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II. Zur Ausgangslage auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Die

3. Lösungsansätze

3.2. Ansätze eines betrieblichen Demographie-Managements

40 Als wichtigste Stellhebel zur Sicherung dieses zukünftigen Fachkräftebedarfs stellen sich

(1) die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung einzelner Bevölkerungsgruppen, (2) eine angemessene Verlängerung der Erwerbsphasen oder eine Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitszeiten und

(3) eine Steigerung der Arbeitsproduktivität heraus.

ARNDT bewertet diese Handlungsfelder als einen Ansatz, der „potenziell sei-nen Teil zur grundsätzlichen Erhöhung der Zahl qualifizierter Erwerbspersosei-nen innerhalb Deutschlands“83 beitragen könne. Jedoch sind sich die meisten Ex-perten darüber einig, dass der demographische Wandel konzertierte Anpas-sungen der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnungssysteme erfor-dere. Damit ist die zentrale Frage zu stellen, wie „politikfeldübergreifende Ge-samtstrategien“84 entwickelt und umgesetzt werden können. Dies erfordert das gegenseitige Zusammenwirken und eine koordinierte Zusammenarbeit von Poli-tik, Gesellschaft, Verbänden, Tarifpartnern und Beschäftigten.85

41 den Jahren ständig zunehmen. Diese Entwicklung spiegelt sich im sog. „Alters-quotient“ wider, der die über 67-Jährigen (Rentner) in Verhältnis zu den 20- bis unter 67-Jährigen (Arbeitstätige) setzt. Dieser Wert steigt von 29,0% im Jahr 2008 auf prognostizierte 59,4% im Jahr 2060.87

Damit wird die alternde Belegschaft zu einer zentralen Herausforderung für das Personalmanagement und die Unternehmensführung und DERCKS/HARDEGE belegen, dass 31% der Unternehmen eine alternde Belegschaft als wesentliche Konsequenz des demographischen Wandels erachten.88 ARNDT geht davon aus, dass sich in den Unternehmen unter diesen Vorzeichen ein Paradigmen-wechsel abzeichnen werde. Während in den vergangenen Jahren viele Unter-nehmen im Zeichen des „Jugendwahns“ die Altersstruktur ihrer Belegschaft durch Frühverrentungs- und Altersteilzeitprogramme vermeintlich positiv beein-flussen wollten, werden die Besonderheiten alternder Belegschaften ihren Nie-derschlag in der Personalarbeit finden.89 Bereits heute zeigt die Statistik einen signifikanten Anstieg der Beschäftigungsrate der 55- bis 65-jährigen Mitarbeiter in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern.90

Deutsche Unternehmen bereiten sich systematisch auf die Herausforderungen vor, die durch die skizzierte demographische Entwicklung droht. Diese Auswir-kungen spüren bereits die meisten Unternehmen, wie eine Untersuchung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt.

Tabelle 1: Befürchtete Auswirkungen des demographischen Wandels

1-9 Mitar-beiter

10-19 Mit-arbeiter

20-199 Mitarbeiter

200-999 Mitarbeiter

1000+

Mitarbeiter

1. Fachkräftemangel 37% 45% 56% 60% 65%

2. Starke Alterung der

Belegschaft 21% 30% 34% 37% 43%

3. Steigender

Weiter-bildungs-bedarf 20% 23% 29% 37% 32%

4. Verlust

betriebsin-ternen Wissens 10% 12% 14% 18% 21%

Keine Auswirkungen 42% 29% 20% 12% 11%

Quelle: DIHK 2010, zit. in: Blazek 2011, S. 6.

