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Supply Chain Design mit deterministischen Modellen

Im Dokument Supply Chain Design (Seite 63-68)

3 Quantitative Planungsunterstützung im Supply Chain Design 3.1 Grundlagen quantitativer Planungsunterstützung

3.2 Supply Chain Design unter Sicherheit

3.2.1 Supply Chain Design mit deterministischen Modellen

In diesem Abschnitt werden mathematische Modelle zur Unterstützung des Supply Chain Design vorgestellt. In einem ersten Schritt wird von einer Entscheidungssitu-ation unter Sicherheit ausgegangen, d. h. der Entscheider kennt im Vorhinein die für das Entscheidungsproblem relevanten Bestandteile des Umweltzustandes, wie etwa die zukünftige Nachfrage nach verschiedenen Produkten in den verschiedenen Perioden.35 Für die entsprechenden mathematischen Modelle bedeutet dies, dass alle Parameter der Zielfunktion und der Restriktionen als bekannt vorausgesetzt werden. Es handelt sich infolgedessen um deterministische Modelle. 36

Wie in Abschnitt 2.2. l dargestellt, enthält das Supply Chain Design Elemente des Production-Distribution System Design, so dass im Folgenden auch einige grundle-gende Modelle zur Festlegung der Konfiguration von Produktions- und Distributions-netzwerken vorgestellt werden. Dem Supply Chain Design werden jedoch im Hinblick auf die im Folgenden zu analysierenden Modelle lediglich Ansätze zugeordnet, die mindestens zweistufig sind, d. h. beispielsweise die drei Ebenen Zulieferer, Produk-tionsstätten und Kunden betrachten. Da das Supply Chain Design auf Grund des lang-fristigen Planungshorizonts einen strategischen Charakter hat, wird des Weiteren gefordert, dass die Standortplanung Bestandteil des Supply Chain Design ist, um diese als strategische Modelle von den Modellen zum taktischen Supply Chain Planning abzugrenzen. 37

Einen Ansatz zum Produktions- und Distributionsdesign in Form eines gemischt-ganz-zahligen linearen Modells stellen Kaufman, Vanden Eede und Hansen bereits 1977 vor.38 Bei diesem auf dem Simple Plant Location-Modell39 beruhenden Ansatz werden

35 Vgl. zu verschiedenen Entscheidungssituationen etwa Bamberg/Coenenberg (2002), S. 15ff.

36 Vgl. etwa Domscbke/Drexl (2005), S. 6.

37 Vgl. etwa Fleischmann/Meyr/Wagner (2002), S. 77ff. sowie Abschnitt 2.1.2.

38 Vgl. Kaufman/V anden Eede/Hansen ( 1977).

39 Zum Simple Plant Location-Modell und weiteren Standortplanungsmodellen vgl. etwa Domschke/Drexl ( 1996), S. 51 ff. sowie Hale/Moberg (2003) und die dort angegebene Literatur.

die Standorte der Produktionsstätten und der Lager sowie die Transporte zwischen die-sen und den Kunden geplant. Interessant ist an diesem Ansatz, dass die Entschei-dungsvariable X;jc den Anteil an der gesamten Nachfrage des Kunden c angibt, der von Produktionsstandort i über Lager j zu dem Kunden c transportiert wird. Für die Stand-ortentscheidungen der Produktionsstätten und Lager werden die Binärvariablen yp;

bzw. yli verwendet. Die Zielsetzung umfasst die Minimierung der gesamten fixen Kosten für die Produktionsstandorte FEKP; und Lager FEKLi und die variablen Kosten des Materialflusses VKijc, die anfallen, wenn die gesamte Nachfrage des Kunden c an Standort i produziert und über Lager j zu Kunde c transportiert wird. Bei den Restrik-tionen wird die vollständige Erfüllung der Nachfrage (3.2) gefordert, die Kapazitäten der Produktionsstandorte und Lager bleiben jedoch unberücksichtigt. In der nachfol-gend dargestellten Modellierung zeigt sich, dass die absolute Höhe der Nachfrage der Kunden nicht in das Modell eingeht. Dies ist jedoch ausschließlich dann möglich, sofern eine Berücksichtigung von Kapazitäten nicht erforderlich ist.

