• Keine Ergebnisse gefunden

Feuchteschäden in Wohnräumen – Fokussierung auf Haushalte mit niedrigem Sozialstatus

Mould and dampness in houses – focusing on households with lower social status

Bettina Kaiser und Heike Otremba

Abstract: Mould and dampness in indoor environments is a major focus of the work in the field of environ-mental hygiene at the Bremen local public health office. Data from a questionnaire-based study conducted in 2006 revealed that mainly people with low income and higher education level requested information and guidance. This induced us to establish a number of changes in our work to reach more people with lower social status. Data from the continuation of the questionnaire until 2010 show that a higher percentage of people with low income and lower education level have requested information. Thus, the changes seem to be successful and the developed approach will be continued.

Hintergrund

Das Gesundheitsamt Bremen bietet seit vielen haben. Die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ge-Jahren eine Bürgerberatung zu umwelthygienischen hörten Initiativen und Selbsthilfegruppen vor Ort an.

Fragestellungen an. Der Beitrag „Kleinräumige Zusätzlich wurden gezielt Informationsveranstaltungen Gesundheitsberichterstattung: Feuchteschäden in für Institutionen und Behörden im sozialen Bereich, Wohnräumen und soziale Lage“ im UMID-Themen- insbesondere für aufsuchende Dienste, angeboten.

heft „Umweltgerechtigkeit – Umwelt, Ge sundheit

und soziale Lage“, Ausgabe 2/2008, hatte dieses Der vorliegende Beitrag dokumentiert die Fortführung Beratungsangebot, die Auswertung des erfassten der Beratungsarbeit und die Weiterentwicklung der Datenmaterials sowie die Ergebnisse einer im Jahr Vorhaben. Auch die Zusatzbefragung wurde im 2006 zusätzlich durchgeführten Befragung vorge- Rahmen der Ortstermine weitergeführt. Ziel war es stellt. Im Rahmen von Ortsterminen waren über ei- zu überprüfen, ob deutlich mehr einkommensarme nen Fragebogen Daten zu Feuchteschäden, Gesundheit und gleichzeitig bildungsferne Haushalte mit dem und sozialer Lage erfasst und anschließend ausgewer- Beratungsangebot erreicht werden. Da hierfür Ge sund-tet worden. Dabei hatte sich gezeigt, dass überwiegend heits- und Schadensdaten nicht relevant waren, wurde Menschen mit niedrigem Einkommen Rat und Hilfe die Befragung – auch aus Gründen der Praktikabilität beim Gesundheitsamt gesucht hatten. Rund 56 % der – auf Bildungs- und Einkommensdaten reduziert.

befragten Haushalte lebten, bezogen auf das

monatli-che äquivalenzgewichtete Haushaltsnettoeinkommen, Entwicklung der Anfragen

in Relativer Armut (Statistisches Bundesamt 2004). Die Gesamtzahl der Anfragen zu umwelthygieni-Gleichzeitig hatte sich auch gezeigt, dass der Anteil schen Fragestellungen ist seit 2008 leicht zurück-der Haushalte mit hohem Bildungsstand vergleichs- gegangen und liegt im Mittel der letzten 10 Jahre weise groß war. Eine besondere sozialräumliche bei rund 1.400 pro Jahr. Noch immer betreffen rund Verteilung der betroffenen Haushalte konnte aus der 40 % dieser Anfragen den Bereich Innenraumluft.

Erhebung nicht abgeleitet werden (Becker et al. 2007). Mehr als zwei Drittel davon entfallen nach wie vor auf Anfragen zu Feuchtigkeit und Schimmel. In aus-Aus diesen Ergebnissen war neben der Notwendigkeit gewählten Fällen wird eine Ortsbegehung angebo-eines kostenlosen Beratungsangebotes abgelei- ten. Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der tet worden, dass einkommensarme und bildungs- Anfragen und der Zahlen für Ortstermine zum The-ferne Haushalte verstärkt angesprochen werden ma Feuchtigkeit und Schimmel in den Jahren 2000 müssen. Hierzu waren für die weitere Arbeit ver- bis 2010.

schiedene Ansätze verfolgt worden mit dem Ziel,

Multiplikatorinnen und Multiplikatoren anzuspre- Bis zum Jahr 2007 zeigt sich ein Anstieg der chen, die Zugang zu Wohnungen von Betroffenen Anfragen zu Feuchtigkeit und Schimmel. Seit 2008

gehen die Anfragen zurück. Dies scheint sich auch Multiplikatoren keine Erhöhung der Beratungszahlen in den Ortsterminen niederzuschlagen. Infolge der zu verzeichnen war.

veränderten Ansprache von Betroffenen über

Multi-plikatorinnen und Multiplikatoren war zunächst eine Ein weiterer Aspekt, der sich möglicherweise in der Erhöhung der Anfragen zu Feuchtigkeit und Schim- Abnahme der Anfragen niederschlägt, ist die Aktuali-mel erwartet worden. sierung und Erweiterung des Internetauftrittes des

