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V. Die Zielgruppe der High Potentials

3. Theoretisch-konzeptionelle Perspektiven zur Erfassung des High-

3.2. Talentmanagement

142 Situation in Form einer Prüfung, der Wissen, aber nicht zwangsläufig kompe-tenzbasiertes Handeln für ein erfolgreiches Bestehen abverlangt werden.384

c. Potenzial

Unter dem Begriff Potenzial versteht man „die Fähigkeit, andere (horizontales Potenzial) oder anspruchsvollere (vertikales Potenzial) Aufgaben [in der Zu-kunft, WE] erfolgreich zu bewältigen“385. Da Potenzial nicht direkt messbar ist, handelt es sich vielmehr um eine Einschätzung der zukünftigen Leistungsfähig-keit. Hierfür werden detaillierte Beobachtungsergebnisse oder Auswertung ver-gangener Tätigkeiten als Einschätzungsgrundlage herangezogen. Anhand einer solchen Analyse kann festgestellt werden, welche Potenziale ein Mitarbeiter hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der individuellen Kompetenzen be-sitzt.386

143 Im „klassischen Modell“387 des Mitarbeiterportfolios wird ein „Talent“ entlang der zwei Dimensionen „Performance“ (Leistung) und „Potenzial“ definiert.388 Wäh-rend sich die Performance-Dimension auf die Gegenwart und damit auf die ak-tuell demonstrierte Leistung einer Person bezieht, beschäftigt sich die Potenzi-al-Dimension mit der zukünftigen, auf der Basis bestimmter Erkenntnisse prog-nostizierten zukünftigen Leistungsfähigkeit dieses Mitarbeiters. Werden diese beiden Dimensionen kombiniert, dann weist das resultierende Portfolio vier un-terschiedene Mitarbeitertypen auf: (1) Question-Marks, (2) die Cash-Cows, (3) die Talents und (4) die Stars.389

Abbildung 25: Klassisches Mitarbeiterportfolio

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehung an Enaux/Henrich 2011, S.18.

387 Es findet sich in der Literatur auch das sog. „Drei-Faktoren-Modell“. Dabei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des klassischen Mitarbeiterportfolios – wie hier dargestellt - mit zwei Dimensionen. Der zentrale Unterschied ist darin zu sehen, dass bei diesem Ansatz ein Talent anhand von drei Faktoren – Potenzial, Performance und Kompetenz – beschrieben wird. Damit wird die Bedeutung der Kompetenzen hinsichtlich der Talentidentifikation unterstrichen, indem diese explizit als weitere Dimension mit aufgenommen werden. Nach Auffassung des Verfas-sers ändert sich an der grundsätzlichen Aussagekraft jedoch nichts, da auch im klassischen Modell die individuellen Kompetenzen die Basis für die Performance (Performanz) bilden und zudem die Kompetenzausprägungen als Indikatoren für das Potenzial einer Person herangezo-gen werden.

388 Vgl. Enaux/Henrich 2011, S. 17 f.

389 Vgl. Gerhardt/Ritter 2004, S. 41 f.; Lorenz/Rohrschneider 2008, S. 57 ff.

144 (1) Die Question-Marks sind die „Problemfälle“ im Unternehmen. Sie fallen durch unterdurchschnittliche Leistung auf, die nicht den mit der individuel-len Stelle verbundenen Anforderungen entspricht. Zudem kann dieser Mit-arbeitergruppe kein ausbaufähiges Potenzial bescheinigt werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig und können zum Beispiel in stetiger Über- oder Unterforderung oder auch in einer, gemessen am individuellen Kom-petenzstand des Mitarbeiters, ungeeigneten Position begründet sein.

(2) Im Cluster der Cash-Cows sind die Leistungsträger eines Unternehmens abgebildet. Diese Leistungsträger (sog. „High Performer“) gelten als an ih-rer individuellen Potenzialgrenze angekommen und es wird ihnen daher kein oder nur wenig zusätzliches Potenzial für anspruchs- und verantwor-tungsvollere Aufgaben attestiert. Sie sind jedoch in der jetzigen Position unersetzlich und müssen aus diesem Grund motiviert und langfristig ge-fördert werden, um nachhaltig die hohe Leistung erbringen zu können.390 (3) Die Talents sind diejenigen Mitarbeiter, die über ein hohes Potenzial –

sowohl für weitere fachliche Entwicklungen als auch im Bereich von Füh-rungsaufgaben – verfügen, jedoch aktuell häufig noch eine unterdurch-schnittliche Leistung erbringen. Dies sind oftmals Nachwuchsführungskräf-te, die zwar über die entsprechende Ausbildung und die notwendigen Kompetenzen verfügen, aber noch nicht hinreichend Berufserfahrung sammeln konnten und sich somit noch in einer beruflichen Entwicklungs-phase befinden. Motivation und Wille sind bei diesen Mitarbeitern sehr stark ausgeprägt. Aus diesem Grund muss diese Zielgruppe systematisch anhand von Entwicklungsplänen auf ihre zukünftigen Fach- und Füh-rungsaufgaben vorbereitet werden.391

