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Sozialräumliche Verteilung der Luftbelastung in Berlin

Socio-spatial distribution of ambient air exposure in Berlin

Annegret Kindler

1

, Ulrike Weiland

2

, Ulrich Franck

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Einleitung

Der Begriff Luftqualität beschreibt die Beschaf-fenheit der Luft bezogen auf den Anteil der Luft-verunreinigungen. Wesentliche Regelungen der Europäischen Union zur Beurteilung der Luftqualität sind in der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über die Luftqualität und saubere Luft in Europa (Eu-ropäische Union 2008) festgelegt. Feinstaub und Stick stoffdioxid stellen vor allem in Städten rele-vante Luftbelastungen dar. Feinstaub (Particulate Matter, PM) wird häufig nach dem aerodynamischen Durch messer in folgende Größengruppen unterteilt:

PM10 (≤ 10 µm, inhalierbar), PM2.5 (≤ 2,5 µm, lun-gengängig), UFP (ultrafeine Partikel, ≤ 0,1 µm, tief lungengängig). Die Partikelgröße ist von den Par-tikelquellen abhängig und mit deren chemischer Zu-sammensetzung assoziiert. Eingeatmeter Fein staub kann die menschliche Gesundheit nachhaltig be-einträchtigen. Er kann zum Beispiel Atemwegs- so-wie Herz- und Kreislauferkrankungen verursachen.

Je kleiner die Partikel, desto tiefer können sie in den Atem trakt eindringen. Auch das Erkrankungsrisiko wird davon bestimmt. Bisherige umweltepide-miologische Studien (Leitte et al. 2011; Arhami et al.2010; Leitte et al. 2009; Zanobetti et al. 2009;

Brunekreef et al. 2005; Franklin et al. 2007; Massolo et al. 2002; Pope et al. 2002; Schwartz 1993) wei-sen darauf hin, dass auch kleine Feinstaubmengen zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen können. Das heißt, dass kein Grenzwert bekannt ist, unter dem keine Ef fekte zu erwarten sind (NOE).

Epidemiologische Stu dien (Leitte et al. 2009; Jerret et al. 2009; Felber , et al. 2008; Pattenden et al. 2006;

Sa moli et al. 2006; Forastiere et al. 2005) haben ge-zeigt, dass Stickoxide (NOx) in der Atemluft eben-falls die Gesundheit schädigen können. Darüber hinaus tragen Stickoxide zur Feinstaubbildung (Partikelneubildung) bei. Beide luftgetragenen Schad stoffe haben mit dem Straßenverkehr eine

ge-meinsame Quelle, die besonders im urbanen Bereich we sent lich zur Belastung beiträgt.

Methodik

Die Daten zu den Luftschadstoffen PM10 und NOx, die Referenzdaten aus gewählter Messstationen und zu den Straßenabschnitten wurden von der Senatsverwaltung für Ge sundheit, Umwelt und Ve-braucherschutz Berlin zur Ver fügung gestellt (siehe Beitrag S. 21) und daraus die flächengewichteten Jah res mittelwerte für alle Planungsräume (PLR) für das Jahr 2005 berechnet.

Die Luftbelastung durch PM2.5 und NO2 wurde rech-nerisch aus den PM10- bzw. NOx-Werten ermittelt.

Um im Rahmen des Berliner Modellvorhabens zu Um welt gerechtigkeit die sozialräumliche Verteilung der Luftbelastung durch PM2.5 und NO2 auf der Ebene der PLR zu untersuchen, wurde diese mit dem Entwicklungsindex (SenStadt 2009; siehe Beitrag S. 21) statistisch und räum lich korreliert. Zur Ein-ordnung in Belastungsklassen wurden die Wer te für PM2.5 als auch für NO2 jeweils in zehn De zile je nach Schadstoffkonzentrationen unterteilt. In Analogie zur sozialräumlichen Einteilung beim Entwicklungsindex wurden die beiden niedrigsten De zile als gering be-lastet eingestuft. Die Dezile mit der höchsten bezie-hungsweise zweithöchsten Be lastung wurden als sehr hoch beziehungsweise hoch be lastet eingestuft. Alle anderen Dezile wurden in der Grup pe mit mittlerer Belastung zusammengefasst. Um den innerstädtisch differenzierten Beitrag des Straßen verkehrs anzu-nähern, wurden je nach Anteil der Verkehrsfläche unterschiedliche Verkehrsbeiträge be rücksichtigt.

