildifferenzierung,

angepasst an Nährstoffarmut, Wurzelsysteme weiter in den Boden reichend.

*) Blattflächenindex: Quotient aus Blattoberfläche eines Bestandes und der überdeckten Interzeptionsoberfläche

Pflanzen sind gegenüber Luftschadstoffen meist empfindlicher als der Mensch

Die Pflanze reagiert im Allgemeinen empfindlicher gegenüber Luftschadstoffen als der Mensch (Tabelle 1-9). Dies trifft für NOx, SO2, H2S, NH3, Ozon und HF zu. Man beachte ferner, dass die MAK-Werte für Ozon deutlich niedriger liegen als für das klassische Gift HCN (Blausäure). Die meisten Luftschadstoffe sind in Konzentrationen phytotoxisch, die geruchlich noch nicht wahrnehmbar sind.

In stressbelasteten, verletzten oder alternden Geweben kann der terminale Elektronentransport über einen Nebenweg verlaufen, der die durch HCN (aber auch durch CO) hemmbaren Cytochrome umgeht. Diese cyanidresistente Atmung wandelt einen großen Teil der Redoxenergie in Wärme um. Möglich ist dies durch die Alternative Oxidase (AOX).

Demgegenüber sind für die hoch humantoxischen Gase CO (Box 13-1), CO2, (Kapitel 15-2) Dioxine (und andere persistente organische Verbindungen (POPs, Kapitel 14-4) sowie HCN keine negativen Wirkungen auf Pflanzen im ppb-Bereich bekannt.

Tabelle 1-9: Minimalkonzentrationen, bei denen Effekte an der Vegetation auftreten können und MAK-Werte (= maximale Arbeitsplatzkonzentration).

Gas Chronische Effekte

an Pflanzen (ppb) Schadstoffe, auf die Pflanzen empfindlicher reagieren als der Mensch

HF 0,1 1 0,36 (2.FVO, TMW) 1.013

EU: EU-Richtlinie; 2.FVO: Zweite Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen; JMW: Jahresmittelwert; ÖAW:

Luftqualitätskriterien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; TMW: Tagesmittel; VZ: Vegetationszeit; WHO:

World Health Organization (2000).

*) MAK-Wert = Maximale Arbeitsplatzkonzentration: Zulässige Konzentration eines Stoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz, bei der kein Gesundheitsschaden zu erwaren ist, auch nicht, wenn man einer Konzentration 8 Stunden pro Tag und 40 (42) Stunden in der Woche ausgesetzt ist.

**) Hock und Elstner (1995)

Die Dosis ist das Produkt aus Konzentration und Einwirkungszeit

Die Dosis als Produkt aus Konzentration und Einwirkungszeit (Stunden, h) hat die Dimension ppb*h oder µg m-3 h-1. Man kann den Begriff der Dosis - analog zu einem Glas Whisky – wie folgt differenzieren:

„Vorhandene (angebotene) Dosis“: Die „Exposition“ ergibt sich aus der Stressorkonzentration und den Austauschereigenschaften in der bodennahen Atmosphäre und der Einwirkungszeit. Diese Dosis schadet solange nicht, als kein Kontakt mit bzw. keine Aufnahme durch die Pflanze stattfindet. (Der Whisky steht auf dem Tisch.)

Aufgenommene Dosis: Jene Menge an Schadstoff, die von der Pflanze aufgenommen wird.

Sie hängt von den Senkeneigenschaften der Pflanze und diese ihrerseits vom Boden, der Witterung, vom Genotyp und vom Entwicklungsstadium ab. Einfluss auf die Gasaufnahme über die Stomata haben unter anderem die Bodenfeuchte und die Luftfeuchte bzw. das Wasserdampfdefizit. (Der Whisky wird getrunken.)

Wirksame Dosis: Jene Dosis, die in der Pflanze Wirkungen wie etwa die Beeinträchtigung der Photosynthese oder die Ausbildung sichtbarer Symptome auslöst. Diese kann entschärft werden, wenn die Pflanze in der Lage ist, Gegenmaßnahmen zu treffen (Toleranz). Einfluss haben u. a. Genotyp, Entwicklungsstadium und Boden. Ferner spielen Temperatur, Strahlung und vor allem der Gehalt an Entgiftungsenzymen und an Radikalfängern eine Rolle. (Der Whisky entfaltet seine Wirkung.)

Diese Begriffe weichen von den in Box 1-5 angegebenen Definitionen für Warmblüter ab.

Box 1-5: Gifte (Termini der Warmblütertoxikologie).

