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Klassische „Rauchschäden“ und die „Neuartigen Waldschäden“ in den 1980er Jahren

1. Luftschadstoffe erzeugen Stress an der Vegetation

1.4. Klassische „Rauchschäden“ und die „Neuartigen Waldschäden“ in den 1980er Jahren

1.4.1. Rauchschäden – Nahschäden nach dem Beginn der Industrialisierung

Klassische „Rauchschäden“ wurden zwar schon von Plinius dem Älteren im Jahre 61 n. Chr.

beschrieben, sie erlangten aber erst mit dem Einsetzen der Industrialisierung größere Bedeutung.

Typisch für sie war (und ist), dass primäre Luftschadstoffe wie SO2, HF oder Schwermetalle im unmittelbaren Einflussbereich der Emittenten (Chemische Industrie, Kraftwerke) bis maximal 30 bis 50 km Entfernung auftreten. Hauptschadstoff ist das SO2 (Abbildung 1-12).

Abbildung 1-12: Klassische

Immissionsschäden durch SO2 in einem Fichtenbestand (Erzgebirge).

Zwischen abgestorbenen Bäumen finden sich immissionsresistente („rauchharte“) Individuen, der Boden ist vergrast.

Charakteristisch für klassische Immissionsschäden ist:

• Es ist ein klarer Zusammenhang zwischen dem Verursacher (Emittenten) und dem Schaden (Ausfall empfindlicher Baumarten, Absterben von Waldbeständen) feststellbar.

• Das geschädigte Gebiet ist deutlich abgegrenzt bzw. durch Zonen abnehmender Immissionsbelastung gekennzeichnet.

• Wirkungsbezogene Grenzwerte für Gehalte der Luft (v. a. SO2) und der Gehalte von Blattorganen (Schwefel, Fluor) werden deutlich überschritten.

Sehr hohe Schadstoffkonzentrationen treten bei Smog auf (Smog = smoke und fog = Rauchnebel)

Besonders seit dem Beginn der Industrialisierung entstanden in Industriegebieten und Ballungsräumen extrem hohe Schadstoffkonzentrationen. Dabei werden zwei Typen unterschieden:

• Der Los Angeles Smog (photochemischer Smog) entsteht bei relativ hohen Temperaturen, niedriger Luftfeuchte und starker Sonneneinstrahlung, also vor allem im Sommer;

Hauptbestandteile sind Photooxidantien.

• Der London-Smog ist reduzierend und enthält SO2, Ruß und CO in hohen Konzentrationen; er

1.4.2. „Neuartige Waldschäden“ und die Sorge um ein großflächiges Waldsterben

Die Anfang der 1980er Jahre in Europa aufgetretenen „Neuartigen Waldschäden“ traten großflächig unter anderem als Kronenverlichtungen und Vergilbungen in Erscheinung. Dabei waren nicht die Schadbilder selbst, sondern das Ausmaß der Schäden neuartig. Diese Komplexkrankheit trat regional bis überregional auf und wurde durch Ozon, relativ geringe Konzentrationen anderer Luftschadstoffe, aber auch durch Nährstoffmangel und eine Reihe anderer – z. B. klimatischer - Faktoren ausgelöst.

Die Ursachen waren komplex und regional sehr verschieden (Abbildung 1-13, Box 1-6). Da sie langfristig nicht zu einem europaweiten „Waldsterben“ geführt haben, nahm das Interesse der Öffentlichkeit und der Politik rasch ab.

Abbildung 1-13: Ursachenkomplex der „Neuartigen Waldschäden“ (Hock und Elstner 1995).

Typisch für die „Neuartigen Waldschäden“ war:

• Es war kein klarer Zusammenhang zwischen einer bestimmten Ursache und dem Schaden feststellbar

• Das betroffene Gebiet war nicht deutlich abgegrenzt

• Wirkungsbezogene Grenzwerte wurden – mit Ausnahme von jenen des Ozons – meist nicht überschritten

Box 1-6: Baumsterben.

