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VI. Branchenanalyse: Status Quo und Entwicklungstendenzen in der

1. Struktur der deutschen Automobilbranche

1.2. Die Akteure: Automobilhersteller, Zulieferunternehmen und

Ent-wicklungsdienstleister

„Die Automobilindustrie gibt es nicht in Deutschland. […] Kurz: Die deutsche Automobilindustrie ist ein sehr bunter Haufen!“429 Diese Heterogenität der Ak-teure macht eine differenzierte Betrachtung der AkAk-teure in dieser Branche not-wendig.

a. Automobilhersteller

HEIGL/RENNHAK verweisen zu Recht auf die Tatsache, dass es in der ein-schlägigen Literatur keine einheitliche Verwendung der Begrifflichkeiten „Fahr-zeughersteller“ oder „OEM – Originial Equipment Manufacturer“ gäbe. Synonym hierzu werde auch die Terminologie „Erstausrüster“ und „Erstausstatter“ ver-wendet. In der vorliegenden Arbeit wird ergänzend zu den gängigen Bezeich-nungen auch von „Automobilhersteller“ gesprochen, da sich die Herstellung i.S.

einer Endfertigung von Zulieferunternehmen unterscheidet. In Anlehnung an KIM wird OEM bzw. Automobilhersteller folgendermaßen definiert: „Ein OEM ist ein Hersteller, dessen Erzeugnisse entweder als Baugruppe in Geräte anderer Hersteller eingebaut werden, oder der komplette Problemlösungen unter eige-nem Namen auf dem Endkundenmarkt anbietet. Trotz der Entstehung eines i.d.R. neuen Grundnutzens bleibt die Identität des Herstellers erhalten und da-mit sind die OEM-Erzeugnisse da-mit eigenem Namen auch auf dem Endkunden-markt transaktionsfähig.“430

b. Zulieferunternehmen

Unternehmen der Zulieferindustrie werden in der Literatur auf unterschiedliche Weise inhaltlich und terminologisch gefasst. Beispielsweise werden in diesem Zusammenhang die Bezeichnungen „Lieferant“, „Zulieferer“, „Vorlieferant“, „Un-terlieferant“ und „Unterauftraggeber“ genannt.431

429 Becker 2012, S. 78.

430 Kim 1997, S. 23, zit. in: Heigl/Rennhak 2009, S. 5; vgl. auch Diehlmann/Häcker 2010, S. 5.

431 Vgl. Heigl/Rennhak 2009, S. 6; Wallentowitz/Freialdenhoven/Olschewski 2009, S. 1 ff.

156 Bezugnehmend auf die inhaltliche Definition der Zulieferunternehmen kann festgehalten werden, dass diese Unternehmen grundsätzlich einmal dadurch charakterisiert sind, dass sie entweder Produkte fertigen, die zur Herstellung anderer Produkte eingesetzt werden, oder dass sie andererseits Be- und Ver-arbeitungsleistungen erbringen, die bei der Erzeugung anderer Produkte zum Einsatz kommen.432 Beiden Arten der Zulieferunternehmen sind gemein, dass die jeweiligen Produkte (Teile, Komponenten, Module, Systeme) bzw. Dienst-leistungen erst durch die Ver- bzw. Anwendung im komplexeren Endprodukt ihre vollständige Funktion entfalten. Zulieferer bieten mit ihren Produkten und Dienstleistungen damit ein Leistungsspektrum an, welches primär nicht für Endkunden, sondern zum überwiegenden Teil für industrielle Abnehmer be-stimmt ist.433

Die o.g. terminologische Abgrenzung verweist mit den verwendeten Präfixen

„unter“ bzw. „vor“ bereits auf eine weitergehende, vertikale Differenzierung der Zulieferrolle. Automobilzulieferer werden entsprechend der Wertschöpfungsstu-fen weitergehend unterschieden nach dem Automobilhersteller direkt vorgela-gerten Lieferanten der ersten Ebene, die sog. „Tier-1“-Zulieferer, und Zuliefer-unternehmen der nachfolgenden Ebenen, die als Vor-, Unter- oder Sublieferan-ten bezeichnet werden und in Folge dessen je nach Lieferebene die Bezeich-nungen „Tier-2“- oder „Tier-3“-Lieferanten tragen. Dabei ist zu erwähnen, dass Zulieferer in der Praxis innerhalb der Zuliefererkette oftmals verschiedene Posi-tionen und FunkPosi-tionen gleichzeitig einnehmen können.434

432 Vgl. Kubota/Witte 1990, zit. in: Wildemann 1996, S. 1.

433 Vgl. Wildemann 1996, S. 1.

434 Vgl. Heigl/Rennhak 2009, S. 6 f.

157 Abbildung 27: Struktur der Zulieferung in der Automobilbranche

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heigl/Rennhak 2009, S. 8; Diehl-mann/Häcker 2010, S. 66; Kurek 2004, S. 21.435

Eine andere Betrachtungsdimension zielt auf das Kompetenzprofil eines Zulie-ferers ab und differenziert diese Unternehmen entsprechend. Eine auf WILDE-MANN zurückgehende grundlegende Matrix verwendet neben der Kompetenz-dimension auch den Leistungsumfang, den ein Zulieferunternehmen dem Ab-nehmer anbietet.

