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Chlorwasserstoff und Chloride – Beitrag zum „Sauren Regen“

Chlor, das im Stoffwechsel nicht kovalent gebunden ist, ist ein essentielles Element. Chlorwasserstoff (HCl) und Chloride sind jedoch in erhöhter Konzentration aggressiv. Die Bedeutung des HCl ist deutlich geringer als die von SO2 und NOx. Er ist Bestandteil des „Sauren Regens“.

Chloride werden als Auftausalze im Straßenbereich noch immer in großem Umfang verwendet.

12.1. Quellen und Senken

Anthropogene Quellen von HCl bzw. Chlorid sind industrielle Verarbeitungen chlorhaltiger Stoffe:

Verzinkereien, Verhüttung chloridischer Erze, Chlorelektrolyse, Salzsäureherstellung, Salzkohle-verbrennung, die Dünger- und Kaliindustrie sowie die PVC-Verbrennung.

Natürliche Quellen sind Vulkane und Seesalz (Alkalichlorid).

Senken sind die trockene bzw. nasse Deposition.

12.2. Physikalische Eigenschaften

HCl ist ein farbloses Gas mit stechendem Geruch, das schwerer als Luft ist und sich sehr gut in Wasser zu Salzsäure löst.

12.3. Chemische Eigenschaften

HCl ist ein stechend riechendes, korrosives Reizgas. Als Säure ist sie in verdünnter wässriger Lösung vollständig dissoziiert. Das Chlorid-Ion wirkt in der Pflanzenzelle quellend, was u. a. bei der Stomataregulation von Bedeutung ist. Weiters fungiert es bei der Sauerstoffentwicklung im Zuge der Photosynthese als Enzymaktivator bzw. beim Elektronentransport. Chlorid ist im Boden und in Pflanzen sehr mobil.

12.4. Aufnahme und Umsetzungen in Pflanzen

HCl-Gas wird über die Stomata aufgenommen und wandert im Imbibitionswasser des Apoplasten mit dem Transpirationsstrom zur Blattspitze (Nadelspitze) und zum Blattrand. HCl kann die Quellung beeinflussen und so einen Stomataschluss hervorrufen. Hydrolytische Enzyme werden gehemmt, das Kohlenhydratbudget gestört und die Proteinsynthese gehemmt. In der Zelle kommt es zunächst zu einer Steigerung der Atmung, die jedoch bei zunehmender Einwirkung absinkt. Bei stärkerer Dosierung werden Membranen zerstört, die Photosynthese gehemmt und die Zellwand deformiert. Die Hemmung der Photosynthese kann auch eine Folge der Chlorophyllzerstörung sein. Es kann auch zu einer Plasmolyse und Schrumpfung des Zellinneren kommen.

12.5. Entgiftung und Metabolisierung

Chlorid kann in die Vakuole transportiert und damit „entschärft“ werden.

12.6. Schädigungen an Pflanzen

• Ätzschäden an der Blattoberfläche

• Rotbraune bis braune Nekrosen (Flecken, Punktierungen), ausgehend von den Blatträndern bzw. Nadelspitzen, aber auch zwischen den Leitgefäßen

• Gelblich-hellbraune Verfärbung des Mesophylls (Zerstörung der Chloroplasten)

Chlorgaseinwirkung erzeugt weiße Nekrosen. Die HCl-Symptome ähneln oft jenen, die durch SO2, HF oder O3 sowie durch Trockenheit und Salzüberschuss hervorgerufen werden (Abbildung 12-1).

Abbildung 12-1: Randnekrosen an Rotbuche durch HCl (links: schematisch nach Dässler 1991).

Wirkungsindikatoren: Spinat, Bohnen, Salat, Mais, Holunder. Sehr empfindliche Baumarten sind Fichte, Tanne, Weißkiefer, Douglasie, Weißbuche und Schwarzerle. Relativ wenig empfindlich sind Schwarzkiefer, Thuje, Robinie und Zitterpappel.

Akkumulationsindikatoren: Welsches Weidelgras

Halophyten sind salzliebende bzw. salzverträgliche Spezialisten unter den Pflanzen. Sie können die toxischen Na-Ionen von der Aufnahme ausschließen (salt exclusion) oder über Salzdrüsen (Hydrathoden) wieder ausscheiden. Sie besitzen häufig spezielle Einrichtungen zur Entfernung von NaCl aus dem Cytoplasma, z. B. durch Kompartimentierung in der Vakuole oder durch Exkretion aus Salzdrüsen und sind daher in der Lage, auf salzreichen Böden zu wachsen.

12.7. Chloride und Auftausalze

Chlor hat physiologische Bedeutung bei der Sauerstoffentwicklung im photochemischen Prozess und bei der Bewegung der Stomata.

