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Hallet 2009, Hallet 2010), sondern auch zu einem Literaturdiskurs, der die Grenze zwischen Literatur und Nicht-Literatur; zwischen sog. literarischer und sog. Alltags-sprache immer schon kennt (auch wenn er – wie Culler – durchaus anerkennt, dass sich diese Grenzen bisweilen ändern und verschieben).

Dieser Punkt führt zu der Frage, was der Begriff der literarischen Kompetenz für das Fach Deutsch als Fremdsprache leisten kann. Von seinem Ursprung her ist der Begriff auf Gegenstände und Ziele bezogen, die für das Fach Deutsch als Fremdsprache, dessen Gegenstand nicht die Literatur in einem traditionellen Sinne ist, nicht relevant sind. Hinzu kommt, dass der Begriff – wie wir am Beispiel von LUK gesehen haben – sowohl zum Literarischen als auch zum (standardorientier-ten) Kompetenzdiskurs ein ambivalentes und uneindeutiges Verhältnis aufweist.

Auf der anderen Seite lenkt der Begriff – und zwar schon bei Culler – den Blick weg von den Ergebnissen literarischer Sinnproduktion – dem einzelnen literari-schen Text – hin zu (den Bedingungen) ihrer Entstehung. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, literarische Kompetenz als eine erweiterte Sprachkompetenz im Sinne von Claire Kramsch aufzufassen, nämlich als die Fähigkeit, „to understand the practice of meaning making itself“ (Kramsch 2006: 251). Voraussetzung dafür ist aber ein unkonventionelles und keineswegs selbstverständliches Verständnis des Lite-rarischen, das es aus der konventionellen Bindung an den literarischen Text und die Sprache der Literatur löst und es als Aspekt und Dimension der Sprache selbst begreift. Wie sich der Begriff unter einer solchen Perspektive konkretisieren kann, hat Dobstadt (2010) aufgezeigt.

Jahren nachhaltig verändert und geprägt hat, wird bereits im Titel des 2006 er-schienenen programmatischen Artikels From Communicative Competence to Symbolic Competence deutlich, in dem Claire Kramsch den Begriff erstmals in die Diskussion eingeführt hat. Das Konzept der kommunikativen Kompetenz und dessen Ent-wicklung in den letzten 25 Jahren unterzieht sie dabei einer kritischen Revision:

Ihre Kritik gilt zum einen der Entwicklung kommunikativer Kompetenz von ei-nem sich selbst als demokratisch verstehenden, emanzipatorischen Konzept hin zu einem Konzept, das (fremd-)sprachliche Kompetenz ausschließlich im Zeichen von Effektivität und Messbarkeit bestimmt und letztlich ökonomischen Prämissen folgt. Zum anderen sieht sie aber auch Anlass zu einer grundlegenden Revision des Sprach- und Kommunikationsbegriffes, der hinter dem Konzept der kommunika-tiven Kompetenz steht. Medialisierung und Globalisierung, die Alltäglichkeit multi-lingualer und multikultureller Biographien und das zunehmend kritische Bewusst-sein gegenüber homogenisierenden Konzepten von Kultur und Nation bilden den Hintergrund ihrer Überlegungen: Sie lassen zum einen die dem Konzept der kommunikativen Kompetenz zugrunde liegende Vorstellung homogener sozio-kultureller Gruppen, die durch ein einheitliches Kommunikationsverhalten und ein gemeinsames Kontextwissen bestimmt sein könnten, obsolet erscheinen und mit ihm die Vorstellung eines in sich geschlossenen Systems kultureller Sinnbildung.

Vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher Realitäten und komplizierterer Kommunikationsbedingungen verliert zum anderen die dem kommunikativen Ansatz inhärente optimistische Sicht individueller kommunikativer Handlungs-macht zunehmend an Überzeugungskraft; und mit ihr die Auffassung, dass das Subjekt grundsätzlich Herr seiner sprachlichen Handlungen ist, wenn man ihm nur die nötigen sprachlichen Mittel an die Hand gibt.

