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Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem

3. Fragestellungen der vorliegenden Evaluationsstudien

3.2 Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem

Beim Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Trotzverhalten (THOP) von Döpfner, Schürmann und Frölich (1997) handelt sich um ein manualisiertes verhaltenstherapeutisches Eltern-Kind-Programm, das auch zur Durchführung als schulzentrierte Intervention geeignet ist. Die Programmautoren orientiert sich in der theoretischen Fundierung des THOP am Modell der Störung des regelgeleiteten Verhaltens von Barkley (1989) und dem Teufelskreismodell über negative Eltern-Kind-Interaktionen (Barkley, 1981).

Die charakteristischen Inhalte und Methoden des Trainings bauen auf den Arbeiten von Barkley (1987), Forehand und McMahon (1981) und vielfältigen Studien anderer Forschungsgruppen zur Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Interventionen bei hyperkinetischen und oppositionellen Verhaltensstörungen auf.

3.2.1 Aufbau und Ziele

Das THOP wurde für Kinder zwischen 3 und 12 Jahren entwickelt und umfasst in der zweiten Auflage, welche im Rahmen dieser Studie für die Durchführung benutzt wurde, 21 Behandlungsbausteine.

(Für die dritte Auflage (Döpfner, Schürmann & Frölich, 2002) wurde das Programm um einen Therapiebaustein zu Familienregeln erweitert; der Aufbau des Textes wurde verändert, und es wurde eine CD-ROM beigefügt, auf der die diagnostischen Materialien, Materialien zur Therapieplanung und Verlaufsgeschichte, Materialien für das Eltern-Kind-Programm sowie weitere Therapieunterlagen enthalten sind).

Im Eltern-Kind-Programm sind zwei Interventionsformen miteinander verbunden. In der familienzentrierten Intervention werden die Eltern zur Durchführung spezifischer Interventionen in der Familie angeleitet. Den Eltern werden kognitive und operante Techniken (Stimuluskontrolle, Kontingenzmanagement) und Methoden vermittelt. Ein wesentliches Element stellt für viele Familien der Aufbau positiver Eltern-Kind-Interaktionen dar. Bei der kindzentrierten Intervention werden anhand von Kurzgeschichten dem Kind die Inhalte der einzelnen Behandlungsbausteine vermittelt. Die Hauptfigur der Geschichten (Wackelpeter) soll den Kindern als Bewältigungsmodell dienen. Die Geschichten behandeln typische familiäre und schulische Problemsituationen. Der Therapeut versucht mit dem Kind Bewältigungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Als Methoden werden hier kognitive Techniken, Modelllernen und Methoden des Selbstmanagements angewendet. Angestrebt werden eine Verbesserung der Interaktion mit den Eltern sowie eine Verminderung der Verhaltensprobleme. Mit dem Spieltraining und dem Selbstinstruktionstraining, welches zunächst vom Therapeuten durchgeführt wird und in das die Eltern im weiteren Verlauf als Co-Therapeuten integriert werden, wird das Kind zur Ausdauer beim Spielen und systematischer Aufgabenbearbeitung angeleitet. Begleitend zu einer medikamentösen Therapie bzw. einer schulzentrierten Intervention können zwei weitere Bausteine durchgeführt werden.

Die Bausteine des Programms sollen aufgrund der individuellen Problemkonstellation der jeweiligen Familie zusammengestellt werden. Es müssen also nicht alle Bausteine

bearbeitet werden, sondern nur solche, die für die Familie relevant sind. Dem Programm soll eine umfassende Diagnostik vorgeschaltet sein. Anhand der Ergebnisse der Diagnostik wird dann gemeinsam mit den Eltern eine Problemdefinition vorgenommen. Es werden insbesondere Prinzipien umgesetzt, die die Bedingungen verändern, die das Problem (besonders externale Auffälligkeiten) innerhalb der Familie aufrechterhalten.

Es werden folgende Grundprinzipien formuliert:

• Konsequenzen müssen unmittelbar auf das Verhalten folgen,

• Verbale Konsequenzen (Lob und Tadel) müssen spezifisch sein,

• Konsequenzen müssen konsistent erfolgen,

• Zuerst werden Belohnungs-, danach erst Bestrafungsmethoden vermittelt,

• Reaktionen auf mögliches Fehlverhalten sollten in jeder Situation bedacht werden.