Als Baumsterben wird oft ein episodisches Ereignis bezeichnet, das durch vorzeitigen und progressiven Verlust der Baum- bzw. Bestandesvitalität (-gesundheit) v. a. in höheren Altersklassen (beschleunigtes Absterben) über eine bestimmte Zeitspanne charakterisiert ist. Die Ursachen sind biotisch und/oder abiotisch. Mit dem Baumsterben ist nicht grundsätzlich das Aussterben einer Baumart gemeint. Häufige Symptome sind allgemeines Kränkeln, baum- und gruppenweises Absterben (oft schleichend), vorzeitiger Blattverlust (ältere Nadeljahrgänge, meist von innen nach außen), Zuwachsverluste, Totäste im Bereich der grünen Krone, Blattvergilbung (akute Vergilbung) bzw. Blattverfärbung und Kleinblättrigkeit (in höheren Lagen). Baumsterben bestimmter Baumarten kommt fast auf der ganzen Welt vor. Oft tritt es dort auf, wo standörtliche Voraussetzungen - insbesondere die Wasserversorgung - nicht optimal sind. Beim Baumsterben der betreffenden Baumarten handelt es sich um Komplexkrankheiten, für die das Absterben aus mehreren gleichzeitig bzw. auch hintereinander eintretenden, bekannten oder unbekannten Ursachen (Ursachenverkettung) charakteristisch ist.

Symptome sind Kronenverlichtungen durch Verlust bzw. reduzierte Entwicklung von Feinzweigen und nachfolgend Zurücksterben der Kronen. Zusätzlich treten oft bräunlich-schwarze Flecken auf der Borke und auf Ästen als Folge von Schleimfluss an der Rinde auf. Die Ursachen liegen in einer Kombination von klimatischen Stress und Pathogenen:

Pilzinfektionen der Wurzeln sowie des Stammes und Sekundärschädlinge (Insekten).

Eichensterben wurde bereits im 18. Jahrhundert beschrieben und tritt periodisch auf (auch in klassischen Eichen-Anbaugebieten). Ursachen: Extreme Witterungsbedingungen (anhaltende Trockenheit, Absenkung des Wasserspiegels, Winterfrost) und diverse biotische Faktoren wie Insekten, Pilze und Nematoden.

Erlensterben: Großflächiges Absterben von Schwarzerlen ist seit über 150 Jahren in Europa bekannt und wurde bis in die Zwischenkriegszeit als Folge schlechter (d. h. standorts- und klimamäßig ungeeigneter Herkünfte von Pflanzenmaterial) in Kombination mit Sekundärschädlingen angesehen. Seit etwa 15 Jahren breiten sich wurzelpathogene Pilze (Phytophthora) in Gewässer begleitenden Erlenbeständen in weiten Teilen Europas aus, die zum bestandesweiten Absterben von Erlen führen.

Eschensterben: Eine erst seit etwa 15 Jahren bekannte, seit etwa 2007 in weiten Teilen Europas auftretendes Triebsterben, das von einer einzigen Pilzkrankheit verursacht wird. Das nachfolgende Absterben des Baumes wird durch sekundäre Organismen hervorgerufen. Klimatische oder andere Stressfaktoren sind unbekannt.

Fichtensterben: Erscheinungsbilder sind akute Chlorose (Gelbfärbung der Nadeln, beginnend an der Nadelspitze) bzw.

akute Vergilbung. Das Fichtensterben kommt seit den frühen 1970er Jahren in Mitteleuropa, in Berggebieten auf sauren und Mg-armen Böden vor und wird auch mit Oxidantienwirkung in Zusammenhang gebracht. Fichtensterben tritt in Österreich insbesondere im Voralpengebiet auf, wo die Fichte nicht standortsgemäß ist. Die Kombination von Niederschlagsarmut bzw.