Chloridaufnahme ist über Wurzeln und Blätter möglich

Das handelsübliche Streusalz besteht zum großen Teil aus Natriumchlorid. Zudem kann es natürliche Nebenminerale wie Anhydrit (Calciumsulfat), Magnesiumsulfat oder Ton bzw. CaCl2, MgCl2, Ca-Mg-Acetat sowie Harnstoff enthalten. Alkali- und Erdalkalichloride, die im Auftausalz enthalten sind, sind leicht löslich. Da sie im Boden und innerhalb der Pflanze mobil sind, werden sie leicht ausgewaschen.

Chlorid wird von den Wurzeln bzw. vom Cytoplasma aufgenommen. Das Überangebot führt zu Ernährungsstörungen, weil die notwendigen Elemente nicht im optimalen Verhältnis aufgenommen werden können.

Wirkungen von Auftausalzen

• Beeinträchtigung der physiologischer Aktivitäten.

• Chlorid hemmt bei einem Überangebot Photosynthese und Transpiration. Das Gewebe altert vorzeitig.

• Ein überhöhter Salzgehalt im Boden und in der Pflanzenzelle übt sowohl eine osmotische als

osmotische Komponente besteht in der schlechteren Wasserverfügbarkeit. Die ionenspezifische Wirkung wird durch einen Überschuss im Protoplasma, Ionenungleichgewichte, Veränderungen von Enzymen und Proteinen und durch die Veränderung von Membraneigenschaften hervorgerufen.

• Die kritische Konzentration im Pflanzengewebe liegt bei 10 mg Cl kg-1 TS, also etwa beim 100-fachen der natürlichen Konzentration.

„Herbstverfärbung“ bei Alleebäumen schon im Sommer

Chlorid ruft sichtbare Symptome wie Vergilbungen sowie Rand- und Spitzennekrosen, gefolgt von Blattabfall, hervor. Das Wurzelwachstum kann gehemmt und ganze Sprossbereiche können verdorren (vorgezogene Seneszenz).

Durch Streusalz werden die Blätter der besonders chlorid-empfindlichen Kastanien, Linden und Ahornbäume in Alleen nach dem Ausbringen von Auftausalzen schon im Sommer des Folgejahres braun (die Fleckungen an Kastanien in den letzten 15 Jahren gehen jedoch auf die Kastanienminiermotte und auf Pilzinfektionen zurück). Schäden an jungen Kiefern zeigt Abbildung 12-2. Relativ salztolerant sind Platane, Eiche und Robinie.

Abbildung 12-2: Salzschäden an Kiefern am Rand der Autobahn.

Infolge der Einwirkung von Auftausalzen entstehen Spitzenschäden und Totalnekrosen.

12.8. Konzentrationen in der Luft und in Blattorganen Luft: HCl wird in Österreich nicht gemessen.

Die Chloridkonzentrationen in der Luft und im Regen hängen von der Entfernung vom Meer ab. Die Einträge mit der nassen Deposition liegen in österreichischen Waldgebieten in der Größenordnung von 7 kg Cl ha-1 a-1. HCl-Konzentrationen oberhalb von 70 ppb können pflanzenschädigend wirken (Tabelle 12-1).

Tabelle 12-1: HCl-Konzentrationen in der Luft, oberhalb derer Schädigungen an Pflanzen auftreten können (Richtwerte).

Mittel ppb Halbstundenmittel 260

Tagesmittel 70

Blattorgane: Bei Immissionseinwirkungen von löslichen Chloriden können die Gehalte auf das Zehnfache des natürlichen Gehaltes ansteigen. Die chemische Analyse basiert auf einer elektrochemischen Titration der Extraktionslösung mit Silbernitrat und Endpunktsbestimmung mit einer Silberelektrode.

Die natürlichen Chlorgehalte in Fichtennadeln werden für die ersten drei Nadeljahrgänge gleich hoch angenommen; bei ihrer Überschreitungen kann Immissionseinwirkung angenommen werden (Tabelle 2-2).

Tabelle 12-2: Natürliche Chlorgehalte (Obergrenze in Fichtennadeln, bezogen auf Trockensubstanz).

Nadeljahrgang 1 0,1 % Nadeljahrgang 2 0,1 % Nadeljahrgang 3 0,1 %

Resümee: HCl hat heute allenfalls lokale Bedeutung als pflanzenschädigende Komponente. Die Wirkungen von chlorhältigen Auftausalzen sind für Bäume in deren Nahbereich bedeutsam.

Literatur: Dässler (1991), DeKok und Stulen (1998), Guderian (1977), Hock und Elstner (1995).