Dagegen setzt Kramsch ein komplexeres Konzept sprachlicher Bedeutungsbil-dung, das von der grundlegenden semantischen Nicht-Identität von sprachlichen Zeichen und damit von einer fortgesetzten Verschiebung von Sinn ausgeht, da die Resonanzen des Sprechens im Subjekt als grundlegend offen gedacht werden:

In teaching German, it is important to remember that the meanings ex-pressed in the German language only exist in relation to other meanings, constructed in other codes in other places at other times (Kramsch; Huff-master 2008: 296).

Seine erkenntnistheoretische Basis hat dieser – wie Kramsch in einer Reihe von weiteren Publikationen deutlich macht (Kramsch; Whiteside 2008, Kramsch;

Huffmaster 2008, Kramsch 2009) – vor allem in der poststrukturalistischen Sprachphilosophie Derridas und deren Weiterentwicklung bei Judith Butler und in den erkenntniskritischen Prämissen der Kulturwissenschaft in der Nachfolge Foucaults. Als weitere prägende Konzepte nennt sie die language ecology und die linguistische Komplexitätstheorie, die vor allem in der angewandten Linguistik im anglophonen Bereich diskutiert werden.

Wenn Bedeutungen nicht als fest gedacht werden, sind sie als solche letztlich auch nicht vermittelbar; die Aufgabe eines zeitgemäßen Fremdsprachenunterrichts kann sich dementsprechend auch nicht in der Vermittlung von (semantischem) Wissen und dem Wissen darum, wie dieses zu kommunizieren wäre, erschöpfen: „Today it is not sufficient for learners to know how to communicate meanings; they have to understand the practice of meaning making itself.“ (Kramsch 2006: 251). Symboli-sche Kompetenz wird dabei als Metakompetenz bestimmt („In this sense symbolic competence is the quintessential metacompetence of our postmodern times“

(Kramsch 2009: 114)); sie bildet ein komplexes Cluster symbolischer Fähigkeiten („symbolic abilities“), das sowohl reflexive als auch produktive bzw. sprachkreative Komponenten umfasst:

awareness of the symbolic values of words, ability to find the most appro-priate subject position, ability to grasp the larger social and historical signifi-cance of events and to understand the cultural memories evoked by symbol-ic systems, ability to perform and create alternative realities by reframing the issues (Kramsch 2009: 113).

Mit einer solchen explizit sprachbezogenen Bestimmung grenzt Kramsch ihr Kon-zept der symbolischen Kompetenz auch vom KonKon-zept interkultureller Kompetenz ab, das durch den Fokus auf die Akzeptanz fremder Werte und Überzeugungen primär moralisch ausgerichtet und damit als additiv zu den sprachbezogenen Kompetenzen im engeren Sinne konzipiert ist (vgl. hierzu ebd.: 118f.).

Der Argumentationszusammenhang, in dem das Konzept der symbolischen Kompetenz steht, bildet die Frage nach zeitgemäßen Konzepten für den Fremd-sprachenunterricht und nicht die Frage nach der Rolle der Literatur in ihm – sym-bolische Kompetenz wird dementsprechend auch nicht als eine genuin literarische Kompetenz bestimmt. Allerdings schreibt Kramsch der Literatur ein besonderes Potential für die Ausbildung symbolischer Kompetenz zu: „Through literature, they [learners] can learn the full meaning making potential of language.“ (Kramsch 2006: 251). Durch sie können zentrale Komponenten symbolischer Kompetenz, die Kramsch mit den Begriffen „production of complexity“, „tolerance of ambi-guity“ und „appreciation of form as meaning“ (Kramsch 2006: 251) bestimmt, gefördert werden. Dass Kramsch die Rolle der Literatur für die Ausbildung sym-bolischer Kompetenz hervorhebt, ist insofern naheliegend, als Kramsch ihr Kon-zept im Zusammenhang der Diskussion um Rolle und Zielsetzungen des Fremd-sprachenunterrichts an US-amerikanischen Colleges entwickelt, in denen Literatur traditionell eine weitaus größere Rolle spielt als im außeruniversitären Fremdspra-chenunterricht in der Erwachsenenbildung. Ihr hoher Stellenwert liegt jedoch nicht in ihrer institutionellen Bedeutung, sondern primär in ihrer besonderen Affinität zum Symbolischen begründet: Durch die Arbeit mit ihr können – so die These – Lernende in besonderer Weise für Mehrdeutigkeit, sprachliche Ambiguität und die symbolische Form, durch die Bedeutung konstituiert und vermittelt wird, sensibili-siert werden (vgl. Kramsch 2006 und 2011: 40).

