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Suffizienz, Effizienz und Konsistenz

Im Dokument Nachhaltige Landwirtschaft (Seite 58-61)

7. MAßNAHMEN ZUR UMSETZUNG EINER NACHHALTIGEN

7.1. Suffizienz, Effizienz und Konsistenz

Die verschiedenen Handlungsstrategien zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung bzw.

einer nachhaltigen Landwirtschaft können in zwei bzw. drei grundsätzliche Vorgehensweisen untergliedert werden. Hierbei lassen sich Suffizienz und Effizienz von Produktionsweise und Lebensstil unterscheiden (V. ALVENSLEBEN 1999). Teilweise wird diesen beiden Kriterien noch die sogenannte Konsistenz hinzugefügt (HUBER 1995). Auf dieser Ebene unterscheiden sich die Anforderungen an eine nachhaltige Landwirtschaft nicht von anderen Wirtschaftsbe-reichen.

Suffizienz läßt sich am ehesten als Genügsamkeit und Bescheidenheit übersetzen. Gerade in der Diskussion um unterschiedliche Wachstumstheorien hat dieser Begriff als Nullwachstum bereits in den 70iger Jahren eine große Rolle gespielt, wobei Suffizienz immer mit einem materiellen Verzicht verbunden ist. Nach Huber (1995) versammeln sich bei den Verfechter des Suffizienzanspruches in der Tradition der Rousseauschen Philosophie im wesentlichen Altkonservative und vitalistische Naturromantiker. Es sollen Privilegien abgeschafft oder durch einen freiwilligen Verzicht eingeschränkt werden, um den vorhandenen Wohlstand gleichmäßiger und damit gerechter zu verteilen. Nach dem Kriterium der Effizienz soll mit einem möglichst geringen Aufwand an Energie oder Material eine bestimmte

Produktions-Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte, wird durch eine Steigerung der Effizienz die Ein-schränkung des Verbrauches von begrenzten Ressourcen und eine Verminderung der Um-weltbelastung bei gleicher Leistung angestrebt. Häufig werden Suffizienz und Effizienz als gemeinsame Lösungsformeln zum Erreichen der Nachhaltigkeit angeführt (UBA 1997).

Konsistenz ist im Zusammenhang mit der Diskussion um die Nachhaltigkeit eine Vereinbar-keit, Verträglichkeit oder naturangepaßte Beschaffenheit von Stoff- und Materialströmen an-zusehen. Die Konsistenzstrategie zielt darauf ab, den Massenspielraum von Stoffströmen so zu erhalten oder gar zu erweitern, daß ein zufriedenstellender Verteilungsspielraum an Res-sourcen auch für die gesamte Erdbevölkerung gewonnen wird. Nach Huber (1995) geht es dabei weniger um die Verminderung, sondern vielmehr um die grundsätzliche Änderung vor-handener Stoff- und Materialströme. Diese Aufgabe ist wesentlich umfassender als die bloße Verbesserung der Effizienz. In Teilbereichen kann dadurch eine vollständige Umstellung von Produktionsabläufen entstehen.

Alle drei Handlungsstrategien - Suffizienz, Effizienz und Konsistenz - werden auch im Zu-sammenhang mit der Etablierung nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktionssysteme dis-kutiert. Großen Raum nimmt dabei die Frage des freiwilligen Verzichts, d.h. der Suffizienz ein. Diese, ursprünglich primär auf materielle Werte bezogenen Überlegungen wurden im Rahmen der Beschäftigung mit Umweltfragen auch auf die Ressourcen ausgedehnt (SRU 1994). Häufig finden sich Aussagen, wonach durch ein weniger an Konsum quasi automati-sche auch ein Mehr an Lebensqualität erzielen ließe (z. B. WUPPERTAL INSTITUT 1991). Auch BUSCH-LÜTY (1992) setzt sehr stark auf persönliche Einsicht insbesondere der politisch Han-delnden, quasi eine Ethik auf der Ebene der Entscheidungsträger.

Zusätzlich soll Nachhaltigkeit erreicht werden durch:

• Eine neue Ordnungspolitik orientiert am natürlichen Ordnungsprinzipien der Vielfalt, Gemächlichkeit, Selbstorganisation, Resilienz, Fehlerfreundlichkeit, Lern- und Wand-lungsfähigkeit

• Dezentralisierung, Lebensnähe aller Entscheidungsmöglichkeiten.

• Ökologisierung der Technik und Überwindung der Naturvergessenheit, eine am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

Diese Überlegungen knüpfen eng an Aussagen im Brundtland-Bericht, den weiteren Ausformulierung in der Agenda 21 und den entsprechenden Folgeabkommen an.