87 Vgl. Statistisches Bundesamt 2009, S. 12 ff.

88 Vgl. Dercks/Hardege 2010; Priester 2013, S. 279 ff.

89 Vgl. Arndt 2012, S. 55.

90 Vgl. Eurostat 2013; OECD 2012.

42 Um auf diese demographisch bedingten Entwicklungen adäquat zu reagieren oder sogar präventiv zu handeln, gehen einige Unternehmen inzwischen dazu über, einzelne Maßnahmen in ein ganzheitliches Personalmanagementsystem zu überführen. Das Konzept einer „lebensphasenorientierten Personalpolitik“91 baut auf vorhandenen Strukturen und Personalinstrumenten der Unternehmen auf, richten diese jedoch systematisch einerseits an den geänderten Bedarfen des Unternehmens und den Bedürfnissen der Mitarbeiter andererseits aus.92 Derartige Ansätze zielen auf die permanente und systematisch geplante Wei-terentwicklung der Mitarbeiter ab, um deren Leistungsbereitschaft und Leis-tungsvermögen zu sichern und zu fördern. Entsprechend der dem Marketing entnommenen Logik des Lebenszyklus93 wird mit den Überlegungen bereits vor Eintritt der Beschäftigten in das Unternehmen angesetzt und konsequent bis zum Ausscheiden der Beschäftigten betrachtet. Damit werden erfolgskritische Ansatzpunkte für unternehmerisches Handeln im Rahmen eines ganzheitlichen Demographiemanagements entlang des sog. „Triple-R-Bereichs“ identifiziert:94

(1) Recruitment mit den Bereichen Arbeitgeberattraktivität, Employer Branding, Personalmarketing und Rekrutierung;

(2) Retention: Mitarbeiterbindung und -einsatz, der unter den Bedingungen einer alternden Belegschaft insb. auf die Etablierung eines Wissensmana-gements und die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanage-ments fokussiert;95

(3) Retirement mit dem Fokus auf das Ausscheiden von Mitarbeitern.

91 In der Literatur findet sich synonym der Begriff der „lebenzyklusorientierten Personalpolitk“. – Vgl. hierzu Blazek 2011, S. 12 ff.; Flüter-Hoffmann 2010, S. 417 ff.; Kramer 2011, S. 14 ff.

92 Zur Differenzierung unterschiedlicher Lebensphasen und darauf abgestimmter Personalkon-zepte sei an dieser Stelle auf Kramer 2011, S. 14 ff.; Blazek et al. 2011, S. 16; Naegele 2010, S. 29 ff. und 39 ff. verwiesen.

93 Zum Konzept des Produktlebenszyklus in der Betriebswirtschaftslehre vgl. Kotler/Bliemel 1999, S. 563 ff.

94 Vgl. Flüter-Hoffmann 2010, S. 419.

95 Des Weiteren finden sich in der Literatur zum Thema Mitarbeitereinsatz die Bereiche: Ar-beitsorganisation und Arbeitszeit, Karriere- und Laufbahnmanagement, Leistungsmanagement und Vergütung, Qualifizierung und Training. – Vgl. hierzu: Blazek et al. 2011, S. 17; Naege-le/Sporket 2010, S. 449 ff.; Seifert 2010, S. 498 ff.; Kanelutti/Lachmayr 2007, S. 55 ff.

43 b. Arbeitgeberattraktivität

Daraus wird einmal mehr ersichtlich, dass nur die Unternehmen in Zukunft er-folgreich am Arbeitsmarkt sich behaupten werden können, die der knappen Zielgruppe ein attraktives Gesamtangebot unterbreiten und sich damit als at-traktiver Arbeitgeber positionieren können. Diese personalstrategische Ausrich-tung wird im Folgekapitel im Detail aufbereitet und diskutiert. Auf eine detaillier-te Darsdetaillier-tellung wird daher an dieser Sdetaillier-telle verzichdetaillier-tet.

c. Betriebliches Gesundheitsmanagement

Das betriebliche Gesundheitsmanagement hat das Ziel betriebliche Erkrankun-gen zu verhindern, die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Arbeit-nehmer zu fördern und die Gesundheit zu stärken. Hierbei handelt es sich um die Bereiche Prävention und Aktion.96 Darüber hinaus sehen Unternehmen nen positiven Einfluss des betrieblichen Gesundheitsmanagements auf das ei-gene Unternehmen, um dessen Wettbewerbsfähigkeit und Kosteneffizienz zu fördern.97 Dieses wirtschaftliche Ziel ist die Verringerung insbesondere der Aus-fall- und Absentismuskosten, um einen positiven Effekt auf die Produktivität zu erreichen. Hierbei spielt neben der Entspannung, Ernährung und Bewegung eine wertschätzende Unternehmens- bzw. Führungskultur eine durchaus wich-tige Rolle, um die Leistungsbereitschaft, Zufriedenheit und Motivation der Mitar-beiter zu fördern. Darüber hinaus soll das Image des Unternehmens, die Pro-duktqualität und die Kundenzufriedenheit verbessert werden.98

