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Die Farbe Blau: Literatur und Kunst im DaF-Unterricht

Die Farbe Blau: Literatur und Kunst im

Robinson-Themas in Literatur und Film. Diese Aktualität wird immer wieder bestätigt, z.B. in dem von Ada Bieber und anderen 2009 herausgegebenen Band Angeschwemmt – Fortgeschrieben. Robinsonaden im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. Nützlich und not-wendig für die Zielgruppe ist auch die Erweiterung ihrer Kompetenzen im Hör-verständnis und in der mündlichen Produktion: das Verstehen von Vorträgen und die aktive Teilnahme an akademischen Diskussionen in der Fremdsprache. Auch das Verfassen schriftlicher Texte über Themen ihres Faches sollte intensiv geübt werden: Zusammenfassungen, Referate, Essays, Seminararbeiten. Diese Fertigkei-ten werden selFertigkei-ten systematisch in den Unterricht einbezogen. Diese Zielgruppen sollten also mit Texten umgehen können, die sich nicht auf Alltagssituationen und auf den Vorrang des Mündlichen beschränken. Auf diesem Niveau, etwa von B2 bis C2 und in der Lehreraus- und -fortbildung sind auch solide Kenntnisse der deutschen Grammatik nötig, nicht nur in der Morphologie, in der Wortbildung und Phraseologie, sondern vor allem auch in der Syntax, der Textlinguistik und Pragmatik. Solche Kompetenzen erwirbt man im Umgang mit anspruchsvollen Texten und Themen, die landeskundliche, literarische oder andere kulturelle Inhal-te und Traditionen behandeln. Es geht also nicht nur um die Frage, was bringt ein Thema für die alltägliche Unterrichts-Praxis, die um das Alltagsleben kreist, son-dern es geht auch darum, kulturelles, ästhetisches, historisches und gesellschaftli-ches Wissen zu vermitteln.

Anspruchsvoll klingt elitär, aber so ist diese Argumentation nicht gemeint. Von Studierenden der Germanistik, von Personen, die den Deutschlehrerberuf wählen, kann man erwarten, dass ihr sprachliches und kulturelles Interesse weiter geht als bis Stufe B1. Man sollte sie fordern und ihnen etwas bieten, was sie weiterbringt.

Man soll Studierende nicht überfordern, ist ein weitverbreitetes Credo. Aber: Wa-rum soll die künftige Elite eines Landes nicht gefordert, ja manchmal überfordert werden?

Es ist ein wenig wie mit Fernsehprogrammen. Das Fernsehen interessiert sich heute vor allem fürs Rating, d.h., was wollen die Leute sehen, was macht Spaß, was bringt die größten Einschaltquoten? Im Januar 2013 sagte der frühere Fernsehre-dakteur Martin Wiebel in einem Interview mit dem Wochenblatt DIE ZEIT, man solle nicht dem Zuschauer hinterherlaufen und ihn abholen, wo er steht. Sondern man könne ihn dazu bringen, sich für etwas anderes zu interessieren.

Anspruch galt nicht als etwas Schreckliches. Sondern als etwas Richtiges.

Man soll den Menschen ein Angebot machen. Sie müssen es nicht anneh-men. Aber wenn sie es annehmen, haben sie etwas davon (Richter 2013: 3).

Dieser Beitrag ist ein Vorschlag, sich mit einem Thema zu befassen, das ästhetisch, künstlerisch, physikalisch, literaturhistorisch, linguistisch und unter komparatisti-schen Gesichtspunkten eine überrakomparatisti-schend große Rolle spielt. Anhand des Beispiels Die Farbe Blau möchte ich zeigen, wie ein solches Thema Ausgangspunkt sein kann für eine interdisziplinär und interkulturell ausgerichtete Unterrichtsreihe Literatur und Kunst im Fach Deutsch als Fremdsprache.

Es ist zu begrüßen, dass die Organisatorinnen und Organisatoren des internationa-len Kongresses Ästhetisches Lernen im DaF-Unterricht. Musik – Kunst – Film – Theater – Literatur ein Thema gewählt haben, das sich mit kulturellen Bereichen im Sprach-unterricht beschäftigt und zu dem sich Referentinnen und Referenten mit anre-genden Vorträgen und Workshops angemeldet haben. Einige ästhetische Bereiche, wie z.B. die Literatur und das Theater, sind mehr vom Rückgang betroffen als z.B.

der Film oder die Musik – es kommt nur darauf an, welche Art von Film (z.B. Bleu von Kieslowski aus der Trilogie Trois couleurs oder Der blaue Engel, Josef Sternbergs Verfilmung von Heinrich Manns Professor Unrat) und welche Art von Musik man meint. Sicher nicht in erster Linie die Oper und die klassische Musik. Und es kommt auch darauf an, von welcher Art von Kunst oder Literatur man spricht:

von den Brüdern Grimm und/oder Walt Disney, von Thomas Mann oder von Agatha Christie (z.B. The Mystery of the Blue Train) oder von Asterix, von Das Leben der Anderen oder von La Tetona Mendoza y el Santos, von dem blauhäutigen Globi in seiner Schweizer Welt, die manchmal von Schiller inspiriert ist; oder von den blau-en Schlümpfblau-en in ihrer Zwergblau-enwelt, an der sich trefflich deutsche Phonetik übblau-en lässt: der Schlumpf, die Schlümpfe; der hundertste Schlumpf; Das Zauberei und die Schlümpfe.

Will man von Dürer oder von Georg Baselitz sprechen, von einer Maria im blauen Mantel oder von René Magrittes Blauer Vogel (1962), von Paul Klees Blaue Blume (1939), von Franz Marcs Blaue Pferde (1911/1913) oder von Pablo Picassos Blauer Periode und Elvira Bachs blauem Frauenbildnis Ohne Titel (1987)?