Trockenheit, Wurzelschäden (Wurzelrisse infolge Sturmeinwirkungen), Insekten- und Pilzbefall führt zum Absterben von Fichten.

(Weiß-)Kiefernsterben: Einzel- und gruppenweises Absterben von Kiefern aufgrund eines Ursachenkomplexes. Ursachen sind z. B. nicht standortsgemäßer Anbau (etwa im Eichen-Hainbuchenwald), Trockenheit, pathogene Rindenpilze (Triebsterben), Wurzelfäule (Hallimasch und andere) sowie im Stamm brütende Insekten.

Tannensterben: Eine der ältesten Syndrome in allen Gebieten, in denen Tanne vorkommt. Das Tannensterben äußert sich in einem langsamen Absterben mittelalter und alter Tannen ohne unmittelbar erkennbare Ursachen vor allem am natürlichen Arealrand. Schadbild: Schütterwerden der Krone, absterbende Äste (von unten nach oben), Zuwachsverlust, Storchennest-, Wasserreiser- und Totastbildung; Nadelverfärbung nach graugrün und bräunlich (ähnlich Dürreschaden), Schwächeparasiten, Mistelbefall, Totwurzeln, assoziiert mit einem Nasskern (“pathologischer Nasskern”, bakteriell verursacht: Verfärbung und Geruchsbildung).

Ulmensterben äußert sich in Form einer Welke des gesamten Blattbesatzes und nachfolgendem Absterben des Baumes.

Ursache sind zwei aus Asien eingeschleppte Pilzkrankheiten des Gefäßsystems, die mit dem Ulmensplintkäfer übertragen werden.

Mit den Begriffen „Neuartige Waldschäden“ und „Waldsterben“ sind weder die großflächigen Brandrodungen in den tropischen Regenwäldern (Ausmaß in der Größenordnung von 17 Mio. Hektar pro Jahr) noch natürliche, durch Blitze hervorgerufene Brände in borealen Wäldern (über 1 Mio.

Hektar pro Jahr) gemeint.

1.4.3. Verstärkte Waldschadensforschung und Verbesserung der Luftqualität

Die Sorge um den Weiterbestand der Wälder in Europa führte dazu, dass Anfang der 1980er Jahre unzählige interdisziplinäre, auch baumphysiologische Forschungsprojekte und Waldmonitoring-Programme in Europa gestartet wurden. Sie lieferten die wissenschaftliche Grundlage für gesetzliche Maßnahmen auf nationaler und später auf EU-Ebene, nämlich Luftreinhaltegesetze mit Immissionsgrenzwerten und Reduktionen der Emissionen.

Hypothesen zu den Ursachen des „Waldsterbens“

In den 1980er Jahren wurden mehrere Hypothesen aufgestellt, die im Zusammenhang mit Immissionseinwirkungen zu sehen sind:

Ozonhypothese: Ozon bzw. photochemische Oxidantien als Hauptverursacher

Bodenversauerungshypothese: Beschleunigung der Bodenversauerung durch saure Einträge; in der Folge Mobilisierung von toxischem Aluminium und von Schwermetallen

Stickstoffhypothese: Überdüngung mit Stickstoff

Stresshypothese: Verringerung der Photosyntheseleistung durch immissionsbedingten Stress

Leaching-Hypothese: Auswaschung von Nährelementen aus Blattorganen bzw. aus dem Boden

Weitere Hypothesen zogen eine schlechte Wasserversorgung, pilzliche und bakterielle Epidemieschübe sowie Schädlingskalamitäten und eine Vernachlässigung der Waldpflege in Betracht.

Sogar der Temperatursturz zwischen Silvester 1978 und Neujahr wurde als Mitursache vermutet.

Keine der Hypothesen konnte eine allgemein gültige Erklärung für die Waldschäden liefern.

Letztendlich stellte sich heraus, dass selten die Einwirkung eines einzigen Außenfaktors den Schaden verursacht hatte, sondern insgesamt alle Einflüsse aus der Umwelt, einschließlich vergangener und gegenwärtiger Bewirtschaftung der Wälder, für den Zustand der Wälder verantwortlich sind.

