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LS 15 Sitzungen

6. Diskussion

6.4 Schlussfolgerungen, Fazit, Ausblick

Wird nach der Durchführung einer Intervention der Erfolg oder Misserfolg dieser Maßnahme nur auf der Gruppenebene bewertet, kann es passieren, dass wesentliche Aspekte übersehen werden. Sollte ein Programm im Mittel erfolgreich sein, ist denkbar, dass einige besonders stark und andere überhaupt nicht von der Maßnahme profitiert haben.

Bei der Beurteilung der differenziellen Wirksamkeit eines Trainings können zwei Resultate entstehen: der so genannte Matthäus-Effekt oder ein kompensatorischer Effekt. Der Matthäus-Effekt (Matthäus 13, Vers 12, Die Bibel) („Denn wer etwas hat, dem wird noch mehr gegeben werden, ...“) besagt, dass diejenigen am meisten profitieren, die die besten Grundvoraussetzungen haben, die Leistungsschwächeren hingegen am wenigsten. Der kompensatorische Effekt bedeutet, dass die Leistungsschwächeren mehr profitieren als die Leistungsstärkeren. Weder der eine noch der andere Effekt ließ sich bei den verschiedenen Trainings für das Alter oder die Höhe der Intelligenz durchgängig nachweisen. Insbesondere aber durch den Einfluss von Psychostimulanzien erreichen in der THOP-Gruppe die Kinder deutliche Verbesserungen.

Einzelfallanalysen von besonders erfolgreichen Verläufen könnten weitere Aufschlüsse über die Faktoren geben, die bei diesen Kindern zum Erfolg führten.

Bei vielen Kindern mit Hyperkinetischen Störungen ist es wichtig an der Motivation zu arbeiten. Rheinberg und Fries (2001) führen aus, dass erfolgszuversichtliche Leistungsmotivation erst dann zum Erfolg führt, wenn passende Anregungsbedingungen geschaffen werden. Gerade für Kinder mit hyperkinetischen Störungen ist es notwendig, geeignete äußere Bedingungen zu schaffen, damit sie bereit sind, gelernte Kompetenzen auch wirklich einzusetzen. Der Einsatz von Signalkarten wird beispielsweise nur dann erfolgen, wenn ihnen die Nutzung dieser Karten nicht peinlich sein muss, sondern durch die Lehrpersonen gefördert wird. Diese Kinder reagieren emotional oft sehr empfindlich, sie brauchen deshalb günstige Rahmenbedingungen, damit sie innerlich bereit sind in der Therapie Gelerntes z.B. in der Schule einzusetzen. Da die Effekte der Behandlung nicht in das natürliche Umfeld des Kindes übertragen wurden, ist es notwendig, die Inhalte stark an den Bedürfnissen und Anforderungen der Kinder anzupassen. Nur dann, wenn sie für sich einen Nutzen der Behandlungsschritte erkennen, werden sie diese auch in ihrem familiären und schulischen Alltag einsetzen (Hinshaw & Erhardt, 1991). Mähler und Hasselhorn (2001) weisen bezogen auf den Einsatz bei Gedächtnistrainings darauf hin, dass Kinder Transferleistungen nur dann erbringen werden, wenn die trainierten Inhalte für sie persönliche

Bedeutung und funktionalen Wert haben. Geringe Zuwächse, welche Kinder nach einem Training in Leistungstests zeigen, können also durchaus durch geringe Motivation der Kinder bedingt sein. Nach eigenen Erfahrungen ist es eher die Regel, dass Kinder mit Hyperkinetischen Störungen schlecht als gut motiviert sind. Deshalb muss bei der Konzeption von Trainings unbedingt darauf geachtet werden, dass die Inhalte für die Kinder möglichst attraktiv sind, um bei ihnen eine hohe Compliance für die Therapiemaßnahmen erzielen zu können. Durch Unterstützung der Lehrer könnte den Kindern zudem die Wichtigkeit dieser Maßnahmen besser vermittelt werden. Dafür müssten allerdings zunächst einmal viele Lehrer selbst erst überzeugt werden.