435 HEIGL/RENNHAK (2009, S. 8 ff.) erwähnen in ihrer Untersuchung einen weiteren Zuliefer-typ: den Generalunternehmen bzw. Systemintegrator. Dieser findet in der Literatur jedoch kaum Erwähnung und wird daher für die vorliegende Arbeit nicht weiter betrachtet. Ein Generalunter-nehmen ist demnach verantwortlich für die vollständige Entwicklung und/oder Produktion des gesamten Fahrzeugs und wird daher auch als „Tier-0,5“-Zulieferer bezeichnet.

158 Tabelle 8: Typologisierung von Zulieferunternehmen

Leistungsumfang

Kompetenz des Zulieferers

Durch den Abnehmer vorde-finierte Produkte und Verfah-ren

System- und Problem-lösungskapazität

Produktions-Know-How (1) Teilefertiger (2) Produktionsspezialist Produktions- und

Produkt-Know-How

(3) Entwicklungspartner-schaften

(4) Wertschöpfungspartner-schaften

Quelle: in Anlehnung an Wildemann 1996, S. 44.

(1) Als „Teilefertiger“ werden Zulieferunternehmen bezeichnet, die zumeist Standardprodukte in Form von Normteilen oder Katalogteilen im Sinne ei-ner verlängerten Werkbank produzieren und dem Automobilhersteller lie-fern. Der Wertschöpfungsbeitrag ist hier für den Abnehmer sehr gering und aufgrund der geringen Markteintrittsbarrieren streben Teilezulieferer meist die Kostenführerschaft an.436

(2) Produktionsspezialisten werden in der Literatur häufig auch als Kompo-nentenzulieferer bezeichnet. Komponenten sind dabei komplexer als Standardteile und liefern demnach auch einen höheren Wertschöpfungs-beitrag. Die Komponenten wie bspw. Starter, Stecker, Steuergeräte, Ent-lüfter oder Tankbaueinheiten werden vom Zulieferer eigenständig initiiert und entwickelt. Daher wird bereits ein Teil der Innovationstätigkeit auf den Zulieferbereich verlagert.437

(3) Entwicklungspartnerschaften versuchen das Produkt-Know-How von Au-tomobilherstellern und Zulieferern zu vereinigen. Der Gedanke eines Si-multaneous Engieneering wird auf den gesamten Fertigungsverbund über-tragen und in Entwicklungspartnerschaften institutionalisiert. In einer sol-chen Konstellation sind die Entwicklungsabteilungen der Automobilherstel-ler in zunehmendem Maße auf die Unterstützung zur eigenen Produktver-besserung angewiesen, die von den Fachkräften abgegeben werden, die die Zulieferteile entwickeln.438

436 Vgl. Heigl/Rennhak 2009, S. 8.

437 Vgl. Heigl/Rennhak 2009, S. 9.

438 Vgl. Wildemann 1996, S. 46.

159 (4) Wertschöpfungspartnerschaften gehen im Vergleich zu

Entwicklungspart-nerschaften noch einen Schritt weiter. „WertschöpfungspartEntwicklungspart-nerschaften lassen sich daher auch als strategisch vertikale oder horizontale Allianzen zwischen Unternehmen bezeichnen, die auf unterschiedlichen Stufen ei-ner Wertschöpfungskette agieren und kooperieren.“439 Da die Intensität und Institutionalisierung der Kooperation unterschiedliche Ausmaße an-nehmen kann, stehen Wertschöpfungspartnerschaften „auf einem Konti-nuum zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen und verbundenen Konzernunternehmen“440.

Die Rolle der Zulieferer in derartigen Entwicklungs- und Wertschöpfungspart-nerschaften (Punkt 3 und 4 oben) wird in der Literatur häufig als „Modul- und Systemlieferant“ oder nur als „Systemzulieferer“ bezeichnet. Systeme sind in diesem Sinne als funktionale Einheiten zu verstehen, die stark technologiege-trieben und entwicklungsintensiv sind. Als Beispiele können Bremsanalgen und Antriebsstränge genannt werden.441 Diese Zulieferer verfügen über weitrei-chendes Produktions- als auch Produkt-Know-How und sind damit in der Lage, auch ohne explizit vorliegende Problemdefinition neue und für den Abnehmer innovative und wertschaffende Lösungen zu entwickeln, indem Markttrends im Sinne des Reverse-Engineering-Konzepts antizipiert werden.442 Zudem koordi-niert ein Systemzulieferer die ihm nachgelagerten Lieferanten eigenverantwort-lich und übernimmt das damit einhergehende Schnittstellenmanagement. Damit ist der Wertbeitrag für Automobilhersteller in einer solchen Konstellation am größten.443

439 Wildemann 1996, S. 50.

440 Wildemann 1996, S. 50.

441 Module sind im Unterschied dazu in ihrer Komplexität nicht so weitreichend und können als

„komplexe Baugruppen“ (Heigl/Rennhak 2009, S. 9) beschrieben werden. Als Beispiel können Radaufhängung, Getriebe, Cockpit oder Saugmodul genannt werden. – Vgl. Heigl/Rennhak 2009, S. 9 f.

442 Vgl. Wildemann 1996, S. 51.

443 Vgl. Heigl/Rennhak 2009, S. 10.

160 c. Entwicklungsdienstleister

Bei den Entwicklungs- oder Ingenieursdienstleistern handelt es sich häufig um spezialisierte Ingenieursbüros, die in direktem Auftrag des Fahrzeugherstellers agieren und direkt in dessen Geschäftsprozess integriert sind. Dieser spezielle Zulieferertypus beschränkt seine Dienstleistung auf die Konzeptualisierung von Fahrzeugen und ihrer Designs.444