(4) Die Stars zeichnen sich durch „High Performance“ und „High Potential“

aus. Sie sind hochmotiviert und zeigen überdurchschnittliche Eigeninitiati-ve, indem sie Aufgaben kritisch betrachten und reflektiert Verbesserungen anstoßen können. Da diese Mitarbeitergruppe auf dem Arbeitsmarkt sehr

390 Einige Autoren differenzieren die Gruppe der „High Performer“ nochmals in „Leistungsträger“

und „Leistungsträger mit Potenzial“. Vgl. hierzu Gerhardt/Ritter 2004, S. 41 f.; Lo-renz/Rohrschneider 2008, S. 57 ff.

391 Vgl. Enaux/Henrich 2011, S. 17; Martin/Schmidt 2010, S. 30 f.; Gerhardt/Ritter 2004, S. 41 f.;

Krämer 2007, S. 176; Lorenz/Rohrschneider 2008, S. 57 ff.

145 gefragt ist, sind die Mitarbeiterbindung und das Aufzeigen von Karriere-perspektiven von essenzieller Bedeutung.392

b. High Potential-Definition im Kontext des Talentmanagements

High Potentials bilden in diesem Portfolio zwar keine eigene Kategorie, wurden jedoch eingangs unter Bezugnahme auf MALMENDIER als Mitarbeiter mit ei-nem latent vorhandenen, aber noch nicht (vollständig) aktivierten Fähigkeits- und Leistungspotenzials definiert.393 Demnach sind High Potentials im klassi-schen Mitarbeiterportfolio im Cluster der (3) Talents und der (4) Stars zu veror-ten.

Entsprechend können dann auch die einschlägigen Definitionsansätze aus dem Talentmanagement auf High Potentials übertragen werden. Als ein Beispiel soll an dieser Stelle ATHEY referiert werden, der „Talents” folgendermaßen defin-iert: „[…] the groups and individuals that drive a disproportionate share of their company’s business performance and generate greater-than-average value for customers and shareholders. A company’s critical talent possesses highly de-veloped skills and deep knowledge – not just of the work itself but also of ‘how to make things happen’ in the organization. Without these people, organizations could not achieve their strategies.“394 Dieser Definitionsansatz entspricht dem der High Potentials und greift den eingangs vorgestellten Gedanken zu den durch High Potentials geschaffenen Wettbewerbsvorteilen inhaltlich wieder auf.

Ebenso wird die Annahme bekräftigt, dass eine High Potential-Definition immer unternehmensspezifisch erfolgen muss, da Unternehmen erfolgskritische Talen-te und PoTalen-tenziale ihrer MitarbeiTalen-ter immer in Abhängigkeit der straTalen-tegischen Un-ternehmensziele definieren müssen.395

Einschränkend sei noch auf die Untersuchung von MÄKELÄ/BJÖRKMAN/

EHRNROOTH verwiesen.396 Die Autoren untersuchen die Wahrscheinlichkeit,

392 Vgl. Krämer 2007, S. 177; Steinweg 2009, S. 4.

393 Vgl. Malmendier 2006, S. 9 f.

394 Athey, 2005, S. 1.

395 Vgl. Blass 2009, S. 16 und 24 f.

396 Vgl. Mäkelä/Björkman/Ehrnrooth 2009, S. 139 ff.

146 mit der ein Mitarbeiter in einem Unternehmen als Talent identifiziert und be-nannt wird. Gemäß den Autoren gibt es einen zweistufigen Entscheidungspro-zess zur Aufnahme in einen „Talentpool“397. Im ersten Schritt wird die Leistung eines Kandidaten evaluiert. Dieser Schritt liefert den Input für die zweite Stufe, die kognitiv-basierte Managerentscheidung. Diese Entscheidung wird jedoch durch kulturelle und institutionelle Distanz beeinflusst. Das heißt, je größer die kulturelle und institutionelle Distanz ist, desto geringer fällt die Wahrscheinlich-keit aus, als Talent identifiziert zu werden. Je ähnlicher jedoch ein Kandidat dem Entscheider ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, als Talent erkannt zu werden. Die Ergebnisse implizieren, dass nicht nur formale Faktoren wie der Bildungsgrad, diagnostizierte Charaktereigenschaften und (objektiv) bewertete Leistung eines Mitarbeiters ausschlaggebend sind, sondern vielmehr die Ent-scheidung auch von der auswählenden Person selbst beeinflusst wird.