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Entgiftung und Metabolisierung von Ozon und reaktiven Sauerstoffspezies

13. Ozon – heute der Luftschadstoff Nr. 1

13.5. Entgiftung und Metabolisierung von Ozon und reaktiven Sauerstoffspezies

ROS bzw. sauerstoffhältige Radikale und H2O2 entstehen in Chloroplasten auch im Zuge der durch Photooxidantien der Luft ungestörten Photosynthese. Höhere Pflanzen haben in rund 300 Mio. Jahren Mechanismen entwickelt, diese „feindlichen“ Komponenten unschädlich zu machen. Die Wirkung dieser Verbindungen hängt unter anderem vom pH-Milieu ab und davon, wie hydrophil oder lipophil das Medium ist.

Das Enzym Superoxid-Dismutase (SOD) entgiftet das Hyperoxid unter Bildung von H2O2, das über die Haber-Weiss-Reaktion OH*-Radikale bilden kann. Im Chloroplasten wird H2O2 durch Ascorbinsäure-Peroxidase zu Wasser reduziert. Regeneriert wird die dabei entstehende Dehydro-Ascorbinsäure im Halliwell-Asada-Cyclus, bei dem mit Hilfe der überschüssigen Reduktionskraft (NADPH+H+) zuerst reduziertes Glutathion gebildet und dann die Dehydro-Ascorbinsäure wieder zur Ascorbinsäure reduziert wird. Über eine Art Shuttle wird auch in den angelagerten Peroxisomen H2O2 mittels Katalase zu H2O und O2 gespalten. Somit sind Chloroplasten in der Lage, den oxidativen Stress durch die Sauerstoffradikale (ROSint) abzuwehren. Schäden entstehen erst bei Überbelastung der Schutzsysteme. Anstatt der CO2-Fixierung (Photosynthese) generiert die Elektronentransportkette den

„oxidativen burst“, der den Zelltod (Apoptose) zur Folge hat.

Apoptose ist eine Form des programmierten Zelltods. Sie ist gewissermaßen ein "Selbstmordprogramm" einzelner biologischer Zellen, wobei proteolytische Enzyme eine Rolle spielen. Dieses kann von außen angeregt werden (etwa durch Immunzellen) oder aufgrund von zellinternen Prozessen ausgelöst werden (etwa nach starker Schädigung der Erbinformation).

Im Gegensatz zum anderen bedeutenden Mechanismus des Zelltodes, der Nekrose, wird die Apoptose von der betreffenden Zelle selbst aktiv durchgeführt, ist Teil des Stoffwechsels der Zelle. Dadurch unterliegt diese Form des Zelltods einer strengen Kontrolle und es wird gewährleistet, dass die betreffende Zelle ohne Schädigung des Nachbargewebes zugrunde geht.

Es gibt eine Reihe von entwicklungsphysiologischen Umständen, bei denen Zellen, Gewebe oder Organe kontrolliert abgetötet werden. Beispiele sind das Abwerfen von Blättern im Herbst und das Abwefen von Blüten nach der Befruchtung.

Xylemzellen oder Zellen des Korkgewebes z. B. können ihre Funktion besser als tote Zellen erfüllen. Die Abtötung von Zellen im unmittelbaren Bereich biotropher Pathogene ist eine perfekte Form der Isolierung.

Alle Stressfaktoren, welche die CO2-Aufnahme hemmen oder den Calvin-Zyklus stören, können ebenfalls über den „oxidativen Burst“ zum Zelltod führen. Es wird daher einsichtig, dass in photosynthetisch aktiven Zellen alle diese Stressfaktoren die gleichen Schutz-, Abwehr- und Reparaturmechanismen auslösen.

Hauptverantwortlich für die Abwehr im Apoplasten dürften Ascorbat, Polyphenole und Peroxidasen sein. Wie für andere Luftschadstoffe auch sind die Chloroplasten ein wichtiger Ort der Entgiftung für ROS. Dort stehen einige der in Tabelle 13-1 angeführten Antioxidantien für die Entgiftung zur Verfügung.

Die Abbildungen 13-7 und 13-8 zeigen Entgiftungswege im Chloroplasten. Schlüsselsubstanzen sind die reduzierten Formen der Antioxidantien, z. B. der Ascorbinsäure (Vitamin C).

