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Eutrophierung von Waldökosystemen durch überhöhte Stickstoffeinträge

10. Eutrophierung und Versauerung von Waldökosystemen

10.2. Eutrophierung von Waldökosystemen durch überhöhte Stickstoffeinträge

Wirkungen

Fast alle terrestrischen Ökosysteme der temperierten Zone sind stickstofflimitiert. Waldökosysteme sind an Stickstoffarmut angepasst. Fast 50 % der europäischen Pflanzenarten sind an N-arme Böden angepasst und 4/5 der Pflanzen der Roten Listen sind nur auf N-Mangelstandorten konkurrenzfähig.

Ein erhöhter Stickstoffeintrag kann zu einer Eutrophierung, aber auch zu einer Bodenversauerung führen (der Phosphor ist im Zusammenhang mit der Eutrophierung von Gewässern relevant). Vor allem die atmosphärischen Stickstoffeinträge überschreiten in Europa meist die von Waldökosystemen für den Aufbau der Biomasse erforderlichen Mengen.

Critical Loads (kritische Einträge) für Stickstoff liegen für Wälder zwischen 10 und 15 kg ha-1 a-1 (10 kg ha-1 a-1 entsprechen weniger als 3 mg m-2 Tag-1), für besonders empfindliche Ökosysteme (Hochmoore) noch niedriger. Die Auswirkung ist zunächst eine Artenverschiebung in der Krautschicht (Tabelle 10-2; Box 5-1b).

Actual Loads (tatsächliche Einträge): In Österreich werden derzeit durch die Summe aus nasser und trockener Absetzdeposition im Mittel 7,5 kg N ha-1 a-1 (5 bis 20 kg N ha-1 a-1) Stickstoff eingetragen. Durch okkulte Deposition (Nebeleintrag) erhöht sich dieser Betrag besonders in höheren Lagen. In Deutschland und in den Niederlanden können infolge der starken landwirtschaftlichen Aktivitäten auch Einträge von 50 kg ha-1 a-1 erreicht werden. Im Vergleich dazu werden bei einmaligen N-Düngung in der Land- bzw. Forstwirtschaft bis zu 200 kg ha-1 a-1 ausgebracht.

Tabelle 10-2: Critical Loads für eutrophierende N-Einträge für Bäume und Waldökosysteme (kg ha-1 a-1), nach Bobbink et al. (1995).

Kritische Eintragsraten und Zuverlässigkeit der Werte

Beobachtungsmerkmale

Nadelbäume (auf sauren Böden niedriger Nitrifikation)

10 – 15 (c) Nährstoffungleichgewichte Nadelbäume (auf sauren Böden

mäßiger bis hoher Nitrifikation)

20 - 30 (b) Nährstoffungleichgewichte

Laubbäume 15 – 20 (b) Nährstoffungleichgewichte, erhöhtes

Spross-Wurzel-Verhältnis

Saure Nadelwälder 7 - 20 (c) Veränderungen der Bodenflora und

Mykorrhiza, erhöhter Schadstoffaustrag

Saure Laubwälder 10 - 20 (b) Veränderungen der Bodenflora und

Mykorrhiza

Wälder auf kalkreichen Böden 15 – 20 (a) Veränderungen der Bodenflora Wälder humider Klimate 5 – 10 (a) Rückgang der Flechten, Zunahme

freilebender Algen Nicht bewirtschaftete Wälder saurer

Standorte

7 – 15 (a) Veränderung der Bodenflora und erhöhter Stoffaustrag

a) bestmögliche Schätzung, b) ziemlich verlässlich, c) verlässlich

Die in Österreich festgestellten N-Einträge sind zum Teil hoch genug, um nachteilige Auswirkungen auf Waldböden und auf die Nährstoffdynamik zu haben. Der Bedarf wird in den meisten Gebieten überschritten. In Österreich werden über einen Zeitraum von über 100 Jahren weniger als 7 kg ha-1a-1 in der Biomasse akkumuliert. Gegenüber Stickstoffeinträgen empfindlicher als Waldökosysteme reagieren Hochmoore und Heiden.

Nachteilige Wirkungen von überhöhten Stickstoffeinträgen

Zunächst treten Wuchsteigerungen auf, die vor allem dominierenden Arten zugute kommen;

konkurrenzschwächere Arten werden unterdrückt, was zu einer Verarmung der Artengarnitur führt Mit zunehmendem Eintrag überwiegen jedoch die negativen Wirkungen.

