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Tobia Lakes 1 und Heinz-Josef Klimeczek 2

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Einleitung

Umweltgerechtigkeit in einer Stadt kann nur als mul-tidimensionales Thema betrachtet werden, denn es bedarf der integrierten Analyse und zusammenfüh-rende Darstellung verschiedener Umweltbelastungen aber auch Umweltressourcen in ihrer sozialräum lichen Verteilung (Wheeler 2004). Die für die „Lebens-weltlich orientierten Räume“ (LOR) in Berlin erar-beitete umweltbezogene Analyse liefert erst malig für die Hauptstadt kleinräumige Daten, die vorhandene umweltbezogene, städtebauliche und stadtplanerisch relevante Indikatoren ergänzen und eine ressortüber-greifende Betrachtung von städti schen Quartieren und Lebensräumen ermöglichen. In dieser orientierenden Untersuchung wurden zunächst auf der Grundlage der Strategischen Um welt prüfung (SUP) vier Variablen ausgewählt, deren große gesundheitsrelevante Aus-wirkungen im städtischen Raum bereits in verschiede-nen Stu dien belegt wurden: Lärm- und Luftbelastung, Bioklima und Freiflächenversorgung (Niemann et al.

2005; Rey et al. 2005; Groenewegen et al. 2006). Die kleinräumig ermittelten Ergebnisse zu den einzelnen umweltrelevanten Themenfeldern wurden auf eine Pla nungsebene zusammengeführt und (stadt-)räum-lich dargestellt. Diese umweltbezogenen Aussagen zu der Belastungssituation in den Planungsräumen wurden mit den Aussagen des Monitorings Soziale Stadt entwicklung (siehe Beitrag S. 21) verknüpft und bilden so die verschiedenen Um weltbelastungen und -ressourcen in ihrer sozialräumlichen Verteilung ab (siehe Beiträge S. 26-39).

Methodisches Vorgehen

Für die Auswahl der umweltbezogenen Indika -toren war der Gesundheitsbezug entscheidend (Wheeler 2004; Niemann et al. 2005; Rey et al.

2005; Groenewegen et al. 2006). Es wurde zunächst

die umweltbedingte gesundheitsrelevante Mehr-fachbelastung der analysierten 426 Berliner Pla-nungsräume ermittelt. Hierzu wurden die jeweils höchsten Belastungsklassen (Ka tegorie 3 und 4) der Einzelindikatoren (Lärm- und Luftbelastung, Bioklima und Freiflächenversorgung) kombiniert und als zweifach, drei fach oder vierfach belastet darge-stellt. Überlagert wurde diese Information mit den Daten des Entwicklungsindex.

Ergebnisse

Die hohe Bedeutung der umweltbedingten gesund-heitsrelevanten Mehrfachbelastung für den städti-schen Raum und die räumliche Konzentration im Innenstadtbereich Berlins ist deutlich zu erkennen.

Wäh rend sich innerhalb der Umweltzone Berlins fast alle Planungsräume (PLR) mit dreifacher Belastung finden, lie gen die PLR ohne Mehrfachbelastung vor-wiegend im Außenbereich an der Berliner Stadtgrenze (Abbildung 1). Die Korrelation dieser Mehrfachbelastung der Umweltvariablen mit dem Entwicklungsindex zeigt den Grad der Umweltungerechtigkeit in Berlin. So wei-sen die PLR mit niedrigen und sehr niedrigen Werten des Entwicklungsindex einen deutlich höheren Anteil an zwei-, drei- oder gar vierfach umweltbelasteten PLR auf. Im Gegensatz dazu sind PLR ohne Um-weltbelastung wesentlich durch sehr hohe/hohe Werte des Ent wicklungsindex geprägt (Abbildung 2).

Die Analyse der räumlichen Verteilung dieser Um-weltungerechtigkeit zeigt die Konzentration im Innenbereich Berlins, wie zum Beispiel die hohe Mehr fachbelastung durch Umweltfaktoren und das Zu sammentreffen mit niedrigem sozialen Status im nörd lichen Bereich des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzber g, im Wedding, dem südlichen Bereich

1 Humboldt-Universität zu Berlin

2 Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin

Abbildung 1: Integrierte Umweltbelastung (Bearbeitungsstand März 2011).

des Bezirks Reinickendorf und in Nordneukölln.