Reduziertes Ascorbat (AA) als Antioxidans

H2O2 wird im Ascorbat-Glutathion-Zyklus im Stroma der Chloroplasten entgiftet. Dabei regenerieren drei in Serie geschaltete Enzyme die notwendigen Reduktionsmittel. Ascorbat (AA bzw. seine oxidierte Form DHA) nimmt eine zentrale Rolle ein; es reduziert das Superoxidanionradikal und H2O2

(Abbildung 13-7).

Abbildung 13-7: Ascorbat-Glutathion-Zyklus: Reaktionskette zur Entgiftung von Wasserstoffperoxid (H2O2) und Singulett-Sauerstoff (1O2) im Chloroplasten (Hock und Elstner 1995).

AA Ascorbat (reduzierte Form) - grün umrandet AA-POD Ascorbat-Peroxidase

DHA Dehydroascorbat (Ascorbat, oxidierte Form) DHA-R Dehydroascorbat-Reduktase GSSG Glutathion (oxidierte Form)

GSH Glutathion (reduzierte Form) - grün umrandet GR Glutathionreduktase

NADP+ Nicotinamid-adenindinukleotidphosphat (oxidierte Form)

NADPH/H+ Nicotinamid-adenindinukleotidphosphat (reduzierte Form) - grün umrandet

α-Tocopherol als Antioxidans

Singulettsauerstoff (1O2) und das OH*-Radikal werden in den Thylakoidmembranen über Fettsäuren und α-Tocopherol entgiftet. Auch hier spielt Ascorbat eine Rolle (Abbildung 13-8).

Abbildung 13-8: Entgiftung von 1O2 (Singulett-Sauerstoff) und OH* im Chloroplasten (Hock und Elstner 1995).

AA Ascorbat (reduzierte Form) - grün umrandet MDHA Monodehydroascorbat

MDHA-R Monodehydroascorbat-Reduktase (es disproportioniert zu AA und DHA) R* Fettsäureradikal

RH Fettsäure

Orte der Entgiftung sind in Tabelle 13-1, weitere Details in Tabelle 13-2ab aufgezählt.

Tabelle 13-1: Orte der antioxidativen Entgiftung.

Ort der Entgiftung / Antioxidans

Ascorbat β-Carotin Glutathion α-Tocopherol Polyphenole Polyphenoloxidasen Peroxidasen Katalasen Superoxiddismutasen Ascorbat-Peroxidase Monodehydro-ascorbat- Reduktase Glutathionreduktase

Chloroplasten bzw.

Thylakoidmembrane

+ + + + + + + +

Apoplast + + + +

Zellwand + + + +

Cytoplasma + + + +

Mitochondrien + + +

Vakuole +

Tabelle 13-2a: Niedermolekulare Antioxidantien und ihre Wirkungen.

Antioxidans (Abkürzung) Wirkung

Ascorbat (Vitamin C) Entgiftet OH*-Radikale, H2O2

β-Carotin Entgiftet Singulettsauerstoff

Flavonoide *) Antioxidans

Glutathion (reduziert; GSH) Regeneriert oxidiertes Ascorbat (GSSG)

Mannit, Formiat Entgiftet das OH*-Radikal

Phytoalexine *) Bildung bei Stresseinwirkung. Zu ihnen zählen Polyphenole, Flavonoide, Alkaloide, Cumarine

Polyamine (z. B. Putrescin) *) Radikalfänger; Anreicherung bei Stress

Polyphenole *) Radikalfänger durch reaktive Gruppen und durch Hemmung von Enzymen, die eine Sauerstoffaktivierung fördern

Salicylsäure Antioxidans α-Tocopherol (Vitamin E) Entgiftet Singulettsauerstoff und Fettsäureradikale

Tabelle 13-2b: Hochmolekulare Antioxidantien, Scavenger-Reaktionen zur Beseitigung vvon reaktiven Sauerstoffspezies.