Gesundheitsamtes zu dem Thema Feuchtigkeit und Als Begründung für den Rückgang lassen sich ver- Schimmel im August 2009. Beispielsweise wur-schiedene Aspekte diskutieren. Die Sensibilisierung de auch eine Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ ein-für das Thema Feuchtigkeit und Schimmel war ein gefügt. Darüber hinaus werden hier nach wie vor wesentliches Ziel der Informationsveranstaltungen alle Broschüren und Faltblätter zur Verfügung ge-für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, insbe- stellt. Eine Auswertung der Zugriffszahlen auf die sondere der aufsuchenden Dienste. Ein weiteres Internetseiten des Gesundheitsamtes für die Jahre Anliegen war es aber auch, die Multiplikatorinnen 2008 bis 2010 zeigt, dass viele Bürgerinnen und und Multiplikatoren zur Weitergabe einfacher Hilfe- Bürger zunehmend die Fachinformationen über stellungen direkt an die Betroffenen zu befähigen. die Internetseite nutzen. Das Beratungsfaltblatt Möglicherweise haben sich hierdurch potentielle An- „Schimmel richtig entfernen – so wird’s gemacht!“

fragen an das Gesundheitsamt bereits im Vorfeld führte in den letzten drei Jahren die Liste der he-lösen lassen. In diesem Zusammenhang ist anzu- runtergeladenen Dokumente von der Internetseite merken, dass parallel zum Rückgang der Anfragen des Gesundheitsamtes an. Die Zugriffszahlen stie-im Rahmen der Beratung eine Tendenz zu schwie- gen von 5.000 im Jahr 2008 über 26.000 im Jahr rigeren Beratungsfällen zu verzeichnen ist. Die 2009 auf 49.000 Zugriffe im Jahr 2010. Damit hat Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich, wie bei- sich in den letzten drei Jahren die Zahl der Abrufe spielsweise komplexe Problemfälle, kulturell beding- fast verzehnfacht. An dritter Stelle der herunterge-te Verhalherunterge-tensgewohnheiherunterge-ten oder Sprachbarrieren. ladenen Dokumente steht mit 4.000 Zugriffen im

Jahr 2010 das Informationsblatt „Schimmelbildung Bei den Informationsveranstaltungen wurde ver- in Wohnräumen“. Der Suchbegriff „Schimmel ent-einzelt darauf hingewiesen, dass Empfehlungen fernen“ ist nach „Gesundheitsamt Bremen“ der zu Vorgehensweisen und Verhaltensänderungen zweithäufigste Begriff, mit dem die Seiten des Ge-von Betroffenen eher über Multiplikatorinnen und sundheitsamtes aufgerufen werden. Dies zeigt ne-Multiplikatoren, die vor Ort in Initiativen oder Ver- ben der großen Relevanz des Themas Feuchtigkeit einigungen verankert sind, angenommen werden, und Schimmel in Wohnräumen, dass vermutlich ein als durch direkte Ansprache einer Behörde. Auch Teil der Erstanfragen an die Bürgerberatung über die dies könnte dazu beigetragen haben, dass trotz ver- elektronische Form der Informationsbeschaffung be-stärkter Ansprache von Multiplikatorinnen und dient wird. Als weiteres Indiz kann gewertet werden,

385 411 593 704

553 675

427 360 483 387 283

84 86 101 103 106

135 122 114 92

91 122

0 100 200 300 400 500 600 700 800

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Jahr

Anzahl (n) Anfragen zu Feuchte

und Schimmel

Ortstermine

Abbildung 1: Anfragen und Ortstermine zu Feuchtigkeit und Schimmel – Entwicklung der Zahlen von 2000 bis 2010.

48

59 60

51 56

49 44 40

41 52

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

2006 2007 2008 2009 2010

Jahr

Anzahl in % unter 1 und genau 1

über 1 Abbildung 2: Zimmer-Kopf-Index von 2006 bis 2010 der befragten Haushalte (in %).

dass parallel hierzu die Anfragen per E-Mail zuge- im Jahr 2010 angestiegen. Der Anstieg ist

beson-nommen haben. ders bei Haushalten mit einem Einkommen bis 1.000

Euro zu erkennen: von 29 % (2006) auf 46 % (2010).

Angaben zum Sozialstatus

Der folgenden Datenauswertung der Jahre 2006 Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Auswertung der bis 2010 liegen insgesamt 353 Haushalte zugrun- Daten zur Schul- beziehungsweise Berufsausbildung de, die, ausgehend von 480 Ortsterminen, an der der befragten Haushalte. Während im Jahr 2006 fast Befragung teilgenommen haben. Dies entspricht ei- die Hälfte aller befragten Haushalte einen hohen allge-nem Response von rund 74 %. Es dominieren nach meinen Schulabschluss (48 % Fachhochschule/Abitur) wie vor Haushalte mit ein bis drei Personen. Pro- hatte, nahm dieser Anteil bis 2010 (16 %) deutlich ab.