I J I J C

Min '°FEKP ~ 1 •yp. 1 + '°FEKL. •ylL..., J J . + '°'°'°VK. •x~~L..J IJC IJC (3.1)

i=I j=I i=I j=I c=I

I J

s. d. LLXijc =l \:;/c (3.2)

i=I j=I

J

Lxiic ~ YP; '<;fi,c (3.3)

i=I

1

LXijc ~ y]j \:;/j,c (3.4)

i=I

YP; ~ yl; \:;/i (3.5)

YP;, yli E {0,1}, Xijc ;:?: 0 '<;fi,j,c (3.6) Die Restriktionen (3.3) und (3.4) stellen sicher, dass der Materialfluss lediglich die Standorte betrifft, die auch errichtet werden, d. h. bei denen die Binärvariablen yp;

bzw. yli den Wert eins annehmen. Darüber hinaus wird mit Restriktion (3.5) erfasst, dass an jedem Produktionsstandort ebenfalls ein Lager errichtet wird. Der Definitions-bereich der Entscheidungsvariabeln wird in (3.6) festgelegt.

Ein weiteres gemischt-ganzzahliges lineares Modell zur Produktions- und Distribu-tionsplanung, bei welchem der Materialfluss ebenfalls als Anteil an der

Gesamtnach-frage modelliert wird, stellen Hinojosa, Puerto und Femandez vor.40 Die Variable xl~ic gibt den Anteil der Gesamtnachfrage des Kunden c nach Produkt p an, der von Lager j in Periode t erfüllt wird. Im Gegensatz zu dem Modell von Kaufrnan, Vanden Eede und Hansen werden hier der Mehrproduktfall, ein mehrperiodiger Planungshorizont sowie die Kapazitäten der Produktionsstätten und Lager erfasst. Jede Betrachtung des Materialflusses führt zu einer Multiplikation der Entscheidungsvariablen xl~ic mit der Nachfrage des Kunden c nach Produkt p D:.C , beispielsweise veranschaulicht an der folgenden Kapazitätsrestriktion.

p C

""'""'D' . 1~~ pc X 1 pjc _ <KAPylmax. )Lj Y 1 j

p=I c=I v'j,t (3.7)

So wird der in Periode t von Lager j an den Kunden c gelieferte Anteil an der Gesamt-nachfrage xl~ic multipliziert mit der GesamtGesamt-nachfrage dieses Kunden nach diesem Produkt in dieser Periode, um sicherzustellen, dass die Kapazität KAPL\max des Lagers j in der Periode t nicht überschritten wird. Gleichzeitig wird mit dieser Restriktion gewährleistet, dass eine Lagerung in einem Lager nur dann möglich ist, sofern das Lager in dieser Periode betrieben wird und dementsprechend die Binärvariable yl) den Wert eins annimmt.

Als Zielsetzung wird bei diesem Modell von Hinojosa, Puerto und Femandez die Summe der gesamten Transportkosten sowie der Fixkosten aus dem Betrieb der Standorte minimiert.41 Die Kosten für die Eröffnung oder Schließung der Standorte sowie standortspezifische Produktionskosten bleiben unberücksichtigt. Bei den Restriktionen werden die vollständige Befriedigung der Nachfrage, die Einhaltung der Kapazitäten der verschiedenen Standorte sowie Mindestanforderungen an die Anzahl der Standorte erfasst. Bei diesem Ansatz ist insbesondere die Berücksichtigung der Mehrperiodigkeit hervorzuheben. Dabei wird aus Gründen der Planungsstabilität fest-gelegt, dass neu eröffnete Standorte während des Planungshorizonts nicht wieder geschlossen werden können. Falls zu Beginn der Planung existierende Standorte ge-schlossen werden, dürfen diese im Verlauf der Planung nicht wieder eröffnet werden.42 Die weitaus meisten Ansätze, die dem Supply Chain Design zuzuordnen sind, basieren jedoch nicht auf einer Modellierung des Materialflusses als Anteil an der Gesamtnach-frage, sondern auf einer Definition der Entscheidungsvariablen für den Materialfluss xppij, die direkt die Menge des Produktes p angibt, die am Standort i produziert und zu Lager j transportiert wird. Des Weiteren kann eine Binärvariable zsic verwendet

wer-40 Vgl. Hinojosa/Pueno/Fernandez (2000).