Ein wichtiger Aspekt bei Trainingsmaßnahmen ist die Dauer der Durchführung (Trainingsumfang bzw. -dauer) und die Fortführung der erlernten Maßnahmen nach dem Training. Ein Programm sollte solange fortgesetzt werden, bis die erlernten Inhalte verinnerlicht sind. Hier gilt es natürlich Kosten und Nutzen gegeneinander abzuwägen. Je kürzer das Training ist, desto günstiger ist die Maßnahme aber desto fraglicher ist möglicherweise auch der Erfolg der Bemühungen. Bei vielen Trainings verblassen die Effekte nach einigen Wochen oder Monaten. Für einige Trainings (z.B. solche zum induktiven Denken) haben sich Auffrischungssitzungen als sehr effektiv erwiesen (Möller, 1999). Diese Sitzungen könnten den Therapieerfolg einer Maßnahme zu mehr Beständigkeit verhelfen.

Beim Auftreten neuer Schwierigkeiten könnte außerdem schnell auf die Probleme reagiert werden. Für viele der behandelten Kinder dürfte der Behandlungszeitraum zu kurz gewesen sein. Sie leiden in der Regel bereits seit vielen Jahren unter dem Problem, bis sie sich in Therapie begeben. Erfolgreiche Therapieansätze müssen vermutlich über lange Zeiträume durchgeführt werden, um einen hinreichenden Erfolg gewährleisten zu können (Brown, 1980;

Eastman & Rasbury, 1981; Varni & Henker, 1979). Selbst die in der MTA-Studie mit 14 Monaten schon sehr umfassende Behandlungsdauer ist vermutlich noch zu kurz angelegt.

Eltern-Kind-Programme erzielen insbesondere bei oppositionellen Kindern ermutigende Ergebnisse (Döpfner, Frölich & Lehmkuhl, 2000; Miller & Prinz, 1990). Auch bei hyperaktiven Kindern konnten kurzfristige Verbesserungen zu Hause festgestellt werden (Anastopoulos, Shelton, DuPaul & Guevremont, 1993). Dies ist ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Verfahrens. Häufig werden nur die Kinder untersucht und die Wirksamkeit einer Intervention hinsichtlich verschiedener Verhaltensmerkmale beurteilt.

Befragt man die Eltern, stellt man fest, dass Eltern-Kind-Trainings das oftmals angespannte

Interaktionsverhalten zwischen Eltern und Kind verändern können. Eltern vermögen ihr Kind wieder positiver zu sehen, erleben weniger Stress, das Selbstwertgefühl steigt, Ehestreitigkeiten nehmen ab (ebd., S. 479f.). Dies war hier auch in Studie 3 durch den Interaktionsfragebogen zu belegen. Die Eltern intensiv in die Behandlung einzubeziehen erscheint auch nach dieser Studie erfolgsversprechend zu sein.

Im Vergleich zu den vorliegenden Veröffentlichungen der Programmautoren zu ihren Trainings fallen die Ergebnisse der hier durchgeführten Studien relativ dürftig aus. Dies ist jedoch nicht ungewöhnlich. Experten einer Therapieform und insbesondere Entwickler eines Verfahrens erzielen in der Regel bessere Ergebnisse als andere Anwender (Scheithauer &

Petermann, 2000).

Als Fazit zur Bewertung der Programme kann gezogen werden, dass das Aufmerksamkeitstraining nach Lauth und Schlottke nur bedingt das einhalten kann, was es verspricht. Im Vergleich zum Marburger Konzentrationstraining, welches hier mit deutlich weniger Sitzungen durchgeführt wurde, kam letzteres bei den psychometrischen Verfahren zu etwas besseren Ergebnissen. Das THOP als Gruppenprogramm hingegen vermag im Bereich der Aufmerksamkeitsfunktionen sogar eine deutlichere Leistungssteigerung zu bewirken.

Außerdem verbessert sich die Interaktion in der Familie.

Bei allen hier durchgeführten Trainings wurde aus organisatorischen Gründen und begrenzten materiellen und personellen Ressourcen darauf verzichtet die Lehrer der Kinder enger einzubeziehen.