Gestörte Nährstoffbalanzen: Ein Überangebot an Stickstoff kann ungünstige Verhältnisse des Nährstoffangebotes bzw. einen erhöhten Kationenbedarf zur Folge haben. Wenn die N/P-Verhältnisse in Nadeln ohnehin schon zu hoch sind, führen N-Einträge zu einer weiteren Verschlechterung des Ernährungsstatus. N-Überschuss kann Mg-Mangel zur Folge haben, was auch als Mitursache der montanen Vergilbung der Fichte (Schwarzwald/BRD) diskutiert wurde.

Erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Stress: Hohe Stickstoffgaben erhöhen die Frostempfindlichkeit bzw. vermindern die Winterhärte: Die Gründe sind eine verminderte Zellwandstabilität und schlechtere

osmotische Voraussetzungen aufgrund des beschleunigten Wachstums (während des Streckungswachstums ist keine Frostabhärtung möglich). Auch eine stärkere Anfälligkeit gegen Insekten und Pilze ist möglich. Erhöhte N-Gaben fördern das Sprosswachstum, während das Wurzelwachstum zurückgeht. Die erhöhten Spross-Wurzelverhältnisse können Wasserstress induzieren und die mechanische Stabilität des Baumes verringern.

Beeinträchtigung der Naturverjüngung: Bei einem erhöhten N-Eintrag werden Pflanzen mit einem höheren N-Bedarf gegenüber jungen Fichten konkurrenzfähiger. Dadurch wird der Wuchs von Stickstoff liebenden Waldreitgrasdecken wie Calamagrostis epigejos gefördert; sie erschweren die natürliche Verjüngung von Waldbäumen durch Wurzelkonkurrenz und Verdämmung.

N-Überschuss und Artenvielfalt: Überhöhte N-Einträge reduzieren die Artenvielfalt, z. B. in Heiden (hier vor allem durch den Versauerungseffekt).

Grundwasserbelastung: Der eingetragene Stickstoff ist nicht zur Gänze verfügbar oder wird bei Sättigung des Systems gar nicht aufgenommen, sondern geht aufgrund der Beweglichkeit des NO3-N zum Teil ins Grundwasser (der EU-Grenzwert für Trinkwasser beträgt 50 mg Nitrat L-1).

Nach Kahlschlägen wird über einen bestimmten Zeitraum mehr Nitrat durch erhöhte Wärmeeinstrahlung, erhöhte Stoffwechselaktivität (erhöhte Netto-Nitrifikationsrate), Wegfall des Stickstoffentzuges durch die Baumvegetation und durch Rohhumusabbau frei. Dieses Nitrat gelangt in das Grundwasser. Auswaschung von Nitrat hat Basenverlust und damit Bodenversauerung zur Folge.

Bei einer Klimaerwärmung ist zu erwarten, dass die Aktivität der Bodenmikroorganismen und damit auch die Nitrifikation forciert wird, wodurch das Grundwasser belastet werden könnte, wenn Stickstoffsättigung im Boden eingetreten ist.

Stickstoffgesättigte Ökosysteme sind Systeme, in denen:

• die Verfügbarkeit von anorganischem Stickstoff höher ist als der Ernährungsbedarf der Vegetation und der mikrobiellen Biomasse;

• die Stickstoffeinträge gleich hoch oder höher sind als die Stickstoffverluste;

• die Primärproduktion durch weitere Stickstoffgabe nicht mehr gesteigert werden kann

N-gesättigte Waldökosysteme haben im Vergleich zu N-limitierten Systemen eine niedrigere Mykorrhizierung, ein niedrigeres C/Verhältnis (wegen der erhöhten Aufnahme) und höhere N-Blattkonzentrationen. In N-limitierten Systemen überwiegt die Aufnahme von Ammonium, da die Nitrifizierungsrate gering und die Immobilisierung von Nitratzersetzern hoch ist.

Ein N-Mangel in Nadeln muss noch nicht bedeuten, dass die N-Einträge nicht zu hoch sind: In den Fichtennadeln des Österreichischen Bioindikatornetzes wird vorwiegend eine Unterversorgung mit Stickstoff festgestellt. Daraus lässt sich folgern, dass – zumindest gebietsweise – auch ein überhöhter Stickstoff-Eintrag nicht in ausreichendem Maße aufgenommen und metabolisiert werden kann.

Düngungseffekt: Die natürlichen N-Entzüge sind – im Gegensatz zur Landwirtschaft – in Waldökosystemen gering und die N-Speicherungsfähigkeit ist begrenzt. Stickstoffeinträge durch atmosphärische Spurenstoffe sind somit eine Art unkontrollierte Düngung, die den Bedarf übersteigen können. Zunächst werden bei entsprechend hohen Eintrag höhere Holzzuwächse und eine gesteigerte Verjüngungsfreudigkeit festgestellt. Die Wachstumssteigerung erhöht jedoch auch den Bedarf an anderen Nährstoffen.