41 Vgl. Hinojosa/Pueno/Fernandez(2000).

42 Die Modellierung dieser Besonderheiten mebrperiodiger Modelle wird in Abschnitt 3.4.3 vorgestellt.

den, die den Wert eins annimmt, wenn Kunde c von Lager j beliefert wird. Ein Modell, welches auf einer solchen Definition der Materialflussvariablen beruht, wird von Pooley bei einem Nahrungsmittelhersteller angewandt und kann wie folgt dargestellt werden:43

I J

Min

L

i=l FEKPi · YPi + LFEKLi · j=I yli +

P I J P J C {3.8)

LLLVPKpij ·Xppij + LLLVLKpjc ·ZSjc ·Dpc p=I i=I j=I p=I j=I c=I

p J

S. d. LLXPpij ~ KAPP;max • YPi 'lfi {3.9)

p=I j=I

P C

L L

ZS je · D pc ~ KAPL7ax · yl j 'ltj {3.10) p=I c=I

1 1 J C

LLXPpij = LLZSjc ·Dpc 'ltp (3.11)

i=I j=I j=I c=I

'ltc (3.12)

Vp,i,j,c {3.13)

Die Zielfunktion des Modells {3.8) minimiert die Summe aus variablen und fixen Kos-ten der Standorte, Produkte und Transporte. Als Restriktionen werden die KapazitäKos-ten der Produktionsstandorte KAPPt1ax (3.9) und Lager KAPL'fax {3.10) sowie die voll-ständige Erfüllung der Nachfrage (3.11) und eine Single-Sourcing Bedingung {3.12) für die Zuordnung Kunde zu Lager berücksichtigt. Für diese Single-Sourcing Bedin-gung ist die Binärvariable ZSjc erforderlich, die den Wert eins annimmt, wenn Kunde c von Lager j beliefert wird. Die Multiplikation dieser Binärvariablen mit der Nachfrage Dpc des Kunden c nach Produkt p erlaubt die Erfassung von Lager- und Transportkos-ten je Einheit des Produktes p mit VLl<pic in der Zielfunktion. Entgegen der ursprüng-lichen Modellierung von Pooley44 ist bei mehr als einem festzulegenden Lagerstandort die Restriktion (3.11) wie in (3.11)' zu modellieren, um zu gewährleisten, dass die von einem Produktionsstandort i zu einem Lager j transportierten Mengen tatsächlich den von Lager j zu Kunde c transportierten Mengen entsprechen.

43 Vgl. Pooley(l994).

.. Vgl. Pooley (1994), S. 121, Restriktion (4).

1 C

LXPpij

=

Izsjc ·Dpc Vj,p (3.11)'

i=l c=l

Die Restriktion (3.11) erfasst die zu betrachtenden Produktionsmengen durch die Sum-mation Ober alle Lagerstandorte j im Gegensatz zu Restriktion (3. l l)' auf einer aggre-gierten Ebene. Dies stellt zwar sicher, dass die gesamte zur Nachfragebefriedigung erforderliche Menge produziert wird, nicht jedoch, dass diese Menge der Zuordnung zs;c entsprechend auf die Lager j verteilt wird.