Der Verkehrsbeitrag wurde rechnerisch analog zum Programm IMMISem / IMMISluft V3.0 (IVU Umwelt GmbH) bestimmt.

1 Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig

2 Universität Leipzig, Institut für Geographie

Ergebnisse

Die Analyse der Luftbelastung zeigt, dass die kombi-nierte Belastung der Luft mit Feinstaub (PM2.5) und Stick stoffdioxid (NO2) flächendeckend vorhanden, aber auf der Ebene der Planungsräume (PLR) sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. 69 PLR (15 %) der ins gesamt 447 PLR wurden als niedrig belastet ein-gestuft. Mit 263 PLR (59 %) fällt mehr als die Hälfte aller PLR in die Kategorie mit mittlerer Belastung.

Ei ne hohe Luftbelastung weisen 54 PLR (12 %) auf und sind somit die Gruppe mit der geringsten Anzahl an PLR. Eine sehr hohe Luftbelastung tritt in 61 PLR (14 %) auf.

Hinsichtlich der sozialräumlichen Verteilung der Luft belastung kann festgestellt werden, dass PLR mit einem hohen/sehr hohen Entwicklungsindex (EI) nur geringen bis mittleren Luftbelastungen ausge-setzt sind. In mehr als der Hälfte der PLR mit ei-nem mittleren EI treten mittlere Belastungen auf, etwa ein Drittel dieser PLR weist sehr hohe und hohe Belastungen auf. In PLR mit niedrigem und sehr niedrigem EI do minieren mittlere Luftbelastungen durch PM2.5 und NO2, teilweise treten jedoch hohe und sehr hohe Be lastungen auf (Abbildung 1).

Die Analyse und Bewertung der kombinierten Luft-belastung durch PM2.5 und NO2 für das gesamte Stadtgebiet von Berlin ergibt eine deutliche Kon-zentration von hoch oder sehr hoch belasteten PLR in-nerhalb der Umweltzone und den vor allem westlich, südwestlich und nördlich angrenzenden PLR. Die

Luftbelastung nimmt vom Zen trum zum Stadtrand hin ab. Gebiete mit geringer Luft belastung befinden sich in den peripher gelegenen PLR (Abbildung 2).

Betrachtet man die Bevölkerung insgesamt, so zeigt sich, dass etwa 10 % der Berliner Bevölkerung in PLR mit einem sehr niedrigen oder niedrigen Ent-wicklungsindex und außerdem mit einer sehr hohen oder hohen Luftbelastung leben und insofern dop pelt benachteiligt sind. Allgemein gilt: Je niedriger der Entwicklungsindex in einem PLR ist, desto größer ist der Anteil der Bevölkerung mit erhöhter Luft belastung.

Fazit

Die Analyse und Bewertung der kombinierten Luft-belastung durch PM2.5 und NO2 sowie des Ent-wicklungsindexes für das gesamte Stadtgebiet von Berlin spiegelt die räumliche Differenzierung der be trachteten Merkmale wider. Hohe und sehr hohe Luft belastungen treten vor allem innerhalb der Um-weltzone auf. Darüber hinaus wird deutlich, dass Planungsräume (PLR) mit einem mittleren, niedri-gen und sehr niedriniedri-gen Entwicklungsindex stärker von Luftbelastungen durch PM2.5 und NO2 be -troffen sind als PLR mit einem hohen/sehr hohen Entwicklungsindex.

Abbildung 1: Anzahl der PLR nach kombinierter Luftbelastung durch PM2.5 und NO2 und Entwicklungsindex (ngesamt = 434).

Abbildung 2: Luftbelastung durch PM 2.5 und NO2 und Entwicklungsindex (Bearbeitungsstand März 2011).

Literatur

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Kontakt

Dr. Annegret Kindler

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Permoserstr. 15

04318 Leipzig

E-Mail: annegret.kindler[at]ufz.de

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