In der philosophischen Beschäftigung mit Fragen der Ethik ist die Verantwortung für die nächste oder besser die nächsten Generationen ein etabliertes Konzept, das kaum ernsthaft bestritten werden kann (GEORGE 1990, FREUDENBERGER 1994). Der landwirtschaftliche Be-reich wurde hierbei allerdings meist nur am Rande erwähnt. Ausgelöst durch die Diskussion um die Nutzung von transgenen Pflanzen sowie das Für und Wider von Tiertransporten ist die Bedeutung ethische Überlegungen auch in der Bewertung bestimmter landwirtschaftlicher Produktionsmethoden oder Anbausysteme in den letzten Jahren gestiegen (FERRÉ 1994, MEPHAM 1996). Landwirtschaftliche Ethik spiegelt dabei nach Ansicht von HARTEL (1994) den wachsenden Anspruch einer ganzheitlichen, hollistischen Betrachtung von Produktions-systemen wider, der auch über den engen Bezugsrahmen der natur- oder wirtschaftswissen-schaftllichen Betrachtung hinausgeht. Auch in der Deklaration von Braunschweig aus Anlaß der Tagung „Sustainable Agriculture for Food, Energy and Industry“, kommt der Gedanke des verantwortungsvollen Handels in der Forderung zum Ausdruck, die Anschauungsweise von „I, here and now“ zu „We, everywhere for today and tomorrow“ zu ändern (ANONYM

1997).

Übertragen auf den landwirtschaftlichen Sektor entspricht das Prinzip der Suffizienz z. B.

dem immer wieder proklamierten Verzicht auf einen zu hohen Fleischkonsum. Aus wissen-schaftlicher Sicht ist dieser Anspruch umstritten, da ein verminderter Fleischkonsum in den Industrieländern kaum zu einer verbesserten Versorgung in den Ländern Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas führen würde (V.ALVENSLEBEN 1999). Außerdem belegen eine Reihe empiri-scher Untersuchungen, daß eine breite Rückkehr zu einer Suffizienz-Strategie auf freiwilliger Basis nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung getragen wird. Die Übernahme der Suffizienz als Grundprinzip würde voraussetzten, daß individuelles Handeln zugunsten eines Kollektivnutzens eingeschränkt werden müßte. Eine solche freiwillige Askese entspricht nicht den Erfahrungen der Geschichte. Welch geringer Realitätsinn dieser Forderung zugrunde liegt, belegen die Erfahrungen mit dem real-existierenden Sozialismus. Im Gegenteil: Be-wußte Askese war immer nur Überzeugung und Lebensprinzip von kleinen Gruppen und Minderheiten (V.WEIZSÄCKER 1978, V.ALVENSLEBEN 1999). Nach Ansicht von Huber (1995) ist eine Suffizienzstrategie daher nicht anschluß- und resonanzfähig. Sie bleibt unrealistisch, so lange nicht äußere Krisenbedingungen Suffizienz qua normativer Macht des Faktischen erzwingen. Diese erzwingende Macht selbst spielen zu wollen, liegt jedoch jenseits jeden

Nachhaltigkeit weit über den Bereich der Landwirtschaft hinaus beachtet werden. Es stellt sich dabei die Frage inwieweit Landwirtschaft nachhaltig sein kein, wenn Konsumge-wohnheiten, wie hier der Fleischverzehr als nicht nachhaltig angesehen werden müssen.

Es sollte bei all diesen Überlegungen allerdings nicht verkannt werden, daß durch die beson-deren Produktionsbedingungen im landwirtschaftlichen Bereich, oft eine enge emotionale Verbindung zur Produktionsgrundlage "Boden" existiert. Eine Reihe von Befragung in der USA belegen, daß Verantwortung für den Boden, Gesundheit der Familie und der Wunsch einen landwirtschaftlichen Betrieb auch für zukünftige Generation zu erhalten, durchaus wichtige Motivationen für die Anwendung oder den Verzicht auf bestimmter Produktionswei-sen sein können (zitiert bei PADGITT und PETRZELKA 1994). Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit der Landwirtschaft deuten diese Ergebnisse auf eine veränderte Einstellung der Betriebsleiter aufgrund bestimmter Wertvorstellungen. Im wirtschaftlichen Bereich kann die Übernahme ökologischer Produktionsweisen darüber hinaus auch ein wichtiges Verkaufs-argument sein (UBA 1997). Ein Sachverhalt, der in der Landwirtschaft bislang sicherlich noch nicht vollständig ausgeschöpft worden ist (BLÄTTEL-MINK 1997).

Das Konzept der konsistenten Stoffströme ist im Brundtland-Bericht mehrfach als wichtiger Beitrag zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung genannt (WCED 1987). Das Prinzip der Konsistenz deckt sich für den industriellen Bereich mit den Zielen und Prinzipien des vor-sorgenden integrierten Umweltschutzes. Auch im landwirtschaftlichen Bereich entspricht das Konsistenzkriterium stark den idealen Integrierter Anbausysteme. Um eine Verbesserung der Konsistenz zu erreichen, sind allerdings beträchtliche Anstrengungen in Wissenschaft, For-schung und Transfer der jeweiligen Maßnahmen notwendig. Da für eine solche Anstrengung auch eine ausreichende Stabilität in Verwaltung und politischen System vorhanden sein muß, ist die Verbesserung der Konsistenz eher von den Industrienation zu erwarten (HUBER 1995).

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