Ein zu dem von Pooley ähnliches Modell stellen Pirkul und Jayaraman vor. 45 Es wer-den ebenfalls die Produktions- und Lagerstandorte geplant, wobei im Gegensatz zu dem Modell von Pooley die Anzahl der zu errichtenden Produktions- und Lagerstand-orte exogen mit ANZP bzw. ANZL vorgegeben durch die folgenden Restriktionen festgelegt ist:

1 J

LYP; = ANZP bzw. LYli = ANZL (3.14)

i=I j=I

In der Zielfunktion werden ebenfalls die Produktions-, Transport- und Errichtungskos-ten der Produktions- und Lagerstandorte minimiert. Ferner wird bei Pooley gefordert, jeden Kunden für alle Produkte nur von einem Lager beliefern zu lassen, wohingegen bei Pirkul und Jayaraman für verschiedene Produkte die Belieferung aus unterschiedli-chen Lagern erlaubt ist. Dafür ist die Binärvariable zs;c durch zsp;c zu ersetzen, die den Wert eins annimmt, sofern Kunde c für Produkt p von Lager j beliefert wird. Des Weiteren ist Restriktion (3.12) durch die folgende Restriktion auszutauschen:

Izspjc J = l

j=I

Vp,c (3.15)

Die Restriktion (3.12) von Pooley hat zur Folge, dass die Lager viele verschiedene Produkte ggf. sogar alle Produkte führen, wohingegen bei Pirkul und Jayaraman pro-duktspezifische Spezialisierungen der Lager ermöglicht werden.

Eine Vielzahl ähnlicher Modelle, die jedoch weitere Spezifikationen beinhalten, kön-nen auf diese Grundstruktur zurückgeführt werden. So haben etwa Jayaraman und Pirkul das bestehende Modell um eine weitere Ebene, die Ebene der Zulieferer erwei-tert. 46 Brown, Graves und Honczarenko berücksichtigen darüber hinaus die Zuordnung von Anlagen zu Produktionsstandorten und damit eine differenziertere

Kapazitätspla-• 5 Vgl. PirkuVJayaraman (1996).

46 Vgl. Jayararnan/Pirlrul (200 I ).

nung.47 Cohen und Lee setzen einen Schwerpunkt auf die Erfassung internationaler Aspekte, wie etwa Wechselkurse, länderspezifische Gewinnsteuersätze und Local Content-Bedingungen.48 Die Forderung der vollständigen Erfüllung der Nachfrage wird bei Yan, Yu und Cheng durch einen Servicelevel a ersetzt, der die mindestens zu erfüllende Nachfrage der Kunden angibt.49 Eine weitere Zielsetzung wird bei Sabri und Beamon in Form einer Satisfizierungszielfunktion für die Flexibilität berücksich-tigt. 50 Dabei wird gefordert, dass die Gesamtflexibilität der Produktionsstätten und Warenverteilzentren, gemessen als Summe der Differenzen aus den vorhandenen Kapazitäten der Standorte und den tatsächlich genutzten Kapazitäten, mindestens einem Werte entsprechen muss. Bei dem in der Literatur viel beachteten Modell von Arntzen et al.51 wird ein mehrperiodiges Modell mit periodenübergreifender Lagerhal-tung vorgestellt, bei welchem die Zielfunktion als gewichtete Summe aus Kosten und Zeit auf Grund der Interpretation des Zielfunktionswertes und die Kompensations-möglichkeit höherer Kosten durch geringere Durchlaufzeiten kritisch zu sehen ist. 52 Eine sehr umfassende Erweiterung dieses vorgestellten Grundmodells ((3.8) - (3.13)) ist bei Fandel und Stammen zu finden, die den Planungshorizont in mehrere Perioden unterteilen, internationale Aspekte berücksichtigen und das Recycling der Produkte erfassen.53

Die Modellierung dieser und weiterer Aspekte wird im Rahmen des in Abschnitt 3.4 entwickelten Modells sowie der anwendungsspezifischen Detaillierungen und Erwei-terungen aufgegriffen. Zunächst werden jedoch diese und einige weitere Modelle hin-sichtlich struktureller und inhaltlicher Charakteristika analysiert.

Im Dokument Supply Chain Design (Seite 63-68)