Enzym Reaktion Stress

Superoxiddismutase (SOD) O2*- + 2H+ → (SOD) → H2O2 + O2 OS, HS, WS, CS, Salz, HL

CS Kältestress ASC Ascorbat

HL Starklicht GPX Glutathionperoxidase

HS Hitzestress GSH / GSSG reduziertes/oxidiertes Glutathion OS oxidativer Stress MDHA Monodehydroascorbat

WS Wassermangelstress PSH/PSSP reduziertes/oxidiertes Peroxyredoxin

13.6. Schädigungen an Pflanzen

Die Aufnahme von Ozon kann unterschiedliche messbare Effekte auf Zell-, Blatt- und Pflanzenebene bewirken. Die tatsächlichen Wirkungen sind u. a. abhängig von der Pflanzenart, dem Alter sowie der genetisch bedingten Widerstandsfähigkeit der betreffenden Pflanze (Pflanzenart; vgl. Tabelle 2-4).

Veränderungen auf Zellebene (+: Zunahme/Stimulierung, -: Inhibition)

• + Membranschäden

• + Störung des Wasserhaushaltes und des Ionenflusses

• + Bildung von Sekundärkomponenten, Abwehrmetaboliten und Lignin

• + Proteinabbau

• + Genexpression

• +/- Enzymaktivitäten

Veränderungen auf Blattebene

• + Blattmasse pro Blattfläche

• + Stomatadichte

• + struktureller Verfall

• + Atmung, Abwehr

• - Blattfläche

• - Photosynthese

• - Transpiration

• - stomatäre Regulierungsfähigkeit

• - Rubisco

Veränderungen auf Baumebene

• + Abwehrstatus

• - Fläche der Blattmasse

• - Reservestoffbildung, Fruktifizierung

• - Biomasseproduktion

• - Fitness

Sichtbare Ozon-Symptome an Blättern und Nadeln sind oft nicht eindeutig (Abbildung 13-9).

• Zerstörung der Ultrastruktur der Zelle. Durch die Schädigung der Membrane ist der Stofftransport gestört und die Fähigkeit der Kontrolle des osmotischen Potenzials verringert.

Folge: Veränderung der Flüsse von Zuckern, Aminosäuren und Natrium.

• Zerstörung von Pigmenten und Hemmung der Photosynthese.

• Zerstörung von Palisadenzellen. Dadurch entstehen – im Gegensatz zu PAN, welches das Mesophyll stark angreift – die Symptome zunächst an der Blattoberseite.

• Chlorosen von Nadeln und Blättern durch die Zerstörung von Chlorophyll; gelbe Bänderung und Bleichung.

• Wasserflecken oft als erste mit freiem Auge sichtbare Anzeichen an Blättern. Hierbei werden die betroffenen Zellen unterhalb der Epidermis löchrig. Es kann Ethen entstehen, welches seinerseits Blattfall und Seneszenz fördert.

• Helle (chlorotische) Punktierungen an Tabak, Pappel und Ahorn. Ähnliche Punktierungen an Koniferennadeln können auch von Zikaden stammen.

• Dunkle Punktierungen und nekrotische Flecken (Ursache: Stimulation der Tanninbildung), z. B.

an Esche.

• Bronzierung: Gleichmäßige und mehr oder weniger typische Verfärbungen der Blattober- und Unterseite an krautigen Pflanzen.

• Chlorotische Verzwergung nach chronischer Einwirkung.

Nach Ozonbegasungen können sogenannte Memory-Effekte auftreten. Hierbei treten Symptome - verstärkter Blattfall, verzögerter Knospenaustrieb und Pigmentverluste - erst mit großer zeitlicher Verzögerung auf. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Dosis und Schädigung ist nicht erkennbar.

Wirkungsindikatoren:

Gut geeignet (empfindlich bzw. ozonspezifisch reagierend): Tabak Bel W 3, Spinat, Sojabohne bzw.

Pintobohne, Esche. Empfindlich aufgrund von Kurzzeitbegasungen sind Lärche, Schwarzkiefer und Esche, weiters Spinat, Kartoffel, Tomate, Sojabohnen, Klee, Kleine Brennessel und Rettich. Weniger empfindlich sind Fichte, Rüben, Karotten, Erdbeeren (VDI-Richtlinie 2310; Hock und Elstner 1984).

Bedingt zur Bioindikation geeignet: Rotbuche und Weißbuche Nicht zur Bioindikation geeignet: Fichte

Zu Dosis-Wirkungsbeziehungen von Ozon siehe Kapitel 4.2.

Abbildung 13-9: Sprenkelungen an Blattoberseite von Esche und Fichte durch Ozon.