Eine sehr geringe beziehungsweise geringe Um-weltbelastung und ein sehr hoher beziehungsweise ho her sozialer Status finden sich dagegen vor allem im Außenbereich (Abbildung 1).

Fazit und Ausblick

Es lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Er-gebnisse eine hohe Relevanz des Themas Umwelt-gerechtigkeit feststellen, da eine so zialräumliche Verteilung der Umweltbelastungen im Stadtgebiet zu erkennen ist. Während sich insbesondere im Innenstadtbereich Planungsräume mit einer deut-lich erhöhten Mehrfachbelastung durch Um-weltfaktoren und einem gleichzeitigen Auftreten von niedrigen Entwicklungsindex zeigen, ist die Tendenz im Außenbereich gegenläufig. Die vorgestellten Ergebnisse ermöglichen nun erstmals eine integ -rierte Betrachtung und damit eine neue Perspektive auf die Multidimensionalität der sozialräumlichen Verteilung von Umweltbelastungen und -ressourcen im städtischen Raum am Beispiel Berlins. Mit dem verfolgten methodischen Ansatz ist die Identifikation von Planungsräumen mit Mehrfachbelastungen differenziert nachvollziehbar. Dabei konzentriert sich die Darstellung der Umweltgerechtigkeit auf die Planungsraumebene, da im Gegensatz zu den Umweltbelastungen und -ressourcen sozioökoonomi-sche Daten nur auf diesem Aggregationsniveau ver-fügbar sind. Aufbauend auf dem vorgestellten ersten Screening der berlinweiten Situation können weite-re Detailanalysen folgen. Gleichzeitig sind mit die-sem Ansatz die Grundlagen für die Erarbeitung eines Umweltgerechtigkeitsindikators gelegt worden, der Umweltgerechtigkeit kleinräumig in einem Wert

quan-tifiziert. Die hiermit vorliegende Planungsgrundlage soll zu einem ergänzenden umweltpolitischen Steu-erungsinstrument entwickelt werden, um gezielt um -welt- und stadtentwicklungspolitische Maßnahmen entwickeln zu können. Eine weitere Zielsetzung ist, Grundlagen für eine gesamtstädtische und ressort-übergreifende Rahmenstrategie zu erarbeiten, um die Sozialraumorientierung fachlich-inhaltlich zu unter-setzen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die För-dergebiete der Stadterneuerung, die das politische Ziel der Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen in ei-ner Stadt im Hinblick auf das wichtigste Schutzgut, dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung verfolgt.

Literatur

Groenewegen PP, van den Berg AE, de Vries S, Verheij RA (2006): Vitamin G: effects of green space on health, well-being, and social safety. In: BMC Public Health, 6: 149.

Niemann H, Maschke C, Hecht K (2005): Lärmbedingte Be-lästigung und Erkrankungsrisiko. Ergebnisse des paneuropä-ischen LARES-Survey. In: Bundesgesundheitsbl – Gesund-heitsforsch – Gesundheitsschutz, 3: 315-328.

Rey G, Fouillet A, Bessemoulin P, Frayssinet P, Dufour A, Jougla E, Hémon D (2005): Heat exposure and socio-economic vulnerability as synergistic factors in heat-wave-related morta-lity. In: European Journal of Epidemiology, 24: 495-502.

Wheeler BW (2004): Health-related environmental indices and environmental equity in England and Wales. In: Environ Plan A 36: 803-822.

Kontakt

Prof. Dr. Tobia Lakes

Humboldt-Universität zu Berlin

Geographisches Institut, Fachgebiet Geomatik Unter den Linden 6

10099 Berlin

Abbildung 2: Anzahl der PLR mit mehrfacher Umweltbelastung (Kategorie 3 und 4) nach Entwicklungsindex.

Umweltgerechtigkeit im Land Berlin – Perspektiven einer