Im Gegensatz zu der herkömmlichen Gesundheitsförderung, welche es bereits seit längerer Zeit im Unternehmen gibt, gliedert und evaluiert das betriebliche Gesundheitsmanagement gesundheitsförderliche Maßnahmen und bildet somit einen strategischen Rahmen zur unternehmensinternen Linderung der demo-graphischen Herausforderung. Insbesondere bei einer alternden Belegschaft wird in diesem Zusammenhang die „Arbeitsfähigkeit“, häufig auch mit dem

96 Vgl. Kromm/Gunter 2009, S. 137; Okunowski 2009, S. 21.

97 Vgl. Badura et al. 2009, S. 77

98 Vgl. Stock 2010, S. 678 ff.

44 griff der „Employability“ beschrieben, als wichtiges Primärziel verstanden.99 Nur wenn es einem Unternehmen gelingen wird, die eigenen Mitarbeiter bis zum Rentenalter in Bezug auf deren Gesundheit, Kompetenzstand und Motivation zu fördern, wird das interne Arbeitskräftepotenzial nicht frühzeitig verringert wer-den.

d. Wissensmanagement

Der zielgerichtete und systematische Umgang mit „Wissen“100 ist im Zuge der skizzierten Entwicklung zu einer modernen Wissensgesellschaft zu einem er-folgskritischen Faktor geworden. Insbesondere im unternehmerischen Kontext ist mit einer systematischen Strukturierung und Nutzung von Wissen die Vor-stellung verbunden, die Wissenspotenziale der Mitarbeiter besser zugänglich und nutzbar zu machen.101 Das Ziel dieses Wissensmanagements ist ganz grundsätzlich die Generierung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber anderen Unternehmen.

Im Kontext des demographischen Wandels gewinnt folglich das Wissensma-nagement zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen eines integrativen Wissens-transfers geht es darum, Wissensbestände zwischen älteren und jüngeren Mit-arbeitern über „organisierte und formalisierte Transferformen“102 auszutau-schen. Beide Mitarbeitergruppen verfügen über unterschiedliche Arten des Wis-sens, die sich gegenseitig ergänzen.103 So haben sich ältere Mitarbeiter durch langjährige Berufserfahrung ein breit gefächertes Erfahrungswissen aufgebaut.

Erfahrungswissen ist eine besondere Form von Wissen, das im praktischen Handeln erworben und angewendet wird. Es ist daher personengebunden und

99 Zur Entwicklung des Begriffs vgl. Forrier/Sels 2003, S. 102 ff.

100 Wissen soll an dieser Stelle definiert werden als „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähig-keiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. […] Wissen stützt sich dabei auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden“

(Probst/Raub/Romhardt 2003, S. 22).

101 Vgl. Probst/Raub/Romhardt 2003, S. 3.

102 Köchling 2000, S. 364.

103 Eine komplementäre Verteilung des Wissensbestandes scheint für einen erfolgreichen Transfer eine notwendige Bedingung zu sein. Bei konkurrierenden Wissensbeständen ist davon auszugehen, dass keine der Akteure einen unilateralen Anreiz zur Preisgabe des eigenen Wis-sens hat. Zu den Barrieren, die sich beim WisWis-senstransfer ergeben können vgl. Bendt 2000, S.

51 ff.

45 auf konkrete Handlungssituationen bezogen.104 Jüngere Mitarbeiter verfügen dagegen über aktuelles Wissen, das im Rahmen der schulischen, beruflichen oder akademischen Ausbildung erworben wurde. Findet dieser Wissensaus-tausch in organisierter und strukturierter Form statt und wird kontinuierlich in die Arbeitsorganisation implementiert, so sind lebenslange, altersübergreifende Qualifizierungsprozesse möglich.

104 Vgl. Böhle 2002, S. 7. Der Praxisbezug wird als das entscheidende Differenzierungsmerkmal zu anderen Wissensarten anerkannt. In der wissenschaftlichen Diskussion besteht über diese Besonderheit weitgehend Einigkeit. Zum traditionellen und weiter gefassten Verständnis von Erfahrungswissen vgl. Krenn 2001, S. 11 und Plath 2002, S. 518.

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III. Employer Branding – Konzeptionelle Gestaltung