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4. Methode

4.2 Stichproben

Die Stichprobe zu den Studien 1 – 3 wurde aus der Gruppe von Kindern gewonnen, die in einem Zeitraum von viereinhalb Jahren (1998-2003) in der Poliklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie Mühlhausen, der Poliklinischen Institutsambulanz des Psychologischen Instituts der Universität Göttingen sowie im Sozialpädiatrischen Zentrum in Reifenstein mit Verdacht auf eine Hyperkinetische Störung vorstellig wurden.

Alle Kinder nahmen an einer umfangreichen diagnostischen Untersuchung teil, die ein klinisches Interview mit den Eltern, Fremdbeurteilungsbögen zum Verhalten und Erleben der

Kinder (ausgefüllt von Eltern und Klassenlehrer), eine Intelligenzdiagnostik (HAWIK-III (Tewes, Rossmann & Schallberger, 1999), K-ABC (Melchers & Preuß, 1994), CFT-20 (Weiß, 1997)), Aufmerksamkeits- und Konzentrationstests und je nach individueller Fragestellung weitere Verfahren (z.B. Lese- und Rechtschreibtests) umfasste.

In die Studien wurden Kinder eingeschlossen, die aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung eine Diagnose aus dem Spektrum der Hyperkinetischen Störungen nach ICD-10 (F90) bzw. die Diagnose einer Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) erhalten hatten oder für die der dringende Verdacht bestand, dass sie unter einer solchen Störung leiden würden. Um ein in der Praxis möglichst realistisches Vorgehen umzusetzen, wurden auch Kinder, die komorbide Störungen innerhalb oder außerhalb der F90-Kategorie aufwiesen (z.B. Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens oder auch umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten) eingeschlossen. Als Ausschlusskriterien galten schwere neurologische Schädigungen, ein Lebensalter unter 7 bzw. über 13 Jahren und ein Intelligenzquotient von ≤ 75. Erhielten die Kinder bereits vor dem Training eine pharmakologische Behandlung, wurde diese über das Training bzw. die Wartezeit hinweg beibehalten.

Insgesamt wurden fünf Gruppen mit dem Training nach Lauth und Schlottke und acht mit dem THOP behandelt. Es wird davon ausgegangen, dass die Interventionen vergleichbar sind und die Daten zu Gesamtgruppen aggregiert werden können, weil versucht wurde, die Behandlung der Gruppen jeweils anhand des Manuals durchzuführen und die Inhalte überwiegend gleich waren. Zwischen der Eingangsuntersuchung und dem Beginn des Trainings lagen im Schnitt sechs bis acht Wochen. Zwischen Vor- und Nachtest für die Therapie- und Wartegruppen lagen etwa sechs Monate.

Von 115 Kindern, die zunächst in die Studien 1 - 3 einbezogenen wurden, konnten 96 Datensätze für die Auswertung verwendet werden. Beim THOP brachen sechs Kinder und beim Training nach Lauth und Schlottke 11 Kinder bereits nach ein oder zwei Sitzungen die Behandlung ab, ein Kind musste wegen unzuverlässiger Teilnahme an den Sitzungen aus der Auswertung ausgeschlossen werden. Als Gründe gaben die Eltern an, dass sie die Intervention für sich nicht für geeignet hielten, dass ein Elternteil die Behandlung ablehnte (in der Mehrzahl waren dies die Väter der betroffenen Kinder), dass ihnen die Fortschritte nicht schnell genug gingen oder dass aus Mangel an Zeit bzw. durch einen zu hohen