Ausgehend von Belastungsfaktoren auf der Makroebene der Familie (z.B. Eigenschaften, Wünsche, Ziele und Belastungen der Eltern und des Kindes) wird eine Verbindung auf der Mikroebene hergestellt. Ziele des Programms ist es auf der Mikroebene die alltäglichen Belastungen der Eltern-Kind-Interaktion zu verändern. Dabei ist die Intervention auf der Mikroebene in eine Intervention bzgl. des familiären und psychosozialen Bedingungsgefüges (Makroebene) eingebettet. Positive Veränderungen auf der Mikroebene können nur dann stabil sein, wenn auf der Makroebene keine grundlegenden Faktoren den Erfolg der Maßnahmen behindern. Da Mikro- und Makroebene zirkulär miteinander verknüpft sind, muss die wechselseitige Beeinflussung dieser Ebenen beachtet werden.

Die äußere Struktur des Eltern-Kind-Programms ist wie folgt gegliedert:

1. Problemdefinition, Entwicklung eines Störungskonzeptes und Behandlungsplanung (Erwerb von Kenntnissen über das Störungsbild und mögliche Ursachen der Entstehung und Aufrechterhaltung).

2. Förderung positiver Eltern-Kind-Interaktionen und Eltern-Kind-Beziehungen (Unterbrechung dysfunktionaler Interaktionsmuster durch die Wahrnehmung positiver Eigenschaften des Kindes und positiver Reaktionen hierauf durch die Eltern).

3. Pädagogisch-therapeutische Interventionen zur Verminderung impulsivem und oppositionellem Verhalten (Erwerb und Einsatz pädagogisch-therapeutischer Interventionen bzw. spezifischer operanter Methoden durch die Eltern).

4. Spezielle operante Methoden (Vermittlung von Token- und response-cost-Systemen).

5. Intervention bei spezifischen Verhaltensproblemen (Verbesserung von z.B. Spiel- und Beschäftigungsintensität bzw. -ausdauer, Arbeitsstil, Hausaufgabenbearbeitung, Verhalten in der Öffentlichkeit durch den Erwerb kognitiver Strategien durch das Kind und den Erwerb und Einsatz spezifischer Interventionen durch die Eltern ).

6. Stabilisierung der Effekte (erreichte Veränderungen werden durch den Erwerb von Strategien zur Lösung zukünftig auftretender Probleme durch die Eltern angepeilt).

3.2.2 Wirksamkeitsuntersuchung

Die Wirksamkeit des THOP wurde von den Autoren selbst im Rahmen der Kölner Multimodalen Therapiestudie (COMIS) (Döpfner, Breuer und Lehmkuhl, 2000) untersucht.

Die Forscher führten die Interventionen anhand einer festgelegten Therapiestrategie durch.

Nach einer initialen sechswöchigen Phase der Psychoedukation und des Beziehungsaufbaus wurden 75 Kinder je nach individuellem Behandlungsverlauf entweder medikamentös (Psychostimulanzien, N = 28) oder verhaltenstherapeutisch (THOP und begleitende Lehrerkontakte, N = 45) behandelt. Bei zwei Kindern wurde die Therapie abgebrochen. Je nach Verlauf wurde zur jeweils anderen Therapieform gewechselt. War die medikamentöse Therapie nicht erfolgreich, wurde zu einer Verhaltenstherapie gewechselt. Bei teilweisem Erfolg wurde eine zusätzliche verhaltenstherapeutische Behandlungsphase eingerichtet.

Erbrachte die Stimulanzientherapie ausreichende Erfolge, blieb es bei dieser Behandlung (die gleichen Zuweisungsstrategien galten bei initial durchgeführter Verhaltenstherapie). Bisher liegen die Ergebnisse von Einzelfallstudien und Vorstudien vor, die folgendes Bild über das Eltern-Kind-Training ergeben (Döpfner & Lehmkuhl, 2002; Döpfner, Lehmkuhl &

Schürmann, 1996; Frölich & Döpfner, 1997):

• Die Abbrecherquote war mit 10 % insgesamt sehr gering und die Zufriedenheit der Eltern sehr groß.

• Bei 72 % der Kinder, die initial verhaltenstherapeutisch behandelt wurden, wurde keine zusätzliche Stimulanzientherapie durchgeführt. Demgegenüber wurden 82%

der Kinder, die zunächst eine Stimulanzientherapie erhalten hatten, aufgrund klinischer Kriterien auch verhaltenstherapeutisch behandelt.

