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Projekt: Podcasten – auf Deutsch!?

Migrationsliteratur hören, sprechen und erleben – Hörspielproduktion im DaF-Unterricht

3 Projekt: Podcasten – auf Deutsch!?

Das hier vorzustellende Projekt mit dem Titel Podcasten – auf Deutsch!? wurde von mir in der Factultad de Estudios Superiores Acatlán (FES)/Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) mit einer kleinen Gruppe von Studierenden fach-fremder Studiengänge durchgeführt, deren Deutschkenntnisse zwischen B1 und B2 variierten. Der Kurs ergänzte von Februar bis Mai 2013 bei einer Dauer von 120 Minuten pro Woche den jeweiligen Deutschkurs der Lernenden. Das überge-ordnete Thema des Projektunterrichts waren die kulturellen Differenzen zwischen Deutschland und Mexiko. Die Lernenden sollten bis zum Ende des Kurses in Gruppen jeweils eine Audioaufnahme zu diesem Thema anfertigen, die dann in Serie mit den anderen Kursproduktionen als Podcast ins Internet eingestellt

1 Die Rezeptionsästhetik versteht das literarische Werk als „Produkt einer Interaktion von Text und Leser“ (Iser 1994: 229).

2 Beim Hörspiel handelt es sich laut Wermke um eine Form des Hörbuchs, bei der die Einbindung von Klängen und Geräuschen konstitutiv ist (vgl. Wermke 2004: 53).

den. Ausgangspunkt für die Annäherung an das für die Lernenden sehr interessan-te Thema der kulturellen Differenzen war die Erzählung Rafik Schamis Eine deut-sche Leidenschaft namens Nudelsalat (Schami 2011), die der Migrationsliteratur3 zuzu-ordnen ist. Die Lernenden erfassten zunächst den Inhalt, anschließend auch den Aufbau des Textes. In einem weiteren Schritt wurde darüber diskutiert, inwiefern ähnliche kulturelle Differenzen bezüglich der Pünktlichkeit, der Gastfreundschaft und der Esskultur auch in deutsch-mexikanischen Begegnungen denkbar wären.

Nach einigen vorbereitenden Sprechübungen erfolgte zunächst die Vertonung des Erzähltextes von Rafik Schami durch die Lernenden im Sinne eines Hörbuchs als Lesung4. In einer anschließenden Reflexionsphase wurde im Gruppengespräch einerseits kritisch erläutert, inwieweit sich diese Erzählung in ihrer Originalform für eine Vertonung eignet. Zum anderen wurde diskutiert, welche Veränderungen bzw. Ergänzungen man vornehmen müsse, um ein mögliches Hörspiel zu gestal-ten. Dabei wurde in Bezug auf Ersteres die Variation des Textes durch Einbindung von Dialogen mit unterschiedlichen Sprechern/-innen und die Stimmmodulation hingewiesen. In Bezug auf die Hörspielproduktion tauschten die Lernenden Ideen zur Gestaltung mit Geräuschen und Musik aus. Dadurch wurden sie für die Unter-schiede zwischen Hörbuch als Lesung und Hörspiel sowie deren Gestaltungsfor-men sensibilisiert. Zur Verdeutlichung dieser Unterschiede besteht die Möglichkeit, dass die Lernenden nun einen Teil der Erzählung als Hörspiel aufnehmen.5

In Erweiterung des Themas recherchierten die Lernenden weitere Beispiele für kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Mexiko und präsentierten diese im Kurs. Dabei griffen einige Lernende auch auf Erfahrungen zurück, die sie per-sönlich in Deutschland gemacht hatten. Anschließend entschieden sich die Grup-pen für ein gemeinsames Hörspielthema und entwickelten dazu ein Manuskript.

Dieses kann man als Paralleltext bezeichnen, da es in der Struktur und dem Aufbau der Erzählung von Rafik Schami glich. Nach Fertigstellung des Manuskripts richte-te sich die Aufmerksamkeit des Kurses erneut auf die Differenzen zwischen einem schriftlichen Text und seiner Vertonung als Hörbuch. Auch im Rückgriff auf die Erfahrungen der ersten Textaufnahme wurden konkrete Möglichkeiten bespro-chen, welche Gestaltungsmittel für die Produktion eines Hörbuchs als Lesung bzw.

eines Hörspiels einzusetzen wären. Im nächsten Schritt arbeiteten die Lernenden

3 Rösch definiert Migrationsliteratur mit Biondi als Literatur, die „die Fremde als literarischen Ort zu gestalten sucht“ (Rösch 2000: 376) Dabei bewegt sie sich zwischen zwei oder mehreren Kulturen, Sprachen oder Zeiten (vgl. ebd.: 367f.).