Der in Europa in den letzten Jahren (Jahrzehnten) beobachtete Anstieg des Holzzuwachses ist wahrscheinlich zu erklären mit dem Zusammenwirken erhöhter Stickstoffeinträge, einer ansteigenden CO2-Konzentration, mit klimatischen Faktoren (Temperaturanstieg und in weiterer Folge mit längeren Vegetationszeiten) und mit abnehmenden SO2-Konzentrationen. Auch eine veränderte Waldbehandlung dürfte eine Rolle spielen. Der Zuwachs an Holzmasse ist aber nicht mit einer Verbesserung des Gesundheitszustandes gleichzusetzen (siehe auch Box 1-7).

Resümee: Vegetationsschädigende Luftverunreinigungen treten als Stressor nicht alleine auf, sie wirken stets mit anderen biotischen und/oder abiotischen Stressoren zusammen. Wenngleich - global gesehen - die natürlichen Emissionen der meisten Spurenstoffe höher sind als die anthropogen verursachten (Ausnahmen: Stickstoffoxide und Ammoniak), erzeugen Emissionen durch den Mensch in den meisten Fällen phytotoxische Konzentrationen (Ausnahme: Vulkane). Die Gesamtbelastung der Vegetation in Europa durch Luftschadstoffe ist jedoch in den letzten 25 Jahren deutlich zurückgegangen.

Literatur: BFW (2004), Bolhar-Nordenkampf H. (1989), Doralt (2007), Elling et al. (2007), Elstner (1990), Emberson et al.

(2003), Grädel und Crutzen (1994), Guderian (2000 und 2001), Hanisch und Kilz (1990), Hock und Elstner (1995), Larcher (2001 und 2003), Lichtenthaler (1996), Möller (2003), Schopfer und Brennicke (2007), Weiler und Nover (2008).

Box 1-7: Einige Angaben zum Wald.

Wald global

Der Wald enthält über 80 % der globalen Pflanzenmasse

Globale Waldfläche (FAO 2001) *) 3.869 Mio. Hektar

Europa 1.039 Mio. Hektar

Südamerika 886 Mio. Hektar

Afrika 650 Mio. Hektar

Nordamerika 549 Mio. Hektar

Ozeanien 198 Mio. Hektar

*) davon 3.682 Mio. Hektar natürlicher Wald

Waldanteil global ca. 31 %

Anteil vom Wald in Westeuropa am globalem Waldvorkommen 3,1 %

Waldverlust in den Tropen durch nicht nachhaltige Nutzung 17 Mio. Hektar pro Jahr

Wald in Österreich (Inventurperiode 2000/2002) (1 Festmeter = 1 Kubikmeter)

Waldfläche 3,96 Mio. Hektar

Waldanteil 47,2 %

Hektar pro Kopf 0,5

Vorrat 1095 Mio. Festmeter

Vorrat pro Hektar 333 Mio. Festmeter

Jährlicher Holzzuwachs über 30 Mio. Festmeter pro Jahr

Jährliche Holznutzung weniger als 20 Mio. Festmeter pro Jahr

Holzzuwachs pro Sekunde 1 Festmeter

Jährliche Zunahme der Waldfläche 7.700 Hektar pro Jahr

Vorratsanteile

Fichte 60,9 %

Rotbuche 9,1 %

Weißkiefer 8,5 %

Lärche 6,9 %

Tanne 4,7 %

Eiche 2,3 %

Anteile in Bezug auf Hemerobie (= Maß für den menschlichen Kultureinfluss auf Ökosysteme)

Natürlich / einflussfrei 3 %

Naturnah, bewirtschaftet 22 %

Mäßig verändert 41 %

Stark verändert 27 %

Künstlich 7 %

Angaben zu Waldschäden in Österreich: http://www.bfw.ac.at