An das Konzept der symbolic competence lassen sich eine Reihe von Fragen richten:

(1) So bleibt in den Ausführungen von Kramsch ein Stück weit in der Schwebe, wie sich symbolische Kompetenz und kommunikative Kompetenz zueinander verhalten. Handelt es sich bei der symbolischen Kompetenz um eine Fähigkeit, die die kommunikative Kompetenz auf einer höheren Ebene ergänzt und bereichert, wie z.B. das folgende Zitat nahe legt:

Symbolic competence does not do away with the ability to express, interpret and negotiate meanings in dialogue with others, but enriches it and embeds it into the ability to produce and exchange symbolic goods in the complex global context in which we live today (Kramsch 2006: 251)?

Oder bilden kommunikative und symbolische Kompetenz – wie der Titel des Auf-satzes From communicative competence to symbolic competence ja auch nahelegen könnte – Gegenbegriffe? Hierfür spricht, dass die Sprachbegriffe, die beiden Konzepten zugrunde liegen, sich zwar aufeinander beziehen, sich aber letztlich grundlegend voneinander unterscheiden. Geht es – so wäre zu fragen – um eine grundlegende Kritik bestehender Konzepte des Fremdsprachenunterrichts bzw. um einen grund-legenden Paradigmenwechsel oder um die additive Ergänzung bzw. um eine weite-re Zielsetzung? Oder handelt es sich um Konzepte, die jeweils in unterschiedlichen Phasen des Fremdsprachenunterrichts bzw. in unterschiedlichen institutionellen Zusammenhängen relevant bzw. für den Fremdsprachenerwerb funktional sind?

(2) Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit symbolische Kompetenz vermittelt und getestet werden kann – eine Frage, die Kramsch in ihrem Artikel Discourse, the symbolic dimension of Intercultural Competence auch selbst explizit diskutiert hat, wobei sie zumindest in Bezug auf ihre Testbarkeit zu der klaren Schlussfolgerung kommt:

Trying to test symbolic competence with the structuralist tools employed by schools and businesses is bound to miss the mark. Instead, symbolic compe-tence should be seen as the educational horizon against we measure all learners achievements (Kramsch 2009: 118).

Um angesichts der aktuellen Dominanz positivistischer Testverfahren in Fremd-sprachenzusammenhängen, die das zu Lehrende und zu Lernende vorab der Selek-tion seiner Testbarkeit unterziehen, der Dimension des Symbolischen im Fremd-sprachenunterricht einen entsprechenden Raum zu geben, muss – so die Schluss-folgerung – die politische Natur des Testens selbst, bzw. die Sprachideologie, die ihm zugrunde liegt, offen gelegt und damit auch kritisierbar gemacht werden: „We should then measure what can legitimately be measured and refuse to measure the rest, even though it is essential that we teach it“ (ebd.: 116). Aber wenn symbolic competence von Kramsch hiermit für den Fremdsprachenunterricht als ebenso essen-tiell wie nicht operationalisierbar ausgewiesen ist, dann stellt sich schließlich (3) die praktisch-politische Frage, wie dieses fremdsprachendidaktische Kompetenzziel – oder vielleicht besser: dieser Zielhorizont fremdsprachlichen Lehrens und Lernens – in den aktuellen fremdsprachendidaktischen Konzepten, Curricula, Lehr- und

Lernmaterialien abgebildet und verankert werden kann, insofern diese zumindest bzgl. der Operationalisierbarkeit einer konträren Logik folgen; und dafür ebenfalls den Kompetenzbegriff in Anspruch nehmen.