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2. Empirische Befunde zur Vergletscherungsgeschichte des Rolwaling Himal und des

2.2 Zur rezenten, postglazialen und LGM-zeitlichen Vergletscherung des Kangchenjunga

2.2.1 Die rezente Vergletscherung des Kangchenjunga Himal

2.2.2.3 Das Tamur Khola

Die folgenden Ausführungen behandeln das obere Tamur Khola, d.h. den Teil dieses Tales südlich der Konfluenz des Nup Khola mit dem Ghunsa Khola in 1520m Höhe und der Siedlung Dobhan (650m). Die Taltiefenlinie verläuft in diesem ca. 28km langen Talabschnitt zwischen 1550m und 658m (Abbildung 48, Karte 3). Ca. 500m südlich der genannten Talkonfluenz mündet das Simbua Khola in das Tamur Khola.

Die diesen Talabschnitt einfassende Kammumrahmung erreicht orographisch links ihre maximale Höhe im Gipfel des Neghun (3810m, [Megnug]). Auf der orographisch rech-ten Seite kulminiert die Kammumrahmung dieses Talabschnittes in einem 4364m hohen Gipfel. Eine rezente Vergletscherung existiert in diesem Teil des Untersuchungsgebietes erwartungsgemäß nicht.

Die Morphologie am Talausgang des Ghunsa Khola, wie sie u.a. in Photo 97 doku-mentiert ist, vermittelt zu den im folgenden zu beschreibenden Befunden für das Tamur Khola. Im Bildhintergrund von Photo 97 ist der Konfluenzbereich des Ghunsa Khola und des Nup Khola zu erkennen. Der zugerundete und glazial überprägte Rücken in diesem Bereich stützt die Annahme der Konfluenz eines LGM zeitlichen Ghunsa Khola Gletschers mit einem Nup Khola Gletscher mit einer Mächtigkeit von mindestens 700m, wahrscheinlich deutlich mehr. Photo 134 belegt das schluchtartige Talquerprofil des Tamur im oberen Abschnitt des Tallängspofiles. Südlich der Siedlung Tapethok (1400m) weitet sich das Talgefäß. Der Talboden des Tamur Khola südlich der Haupttalkonfluenz wird morphologisch durch zerschnittene, glazifluviale Schotterfüllungen gekennzeichnet, die insbesondere im Einflußbereich der Einmündung kleinerer Nebentäler intensiv zerschnitten werden. Photo 166 zeigt einen Teil des schluchtartigen Talquerprofils des Tamur Khola ca. 1,5km talaufwärts von Tapethok. Fluviale Spülformen, die ca. 100 Höhenmeter über dem rezenten Talboden liegen und nicht durch flankenseitigen fluvialen Einfluß entstanden sein können, sind als glazifluviale Hohlformen zu interpretieren (Photo 167).

Die Taltiefenlinie des Tamur Khola liegt unterhalb der Siedlung Tapethok in ca. 1320m.

Hier mündet von orographisch links ein Seitental ein, dessen Einzugsgebiet in dem 3810m hohen Neghun gipfelt. Photo 168 zeigt die Konfluenz der beiden Täler. Der links im Haupttal liegende Wall, wie er im Bildvordergrund zu erkennen ist, ist im Bereich des Talausganges des Seitentales im Anstehenden angelegt, haupttalseitig jedoch im wesentlichen mit einer mächtigen moränischen Lockermaterialdecke verkleidet. Photo 169 zeigt, daß der Wall der Gefällerichtung des Haupttales folgt und am Eingang des genannten Seitentales abgeschnitten wird. Flankenseitig oberhalb des Walles schließen sich zugerundete und moränenverkleidete walfischrückenförmige Vollformen an, die als Rundhöcker zu interpretieren sind. Mindestens bis in 2000m Höhe, d.h. ca. 600m über der rezenten Tiefenlinie, konnte glazigenes Sediment nachgewiesen werden. Diese Moräne ist in Beziehung zu Terrassenresten am Talausgang eines orographisch linken Seitentales zu setzen (Photo 168) und läßt diese als Reste einer Schüttung des Seitentales gegen den Haupttalgletscher oder als Moränenreste einer in das Seitental gedrückten Gletscherzunge des Haupttales verständlich werden. Für die Interpretation diese Terrassenrestes als Resultat der lokalen Vergletscherung des Nebentales fehlen weitere Indizien. Die niedrige maximale Einzugsgebietshöhe von knapp über 3800m läßt, deduktiv abgeleitet, eine lokale Vergletscherung, die bis in ca. 1400m herabreichen müßte, unwahrscheinlich erscheinen.