Dosisgifte: Ihre Giftigkeit wird dadurch definiert, dass für ein bestimmtes Lebewesen (Spezies) die letale Dosis (oder häufiger die LD50 = mittlere letale Dosis bei einmaliger Aufnahme, welche 50 % der Versuchstiere tötet; Maß für die akute Warmblütergiftigkeit) angegeben wird. Die Angaben beziehen sich auf akute Vergiftungen.

Bei Pflanzen kann man die akute Toxizität nicht auf das Körpergewicht beziehen, weshalb Grenzkonzentrationen angegeben werden.

Summationsgifte: Sie verursachen in einem Organismus oder Ökosystem eine bestimmte negative Wirkung, das Gift selbst verschwindet aber wieder. Bei mehrmaliger Gifteinwirkung summieren sich die Wirkungen.

Akkumulationsgifte: Umweltgifte, die sich aufgrund besonders schlechter Abbaubarkeit oder ungenügender Ausscheidung in (Warmblüter-) Organismen einlagern und anreichern können, z. B. DDT, PCB (polychlorierte Biphenyle), HCH (Hexachlorcyclohexan), Organo-Hg-Verbindungen und Pb. Akkumulationsgifte können oft in sub-effektiver Quantität auftreffen; sie werden nicht ausreichend abgebaut und akkumulieren daher. Durch die allmähliche Anreicherung kann es plötzlich zu auffallenden Schadwirkungen kommen.

Dosis-Wirkungsbeziehungen zeigen, dass eine Wirkung erst ab einer bestimmten Dosis („Wirkungsschwelle“) eintritt; sodann steigt die Wirkung bis zu einem Maximalwert sigmoid an (Abbildung 1-10). Der Kurvenverlauf variiert naturgemäß je nach Pflanzenart, Wirkungskriterium und Schadstoff.

Abbildung 1-10: Zusammenhang zwischen der Dosis (Produkt aus Konzentration und Einwirkungsdauer) und Wirkung eines Luftschadstoffes auf Pflanzen.

Die Wirkung eines Spurenstoffes kann z. B. anhand des Anteiles an geschädigter Blattfläche ausgedrückt werden.

„Sola dosis facit venenum“ (Paracelsus, 1537)

Gleich hohe Dosen müssen nicht gleich starke Wirkungen hervorrufen

Im Prinzip ist aufgrund des oben Gesagten nicht die Konzentration, sondern genau genommen die Dosis für die Pflanze entscheidend. Gleiche Dosen können aber - unter sonst gleichen Versuchsbedingungen - bei gleichen Pflanzen sehr unterschiedlich stark wirken. Meist ist die Wirkung gleicher Dosen am höchsten, wenn die Konzentration hoch ist: Eine Dosis von 36 ppb * h ist grundsätzlich schädlicher, wenn die Konzentration von 36 ppb eine Stunde einwirkt als wenn die Konzentration von 1 ppb 36 Stunden lang einwirkt (Abbildung 1-11).

Abbildung 1-11: Gleiche Schadstoffdosen rufen an Pflanzen unterschiedliche Wirkungen hervor.

c = Konzentration, t = Einwirkungszeit

Das Reizmengengesetz – „Gleiche Dosen erzeugen gleiche Wirkungen“ – gilt nicht für Immissionswirkungen auf Pflanzen.

Auch geringe Konzentrationen eines Luftschadstoffes können starke Wirkungen hervorrufen, wenn die Stomata geöffnet sind

Wenn die Stomata geöffnet sind, kann bei gleicher Einwirkungsdauer eine geringe Konzentration zu höheren Schadstoffaufnahmen führen als eine hohe Konzentration bei geschlossenen Stomata.

Während einer Trockenperiode werden hingegen weniger Schadstoffe über die Stomata aufgenommen als unter „normalen Bedingungen“, weil die Stomata geschlossen sind.

Die Ausbildung von Symptomen ist vielgestaltig

Das Schädigungsbild ist bei Immissionen vielgestaltig, aber trotzdem zumeist unspezifisch. Derselbe Schadstoff kann bei gleichen und verschiedenen Pflanzen verschiedene Symptome hervorrufen (z. B.

erzeugt Ozon verschiedenfärbige Punktierungen an Blattorganen). Andererseits kann ein bestimmtes Symptom durch verschiedene Schadstoffe und auch durch andere Stressoren ausgelöst werden (nekrotische Veränderungen können durch saure Luftschadstoffe, aber auch durch Trockenstress entstehen).

1.4. Klassische „Rauchschäden“ und die „Neuartigen Waldschäden“ in den 1980er