zentual lag ihr Anteil zwischen 65 % und 84 %. Da Dagegen nahmen die Haushalte mit „Hauptschule“

die Anzahl der Wohn- und Schlafräume erfragt wor- und „kein Abschluss“ jeweils zu: von 21 % auf 48 % den war, kann der Zimmer-Kopf-Index (ZKI) ange- beziehungsweise von 4 % auf 15 %. Bei der Frage geben werden (Quotient aus Anzahl der Wohn- und nach einer abgeschlossenen Ausbildung gab es im Schlafzimmer und Anzahl der im Haushalt woh- Jahr 2006 noch einen hohen Anteil an Haushalten nenden Personen). Bei dem Wert 1 steht genau 1 mit Hochschulabschluss (23 %). Dieser Anteil ist in Wohn- beziehungsweise Schlafraum pro Bewohner den folgenden Jahren erheblich gesunken und betrug

zur Verfügung. im Jahr 2010 nur noch 1,5 %. Gestiegen ist

hinge-gen der Anteil der Personen mit betrieblicher Aus-Die Entwicklung des ZKI zwischen 2006 und 2010 bildung (von 29 % auf 42 %) beziehungsweise ohne zeigt Abbildung 2. Danach liegt der Anteil der Haus- Ausbildung (von 26 % auf 36 %). In der Stichprobe halte mit einem ZKI unter 1 beziehungsweise genau 1 aus dem Jahr 2006 spiegelte sich der relativ hohe zusammen höher als der Anteil mit einem ZKI über 1. Bildungsstandard nicht in der beruflichen Tätigkeit Nach Brasche et al. (2003) kann ein hoher ZKI als beziehungsweise im Einkommen wider. Die überwie-protektiver Faktor im Hinblick auf Feuchteschäden gende Zahl der Haupteinkommensbezieher waren der betrachtet werden. Der soziale Status der Betroffenen Gruppe der Arbeitslosen und Nichterwerbstätigen zu-wurde aus den Fragen nach Bildung, Berufstätigkeit zuordnen (46 %). Dieser Anteil ist bis zum Jahr 2010 und Einkommen abgeleitet. Betrachtet wurden die noch auf 70 % angestiegen.

Angaben der Haupteinkommensbezieher und das

mo-natliche Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder. Resümee

Im Hinblick auf das den Haushalten monatlich zur Festzustellen ist, dass das Beratungsangebot des Verfügung stehende Einkommen hat sich bestätigt, Gesundheitsamtes über den Betrachtungszeitraum dass überwiegend einkommensarme Menschen das von der ersten Befragung im Jahr 2006 bis zum Jahr Gesundheitsamt um Rat fragen. Im Jahr 2006 stand 2010 nach wie vor einkommensarme Haushalte er-in 68 % der Haushalte eer-in Eer-inkommen bis 1.500 Euro reicht. Im Gegensatz zur Stichprobe 2006 ist aber so-im Monat zur Verfügung. Dieser Anteil ist auf 76 % wohl der Anteil der Haupteinkommensbezieher mit

niedrigem oder ohne Schulabschluss als auch derje- Literatur

nigen mit niedrigem beruflichen Bildungsabschluss Becker W, Kaiser B, Luther S, Otremba H (2007): Um

Schim-deutlich angestiegen. Das Ziel der Beratungsarbeit mels Willen: Feuchteschäden in Wohnräumen und Soziale Lage.

im Gesundheitsamt, bildungsfernere Haushalte mit Bericht der Kommunalen Gesundheitsberichterstattung und des

der Beratung des Gesundheitsamtes anzusprechen, Referats Umwelthygiene am Gesundheitsamt Bremen. http://

konnte erreicht werden. www.gesundheitsamt.bremen.de/sixcms/media.php/13/3_nb_

GBE_Um_Schimmels_Willen.pdf (Abrufdatum: 11.01.2011).

Das bedeutet, dass die bereits nach der ersten Be- Brasche S, Heinz E, Hartmann T, Richter W, Bischof W (2003):

fragung festgestellte Notwendigkeit kostenlo- Vorkommen, Ursachen und gesundheitliche Aspekte von

ser Beratungsangebote durch die vorliegende Feuchteschäden in Wohnungen. Ergebnisse einer repräsentati-ven Wohnungsstudie in Deutschland. In: Bundesgesundheitsbl

Auswertung über einen Zeitraum von nunmehr – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz, 46 (8): 683-693.

fünf Jahren bestätigt werden konnte. Auch die

In-formationsveranstaltungen und Kooperationen Statistisches Bundesamt (2004): Datenreport Teil 2.

mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren

wer-den fortgeführt. Zur weiteren Optimierung der Be- Kontakt ratungsarbeit werden bereits Evaluationsgespräche Dr. Bettina Kaiser

mit den Institutionen geführt, bei denen Informations- Dr. Heike Otremba

veranstaltungen durchgeführt wurden. Gesundheitsamt Bremen Abt. Gesundheit und Umwelt

Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen des Horner Str. 60-70 28203 Bremen

Beratungsteams für ihre engagierte Arbeit. E-Mail: umwelthygiene[at]gesundheitsamt.bremen.de Abbildung 3: Schulabschlüsse der befragten Haushalte (in %).

Abbildung 4: Berufsabschlüsse der befragten Haushalte (in %).

Demokratischer Smog? Eine empirische Untersuchung zum