Hingegen machen die Befunde für den weiteren Talverlauf einen Eispegel der Haupttal-vergletscherung zwischen mindestens 1800m und 2000m wahrscheinlich (Photo 170).

Ergänzt werden diese Befunde durch mit hoher Wahrscheinlichkeit glazifluviale Spül-formen, die ca. 40 Höhenmeter über der rezenten Tiefenlinie nahe der Siedlung Chirwa zu finden sind (Photo 171, Photo 172). Einen Terrassenrest am Talausgang eines kleinen orographisch rechten Seitentales des Tamur Khola interpretiert KUHLE (1990: Fig. 9) als Lateralmoränenrest bzw. als Ufer- oder Endmoränenrest (ebd.: Fig. 5) (Photo 172).

Dieser Moränenrest liegt ca. 50m bis 60m oberhalb der rezenten Tiefenlinie und wird vom Autor als Rest einer Grundmoränenfüllung des Tales interpretiert. Für die Interpretation der Form als Lateralmoräne bzw. als Ufermoränenrest fehlen weitere Indizien. Die Oberfläche dieses Moränenrestes liegt etwa im gleichen Höhenniveau wie die Spülformen.

Die Gebäude der Siedlung Chirwa sind zwischen die bis über hausgroßen Blöcke eines Bergsturzes gebaut, der auf moränisches Material aufsetzt. Das Gestein der Blöcke des Bergsturzes steht oberhalb an der Flanke an, wohingegen sich unterlagernd erratische Blöcke finden.

Photo 173 zeigt einen Talausschnitt des Tamur Khola, der sich ca. 2,5km südlich an die Siedlung Chirwa anschließt. In diesem Bereich stützen Grundmoränenreste und Schliff-flächen die Annahme einer Eisfüllung des Tamur Khola zwischen 1400m und 1300m, d.h. mindestens 300m bis 400m über der rezenten Tiefenlinie. Die Ausdehnung des

vorzeitlichen Gletschers beschränkt sich auf einen kleinen Ausschnitt des Talgefäßes nahe der Tiefenlinie des Haupttales. Das Talquerprofil nahe Sinwa (Abbildung 49) bzw.

die darin eingezeichnete Gletscherzunge verdeutlichen dies (vgl. Photo 174). Große Teile der Morphologie des Talgefäßes im Abschnitt südlich von Chirwa sind klimageo-morphologisch von der beschriebenen Vergletscherung des Haupttales unabhängig entstanden. Den Seitentälern fehlt die Einzugsgebietshöhe, um eine großräumige Eigen-vergletscherung aufzubauen, so daß die Gletscheroberfläche im Haupttal hier zwar die Erosionsbasis bzw. den Sedimentationsraum verschiebt, aber insgesamt der fluviale Formenschatz in den oberen Nebentalbereichen überwiegt.