• 50 bis 60 % der Kinder, die ausschließlich mit Verhaltenstherapie behandelt wurden, zeigten bei Behandlungsende nur noch minimale Verhaltensauffälligkeiten in der Familie (therapierelevante individuelle Verhaltensprobleme oder keine Störungsdiagnose mehr).

• 55 bis 60 % der Kinder zeigten bei Behandlungsende nur noch geringe Verhaltensauffälligkeiten in der Schule, so dass die DSM-IV-Kriterien nicht mehr erfüllt waren.

• Der Anteil der Kinder mit emotionalen Auffälligkeiten sank deutlich. Nach der Therapie wurden im CBCL (Achenbach, 1991) auf dieser Skala 61% als unauffällig eingestuft (Zu Beginn der Therapie waren es 35 % der Kinder).

• Zusätzliche Effekte von Verhaltenstherapie nach vorausgegangener Stimulanzientherapie ließen sich nur teilweise nachweisen, während durch eine zusätzlich zur Verhaltenstherapie durchgeführte Stimulanzienbehandlung deutliche Symptomminderungen erzielt werden konnten.

• Verlaufsdaten zur Langzeitwirkung liegen bislang nicht vor.

Das Programm wird als gut erlernbar beschrieben. Besonders Therapeuten mit einer Grundausbildung in VT können es relativ schnell beherrschen. Das Programm kann auch mit Eltern mit geringerem Bildungsniveau durchgeführt werden. Die Zufriedenheit der Eltern mit dem Programm ist hoch, selbst dann, wenn nicht alle Therapieziele bzgl. der Symptomatik der Kinder erreicht wurden. Nur wenige Familien scheinen von dem Programm überhaupt nicht zu profitieren, es sind aber auch nur wenige Kinder zum Ende der Therapiemaßnahmen symptomfrei.

Die Motivation von Lehrkräften in Grundschulen und Erzieherinnen des Kindergartens bei dem Therapieprogramm mitzuwirken ist höher als bei Lehrkräften weiterführender Schulen. Bei Kindern mit sehr stark ausgeprägter hyperkinetischer Symptomatik reichen verhaltenstherapeutische Maßnahmen oft nicht aus, so dass mit Medikamenten behandelt werden muss.

Die Hauptprobleme bei der Durchführung des Programms werden in Widerständen in Familie, Kindergarten und Schule gesehen.

Um einen günstigen Verlauf auch nach dem Ende der Behandlung zu erreichen, wird eine kontinuierliche Nachsorge empfohlen.

Frölich (1993) konnte im Rahmen einer multimodalen Intervention die Effektivität des Elterntrainings an 18 Patienten im Alter von sechs bis zwölf Jahren belegen. Individuelle Verhaltensprobleme konnten durch Selbstinstruktion und Selbstmanagement-Techniken vermindert werden. Eine weitere Verbesserung konnte durch das Elterntraining (THOP) erreicht werden. Verbesserungen zeigten sich hinsichtlich der Kernsymptomatik, Störung des

Sozialverhaltens, bei Konfliktsituationen zu Hause, den Hausaufgabenproblemen und bei individuellen Verhaltensproblemen. Das Verhalten in der Schule stabilisierte sich, verbesserte sich aber nicht, was auf den spezifischen Effekt des Elterntrainings innerhalb der Familie zurückgeführt wird.

Die guten Effekte dieser Studie führen Frölich, Döpfner, Berner und Lehmkuhl (2002) darauf zurück, dass die behandelten Probleme für die Kinder „lebensnah“ waren, das kognitive Entwicklungsniveau beachtet wurde und die Eltern und Lehrer aktiv einbezogen wurden. Die Kombination von Selbstmanagement und Selbstinstruktionsmethoden bei der kognitiven Verhaltenstherapie wird von den Autoren als wirksam eingestuft.

Selbstkritisch schränken Frölich et al. ein, dass in ihrer Studie keine Kontrollgruppe unauffälliger Kinder als Vergleichsgruppe gebildet wurde. Die Probandenzahl von 18 Kindern und fehlende Follow-up-Untersuchungen schränken die Aussagefähigkeit der Studie ebenfalls ein. Die Autoren erwarten Symptomrückfälle und empfehlen Auffrischungssitzungen in größeren Abständen.

3.3 Das Marburger Konzentrationstraining