organisatorischen Aufwand die Trainingstermine nicht hätten wahrgenommen werden können. In der Wartegruppe gab es vier Kinder, deren Daten aufgrund fehlender Nachtestwerte nicht berücksichtig werden konnten. In Relation zu den Gesamtgruppengrößen der verschiedenen Gruppen ist die Abbrecherquote relativ gleich groß. Es ist ersichtlich, dass Abbrüche nicht zwangsläufig allein dem Training selbst angelastet werden können, sondern wie bspw. in der Wartegruppe auch auf einem generellen Mangel an Engagement oder auf Organisationshindernissen beruhen können. Tabelle 8 enthält einige informative Beschreibungsmerkmale über die 96 Kinder in den vier Gruppen. Die Kinder der THOP-Gruppe weisen im Durchschnitt acht IQ-Punkte mehr auf als die der Wartegruppe (tIQ(45) = -2.39; p = 0.02). Einige der THOP-Gruppen wurden in Göttingen durchgeführt wurden, während alle Kinder der Wartegruppe aus Mühlhausen und Umgebung kamen. Der Unterschied könnte dadurch bedingt sein, dass in Göttingen aufgrund der Universität der Anteil an Menschen mit hohem Bildungsgrad sehr groß ist und daher auch die Kinder entsprechende intellektuelle Fähigkeiten besitzen. Die Gruppen unterscheiden sich außerdem bezüglich der Medikation. In der THOP-Gruppe wurden doppelt so viele Kinder begleitend medikamentös behandelt (vorrangig Ritalin) wie in der Lauth-Schlottke-Gruppe (15 Sitzungen). In der Wartegruppe und ebenso in der Studie 1 (Lauth und Schlottke, 10 Sitzungen) galt dies nur für je ein Kind. Die Heterogenität wurde zugunsten der Realisierung einer möglichst großen Stichprobe in Kauf genommen.

Tabelle 8

Gruppengröße, mittleres Alter, Intelligenzniveau und gleichzeitige medikamentöse Behandlung je Untersuchungsgruppe (Studien 1 – 3)

LS (10 Sitzungen)

N = 15 LS (15 Sitzungen)

N = 34 THOP

N = 31 WG

N = 16

Alter 10;5 (1.3) 9;3 (1.4) 9;4 (1.5) 9;9 (1.3)

Intelligenz 90.9 (11.0) 96.6 (9.9) 98.6 (11.5) 90.8 (8.0)

Geschlecht 14 / 1 33 / 1 30 / 1 13 / 3

Medikation 1 / 14 7 / 27 15 / 16 1 / 15

Anmerkungen. LS: Trainingsgruppe nach Lauth und Schlottke, THOP: THOP-Trainingsgruppe, WG: Wartegruppe.

Alter (Mittelwert in Jahren; Monaten, in Klammern Standardabweichungen), Intelligenz (Mittelwert, in Klammern Standardabweichungen), Geschlecht (Jungen/ Mädchen), Medikation (Methylphenidat; ja/nein)

Tabelle 9 verdeutlicht, dass sich die Stichproben in den Versuchsgruppen hinsichtlich der Diagnosen unterscheiden. Für das Training nach Lauth und Schlottke (15 Sitzungen) wurden vorrangig Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität ausgewählt,

da für diese Gruppe positive Vorerfahrungen einiger Mitarbeiter in Mühlhausen mit dem Programm (Studie 1 Basistraining 10 Sitzungen) bestanden. Das THOP wurde erst zu einem Zeitpunkt angeboten, als aus Mangel an wirksamen Behandlungsmaßnahmen für Kinder mit stark ausgeprägter Hyperkinetischer Störung eine Alternative gesucht wurde. Es befinden sich daher insgesamt mehr Kinder in der THOP-Gruppe, die die Kriterien einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung erfüllen, und solche, die zusätzlich noch eine Störung des Sozialverhaltens aufweisen.

Tabelle 9

Diagnose und sozialer Status je Untersuchungsgruppe

LS

Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0) 2 5 14 5

Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) 3 12 2 5

Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1) 2 1 7 1

Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0) und sonstige

Störungen 3 7 3 3

Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) und umschriebene

Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F81...) 3 4 1 1

Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) und sonstige Störungen 2 3 1 1

Nicht näher bezeichnete Hyperkinetische Störung (F90.9) 0 2 3 0

Sozialer Status (Elternteil mit höchster Qualifikation)

Angelernte Berufe 1 4 4 0

Facharbeiter, Handwerker, Angestellte, Beamte im einfachen Dienst 10 18 11 13

Mittlere Angestellte, Beamte im mittleren Dienst 2 3 8 1

Höher qualifizierte Angestellte, Beamte im gehobenen Dienst 2 3 4 1

Leitende Angestellte, Beamte im höheren Dienst 0 2 1 0

Selbständige (Handwerker, Landwirte, Gewerbetreibende) 0 4 2 1

Keine Angaben 0 0 1 0

Anmerkungen. WG: Wartegruppe, THOP: THOP-Trainingsgruppe, LS: Trainingsgruppe nach Lauth und Schlottke.