2 Das Wort blau in der deutschen Sprache

Die Farben gehören zum Grundwortschatz jeder Sprache. Da macht das Deutsche keine Ausnahme, und unter den Farben ist blau eine der beliebtesten. Blau die himm-lische Farbe ist der Titel eines Bandes der Insel-Bücherei (2001), der u.a. Texte von Goethe, Mörike, Rilke, Trakl, Hesse, Benn, Bachmann und Celan enthält, sowie u.a. Bilder von Marc, Magritte, Klee, Picasso. Gabriele Pommerin-Götze gab ihrem Schreibprojekt „Poetisches Spiel mit der ‚schönsten aller Farben‘“ (2006: 3) den Titel Neruda Blau (2006), angeregt von Nerudas Gedichtband Libro de las preguntas.

Das Thema der Farbe Blau ist fast so unendlich wie der uns blau erscheinende Äther und das blaue Meer: In seinem PoeMar besingt Fernando del Paso das Blau des Meeres, „la azuleidad del mar“ (2004: 176). Heinrich von Ofterdingen macht sich in Novalis’ gleichnamigem Roman auf die Suche nach der blauen Blume;

Rubén Darío wurde berühmt mit seinem Band Azul (1888), ebenso wie Stéphane Mallarmé mit seiner Beschwörung des ewigen Blau: „Je suis hanté. L’Azur! L’Azur!

L’Azur! L’Azur!“ (Mallarmé 1945: 39)

Wenn es um die Farbe Blau geht, kommen viele Dichter ins Schwärmen.

Mallarmé fühlt sich „hanté“ (Mallarmé 1945: 39), also verzaubert, besessen von dieser Farbe, von diesem Seelenzustand. Der Schweizer Dichter des 19.

Jahrhun-derts, Conrad Ferdinand Meyer, empfindet religiösen Schauer, wenn er in seinem Gedicht Heilige Bläue schreibt:

O du heil’ge Bläue, Immer freut aufs neue Mich der stille Glanz.

Abgrund ohne Ende!

Himmlisches Gelände, Seele, tauche unter ganz!

Aber nicht nur die Poesie, auch die Alltagssprache kennt viele Wendungen, die schon für Deutschlernende in der Grundstufe interessant und nützlich sein kön-nen (für spanischsprachige Lerkön-nende vgl. Balzer u.a. 2010).

Sich ein Bier bestellen können, gehört zu den Grundfertigkeiten eines globali-sierten Touristen. Aber es ist auch nützlich, ausdrücken zu können, wie man sich danach eventuell fühlt: ich bin blau, ich war mal wieder blau, oder gar kornblumenblau, vielleicht auch veilchenblau; blau wie ein Veilchen ist durch die Metapher schon wieder poetisch, wie so viele Wendungen der Umgangssprache. Aber blaue Jungs sind keine betrunkenen Jungs, sondern Seeleute, Matrosen; die können allerdings auch mal betrunken sein.

Sein blaues Wunder erleben kann auf die aus der deutschen Mythologie stammende Blaue Wunderblume zurückgehen, von der auch Novalis’ blaue Blume inspiriert ist;

blauen Dunst machen, bedeutet, jemandem etwas vormachen, etwas vorlügen;

wenn jemand blauäugig ist, ist er oder sie naiv und harmlos; wenn sich jemand grün und blau ärgert, ist er fuchsteufelswild.

Wird jemand grün und blau geschlagen, hat er hinterher sicher blaue Flecken und womöglich auch ein blaues Auge und muss mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren werden – vielleicht war er ja zu vertrauensvoll, zu blauäugig, als er sich in eine zwie-lichtige Gesellschaft begeben hat. Es kann aber noch wesentlich schlimmer kom-men, wenn einem blaue Bohnen um die Ohren fliegen.

Eine Fahrt ins Blaue ist eine Fahrt ohne festes Ziel; blau machen bedeutet, sich ei-nen Tag frei nehmen, nicht arbeiten; ein Blaustrumpf war bis ins 20. Jahrhundert hinein ein unerfahrenes Mädchen, sagte man aber auch von einer emanzipierten und etwas spröden Frau. Die blaue Stunde ist die Stunde zwischen Tag, Dämmerung und Traum.

Eine lexikalische Einheit über die Farbe Blau in der Sprache kann den lehr-buchfixierten Unterricht etwas auflockern und kann auch weiterführen in die Lite-ratur und in die Kunstbetrachtung. Eine solche Unterrichtseinheit kann beispiels-weise anhand des folgenden Textes aufbereitet werden.

In ihren Assoziationen in Blau schrieb Christa Wolf (2003), unter anderem:

Blau, blau, blau sind alle meine Kleider. Blau ist die Farbe der Treue [....] Rot und Blau schmückt die Sau und dem Kasper seine Frau. Er macht gerne mal

blau. Heute blau und morgen blau, und übermorgen wieder. Blauer Montag (Wolf 2003: 25).

Christa Wolfs Text enthält an die 80 phraseologische Ausdrücke im semantischen Feld des Wortes blau und kann auszugsweise zur Erweiterung des Wortschatzes, des Gebrauchs von Redewendungen und zur Entdeckung von Zitaten und inter-textuellen Bezügen innerhalb der literarischen Tradition der deutschsprachigen Länder dienen. So kann die Farbe Blau ein Ausgangspunkt sein zur Erweiterung des Wortschatzes und der Redewendungen im Deutschen. Das gilt natürlich auch für alle anderen Farben und für eine große Anzahl von Wörtern und Begriffen, von denen aus sich große lexikalische und semantische Felder erschließen lassen.