Talauswärts finden sich nahe der Siedlung Thuma in 760m Höhe Reste einer Verkleidung des Tamur Khola Talbodens und der unteren Talflanken mit glazigenem Material, das abschnittsweise stark überprägt bzw. erodiert ist, aber als glazigenes Sediment ausweisbar erscheint (Photo 175, Photo 176, Photo 177, vgl. KUHLE1990: Fig 8). Das durch die rezente Unterschneidung und lineare Erosion aus der Flanke auf-geschlossene glazigene Sediment ist mit fluvialen Schottern verzahnt. Diese Verzahnung interpretiert KUHLE (1990:420) als Hinweis auf eine Eisrandlage, die unter Hinweis auf entnommene Thermolumineszens-Datierungs Proben in das "Würm"-Glazial stellt. Es finden sich kantengebrochene große Blöcke, die in eine schwach tonige Feinmaterial-matrix eingebettet sind, neben facettierten und geschrammten erratischen Blöcken. Der mit Hilfe von Photo 176 dokumentierte Aufschluß zeigt nur einen kleinen Ausschnitt dieses Grundmoränenrestes (Photo 175). Letzterer konnte sich in einer hinsichtlich des Erosionspotentials günstigen Lage gut erhalten und belegt eine vorzeitliche Eis-mächtigkeit von mindestens ca. 140m über der rezenten Tiefenlinie, die nicht im Anstehenden, sondern in ausgewaschenen Resten dieser Grundmoränenfüllung angelegt ist.

Talauswärts von Thuma liefern erratische Blöcke mit Kantenlängen von über 4m im Verbund mit Dreiecksflächen und Flankenpolituren weitere Hinweise auf das Herab-reichen des Tamur Gletschers (Photo 178). Die Blöcke sind mit hoher Wahrscheinlich-keit in ihrer jetzigen Position nicht durch einen Gletscher abgesetzt worden, sondern sind der Schwerkraft folgend aus der sich flankenseitig anschließenden Erosionsrinne

"gefallen". Photo 179 und Photo 180 zeigen die Tiefenlinie des Tamur Khola in diesem Talabschnitt. Diese Photos belegen eine große Vielzahl von erratischen Blöcken in diesem Talabschnitt und zeigen gleichfalls die fluviale Überprägung des Talbodens in mehreren Perioden. Der rezente Fluß ist auf ein hier ca. 8m bis 10m breites Bett begrenzt (Das Talgefälle zwischen Thuma und Handrun liegt knapp unter 1°). Die Vegetationsent-wicklung im Bereich der Hänge zeigt deutlich, daß der Abfluß des Tamur jahreszeitlich nur in geringem Maße schwankt. Große Teile der zu erkennenden Blockstreu sind aus einem moränischen Ausgangssubstrat herauspräpariert und fluvial überprägt worden. Das nicht sortierte und klassifizierte Material des glazialen Ausgangssubstrates wird durch ein

fluviatiles Sediment ersetzt, das die nicht mit Hilfe der fluvialen Dynamik zu transportierenden Blöcke umschließt. Die Möglichkeit der Verlagerung der Blöcke im Meterbereich der Horizontalen kann hinsichtlich der Fragestellung vernachlässigt werden.

Hinweise, welche die Verlagerung der erratischen Blöcke als Folge katastrophaler See-ausbrüche verständlich machen würden, konnte der Autor nicht kartieren (vgl. CARLING et al. 2002). Die denkbaren Einzugsgebiete solcher auf der Basis der vorliegenden Befunde nicht zu rekonstruierenden Seen lägen mit ihrer talauswärtigen Begrenzung mindestens 40km talaufwärts.

Der Gletscher reichte mindestens bis in den Bereich der heutigen Siedlung Dobhan (650m) herab. Der Eisrand lag somit ca. 6km talauswärts der von KUHLE (1990) ange-nommenen ERL (ca. 1km südlich von Thuma).

Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Tamur Khola weist rezent keine vergletscherten direkten Einzugsgebiete auf. Die Befunde im oberen Tamur Khola belegen eine Gletscherzunge, die im Konfluenzbereich des Ghunsa Khola, des Nup Khola und des Simbua Khola mindestens 700m, wahrscheinlich jedoch deutlich mächtiger war. Anhand von morphologischen Indikatoren ist ein nach talauswärts einfallender Gletscherpegel zu rekonstruieren, der zu einer Eisrandlage in ca. 650m nahe der Siedlung Dobhan vermittelt. Die Bildung eines Eisstromnetzes im mittleren und unteren Teils des Tamur Khola ist unwahrscheinlich; der Eiszustrom ist auf die drei genannten Einzugsgebiete beschränkt.