Die Stichprobe zu Studie 4 wurde aus dem Patientenkreis von Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxen von zwei Kasseler Kinder- und Jugendpsychiatern und einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis in Hannoversch Münden gezogen. Die Störungsbilder bei diesen Kindern sind etwas homogener als in den Studien 1 – 3. Alle Kinder hatten die klinische Diagnose einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F

90.0) oder der nicht näher bezeichneten Verhaltens- und emotionalen Störung mit Beginn in der Kindheit und Jugend - Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F 98.8) - erhalten bzw. bestand der dringende Verdacht, dass sie unter einer solchen Störung leiden würden.

Über Komorbiditäten und sozialen Status liegen leider keine genauen Angaben vor, da dies von den Kinder- und Jugendpsychiatern nicht mitgeteilt wurde. Das Alter der Kinder lag zwischen 7 und 12 Jahren. Es wurden in diese Studie nur Kinder aufgenommen, die zumindest einen durchschnittlichen Intelligenzquotient aufwiesen.

Alle Eltern und Kinder erklärten sich mit der Teilnahme an einer dieser Gruppen einverstanden und wussten, dass untersucht werden sollte, ob ein bestimmtes Trainingsprogramm für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen wirksam ist oder ein Computerprogramm die gleichen bzw. ähnliche Effekte zeigt. Es wurden fünf Gruppen à drei Kinder mit dem Marburger Konzentrationstraining und fünf Gruppen à drei Kinder mit dem Spiel „Petterson und Findus“ (GAMOP Samproduktion AB, 1998) behandelt.

Die Kinder wurden den einzelnen Gruppen zufällig zugeteilt, nur in einem Fall musste ein Kind aus der Trainingsgruppe mit einem Kind der Kontrollgruppe tauschen, da die Mutter die Teilnahme am Entspannungstraining, das Bestandteil des Marburger Konzentrationstrainings ist, aus religiösen Gründen ablehnte. Einigen der Kinder waren im Rahmen von ergotherapeutischen Behandlungen Elemente aus Konzentrationstrainings bekannt. Tabelle 10 gibt Auskunft über die Zugangsdaten der Probanden.

Tabelle 10

Ausgangsmerkmale der Kinder in der Trainings- und Kontrollgruppe

Marburger Konzentrationstraining

N = 15 Kontrollgruppe „Pettersson und Findus“

N = 15

Alter 10;4 (1.0) 9;9 (0.1)

Intelligenz 105.2 (11.2) 96.43 (7.67)

Geschlecht 12 / 3 11 / 4

Medikation 9 / 6 2 / 13

Anmerkungen.

Stichprobengröße (Jungen/ Mädchen), Alter (Mittelwert in Jahren; Monaten, in Klammern Standardabweichungen), Intelligenz (Mittelwert, in Klammern Standardabweichungen). Medikation (Methylphenidat; ja/nein)

Die Kinder der Trainings- und Kontrollgruppe unterscheiden sich nicht bedeutsam hinsichtlich des Alters und der Zusammensetzung von Jungen und Mädchen in den Gruppen.

Die Kinder der Trainingsgruppe weisen jedoch einen höheren IQ auf als die Kinder in der Kontrollgruppe (tIQ(29) = -1.93; p = 0.06). Ein noch bedeutsamerer Unterschied ergibt sich

hinsichtlich der medikamentösen Behandlung. In der Trainingsgruppe wurden über die Hälfte der Kinder mit Ritalin® oder Medikinet® behandelt (tIQ(29) = 2.92; p < 0.01).