4 Laut Frederking besteht noch keine systematische fachwissenschaftliche Aufarbeitung für das breite Begriffsspektrum zwischen Hörtext, Hörspiel und Hörbuch (vgl. Frederking; Krommer; Maiwald 2012: 106). Jedoch ist gegenwärtig auch in der Fachwissenschaft eine Tendenz zur Favorisierung des Begriffs Hörbuch zu beobachten. Dieser wird als Oberbegriff für alle „akustisch-auditiven Speicherun-gen von stimmlichen sprachlichen ÄußerunSpeicherun-gen“ (ebd.: 106) verwendet. Im vorlieSpeicherun-genden Aufsatz wird jedoch im Sinne einer Präzisierung mit Wermke zwischen einem Hörbuch als Lesung, d.h. mit Be-schränkung auf die Stimme des Lesers, und einem Hörbuch als Hörspiel, d.h. mit dem konstitutiven Charakter von Geräuschen und Stimmen, unterschieden (vgl. Wermke 2004: 53).

5 Leider war es aufgrund der begrenzten Projektzeit nicht möglich, mit den Lernenden diese Übung durchzuführen.

ihre Texte, den Spezifika des Hörspiels entsprechend, um. Die anschließende Kor-rektur aller Fehler im Hörspielmanuskript durch die Lehrende erfolgte in enger Absprache mit den Lernenden. Im Folgenden übten die Lernenden in verteilten Rollen die Dialoge. Sie ergänzten weitere Details in der Stimmmodulation und Pausen. Schließlich wurde das Manuskript mit dem kostenlosen Programm Audacity6 aufgenommen (vgl. Steinmann 2012: 253, Blumensath 2004: 36). Die entstandene Audiodatei wurde anschließend mit Geräuschen und Musik unterlegt.

Die letzte Aufgabe bestand dann in der Didaktisierung der eigenen Hörspiele für andere Lernende. Die fertigen Audiodateien wurden später mit den entsprechen-den Stichwörtern versehen und als Podcasts im Internet eingestellt.7

Mit diesem komplexen Projekt verbanden sich verschiedene Zielsetzungen:

1. Die Lernenden setzten sich produktiv mit einem Thema der Migrationsliteratur auseinander. Sie vertieften dabei ihr Wissen über kulturelle Differenzen. Außerdem konnten sie ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen über Deutschland und Me-xiko einbringen.

2. Die Lernenden bekamen einen Einblick in den Aufbau und die Stilistik schriftli-cher Texte. Vergleichend lernten sie mögliche Gestaltungsmittel für die Vertonung eines literarischen Ausgangstextes als Hörbuch als Lesung bzw. Hörspiel kennen.

Diese gestalterischen Mittel wendeten sie kreativ auf die eigene Hörspielprodukti-on an.

3. Vor und während des Aufnahmeprozesses trainierten die Lernenden ihre Aus-sprache im segmentalen sowie suprasegmentalen Bereich.

4. Die Lernenden übten integrativ alle vier Fertigkeitsbereiche.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass dasselbe Projekt mit geringfügi-gen Veränderungeringfügi-gen auch auf andere Themenebereiche problemlos übertrageringfügi-gen werden kann. Der Einbezug von Migrationsliteratur bot sich jedoch besonders an, um die interkulturelle Kompetenz zu schulen (vgl. Tütken 2006: 54, Rösch 2000:

386). Sowohl Themen wie kulturell fremde Welten und Kulturkontakte (vgl. Ehlers 2010: 1536) als auch die spezifische Sprache der Migrationsliteratur (vgl. Rösch 2000: 377), sprechen DaF-Lernende emotional an und motivieren sie zur eigenen Textproduktion (vgl. Tütken 2006: 54). Der Erzähltext von Rafik Schami ist in seinem Umfang und seinen Anforderungen für das Sprachlernniveau B1/B2 ge-eignet. Mit der nötigen Vorentlastung der Lexik konnten die Lernenden den Text überwiegend selbstständig erfassen. Die Darstellung von Stereotypen, aber auch die ironische Reflexion des Autors über die eigene und die fremde Kultur bieten

6 Den kostenlosen Download finden Sie online unter: http://audacity.sourceforge.net/, (Stand:

03.10.13).

7 In der Podcast-Suchmaschine www.podster.de findet man nach Eingabe des Stichwortes „Mexiko“

den Podcast http://podcasting2013.podspot.de. Der Direktlink ist http://podster.de/view/13788, (Stand: 04.10.13).

vielfältige Anlässe für anschließende Gespräche. Die Erzählung regte die Lernen-den zudem an, vergleichend über eigene kulturelle Besonderheiten und Stereoty-pen zu reflektieren (vgl. Rösch 2000: 386). Der Text von Rafik Schami eignet sich also unter dem Blickwinkel der emotionalen Beteiligung der Lernenden auf beson-dere Weise, um in das Thema der kulturellen Differenzen einzusteigen.